Der Pakt der schwarzen Waage

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Eric seufzt. Seine Teetasse klimpert, als er sie absetzt und ebenfalls aufsteht. „Ich rufe das blaue Kollegium zusammen. Sie müssen wissen, was ihre Alumna getan hat. Und dann streiche ich Constanze aus dem Buch der Wächter. Denke, es ist in Eleanors Sinn. Sag ihr, sie soll zu mir kommen, wenn sie hier auftaucht."

Aber Eleanor taucht nicht auf. Auch nach zwei, drei Stunden fehlt von ihr jede Spur. Inzwischen habe ich mehr Kaffee getrunken als für meine ohnehin schon angespannten Nerven gut gewesen wäre. Allein im Salon unseres Kollegiums kreisen meine Gedanken um alle möglichen Dinge. Ich stelle mir Roxys Gesicht vor, dort, in ihrem Leuchtturm vor Stormglen Manor, wenn ihnen Eric von Constanzes Verrat erzählt. Sie alle haben Constanze bewundert, haben sie geliebt, genau wie das grüne Kollegium Demetra geliebt hat. In nur wenigen Wochen hat es Damon geschafft, die Wächter bis auf den Grund zu erschüttern. Wie sollen wir gegen so jemanden gewinnen?

In den Abendstunden entzünde ich die Lampen im Salon und versuche mich mit Mathehausaufgaben abzulenken. Der Erfolg ist mäßig, die Zahlen machen in meinem Kopf noch weniger Sinn als sonst. Schließlich gebe ich mir einen Ruck und klopfe an Mos Zimmertür. Von drinnen kommt ein leises Herein und so schiebe ich meinen Kopf durch den Türspalt.

Ich war noch nie zuvor in Mos Zimmer. Von der Einrichtung her ähnelt es Eleanors. Ein Fenster aus Bleiglas, viel dunkles Holz und mehr Bücherregale als ein einzelner Mensch bräuchte. Aber Mo hat dem Raum auch seinen eigenen Stempel aufgedrückt. Über dem Schreibtisch hängt ein Regal mit bunten Science-Fiktion Büchern und die dazu passenden Poster zieren Wände und Decke

Mo liegt auf dem Bett und starrt an die Wand. Leise lehne ich die Tür an, setze mich neben ihn auf die andere Seite des Betts. „Nicolas hat es nicht so gemeint", sage ich in die Stille. „Er war bloß sauer."

„Ich weiß" Mo schluckt. Seine Stimme hört sich rau an. Er hat geweint.

Langsam schwinge ich die Beine aufs Bett, lasse mich neben ihm aufs Kissen sinken. Mo scheint nicht irritiert oder ablehnend, also lege ich ihm den Arm um die Schultern und rücke näher an ihn heran. Er greift nach meiner Hand und schließt sie wortlos in seine.

Eine Weile liegen wir einfach so nebeneinander. Ich hätte erwartet, dass die Stille unangenehm sein würde. Normalerweise mag ich es nicht, wenn mein Gesprächspartner zu lange schweigt und versuche die Stille mit unnützen Worten zu füllen, aber nicht jetzt. Mit Mo ist es leicht, gar nicht anstrengend, fast natürlich. Als wäre ich allein im Raum, nur besser.

„Was, wenn er recht hat?", murmelt Mo plötzlich. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber ich weiß, dass seine Augen auf das riesige Star-Wars Poster über unseren Köpfen gerichtet sind. Es zeigt Luke Skywalker. „Vielleicht bin ich ja wirklich wie mein Vater."

Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Bist du nicht, wäre vermutlich das naheliegende gewesen, aber ich bin kein Freund von Klischees, die in jedem zweiten Fantasy Film auftauchen, also halte ich einfach den Mund.

„Weißt du, wen ich noch mehr hasse als Damon?" Mos Stimme wirkt gepresst. „Meine Mutter. Damon hat mich nie gewollt, aber sie... Ich weiß nicht, ob es Liebe ist, aber sie fühlt irgendwas für mich. Ich bin ihr nicht egal. Und trotzdem bleibt sie bei diesem Typen. Du hättest sie sehen sollen, bevor du und Eleanor kamst. Wie der mit ihr geredet hat, als sei sie ein kleines Schulmädchen. Und sie hat die ganze Zeit nur auf den Boden gestarrt. Wie kann man sich selbst so verraten?"

„Vielleicht versucht sie nur zu überleben."

Mo schnaubt. „Diese Frau hat Eleanor eine Rippe gebrochen. Eine verdammte Rippe! Glaub mir, sie weiß genau, was sie tut. Das sind Monster. Jeder von ihnen." Mo schüttelt den Kopf und seine Haare kitzeln über meine Wangen. „Mein Charakter kann doch nur verkorkst sein, oder? Alle meine Verwandten sind gestört. Damon, mein Vater. Margret, meine Mutter-"

FabelblutWhere stories live. Discover now