Johnny kratzte sich am Kopf. Was sollte das denn heißen? Er starrte auf das Gekrakel und kräuselte nachdenklich die Lippen. Er dachte so angestrengt nach, dass sein Kopf eigentlich kleine Rauchwolken hätte ausstoßen müssen.

Nach einigen Sekunden intensiver Denkarbeit gab er es auf. Er steckte den Zettel in die Tasche und zog ein Bündel Geldnoten hervor. Die reichte er dem Gelehrten. Dieser blätterte das Päckchen durch. „Ich wollte doch alles in Euro“, beschwerte er sich.

„Die Bank hatte schon geschlossen und wechseln können Sie schließlich selber“, meinte Johnny schlecht gelaunt. Dass die Wechselkurse einfach zu schlecht waren, behielt er lieber für sich. Schließlich zahlte er schon so genug für ein Rätsel, das er nicht verstand. Genauso gut hätte er in den nächsten Buchladen gehen und sich ein Sudoku-Heft kaufen können, das ihn genauso wenig weiter gebracht hätte.

Er ließ den vor sich hin grummelnden Zwerg stehen und betrat die Straßen Kairos.

Es war anscheinend Basar, denn an den Straßenseiten drängten sich bunte Stände, die allen möglichen Touristenmüll zum Verkauf anpriesen, aber auch die hier typischen Gewürzhändler.

Er schritt an den ganzen Marktschreiern vorbei, tief in Gedanken versunken. Plötzlich stand er in einer gelben Wolke. „Was zum…?“ Er musste niesen. Als seine Sicht wieder gelblos war, verstand er, was geschehen war. Ein Gewürzhändler hatte einen Korb mit Curry etwas zu schwungvoll abgestellt, so dass es das gelbe Gewürz aufgewirbelt hatte. Er wischte sich das gelbe, stark riechende Zeug aus dem Gesicht und klopfte es von seiner Kleidung. So ein Mist aber auch. Für Curry hatte er noch nie viel übrig gehabt.

Er ging weiter, diesmal hielt er die Augen offen, um nicht plötzlich in einer Wolke aus Paprika zu stehen.

Auf einmal ertönten laute Rufe hinter ihm. Rufe auf Englisch. Er drehte sich um und sah einen Polizisten in britischer Uniform auf ihn deuten. Ohoh! Er tauchte in der Menschenmenge unter, um nicht entdeckt zu werden. Das hatte er total vergessen. Natürlich suchte die Polizei ihn weltweit, er war schließlich in eines der berühmtesten Museen eingebrochen und nicht in einen Süßigkeitenladen.

Er lief leicht geduckt weiter, immer umgeben von orientalischen, weiten Kleidern, die ihn vor unliebsamen Blicken abschirmten.

Erneut erklangen Rufe hinter ihm.

„Bleiben Sie stehen, Smith! Sie sind umstellt!“

Von wegen, dachte Johnny und rannte weiter. Er würde sich sicher nicht ergeben. Dann hätte er sich die ganze Zugfahrt gleich sparen und in England bleiben können. Er drehte sich um, um nach den Polizisten zu schauen.

Da stolperte er und fiel über die Einkauftasche einer jungen Frau, die ihn erschrocken aus ihrem verschleierten Gesicht anstarrte.

„Verzeihung“, murmelte Johnny reflexartig, bückte sich sofort nach den Einkäufen der Frau und packte sie wieder in die Tasche zurück, wie es der Anstand gebot.

Als er wieder alles eingepackt hatte, blickte er auf und erstarrte. Direkt neben ihm standen drei der Polizisten und blickten sich suchend um. Er wagte nicht einmal zu atmen.

„Er muss doch hier lang gelaufen sein.“

„Vielleicht ist er in eine Seitengasse abgebogen, ohne dass wir es gemerkt haben“, warf ein anderer ein.

„Trottel. Es gibt hier nur eine Straße. Das andere sind nur Sackgassen.“

Ein leises Brummeln vom zweiten Polizisten war hörbar, dann setzten sich die blauen Hosenbeine wieder in Bewegung und zwar weg von ihm.

