Das Ende von Argom...

9 1 0
                                    

Die Erde bebt. Überall sind kreischende Argomen. Sie rennen panisch umher. Hinter uns schubsen sich die Argomen zur Seite. Sie suchen einen Ausweg, aber es ist sinnlos. Die Leute stürmen an uns vorbei und reißen Cyan mit. Ich klammere mich an seinem Arm fest, aber die Meute ist zu stark. Er wird von der Masse mitgetragen. Nach kurzer Zeit verliere ich ihn aus den Augen und bin allein. Ich muss mir dringend etwas einfallen lassen, wie ich hier rauskommen kann. Ich sehe mich in der Gegend um. Überall stürzen Häuser ein. Wie auf Knopfdruck fallen sie reihenweise in sich zusammen. Um mich herum schreien Argomen. Sie haben panische Angst, weil sie keinen Fluchtweg finden. Fünfzig meter von mir entfernt wackelt ein Telefonmast. Die Argomen in seiner unmittelbaren Nähe können sich nicht bewegen. Das Gedränge um sie herum ist zu dicht. Sie wissen, dass sie nicht weglaufen können und ergeben sich wehrlos ihrem Schicksal. Der Mast verliert seinen letzten Halt und kippt um. Die Alarmanlagen von mehreren zerstörten Autos gehen los, aber dort wo der Mast aufgeschlagen ist, standen auch Argomen. Ich hole tief Luft um mich zu beruhigen, damit ich verstehen kann, was gerade passiert ist. Ich dränge mich durch die Masse zum Telefonmast, um zu sehen was passiert ist. Als ich nur noch wenige meter entfernt stehen bleibe, wünsche ich mir, dass ich nie näher gekommen wäre. Unter dem Telefonmast liegen viele Leute begraben. Männer, Frauen, Kinder. Vom Telefonmast zerquetscht. Vereint in einer riesigen Blutlache. Unter dem Mast ragen Gliedmaßen der Opfer heraus. Sie sind merkwürdig verdreht. Heiße Tränen sammeln sich in meinen Augen. Mir wird schwindelig und ich taumele zurück in die Masse. Das Bild der Toten wird mich noch in meine Träume verfolgen. Alles vor meinen Augen dreht sich. Ich falle. Hart schlage ich mit dem Kopf auf den Boden auf. Etwas flüssiges rinnt mir über die Stirn und mir wird kalt. Plötzlich wird die Menge panischer. Sie schieben sich an mir vorbei. Einige treten auf meinen am Boden liegenden Körper. Zu Beginn tut es höllisch weh, aber die Schmerzen werden immer schwächer, bis ich nichts mehr fühle und sich mein Körper federleicht anfühlt.


>Rose? ROSE!< Ich höre, wie eine vertraute Stimme meinen Name ruft. Es hört sich an als wäre die Person weit weg. Ich bekomme wieder Gefühl in meinen Körper und spüre den Steinboden unter mir. Ich bin viel zu schwach um die Augen zu öffnen.

Jemand dreht mich auf die Seite >Scheiße,Rose! Was machst du für Sachen?<

Starke Arme heben mich in die Luft. Mein Retter trägt mich über die Köpfe der anderen aus der Masse raus. Er achtet nicht auf andere und schiebt sie einfach zur Seite. Er lässt mich herunter und legt mich auf den Boden. Ich öffne meine Augen einen Spalt weit > Flax! Wo bin ich? Was ist passiert? Oh man, ich habe tierische Kopfschmerzen<

>Das glaube ich dir sofort. Zum Glück haben wir keinen Spiegel< Flax knöpft sein Hemd auf und zieht es aus. Er faltet es zu einem Band und wickelt es mir um den Kopf. Mit meiner Hand taste ich mein Gesicht ab, um nach Schnitten oder anderen Wunden zu sehen. Als ich meine Hand zurückziehe ist sie Blut verschmiert. Ich erinnere mich. Die Apokalypse ist da. >Es ist meine Schuld, Flax!<

>Warte, was?< Er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

>Na, einfach alles.< Ich setze mich auf und lege mein Gesicht in meine Hände >Ich hätte Chestnut heiraten sollen. Es war meine Bestimmung ihn zu heiraten. Ich hätte nicht so selbstsüchtig sein dürfen. All diese Leute. All diese Leichen. Sie sind gestorben, weil ich nur an mich gedacht habe und nicht daran, was das Beste für alle ist...<

>Schlag dir das aus dem Kopf, Rose. Wieso bist du selbstsüchtig? Weil du verliebt bist? Weil du nicht den Kerl geheiratet hast, den du aus tiefster Seele hasst und der dich wie Dreck behandeln wird, wenn ihr erstmal verheiratet seid? Weil du nicht den Kerl heiratest, den dein Vater ausgesucht hat ohne dich zu fragen? Wenn jemand selbstsüchtig ist, dann dein Vater und Chestnut. Es ist schrecklich, dass Argomen gestorben sind und sie werden nicht die letzten sein, aber eines Tages wäre Argom sowieso dem Untergang geweiht gewesen. Nun ist die Zeit gekommen. Das war das Schicksal unseres Planeten.<

Traurig schaue ich zu Boden.

