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POV Tendou
Sie nennen mich nen Psycho, aber ich glaube Wakatoshi ist da nochmal ne ganze Ecke schärfer! Es scheint ihm völlig gleich zu sein, was aus ihm wird. Und wenn ich recht habe, würde ich sogar behaupten, es ist ihm gleich, ob er lebt oder stirbt. Auch sein letzter Satz gerade. Für die Psychodoktors mag es mutig geklungen haben, aber... Dieser Blick. Als hätten meine Fesseln auch seine Hoffnung auf Veränderung eingesperrt. Er gefällt mir immer besser! Dachte ich entzückt. Mir war schon lange niemand mehr begegnet, der anders tickte. Mein Pfleger stammelte etwas von wegen aber Satori ganz alleine lassen? Ich weiß ja nicht... Doch einer der Psychodoktors pfiff ihn energisch zu sich. Wie ein braver Schoßhund. Bemerkte ich abfällig, als er gefügig aus dem Raum hoppelte. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Wakatoshi. "Und jetzt?" Fragte ich. Er sah mich ruhig an. "Und jetzt sollen wir reden." Er schien einen Augenblick lang nachzudenken, dann sah er mir wieder in die Augen. "Worüber redet man denn mit einem Mörder so?" Ich brauchte eine Sekunde, um zu verstehen, dass diese Frage keines Wegs ironisch, sondern ernst gemeint war. Köstlich amüsiert begann ich zu lachen. Und erst als ich mich wieder beruhigt hatte, konnte ich etwas antworten.
"Wusstest du eigentlich, dass ich nur aufgrund eines schwerwiegenden Verdachtes hier bin?" Ich lächelte, als Verwunderung sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Er runzelte die Stirn. Niedlich wie sich seine Augenbrauen dann immer so zusammen ziehen. "Haben sie dir das nicht erzählt? Es ist noch gar nicht zu 100 Prozent klar, ob ich ein Mörder bin oder ob sie es mit jemand anderem zu tun haben." Säuselte ich. Wakatoshi nickte. "Aber dürfen sie dich dann überhaupt hier einsperren?" Er sah sichtlich verwirrt aus und ich musste schmunzeln. "Naja eigentlich nicht. Aber ein hoch geschätzter Kommissar bei der Polizei hatte seine Finger im Spiel. Er hat keine Ruhe gegeben bis man mich hier eingebuchtet hat. Verrückter Kauz. Aber er muss ja ordentlich was auf dem Kasten haben, wenn er das durchsetzen konnte." Mit jedem Wort, dass ich sagte, kochte die Wut in mir höher. Dieser verdammt Mistkerl. Er war anstrengend scharfsinnig und hatte ein gutes Gespür. Und jeder glaubte ihm, egal ob er nun genug Beweise hatte oder nicht. Furchtbar ätzend. Aber egal. Ich hab ja schließlich vorgesorgt. Ruhig bleiben. Dachte ich. Wakatoshi hatte nicht einen Moment den Blick von mir abgewandt. "Und bist du ein Mörder?" Wollte er wissen. Ich lachte und schüttelte den Kopf. "Nee, bin ich nicht." Log ich, ohne mit der Wimper zu zucken. Ob er vielleicht doch so richtig für die Anstalt arbeitet? Ganz ausschließen kann ich es auf jeden Fall noch nicht. Ich muss echt vorsichtig sein, was ich ihm gegenüber so erzähle... Überlegte ich. Andererseits... Hat er wirklich eine ehrliche Antwort erwartet? Ich beobachtete meinen Gegenüber. Hm. Vielleicht. "Aber wenn du unschuldig bist, wieso redest du dann nicht?" Fragte er weiter. Ich setzte einen trotzigen Blick auf. "Na weil ich gegen diese blöde Anstalt und das alles streike! Ich bin nicht gestört oder sowas! Wieso sollte ich mit diesen Idioten auch nur ein Wort wechseln? Ich habe ihnen nichts zu sagen!" Wakatoshi nickte. "Verstehe. Das macht Sinn." Murmelte er und ich lächelte.
