2. Alte Bekannte

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Im Westen Japans, in der Kansai-Region des Landes, lag die Präfektur Kyōto sowie ihre gleichnamige Stadt. Dort befand sich eine absolute Elite-Oberschule im Bereich des Sports: die Rakuzan. Diese Privatschule war vor allem für das Team ihres Basketballklubs der Jungen bekannt, doch prinzipiell konnte sich die Rakuzan damit rühmen, in allen großen Sportarten Klubs und Teams zu trainieren, die auf nationaler Ebene brillierten. Jedes Jahr wuchs die Liste an Erfolgen, gleichzeitig wurden die freien Schulplätze immer begehrter. Denn abgesehen von dem sportlichen Aspekt kamen auch Schüler auf ihre Kosten, die lediglich einen guten Schulabschluss anstrebten und kein Interesse daran hegten, sich in den sportlichen Klubs zu engagieren. Wer nach drei Jahren diese Oberschule erfolgreich abschloss, dem wurde praktisch ein Ticket in ein erfolgreiches Berufsleben ausgehändigt.

Dafür war es mittlerweile alles andere als einfach, an der Rakuzan angenommen zu werden. Auf einen Schulplatz bewarben sich hunderte Schüler aus ganz Japan. Man musste schon über spezielle Beziehungen verfügen und in der Lage sein, die extrem hohen Gebühren dieser Privatschule stemmen zu können, bevor man sich überhaupt für die Aufnahmeprüfungen anmeldete. Plätze für Stipendien gab es natürlich auch, doch diese wurden ausschließlich an Sportler vergeben, die in der Mittelschule genügend Erfolg gezeigt hatten.

Die Rakuzan war somit nicht nur eine prestigetragende Privatschule, sie war praktisch auch eine geschlossene Gesellschaft. Ein Hort für die jungen Erwachsenen der obersten Gesellschaftsschicht sowie absoluten Ausnahmetalenten aus ganz Japan.

Verschiedene Umstände hatten Kasagi Risa und Akashi Seijūrō an die Rakuzan geführt. Allerdings war ihre übereinstimmende Schulwahl vorher nicht abgesprochen worden – so etwas taten in der Regel nur Freunde und solche waren sie schon lange nicht mehr. Jahre vor dem Beginn der Oberstufe war ihr Kontakt abgebrochen, was zur Folge hatte, dass sie beide ohne den jeweils anderen ihren eigenen Weg gegangen waren. Von dem Band, das sie einst miteinander verbunden hatte, fehlte gegenwärtig jede Spur. Selbst ihr Wiedersehen am Tag der Einschulungsfeier war alles andere als erfreulich verlaufen.

In seinem ersten Oberschuljahr hatte Seijūrō noch immer unter den Auswirkungen seiner gespaltenen Persönlichkeit gelitten. Gleich zu Beginn des Schuljahres hatte er sich in der Rakuzan zu einer absoluten Autoritätsperson entwickelt und war nicht nur zum Kapitän des Basketballteams ernannt worden, sondern auch zum Schülerratspräsidenten. Seine Antrittsrede war jedem durch Mark und Bein gegangen und die Worte: „Merkt euch eines: Ich gestatte keine Fehltritte", blieben unvergessen. Ironischerweise verkörperte Risa nunmehr einen wandelnden Fehltritt. Ihr Name war ebenfalls in aller Munde, jedoch aus keinen erfreulichen Gründen. An der Rakuzan nannte man sie eine Unruhestifterin, Außenseiterin und Einzelgängerin, die ständig in irgendwelchen Ärger verwickelt war. Es hieß, sie sei launenhaft und würde deshalb so handeln – Risa machte sich nicht die Mühe, diese Fehleinschätzung zu korrigieren. Es gab ohnehin niemanden, der sie und ihre Beweggründe nachvollziehen konnte.

Jedenfalls war die unterschiedliche Entwicklung ihrer Persönlichkeiten und Eigenschaften der Grund gewesen, warum ihr Wiedersehen in einem Desaster geendet und zu einer Enttäuschung ausgeartet war. Was jedoch die Widrigkeiten anbelangte, die Seijūrō und Risa lange vor der Oberschule auseinandergetrieben hatten, so wussten nur sie selbst von diesen. Und sie zeigten sich absolut perfekt darin, nicht von diesen zu sprechen. So verging die Zeit und obwohl sie in dieselbe Jahrgangsstufe und in Parallelklassen gingen, behandelten sie einander wie Fremde. Als gäbe es keine gemeinsame Vergangenheit, als hätte es nie ein Band zwischen ihnen gegeben...

Als wäre ein bestimmtes Versprechen nie ausgesprochen worden.

Mittlerweile neigte sich der Sommer ihres zweiten Oberschuljahres dem Ende zu. Während der September begonnen hatte, hatten die Trimesterferien gerade ihr Ende gefunden. Die erste Schulwoche des zweiten Trimesters lief an und sämtliche Klubs und Schulinitiativen nahmen ihre Routine wieder auf. So auch das Sportkomitee, welches nach den Ferien das erste Mal wieder in seinem Arbeitsraum im dritten Obergeschoss zusammengekommen war. Über die lange Sommerpause hatte sich eine Menge Arbeit angesammelt, die es nun abzuarbeiten galt. Der Aufgabenbereich eines Sportkomitees innerhalb einer Oberschule war sehr vielfältig, insbesondere, wenn man von einer Oberschule wie der Rakuzan sprach. Unter anderem mussten Anträge zur Gründung neuer Klubs bearbeitet werden, die Verteilung der Sportplätze und Hallen bedurfte einer makellosen Koordination und selbst bei der Organisation von Festen war das Komitee gefragt.

A Certain PromiseWhere stories live. Discover now