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  • Dedicated to Sarah (danke für alles)
                                    

„Ahh,verdammt. Igitt!“ Zum wiederholten mal ist Nadine nun schon in eine, mit einer dünnen Eisschicht bedeckten Pfütze getreten. Das eiskalte, modrige Wasser läuft ihr in die Stiefel und durchnässt ihre Socken. Sie seufzt genervt und greift nach ihrem I-pod in der Hosentasche.

Sie durchsucht die Interpreten, bis sie etwas findet was ihr zusagt und drückt aud play.

Weniger später hält neben ihr ein Wagen neben Nadine. Die Scheibe fährt herunter und dahinter erscheint das Gesicht einer jungen Frau. „Hey, wo willst du denn hin, direkt nach Frankfurt?“

Nadine zieht die Stöpsel aus den Ohren. „Ja, genauer zum Flughafen.“ „Spring rein ich kann dich bis Würzburg mitnehmen.“ „Oh ja. Danke, danke, danke. Sie können sich nicht vorstellen wie lang ich schon zu Fuß unterwegs bin.“ Die Frau lacht und stößt die Beifahrertür auf. „Nenn mich Aline, anschnallen!“ Nadine rutscht auf den warmen Sitz und legt den Gurt an. Dann entdeckt sie den Knopf für die Sitzheizung, sie wirft ihrer neuen Wegbegleitung einen fragenden Blick zu.

„Nur zu.“ lächelt sie Nadine an. Nadine legt den Schalter um und sinkt mit einem wohligen Seufzer in den Sitz. Dann schließt sie die Augen und lehnt den Kopf an die kalte Fensterscheibe.

Aline fährt wieder los.

Aus dem Autoradio dröhnen Weihnachtslider...

Nadine wird nach vorn gerissen, ihr Sicherheitsgurt greift und schleudert sie zurück in den Sitz.

Sie reißt die Augen auf und keucht erschrocken auf. „Was ist passiert?!“ Aline neben starrt angestrengt zur Frontscheibe herraus, geradeaus auf die Autobahn, keine 10 Meter entfernt ist ein LKW umgekippt und versperrt nun die gesamte Straße. „Das hätte ins Auge gehen können. Scheiß Nebel!“ Diese nüchterne Aussage lässt Nadine sich schütteln.

Die ersten Helfer der Feuerwehr und Polizei sind schon vor Ort, doch es sieht nicht gut aus.

Wie erwartet tritt kurz darauf ein Polizist vor die Schlange aus wartenden Autos. Die ersten sind bereits ausgestiegen und beschweren sich lautstark. Nadine fährt das Fenster herunter und steckt den Kopf in den kalten Winterwind. „Wir bitten um ihr Verständnis, die Bergungsarbeiten können nun mal erst beginnen wenn sie Platz gemacht haben.“ Dieser Polizist hat besseres zu tun als sich mit mit frierenden Menschen zu streiten. Kein Wunder, zwei Tage vor Heilig Abend. Nadine lässt die Scheibe wieder hoch fahren und seufzt. „Was machst du eigentlich am 22. Dezember allein auf der Autobahn, ich meine wo willst du hin?“ kommt es von Aline, sie hat die Augen geschlossen und sieht völlig entspannt aus. Es ist keine richtige Frage, eher eine Feststellung. Doch sie trifft genau ins Schwarze, vor dieser Frage hatte Nadine schon die ganze Zeit Angst. „Du willst nicht zu Verwandtschaft, oder?“ Sie dreh den Kopf und blickt Nadine direkt an, das erste mal.

Nadine beschleicht das Gefühl das Aline genau weiß wer sie ist. „Nein, und eigentlich möchte ich nicht darüber reden...“

Zu ihrer Überraschung zuckt Aline mit den Schultern und lehnt sich wieder zurück. Nach kurzem Zögern tut Nadine es ihr gleich.

„Nadine, wo bist du?!“ die schrille Stimme ihrer Mutter hallt durch die hohen Gänge. Nadine zieht die Beine nah an den Körper und rollt sich zu einer Kugel zusammen. Sie liegt unter ihrem rosaroten Himmelbett, hat furchtbare Angst. Wie konnte sie nur den Lippenstift verlieren. Sie ist so dumm, dumm, DUMM!!! Nadine schlägt sich mit der kleinen Faust gegen den Kopf, solang bis es weh tut. Auf dem Gang vor der Tür ertönt von klacken von Schuhen mit Absätzen. Nadine hält die Luft an. Sie muss niesen, es ist unglaublich staubig unter dem Bett. Die Tür schwingt und knallt gegen die blau gestrichene Wand, das darauf gemalte weiße Schäfchen wird vom Türknauf erschlagen.

“Nadine!“ Nicole faucht wie eine Katze. Dann entdeckt sie den Rocksaum ihrer Tochter unter dem Bett hervorlugen, sie beugt sich hinunter und greift danach. Mit einem kräftigen Ruck zerrt sie ihre Tochter unter dem Bett hervor. Dabei stößt sich Nadine sich den Kopf am Bettrahmen an. Sie schreit auf, das lässt ihre Mutter jedoch völlig unbeeindruckt. „Wo ist mein Lippenstift, du Miststück?!“ schreit sie Nadine an. Nadine beginnt zu weinen. „Ich hab ihn nicht.“ das entspricht sogar der Wahrheit..sie hat ihn verloren. Doch das kann sie erst recht nicht sagen. „Lüg mich nicht an, wo ist er?“ „Ich hab ihn wirklich nicht, du hast doch so viele. Kannst du nicht einen anderen nehmen?“ Sie erhält keine Antwort, stattdessen trifft die flache Hand von Nicole Nadine schallend auf die linke Wange. „Was glaubst du was ich alles kann!“ ihre Stimme hat sich in schwindelerregende Höhe geschraubt. „Neeeein, bitte nicht!“ Nadine zittert. Dann wird sie, mit der unnachgiebigen Hand ihrer Mutter, an den Haaren auf die wackligen Füße gezerrt. “AUA!!!“ schreit Nadine.

Im Türrahmen erscheint ihr Onkel, Nicoles Bruder. „NICOLE, lass sie in Ruhe!“ Nicole dreht den Kopf und funkelt ihn an. „Sie ist eine Dieben, sie hat meinen Lippenstift genommen.“ „Nein, hab ich nicht!“ quietscht Nadine. Wieder schlägt ihre Mutter zu. Robert fängt ihre Hand ab, bevor sie Nadine erneut weh tun kann.

„Nicole, sie ist erst 10.“ „Na und!“ „Komm wir suchen ihn noch mal.“ versucht er seine Schwester zu beruhigen. „Rede nicht mit mir als wäre ich ein kleines Kind.“ „Los, komm.“ Robert spricht mit Nachdruck, dann zieht seine Schwester am Arm aus dem Zimmer. Nicole strampelt und schreit wie von Sinnen, hat jedoch keine Chance.

Dann fällt die Tür hinter ihnen zu und Nadine ist wieder allein. Sie wirft sich auf ihr Bett, greift nach ihrem Kuschelhasen und weint hemmungslos.

Nadine schlägt die Augen auf und sieht Nebelverhangene Wiesen und Felder. „Wieder wach?“ „Mhhhm...“ Aline lacht. „Wir sind fast da, du brauchst nicht mehr einschlafen.“ Nadine streckt sich und lässt sich wieder in den Sitz fallen. Sie sieht aus dem Fenster, draußen an der Scheibe ziehen kleine Regentropfen lange, verwischte Spuren.

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⏰ Last updated: Mar 31, 2013 ⏰

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Love is BlindWhere stories live. Discover now