Flax seufzt >Komm jetzt, Rose. In den vielleicht letzten Stunden deines Lebens solltest du nicht zum Emo werden.< Er lacht und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. >So siehst du schon viel besser aus. Also los. Wir müssen Cyan finden< Er schaut auf meine bandagierte Stirn >Denkst du, du kannst laufen?<

>Ja. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komm schon klar.<

Flax stürzt sich zurück in die Masse und ich laufe wie ein Hündchen hinter ihm her. Wenn ich ihn auch noch verlieren würde, wäre ich völlig aufgeschmissen. Zum Glück sind die meisten Argomen schon an uns vorbei gelaufen und haben sich in der Stadt verteilt. Wir haben nun viel mehr Platz und können uns frei bewegen. Das ist ein großer Vorteil, denn Flax rennt plötzlich los. Er ruft mir über die Schulter zu >Beeil dich, Rose. Es geht wieder los. Wir müssen die anderen schnell finden.<

Ich renne schneller um mit Flax Schritt zu halten. Plötzlich bebt die Erde wieder. Es ist stärker als vorher und durch den Schreck stolpere ich über etwas das am Boden liegt. Ich lande unsanft auf meinem Hintern. Um zu sehen, was mich zum Stolpern gebracht hat, drehe ich mich um. Ich halte mir eine Hand vor den Mund um nicht zu schreien. Auf dem Boden liegt ein kleines Mädchen. Ein totes kleines Mädchen. Sie trägt ein niedliches rosa Kleid mit Blumenmuster. Das Mädchen ist höchstens 5.000 Rub alt. Fünf Erdenjahre. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen starrt sie ins Leere. Als würde sie einen Punkt direkt hinter meinem Kopf fixieren. Es ist nicht schwer zu erkennen, woran sie gestorben ist. Ihr kleiner zierlicher Körper ist übersät von Blutergüssen. Die anderen Argomen sind einfach über sie drüber gelaufen. Wo sind ihre Eltern? Haben sie nicht auf ihre Tochter aufgepasst? Haben sie sie tot gefunden und einfach liegen gelassen? Ich darf nicht daran denken.

>Steh auf, Rose!< Flax zieht mich am Arm hoch. Wir rennen weiter die Straße entlang. Plötzlich höre ich ein Geräusch, als würde etwas auseinanderbrechen. Ich halte Flax am Arm fest >Warte!<

Er bleibt stehen. Obwohl ich total außer Puste bin, scheint Flax fit zu sein, als hätte er sich nicht bewegt >Was ist? Hast du etwas bemerkt?<

>Psst! Hör mal.<

Er sieht mir ins Gesicht. Dann verändert sich sein Blick und ich kann sehen, dass er sich ernsthafte Sorgen macht >Glaubst du das ist...?<

>DIE STRAßE!< Flax und ich rennen zehn meter weiter und bleiben nochmal stehen. Wir hatten Recht. Es entstehen Risse in den Steinen. Die zwei Teile, die noch vor kurzem eine Straße waren, schieben sich immer weiter auseinander. Dort, wo wir eben noch standen, klafft nun ein riesiges Loch. Dasselbe passiert noch an vier weiteren Stellen in unserer Nähe. Manche Argomen wissen nicht, was passiert. Sie wissen nicht, wo sie hin sollen, was sie tun sollen. Sie bleiben einfach stehen und stürzen in den Abgrund. Es stimmt, was Flax gesagt hat. Die Toten unter dem Mast sind nicht die Einzigen, die heute auf dieser Straße gestorben sind und das werden sie auch nicht bleiben.

>ROSE!< Cyan >ROSE, WO BIST DU?<

>ICH BIN HIER, CYAN. BEI FLAX!< Cyan hat mich gefunden. Ich bin so glücklich, seine Stimme zu hören. Es geht ihm gut. Er wird wissen, was wir tun sollen. >CYAN, HIER SIND WIR!<

Da. Ich sehe ihn in der Masse nur fünfzehn meter von uns entfernt. Als er mich sieht lächelt er und ruft meinen Namen >ROSE!<

Ich bin so aufgeregt Cyan endlich wiederzusehen, dass ich nicht merke, wie sich die Straße wieder spaltet.

Solange, bis ich in den bodenlosen Abgrund stürze...

Die Liebe von ArgomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt