Das Ende der Natur...

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Und so war der Tag gekommen, wir hatten es geschafft…

Jeden noch so grünen Baum gefällt, jede noch so kleine Blume geknickt…
Jede Wiese mit pechschwarzem Teer asphaltiert, jedes tierische Leben vertrieben oder beendet…
Bröckelnde Häuserfassaden. Ruinengleiche Überreste der einst so luxuriösen Anwesen warfen Schatten auf die mit Rissen überzogenen Straßenreste.

Die einst so revolutionäre Welt stand vor dem Abgrund und jedem Einzelnen war bewusst, dass dies unser Schicksal darstellte.
Ein kaltes Gefühl von Ruhe und Gleichgültigkeit breitete sich aus, da jeder sein gleiches Schicksal zu akzeptieren begann.

Für einen Moment blieb die Welt stehen, da jeder realisierte das Flucht, Widerstand oder andere Bemühungen, auch nur irgendetwas zu ändern oder rückgängig zu machen sinnlos war.
Die Welt, so wie wir sie kannten und formten war zerstört und so auch wir mit ihr.
Wir haben es in all den Jahrhunderten nicht geschafft unsere Welt zu retten, im Gegenteil, wir haben sie systematisch ausgebeutet und zerstört, das wussten wir alle und so akzeptierten wir es auch.
Wir wussten, dass am Ende dieses Tages nichts von der uns bekannten Welt übrig bleiben würde.
Nichts von ihr, nichts von uns, gar nichts.

Alles was sich die Menschheit all die Jahre aufgebaut hat wäre weg, innerhalb von Stunden. Eine Ära ginge zu Ende und das wussten wir alle.
Wir resignierten und akzeptierten unser selbst geformtes Schicksal der Aussichtslosigkeit. Die wenigsten Mensch waren verärgert oder von Reue geprägt, alle durchlebten in diesen letzten Stunden ihre ganz eigenen Gedanken.

Der Gedanke an gar nichts ist genau so unvorstellbar, wie der Gedanke an die Unendlichkeit. Keiner von uns wollte, oder konnte sich auch nur ansatzweise vorstellen, dass in wenigen Stunden wirklich alles was unsere Spezies ausgemacht hat, weg sein würde.
Als hätte es uns nie gegeben, dich und mich, sie und ihn, Familien, alles ausgelöscht.
In wenigen Stunden würde es kaum noch einen Nachweis dafür geben, dass es uns gegeben hat.
All die Erfindungen, die Industrialisierung, Kriege, Medizin, soziale Gefüge, Länder, einzelne Individuen, Wissenschaft, Bücher, Religionen, Sprache, Krankheiten, all die Menschen, die im Krieg gestorben sind, alles…
Es würde keinen einzelnen Nachweis für all unsere Errungenschaften mehr geben, all das, worauf wir Jahrhunderte hin geforscht und gearbeitet haben wäre weg, alles umsonst.

In diesen letzten Stunden breitete sich eine nahezu spirituelle Atmosphäre aus. Jeder stand vor einem gedanklichem Chaos, einer kalte Mischung aus Selbstfindung und Selbstmitleid.
Gedanken ob man sein Leben wirklich sinnvoll für sich gelebt hat, oder ob man Entscheidungen hätte lieber anders treffen sollen.
Gedanken, ob man wirklich zu sich selbst gefunden hat, oder wer man selbst überhaupt war, ob die Menschen bei einem wirklich die Richtigen und die meisten Entscheidungen wirklich die Schlausten waren.
Es waren die friedlichsten letzten Stunden auf der Welt, da jeder anfing, Taten zu überdenken, zu bereuen oder in kompletter Resignation und Selbstlosigkeit die letzten Stunden hinnahm.

Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass man seinen kompletten Wert und seine Fähigkeiten verloren hatte.
Die Meisten Menschen erkannten in diesem Moment erst, dass wir Menschen alle gleich sind.
Dass wir, wenn man uns alles nimmt was uns irgendwie definiert, individuell oder „besser“ macht, alle den gleichen Wert teilen.
Das man sich nicht triumphieren muss, wenn es nichts zum bestehen gibt.
Der Klassenkampf, Imperialismus, Faschismus, Rassismus, all diese Konstrukte waren bedeutungslos geworden, da niemand mehr Besitz hatte und sich über niemand anderen mehr stellen konnte.

All das Wissen, welches Menschen angehäuft hatten, alle Privilegien, Alles.
Es war bedeutungslos geworden.
Denn, was zeichnet dich aus, wenn es dich morgen nicht mehr gibt?
Wenn es morgen Nichts und Niemanden mehr geben wird?
Wofür hast du gekämpft, gearbeitet oder gebaut, wenn du nicht gelebt hast?

Alle Menschen haben in diesem Moment gelernt, dass die Gegenwart das Einzige ist, was übrig bleibt.
Wenn dir nichts erhalten bleibt, ist der Moment was zählt.

Es ist eine befremdliche Vorstellung zu wissen, dass nichts erhalten bleibt. Unser gesamtes Konstrukt hat darauf aufgebaut Wissen zu archivieren, zu perfektionieren und weiter zu geben. Und nun war all dies bedeutungslos geworden. Nur der Moment, das Jetzt, das Ich, das Wir war alles was bleibt und zählte.

Es war still geworden, man konnte noch die letzten umherwehenden Blätter  rascheln hören, welche durch die letzten Winde durch die einsamen Straßen getragen wurden.
Es war so still, da jeder Mensch mit seiner letzten Tätigkeit aufgehört hatte: Soldaten ließen ihre Gewähre fallen, Friseure ihre Scheren, Schriftsteller ihre Stifte. Das Internet brach zusammen, Kernschmelzen begannen, Kraftwerke jeglicher Art schalteten sich aus. Strom und Wasser gab es nun nicht mehr, wozu auch?, es bliebe nichts übrig, wofür es sich zu erschaffen lohnt.

Viele Menschen begaben sich auf die kalten, heruntergekommenen grauen Straßen, manche meditierten, manche schauten in den sich langsam zu ziehenden und grau werdenden Himmel, andere umarmten sich, Feinde, Freunde, viele.
die meisten jedoch schwiegen einfach, alle schwiegen.

Ein solches Schweigen hätte sich kein Mensch jemals zuvor vorstellen können, ein Schweigen, welches so gewaltig war, dass es mehr Ausdruck vermittelte, als jedes Wort es hätte jemals darstellen können. Kein Wort auf der Welt hätte auch nur ansatzweise eine solche Aussagekraft gehabt, wie dieses einstimmige Massenschweigen es tat…

Das Ende der Welt, DystopiaWhere stories live. Discover now