IX.I

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»RAVEN

Es war so weit. Ich konnte es erst gar nicht glauben. Es juckte mich in den Fingerspitzen, es endlich auszuprobieren. Heute war die erste Doppelstunde Ingenious. In dieser Doppelstunde, die mindestens dreimal die Woche stattfand, lernte man über seine Fähigkeit, baute die Konzentrationsstärke auf und übte sie natürlich auch. Es war vor allem sehr schwer, mit anderen Tieren der Art zu kommunizieren.

Selbst wenn man sich verwandelte, war man eben immer noch im Herzen ein Mensch, nur halt in Tiergestalt. Um diese Tiergestalt nutzen zu können, musste man auch mit anderen Tieren der Art kommunizieren können. Man mochte meinen, dass Mücken zum Beispiel nur sehr schwer kommunizieren konnten und man das als Mensch dann erst recht nicht lernen konnte.

Richtig. Aber es gab gleich zwei Gründe, warum es dazu gar nicht erst kam. Erstens: Ein Gestaltenwandler wechselte die Gestalt nur zu einem Tier, dessen geistiges Niveau es erlaubt, zu kommunizieren und zu verstehen. Zweitens: Ein Gestaltenwandler behielt immer einen großen Teil seines unmateriellen Bewusstseins. Deswegen konnte man ein noch so kleines Tier sein, man behielt den Menschenverstand.

Das war auch eine Sache, die ich extrem interessant fand und wollte die Erfahrung unbedingt machen. Mit vollem Bewusstsein in dem kleinen, windschnittigen Körper eines Vogels stecken... Auch wenn Raben jetzt vielleicht nicht die aller windschnittigsten Vögel waren. Aber das letzte Wort war noch nicht gesprochen, vielleicht war ich auch eine Krähe oder so...?

Denn man konnte nicht entscheiden, was für ein Tier man war. Nicht einmal beeinflussen. Manche brauchten angeblich ewig, bis sie ihr Seelentier herausfanden, bei anderen hatten die Eltern regelrechte Eingebungen gehabt und sie "richtig" benannt. Dera zum Beispiel hieß zwar Dera, hatte aber überhaupt nichts mit Rehen oder Wild zu tun. Und keines dieser Tiere war ihr Seelentier, oh, ich bitte dich!

Dera war ... Was war Deras Seelentier eigentlich? Sie war auch noch nicht so lange an der Dragoneye Academy, aber es könnte jeden Moment aus ihr herausbrechen. Das würde ich heute eventuell erleben, aber derweil wusste ich noch nicht, was letztendlich ihre zweite Gestalt war. Bestimmt eine hyperaktive Katze, dachte ich und kicherte leise in mich hinein. Gelungener Witz.

Dass ich blöd in der Halle herumstand und in mich hinein lachte, ohne einen Grund zu haben, kam sicher ganz normal rüber. Aber als ich das realisierte, war es bereits zu spät.
"Was ist denn da so lustig?", fragte Dera augenrollend, aber auch sie schien aufgeregt, vielleicht zu sehen, wie der Rabe in mir zum Leben erwachte. Ja, die hyperaktive Katze traf es wirklich nicht schlecht.

"Ach, nichts", winkte ich ab und versuchte, die überschäumende Aufregung in mir zu unterdrücken. Wieso war ich auch so unfassbar neugiergig... Ich konnte es einerseits kaum erwarten, an der Reihe zu sein, andererseits hatte ich auch etwas Angst, mich zu blamieren. In welcher Form auch immer. Rose unterbrach den Versuch, länger als fünf Sekunden eine Hirschkuh zu sein und ließ mich nach vorne.

Der Lehrer stellte sich als Jack vor und lächelte mich aufmunternd an. "Also, Rose, Dera und Laura kennen mich bereits etwas länger. Ich werde dir helfen herauszufinden, welches Tier dich wiederspiegelt und welches du bist." Das sollte angeblich gar nicht leicht sein - man wurde die ganze Zeit darauf vorbereitet, einen Abend im Drachentempel zu verbringen, wo man dann die Erleuchtung bekam und sein Tier mitgeteilt.

Schon viele Leute mussten das durchmachen, aber zuerst gab es zumindest einige Versuche, denn man musste es ja nicht komplizierter machen, als es war. Ich hoffte inständig, dass ich wirklich ein Rabe war, das würde einiges an Komplikationen ersparen.

Eine andere Möglichkeit zur Findung des Seelentiers war die Verbindung mit einem Affecturo. Der Haken daran war, wenn man einmal mit einem verbunden war, kam man nur sehr schwer wieder von ihm los. Er oder sie könnte einen also von diesem Zeitpunkt an ausspionieren oder lokalisieren... Aber er oder sie weiß dann wenigstens deine zweite Gestalt.

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