John x Robin

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John zog den Kragen des fellbesetzten Mantels enger um sein Kinn, um das leichte Frösteln, das seinen ausgekühlten Körper gepackt hatte, zu mindern. Dichte Wölkchen bildeten sich vor seinen vollen Lippen und die nächtliche Stille ließ die Schritte des Pferdes überlaut erscheinen.

Warum auch irrte er mitten in der Nacht im November durch den Wald, alleine und ohne Gewissheit, ob er auf dem richtigen Weg war? Er hatte sich quasi der Gefahr angeboten.

Nicht, dass sich John zu den Schwächeren zählte, denn das war er wahrlich nicht, aber als landesweit verhasster Monarch und "Räuber des Thrones seines Bruders" wollte wohl so ziemlich jeder Bewohner Englands mehr oder weniger offen seinen Tod.

Seufzend rutschte John im Sattel umher und hielt Ausschau nach der großen Eiche, die das vereinbarte Ziel seines Weges war. Dann plötzlich hörte er ein Rascheln im Gebüsch neben sich und spannte sich an. Auch sein Pferd erwachte zu neuem Leben und spitzte die buschigen Ohren.

Misstrauisch beäugte John das Gestrüpp und entschied sich, dass es wahrscheinlich nur ein Vogel oder ein anderes Tier gewesen war. Kaum dass er den Blick wieder nach vorne gerichtet hatte, erstarrte er.

Dort stand eine groß gewachsene, muskulöse Gestalt in einem dunklen Mantel, dessen Kapuze das gesamte Gesicht verdeckte. In den Händen des Fremden konnte John einen Bogen erkennen.

Langsam zog der König die Zügel an, brachte seinen Fuchs zum Stehen und schwang ein vor Kälte steifes Bein über den Pferderücken.

Dann überbrückte er die Distanz mit drei schnellen Schritten und schlang seine langen, starken Arme um die Gestalt.

"Woah, langsam, Tiger", hörte er die tiefe, erheiterte Stimme des nach ihm wohl bekanntesten Mannes im ganzen Land:

Earl Robin von Loxeley, auch bekannt als der Schwerverbrecher Robin Hood.

"Ich habe dich vermisst", murmelte John gegen das weiche Material des Kapuzenmantels, bevor er sich etwas von Robin löste. Im Halbdunkel des Mondlichtes konnte er nur schemenhaft die gerade Nase und das liebevolle Funkeln in den Augen seines Gegenübers erkennen.

Doch ganz ließ dieser ihn nicht gehen, denn im nächsten Moment spürte John Robins schwielige Hand an der Wange. "Ich dich auch. Ich habe jeden Tag an dich gedacht." Nach einer Weile nickte er hinter sich.

"Etwas weiter im Wald liegt die Jagdhütte eines guten Freundes von mir, Will Scarlett, dort können wir über Nacht bleiben. Morgen ist auch noch ein Tag."

John nickte nur und ergriff die Zügel seines schnaubenden Wallachs, während er versuchte, mit Robins sicheren, lautlosen Bewegungen mitzuhalten.

Er staunte jedes Mal erneut darüber, wie jemand wie Robin vom Leben eines Adeligen zu dem eines Waldstreuners, Kämpfers und Diebes wechseln und trotzdem beide Rollen mit Eleganz und Würde ausfüllen konnte.

Er selbst scheiterte schon kläglich an seiner einzigen Aufgabe, obwohl er alles daran setzte, England ein guter König zu sein.

Nur hatte er ein verunsichertes, verarmtes und innerlich zerstrittenes England von seinem großen Bruder übernehmen müssen, der außer seines guten Rufs und der idiotischen Kreuzzüge nichts im Kopf hatte.

Aber kaum dass "Richard mit dem Löwenherz" fort war, hatten plötzlich alle vergessen, dass er mit seinen verfluchten Kreuzzügen die Schuld an der Armut, dem Hunger und den horrenden Steuern trug. Und um Richard in seiner Rolle als heldenhafter Krieger aufleben zu lassen, musste John den Schmutz fressen, den sein Bruder damit lostrat.

"Was ist los?", durchbrach Robins sanfte Stimme die Stille. Überrascht hielt John inne, dann wurde ihm klar, dass Robin seinen finsteren Blick wohl im Rücken gespürt haben musste, denn der Earl stand ihm zugewandt, die grünen Augen aufmerksam auf ihn gerichtet.

Waves - Oneshots BoyxBoyWhere stories live. Discover now