29. Alles findet seinen Platz

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Ich war sprachlos. Mir war nicht klar gewesen, wie viel Zärtlichkeit in Nathan Kurt stecken konnte. Jedes Wort hatte er mit Sorgfalt ausgewählt und mit Vorsicht ausgesprochen. Wer weiß, wie lange er sich Gedanken gemacht hatte. Ich hatte am ganzen Körper eine Gänsehaut, während er mich wartend ansah. Mein Herz klopfte mir wie wild gegen die Brust. Ich wusste nicht, wann ich mich das letzte Mal so gewollt gefühlt hatte. Ich war erfüllt von Liebe und am liebsten hätte ich mit mindestens genauso schönen Worten eine Antwort gegeben. Aber ich war zu überwältig. Stattdessen sagte ich mit zittriger Stimme nur: „Ja, ich will."

Ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden, schoss er plötzlich vor und ergriff meine Lippen mit seinen. All die Erleichterung waren in seinem Kuss zu spüren. Dass er sich bis zu meiner Antwort völlig angespannt hatte, war mir nicht aufgefallen. Er entspannte sich jedoch an meinen Lippen und küsste mich innig. Es schien fast so, als würde er jeden noch so kleinen Zweifel, der vielleicht noch in mir sein könnte, versuchen zu vertreiben. Er gab mir all seine Liebe und Sehnsucht zu spüren. Ein wohliger Schauer überflutete mich und ich erwiderte den Kuss mit derselben Intensität und Leidenschaft. Es fühlte sich so an, als wäre ich nach einer langen Reise endlich zu Hause angekommen.

Wie das Licht am Ende des Tunnels.

Wie die Stille nach dem Sturm.

Er zog tief die Luft ein, als wolle er mich komplett aufnehmen. Er legte eine Hand an meine Wange, um den Kuss zu vertiefen. Ich ließ ihn Besitz von mir ergreifen, wie als hätte ich das schon immer gebraucht. Es fühlte sich an, als hätten wir seit jeher zu einander gehört, aber wussten es bisher nur nicht. Fast so wie die Ebbe und die Flut oder wie die Sterne und der Mond. Es war schwer in Worte zu fassen, aber ich wusste, dass ich nicht mehr ohne ihn leben könnte. Und ich war mir sicher, dass er dasselbe fühlte.

Langsam ließ er von meinen Lippen ab, aber hauchte mir noch zahlreiche Küsse auf die Wangen, Nase und Stirn.
Daraufhin sah er auf die Schatulle herab und nahm den Ring heraus. Er hielt meine linke Hand in seine und war im Begriff ihn in mein Finger zu stecken, als mir ein Gedanke kam.

„Nathan.", sagte ich atemlos aber bestimmt. Er hielt inne und sah fragend auf. „Ich hätte da eine Bedingung."

Er seufzte amüsiert. „Hätte mich gewundert, wenn nicht."

„Ich möchte ausziehen.", erklärte ich. Damit schien er nicht gerechnet zu haben. Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. „Ich möchte ungerne, dass die anderen Hausmädchen denken, dass sie mich anders behandeln müssten. Wir sind inzwischen gute Freunde geworden und ich möchte nicht, dass das einen Beigeschmack bekommt. Außerdem wäre es merkwürdig noch als Hausmädchen zu arbeiten, wenn wir verlobt sind. Ich würde dann am besten nur noch im Krankenhaus arbeiten."

„Du weißt, dass du gar nicht mehr arbeiten brauchst als meine Frau.", sagte er sanft.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich arbeite ja nicht im Krankenhaus, weil ich arbeiten muss. Ich tue es freiwillig."

Er dachte eine Sekunde über meine Worte nach, ehe er nickte. „In Ordnung. Ich schaue dann bei nächster Gelegenheit in der Nähe nach einer Wohnung."

„Solange halten wir die Verlobung bitte noch für uns, Nathan. Ich will wirklich nicht, dass die Stimmung im Anwesen kippt."

Die Idee schien ihm allerdings nicht zu gefallen. Er runzelte die Stirn. „Ella, ich werde niemandem verschweigen, dass du meine Verlobte bist - meinen Angestellten erst recht nicht. Wenn mich jemand darauf ansprechen sollte, werde ich ganz sicher kein Geheimnis draus machen. Ich lasse nicht zu, dass wir uns ständig verstecken müssen. Wenn du aber noch für einige Tage geheim halten möchtest, wer genau dein Verlobter ist, dann ist das in Ordnung. Aber deinen Ring trägst du trotzdem. Du bist offiziell vergeben und das soll man auch so wissen."

Ella - Die Stille nach dem SturmWhere stories live. Discover now