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„Bist du dir sicher, dass du heute mit ins Kino möchtest?", fragte mich mein bester Freund, als ich mich neben ihn hinsetzte und mein Deutschbuch auf den Tisch legte.

„Warum?", fragte ich verwundert und seine Antwort brachte mich fast zum Lachen.
„Weil du heute keine Mascara drauf hast."
Ich zuckte nur mit den Schultern und lehnte mich zurück.
„Du magst mich auch so." Alex grinste und widmete sich wieder dem Unterricht zu.

„Ben möchte nach dem Unterricht mit dir sprechen", flüsterte er mir dann unbemerkt zu und ich zuckte zusammen.
So heftig, dass Alex mich fragend musterte, aber ich machte nur eine wegwerfende Handbewegung.

Ben ist so gut zu mir und wir sind schon seit vier Monaten zusammen, aber trotzdem ist er manchmal sehr anhänglich.

Nicht dass das ein riesiges Problem für mich war, schließlich war ich auch oft sehr anhänglich, aber ich hatte das Gefühl, dass er mir überall folgte.

Und es nervte mich.

Ich wollte, dass unsere Beziehung funktionierte, ja, aber ich wollte, dass er nicht an mir klebte.

„Mrs. Evans?" Ich zuckte zusammen, als mein Nachname durch die ganze Klasse hallte und ich setzte mich aufrecht hin, schluckte, spürte, wie ich rot wurde.

„Nennen Sie mir doch bitte Aufgabe 4 mit der passenden Lösung."
Ich schluckte, fummelte mit dem Radiergummi in meinen Händen herum, starrte an die Tafel, aber mein Gehirn war wie in Watte gepackt; Nichts nützliches fiel mir ein.

„Hören Sie auf zu träumen", mahnte mich Mrs. Wilson und ich wich Alex' besorgten Blick aus.

Später überraschte mich Ben im Flur.

„Prinzessin?" Ich drehte mich um und erschrak fast, als Ben vor mir stand.
„Du hast die hier vergessen", sagte er und gab mir die Blätter für die Deutsch Aufgaben, die ich versehentlich auf meinen Platz vergessen habe.
„Alex sagte, dass du mit mir sprechen möchtest?" Die Frage klang nicht wirklich wie eine Frage.
„Ja", flüsterte er und nahm meine Hand in seine.
Immer noch sah ich ihn fragend an, aber stattdessen küsste er mich auf den Mund und für einen Moment schmiegte ich mich an ihn, dann löste ich mich wieder von ihm.
„Ich möchte dich häufiger sehen", verlangte er und ich schluckte nervös.
„Aber wir sehen uns doch oft, Ben..."
„Ja, aber nur in der Schule. Nachmittags hast du kaum Zeit."
„Das liegt daran, dass..."
„Ich weiß, dass du beim Schultheater mitmachst und in einem Buch- Club bist", unterbrach er mich und sah mir so tief in die Augen, dass es mich ganz kribbelig machte.

„Aber ich will Zeit mit dir verbringen, Holly. Ich liebe dich." Dieser Satz sollte mir Schmetterlinge im Bauch geben, aber das Gefühl blieb aus. Ich verkrampfte mich und lächelte. „Möchtest du heute mit uns ins Kino kommen?" Das Strahlen in Bens Augen war zurück und ich atmete erleichtert auf.
„Heute Abend?", fragte er und als ich nickte zog er mich fest an sich.
„Das würde mir gefallen."
„Wir treffen uns heute Abend im Kino", sagte ich noch, küsste ihn und lief dann an ihn vorbei.
„Warte!" Ben steckte die Hand nach mir aus und ich drehte mich um.
„Was für einen Film gucken wir?"
Ich grinste, als ich antwortete.
„Horror."
Und als ich Bens entsetztes Gesicht sah, konnte ich nicht anders, als laut aufzulachen.
Denn ich wusste, dass Ben Horrorfilme verabscheute.

„WAS?!" Alex hustete geräuschvoll und für einen Moment hatte ich Angst, dass er seine Pommes ausspuckte.
„Du hast ihn eingeladen?"
Ich zuckte nur mit den Schultern, wusste nicht, warum Alex die Neuigkeit so schlecht aufnahm.
„Es sollte doch unser Kinoabend sein!", beschwerte er sich lautstark bei mir und steckte eine weitere Pommes in seinen Mund.
Alex und Ich hatten ausgerechnet heute den Bus verpasst und mussten jetzt auf den zweiten Bus warten, der uns nach Hause bringen würde. Wir hatten die Zeit genutzt um beim Imbiss Pommes zu kaufen, die wir jetzt in der Bushaltestelle verputzten.