"Genug von mir. Ich habe mich gefragt, was du so in deiner Freizeit machst und ob du viele Freunde hast und so." Er schwieg einen weiteren Moment. Dann schüttelte er den Kopf. "Nein. Ich habe keine Freunde. Ich habe nur Bewunderer meines Vaters, die sich meine Freunde nennen. Aber sie sind für mich nur Bekannte, die mir über den Unicampus nachlaufen. Die meiste Zeit bin ich zu Hause, mache Sport oder kümmere mich um meine Pflanzen. Hin und wieder rauche ich etwas, aber nur gelegentlich. Wenn der Geruch in meiner Kleidung hängen bleiben würde, würde ich damit dem Ruf meines Vaters schaden." Erklärte er mir und betrachtete den Tisch. Er wirkte auf einmal unfassbar müde. Sein Vater scheint ihn ganz schön einzuengen. Stellte ich fest. Vielleicht sollte ich ihn auch auf die Liste setzen. Jegliche Emotion wich aus seinem Blick, als er seinen Vater auch nur erwähnte. Erstaunlich. "Dein Vater... Äh verzeih, dass ich frage, aber du scheinst ihn nicht wirklich, naja, zu mögen?" Formulierte ich es vorsichtig. Er schüttelte leicht den Kopf. "Nicht mögen trifft es nicht. Ich kenne ihn nur einfach kaum. Nein eigentlich kenne ich ihn überhaupt nicht. Als ich klein war, hat er ständig nur gearbeitet und wenn er mal da war, hat er mich angesehen, als..." Er überlegte kurz. "Als wäre ich eine lästige Sache, die er noch erledigen müsse. Es gibt mich nur, weil ich ihm in seine Firma folgen soll, weil ich seine Zukunft sichern soll, weil ich ihm von Nutzen bin, weil man ein Kind so wunderbar einfach nach den eigenen Vorstellungen und Idealen erziehen kann. Ich studiere Wirtschaft, weil er gesagt hat, ich solle es studieren, ich lebe allein, weil er es gesagt hat, ich wasche nach dem Rauchen meine Kleidung, um ihm bloß nicht zu schaden, ich gebe mich mit meinen 'Freunden' ab, um seinen guten Ruf zu erhalten. Ich lebe für ihn und das obwohl ich ihn nicht wirklich kenne. Man könnte also sagen ich lebe für einen Fremden. Und das klingt doch ziemlich absurd, findest du nicht?"
Während er geredet hatte, war es ganz still in mir geworden. Zum Einen hatte er eine faszinierend beruhigende Stimme. Zum Anderen hatte ich einfach nicht mit so einer Antwort gerechnet. "Nicht mögen trifft es wirklich nicht..." War das einzige, was mir dazu einfiel. Er hat ein echt beschissenes Leben... Kann man das dann überhaupt noch Leben nennen? Ich starrte ihn baff an. Ich hatte ja damit gerechnet, dass sein Leben nicht spannend und er schon n bisschen verrückt ist, weil er so lebensunlustig wirkte... Jedoch war ich irgendwie davon ausgegangen, dass er dies irgendwann mal so entschieden hatte. Aber so ist es nicht. Es gab und gibt in seinem Leben einfach nichts, für das es sich zu leben lohnt. Voller Bewunderung betrachtete ich ihn. Krasser Typ. Ich wär schon längst von der Brücke gehüpft, bei so einem Vater. Aber er versucht alles, um irgendwas zu finden, was ihn antreiben kann, weil er... das Leben noch nicht aufgeben möchte?
"Du bist ja so cool Wakatoshi!" Sagte ich und er sah verwirrt auf. "Wie meinst du das?" Fragte er. Ich grinste verschmitzt. "Hach nicht so wichtig. "

Ein einfacher Passant [Ushiten]Where stories live. Discover now