Er seufzte erleichtert auf und erhob sich. Die Frau mit der Einkaufstasche starrte ihn ziemlich verwundert an. Er lächelte breit und umarmte sie herzlich. „Danke, danke, danke. Vielen Dank, Sie haben mir gerade das Leben gerettet.“

Ohne ihre Reaktion abzuwarten, zwängte er sich zwischen zwei Männern hindurch, die wild gestikulierten und anscheinend in einen ziemlich heftigen Streit wegen eines Huhns ausgebrochen waren, das neben ihnen auf einem Tisch, in einem Holzkäfig saß, und sich wahrscheinlich fragte, wann es nun endlich den Kopf verlieren würde und sich dann das Gezeter der Männer nicht mehr anhören musste.

Johnny blickte das Huhn etwas ungläubig an. Was machte er sich, um Gottes Willen, über ein Huhn Gedanken? Die Polizei war hinter ihm her!

Wenige Minuten später verließ er den Basar und tauchte in einer Seitengasse unter, die nicht, wie der Polizist behauptet hatte, eine Sackgasse war. „Trottel“, murmelte er leise.

Am Ende der Straße wartete schon ein Pick up auf ihn, beladen mit Wasserfalschen, ein paar Benzinkanistern, einem ausgelatschten Cowboyhut und, das wichtigste, seiner heißgeliebten Sonnenbrille. Er ließ den Motor aufheulen und raste, ganz American-Style, in das weite Nichts der Wüste hinaus. Auf nach Osten.

Nach einigen Stunden Fahrt begann der Motor plötzlich zu stottern. „Was zum…?“ Johnny stieg aus, ging nach vorne zur Motorhaube und öffnete sie. Eine Wolke von stinkendem Dampf traf ihn im Gesicht.

„Shit, shit, shit.“ Als der Dampf sich verzogen hatte, konnte er sehen, was passiert war. Kolbenfresser. Die verdammte Karre hatte kein Öl mehr gehabt. Das konnte auch nur ihm passieren. Er trat wütend gegen die Karosserie des Pick up, was ihm jedoch nur einen schmerzenden großen Zeh einbrachte.

Schmollend setzte er sich auf die Ladefläche des PKWs und starrte in die Weiten der Wüste. Irgendwo da draußen war vielleicht der größte Schatz, die größte Entdeckung der Menschheit und er, der als einziger das Rätsel lösen konnte, saß hier fest, wegen zu wenig Öl.

Das konnte doch nicht angehen. Er war in Ägypten. Hier musste es doch nur so von Tankstellen wimmeln, Öl gab es hier doch genügend, doch leider befand er sich nun mal in der Wüste. Und was jetzt?

Er starrte missmutig eine ganze Weile nach Osten. Irgendwo da musste des Rätsels Lösung liegen. Irgendwo, an einem, für ihn unerreichbaren, Ort. Er zog mit einem Seufzen sein Handy heraus, um den Notdienst für sein Auto zu rufen. Sie sollten ihm jemanden schicken, der ihn abschleppte.

Er wählte die Nummer und vertippte sich dabei 4 Mal, weil ihn das grelle Licht, gegen das selbst seine Sonnenbrille nicht half, blendete.

„Hallo, hier ist Jenny Meyer vom ADAC-Notdienst. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Ähm. Hallo, ich habe hier ein Problem. Ich steh mit meinem Pick up in der arabischen Wüste und habe einen Motorschaden. Könnten Sie jemanden schicken, der mich abholt?“

„Entschuldigen Sie, Mister. Aber ich brauche eine genauere Adresse und Ihren Namen.“

Johnny seufzte. Na toll, was sollte er ihr denn jetzt sagen? „Arabische Wüste, 5 billionstes Sandkorn, östliche Richtung und mein Name ist Muhamad.“ Er drückte die Beendentaste und steckte das Handy wieder ein. Blöde Kuh.

Er setzte sich in den Schatten des Autos und ließ sich den Sand durch die Finger rieseln.

Gejagt, erfolgreich, verarschtOnde histórias criam vida. Descubra agora