Ich seufzte, während ich an einer Pommes nagte und sah Alex entschuldigend an.
„Ben sah nur so traurig aus und ich musste etwas tun, damit er wieder glücklich ist."
„Dieser Kerl klebt an dir wie eine verdammte Klette!", schimpfte Alex und murmelte etwas unverständliches.
„Was?" Ich horchte auf, doch Alex antwortete mir nicht.
„Alex!", ermahnte ich ihn streng und er stöhnte genervt auf.
„Dabei kennt er dich nicht einmal!"
Ich runzelte die Stirn, schoss sofort zurück.
„Natürlich kennt er mich!"
„Ich schwöre, er wüsste nicht einmal, was deine Lieblingsfarbe ist."
Wir verfielen in ein unangenehmes Schweigen, was uns eigentlich nicht ähnelte.
Irgendwann gab Alex sich einen Ruck und sah mich an. „Ich habe nichts gegen ihn, okay?"
„Er ist nur..."
„Anhänglich?", fragte ich und Alex nickte niedergeschlagen.
„Was siehst du in ihn?" Die Frage kam so plötzlich, dass sie mich ganz überrumpelte.
„Wie meinst du das?", hakte ich nach, suchte nach seinen Blick.
Alex raufte sich die Haare, starrte zu Boden, suchte verzweifelt nach Worten.
„Ich meine, wenn ich ihn sehe, nehme ich nur einen nervigen anhänglichen Streber wahr."
„Was siehst du, wenn du ihn ansiehst?"
„Ich... Ich weiß nicht", stotterte ich, meine Wangen färbten sich dunkelrot.
„Ich meine, er ist lieb, aufmerksam, sucht meine Nähe..."

Gott, seit wann stammelte ich?

„Ja, aber wenn du das umgehst..."
Alex ließ einfach nicht locker und zum ersten Mal wünschte ich mir, er würde schweigen.
„Was lässt er dich fühlen?"
Hitze schoss mir in die Wangen, ich wich seinen Blick aus.
„Er sorgt dafür, dass ich mich gut fühle, er liebt mich..."

„Aber du liebst ihn nicht." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Ich fühlte mich plötzlich so unwohl, dass ich auf meinem Platz hin und her rutschte.

„Ich glaube, du vermisst ihn."
Ihn.
Alex sprach seinen Namen nicht aus, aber wir wussten beide, über wen wir sprachen.
„Hör auf", flüsterte ich heiser, Tränen sammelten sich in meinen Augen.
Nicht weinen, nicht weinen, nicht weinen...

„Du vermisst ihn so sehr, dass du versuchst ihn durch eine andere Person zu ersetzen", sprach Alex unbemerkt weiter, bohrte damit ein riesiges Loch in meine Brust. Wir hatten noch nie über Eden gesprochen. Nicht, seitdem er umgezogen ist und mich und seine Freunde allein gelassen hat.

„Du willst es nicht zugeben, aber du hoffst, dass er irgendwann wieder kommt."

Ich stand so schnell auf, dass ich fast stolperte.

„Hör auf!", schrie ich, blinzelte mir die verdammten Tränen aus den Augen und hielt Alex' durchdringenden Blick stand.

„Hör einfach auf, okay?"

Alex seufzte schwer.

„Es tut mir leid, aber ich will doch nur, dass du einmal ehrlich mit mir bist."

„Wie bitte?" Ich wagte es nicht zu atmen.

„Du bist nicht glücklich, Holly. Du willst nur, dass jeder denkt, dass du über ihn hinweg bist."

„Das stimmt nicht, ich..."

Aber bevor ich die Lüge aussprechen wollte, die sich hervor kämpfte, stand Alex ebenfalls auf und umarmte mich.

„Ich werde jetzt einfach so tun, als würde ich dir glauben."

Meine Stimme versagte und ich kämpfte weiter gegen die Tränen an, die über mein Gesicht rollen wollten.

In dem Moment, kam der Bus und hielt neben uns an.

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⏰ Last updated: Dec 10, 2022 ⏰

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