Die Erwachsene

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So schön diese ganzen Erinnerungen auch klingen, es sind Erinnerungen aus Kinderaugen. Unschuldigen, naiven Augen. Verträumte Glubschaugen, die die Welt ganz anders wahrnehmen, als sie eigentlich ist. Aber auch Kinderaugen sehen und merken sich viel. Einiges, das sie nicht sollten und vielleicht zu dem Zeitpunkt auch noch nicht verstehen, doch irgendwann werden diese Augen älter und beginnen die Realität zu sehen.
Schon früh hast du mich gelehrt, dass Menschen vieles versprechen können, doch sich nicht daran halten müssen. Jeden Tag hieß es aufs Neue, wir gehen morgen zum Spielplatz, versprochen. Doch dann hast du wieder den ganzen Tag verschlafen oder einer deiner zwielichtigen Freunde war zu Besuch, weshalb wir natürlich wieder versetzt wurden.
Heute weiß ich, dass du bei all den Autofahrten nie klar im Kopf warst und jeder Zeit etwas passieren hätte können. Ich weiß, dass Popcorn oder Sprühschlagobers mit Kakao kein Frühstück sind und dass Kinder nicht den ganzen Tag Fernsehen oder Videospiele spielen sollten.
Ich weiß, dass du versucht hast dein Gewissen zu bereinigen und uns deshalb alles erlaubt hast, was wir Zuhause nicht durften.  Versucht hast uns damit zu bestechen, dass wir bei dir so viel bekommen und dürfen, um besser darzustehen. Aber Kindern muss man Grenzen setzten, man muss sie erziehen und ihnen zeigen was gut und schelcht ist. Doch du wolltest lieber den „coolen Freund" spielen , anstatt dich deiner eigentlichen Rolle als Vater anzunehmen.
Genauso weiß ich heute, dass ein Kind seinen Vater nicht völlig benommen auf der Toilette auffinden sollte, weil er komplett high ist. Oder ein Vater nicht ständig seinen Frust bei seinen Kindern auslassen sollte, ich meine, den Satz "Wenn du älter bist werde ich dir erzählen, was deine liebe Frau Mama alles gemacht hat, sie ist nicht so unschuldig wie sie immer tut!" habe ich schon dutzende Male gehört. Denkst du es ist schön als Kind ständig zuhören, wie schlecht die eigene Mutter doch ist?
Heute weiß ich, dass keine dieser verzerrten Kindheitserinnerungen eine Bedeutung haben, denn in den wirklich bedeutenden Momenten warst du nie anwesend. Weder bei meinem ersten Schultag, noch bei meinem letzten. Nicht bei meinem Schulball oder um dir anzuhören, wie mein erstes Vorstellungsgespräch war. Nicht bei allen möglichen Arztterminen von uns, bei meinem ersten Liebeskummer oder um mich zu pflegen, wenn ich krank war.
Egal was, du warst nie da und hast dich nie um uns gekümmert. Oder hast du dich jemals gefragt, wie es für ein kleines Mädchen ist alle paar Monate, durch diverse Kontrollen zu gehen, um dann ihren Vater in einem Raum mit diversen anderen Menschen für eine Stunde zu besuchen, ohne ihn umarmen zu dürfen? Wie es sich anfühlt, wenn deine Eltern dir sagen du solltest keinem in der Schule verraten, wo dein Vater ist, da es sonst sein könnte, dass die Eltern meiner Mitschüler nicht wollen, dass sie Kontakt zu mir haben?
Weißt du eigentlich, dass ich damals, als dein Anwalt Mama angerufen hat, sofort wusste was passiert ist, es war wie eine Vorahnung, doch ich hatte Monate lang Gewissensbisse, weil ich "schlecht" von dir gedacht habe, obwohl es ja die Realität war.

Heute weiß ich, dass auch wenn eine Palatschinke aussieht wie ein Schaukelpferd, sie nie eines sein wird, genauso wie du mein biologischer Zeuger bist, doch nie ein richtiger Vater warst.

Das PalatschinkenschaukelpferdWhere stories live. Discover now