Mord

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Gab es ein Wort dafür, wenn man sich vollkommen fertig und gleichzeitig unglaublich befriedigt fühlte? Zoe fiel keines ein. Die Nacht war eindeutig zu lang und ihr Schlaf zu kurz gewesen.

Blind tastete sie am Boden nach ihrem plärrenden ProTool und schaltete es aus.

»Mistding«, murmelte sie und blieb halb aus dem Bett hängend liegen.

Die in die Jahre gekommenen Sofafedern quietschten. Dann legte sich Mikas Arm um sie. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken.

»Es ist mitten in der Nacht«, beschwerte er sich. Zoe schnaubte belustigt.

»Nicht jeder kann am Tag schlafen und in der Nacht arbeiten.«

»Nur kein Neid.«

Zoe nahm den Schalk in seiner Stimme wahr und schmunzelte. Mühsam schob sie seinen Arm zur Seite und setzte sich auf.

Gütige Sonne, war sie müde!

Verschlafen rieb sie sich die Augen und gähnte, bevor sie aufstand und ins Bad torkelte. Sie betrat die Dusche, gönnte sich ihre 3,5 Minuten warmen Wassers – beinahe ihre gesamte Wasserration für heute – und wickelte sich in eines der herumliegenden Handtücher.

Mit matten Bewegungen wischte sie mit der Hand über den beschlagenen Spiegel und betrachtete ihr Gesicht.

Das Make‑up um ihre Augen war verlaufen und Zoe rieb mit dem Finger über ihr unteres Augenlid, um das Schlimmste zu beseitigen. Immerhin sah man ihr die kurze Nacht kaum an. Dank ihrer dunkleren Haut blieben die Augenringe unbemerkt. Ein Gähnen unterdrückend griff sie nach dem Liedstrichstift und zog ihn nach. Dabei entdeckte sie den blauen Fleck an ihrem Hals.

»Reviermarkierung?« Ihr entwich ein spöttischer Laut. War er dafür nicht in der falschen Branche beschäftigt?

Eilig trocknete sie sich die Haare mit dem blechernen Föhn und verließ das winzige Bad.

Der Charmebolzen hatte sich keinen Millimeter bewegt und schnarchte leise vor sich hin. Mit einem tadelnden Schnalzen begann Zoe ihre Klamotten einzusammeln.

Ihr BH blieb verschwunden, stattdessen zog sie sich eines der Shirts über den Kopf, die noch keinen Fleck hatten, schlüpfe in ihre Hosen und die Schuhe.

Sie sollte dringend Wäsche waschen, schoss es ihr durch den Kopf, griff nach den Handschellen, die neben dem Bett in einem Chaos aus Kissen und Klamotten lagen und steckte sie ein.

»Ich muss los. Wenn ich wieder komme, bist du weg.« Zoe streifte sich die Lederjacke über und steuerte die Türe an.

»Alles klar«, kam es undeutlich aus Richtung Bett und Zoe zog kopfschüttelnd ihre Wohnungstüre hinter sich zu.

Auf der Straße angekommen, nahm sie sich bei einer Imbissbude einen Kaffee mit. Das Instantzeug schmeckte fürchterlich, hatte aber doppelt so viel Koffein wie echter Kaffee. Wach machte er allemal.

Gerade nahm sie einen Schluck von der heißen, wässrigen Brühe, da rempelte ein Passant sie an. Ehe Zoe ausweichen konnte, packte er sie an der Jacke und schüttelte sie.

»Du bist von der Sicherheit! Du musst mir helfen! Loop wurde gefressen! Es war ein Monster! Ich habe es gesehen! Es war fürchterlich!«

»Mann, krieg dich wieder ein!« Dank diesem Trottel hatte sie sich verbrüht! Fluchend warf Zoe den Becher auf den Boden und schüttelte sich den heißen Kaffee von der Hand. Sie packte ihn energisch an der Schulter und stieß ihn von sich.

Weit aufgerissene blutunterlaufene Augen starrten sie an. Seine Lippen waren spröde, seine dunkle Haut stumpf und porös wie altes Papier.

»Was hast du dir eingeworfen?«

PRISMA - Das verschwundene Herz LESEPROBEWhere stories live. Discover now