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Sorry für die unverzeihliche Verspätung dieses Kapitels... Tut mir sehr leid...

Die kühle Morgenluft weht um mich herum, als ich aus dem viel zu überfüllten Bus aussteige. Mein Blick fällt sofort auf das große, graue Gebäude, welches nur ein paar Treppenstufen aus dunkelgrauen Stein entfernt von mir liegt. Überall um mich herum gehen viele Studenten durch die Gegend. Mir ist das Gewusel schon jetzt zu viel, die Gespräche sind mir jetzt schon zu laut. Wie soll ich das bitte aushalten, wenn ich dieses Gebäude betrete?

Meine Schritte sind hastig, meinen Blick habe ich auf den Fußboden gesenkt. Ich will niemanden ansehen, denn es fühlt sich ohnehin schon so an, als würde mich jeder beobachten. Es ist so, als würden sich die Blicke der anderen Studenten in meinen Körper bohren. Ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt und ich beginne, zu zittern. Wenigstens bis zum Hörsaal will ich es schaffen, ohne dass ich irgendeine Art von Zusammenbruch habe.

Also habe ich keinen Augenkontakt mit irgendwem und ich versuche mich irgendwie insofern zurechtzufinden, als dass ich den kleinen Hörsaal für die erste Physikvorlesung rechtzeitig erreiche. Schließlich will ich nicht zu spät kommen. Eigentlich ist es in der Universität nicht schlimm, wenn man manchmal einige Minuten zu spät kommt. Aber es ist mir immer unangenehm, zu spät zu sein und ich mag es nicht, wenn mich dann alle anstarren. Und dieses Mal kommt noch eine andere Komponente dazu. Die Professorin - Prof. Dr. Natalia Taghavi. Ich habe sie bis jetzt noch nicht gesehen oder mit ihr gesprochen, aber schon ihr gesamter Name klingt autoritär und streng. Genau so, wie ich es in mehreren Gesprächen schon aufgeschnappt habe.

Der Flur zum Hörsaal wirkt auf mich wie ein endloses Labyrinth, und die Geräusche meiner Schritte hallen, während ich versuche, das Gemurmel und die Gespräche der anderen Studenten um mich herum auszublenden. Ich sehe einfach nach unten. Es ist nicht schwer. Und schließlich finde ich auch die große Doppeltür, welche zu einem der kleineren Hörsäle der Universität führt. Ich bin ziemlich froh, den Raum gefunden zu haben, schließlich wirkt der gesamte Universitätskomplex so unübersichtlich, dass ich schon damals Angst hatte, als ich mir diese Universität angesehen habe.

Während ich durch diese große Doppeltür hinein in den Hörsaal gehe, höre ich eine Gruppe von Studenten leise über Prof. Dr. Taghavi reden. Ich bleibe möglichst unauffällig an der Wand neben dieser Gruppe von Studenten stehen. Mit meinem Handy in der Hand tue ich so, als würde ich mich darauf konzentrieren, während meine Aufmerksamkeit eigentlich dem Gespräch der Studenten neben mir gilt.

-"Ich habe schon gehört, sie verlangt immer Perfektion und ist sehr streng", flüstert ein junger Mann mit tiefer Stimme. Er steht scheinbar auch bei dieser Gruppe. Ich sehe ihn nicht, schließlich sehe ich niemanden an. In diesem Augenblick spiele ich nervös mit den Ärmeln meiner weißen Bluse herum.

-"Ich habe gehört, sie hat schon so viele Studenten zum Weinen gebracht...", sagt eine andere Person aus der Gruppe. Ich muss schlucken und wage einen kurzen Blick zur Tür. Durch diese Tür wird die Professorin in jedem Moment kommen.

-"Und nicht nur das, einige haben ihretwegen schon das Studium abgebrochen...", fügt der junge Mann von vorhin noch hinzu. Meine Unsicherheit nimmt zu. Ich spüre, wie meine Beine beginnen, noch mehr zu zittern und mir ein wenig schwummrig wird. Schnell suche ich mir einen Platz in der allerletzten Reihe. Dort wird Prof. Dr. Taghavi mich nicht in ihrem Blickfeld haben. Und alle anderen Personen auch nicht. Ich würde mich dort einfach verkriechen und meine erste richtige, offizielle Vorlesung im Physikstudium über mich ergehen lassen können.

Ein paar Minuten lang murmeln die anderen Menschen in dem Hörsaal noch vor sich hin. Ich krame bereits meinen Collegeblock, mein Hefter und ein paar Stifte aus meinem schwarzen Rucksack heraus, damit ich ab dem Moment, in dem Prof. Dr. Taghavi den Raum betritt, bereit bin, mir Notizen zu machen.
Während meiner Schulzeit habe ich im Unterricht oft nebenbei an den Rand von Arbeitsbögen und Heften gekritzelt. Vor allem in Mathematik und Physik, denn in diesen Fächern fühlte ich mich bis zum Beginn der zwölften oder dreizehnten Klasse immer ein wenig unterfordert. Aber nun kann ich mir das nicht erlauben - selbst, wenn ich weiß, dass meine Professorin nicht durch die Reihen gehen und bei jeder einzelnen Person kontrollieren wird, ob sie oder er auch wirklich aufmerksam zuhört und sich Notizen macht.

Und kaum habe ich meine Gedanken an die bevorstehende Vorlesung zum Ende gebracht, bemerke ich, dass der Raum mit einem Mal ruhiger wird. Binnen weniger Sekunden hört der Großteil der Studierenden auf, zu sprechen. Ich hebe meinen Kopf und traue mich, nach vorne zu schauen.

Eine scheinbar ziemlich große Frau mit schwarzen Haaren hat den Hörsaal betreten. Sie trägt ein weißes Hemd und eine schwarze Hose. Darüber einen grauen Mantel und einen schwarzen Schal mit weißen Mustern. Die Hochsteckfrisur ihrer pechschwarzen Haare, die in dem grellen Licht des Raumes fast bläulich schimmern, wirkt sehr streng, wobei ihr trotzdem ein paar kürzere Strähnen ins Gesicht fallen. Und ihr konzentrierter Blick aus ihren eher emotionslosen Augen fällt auf uns. Diese Frau muss Prof. Dr. Taghavi sein. Nein, es muss nicht sie sein. Es kann nur sie sein.

-"Guten Tag, sehr geehrte Studierende. Ich bin höchst erfreut über Ihr zahlreiches Erscheinen zu dieser Vorlesung...". Ihre Stimme ist tief und wirkt sehr klar und autoritär. Sie lässt ihren Blick durch die Reihen schweifen.
Schnell senke ich meinen Kopf, als sie schließlich bei mir angelangt ist. Der Blick aus ihren Augen fühlt sich für mich sehr schwer an, obwohl diese Frau über zehn Meter von mir entfernt steht.

-"Mein Name ist Prof. Dr. Natalia Taghavi... Ich bin Professorin für Physik und Astrophysik hier an der Universität... Vorher lehrte ich bereits in anderen europäischen Ländern und für einige Zeit auch in den USA... Nun bin ich aber hier in Berlin".

Während Prof. Dr. Taghavi sich uns vorstellt, höre ich ihr konzentriert zu. Wahrscheinlich tut das jeder in diesem Raum, schließlich ist es unmöglich, dass ich als einzige eingeschüchtert von ihr bin.

AndromedaWhere stories live. Discover now