Prolog

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Sie nahm es ernst.

Natürlich nahm sie es ernst.

Alles, was Hermine Granger tat, nahm sie ernst.

Hermine Granger machte keine halben Sachen, und sie machte auch keine halben Sachen, wenn sie sich jeden Morgen auf den Weg zur Arbeit machte.

Sie nahm weder das Auto noch die U-Bahn.

Sie ging zu Fuß, weil sie es von ihrer Wohnung aus nicht besonders weit hatte.

Sie nahm nicht den Aufzug, sondern die Treppen aus dem fünften Stock.

Im Erdgeschoss traf sie die ältere Dame, die zwei Türen neben ihr wohnte, und half ihr, fröhlich darüber plaudernd, dass die Aktienkurse seit zwei Monaten stetig fielen, die Einkaufstaschen in ihre Wohnung zu bringen.

Sie lehnte einen Tee aus Zeitgründen ab, versprach jedoch, dass sie nach der Arbeit vorbeikommen würde und sie ihr Gespräch mit der netten Dame fortführen könnte.

Sie brachte die Treppen ein weiteres Mal hinter sich und ging zur Apotheke, die kaum nennenswert entfernt war, um für Ron, der sich weigerte zu Hause zu bleiben, weil es ja nur eine kleine Erkältung wäre, wenigstens Nasenspray und Halsschmerztabletten zu besorgen, wenn Blaise schon wegen seiner Arbeit momentan verreist war und sich so nicht selbst um seinen Freund kümmern konnte.

Sie war die perfekte beste Freundin, perfekte Nachbarin und perfekte Mitarbeiterin.

Sie lebte das perfekte Leben.

Sie lebte das perfekte Doppelleben.

Hermine verließ die Apotheke und verstaute die kleine, weiße Tüte, mit dem grünen Kreuz der Apotheke darauf und den Medikamenten darin, in ihrer Handtasche.

Es war keine unendliche Handtasche, denn Hermine hatte festgestellt, dass sie immer, wenn sie zu viel Platz hatte, auch zu viele unnötige Sachen, die sie eigentlich gar nicht brauchte, mit sich herumschleppte, welche an ihrer Energie, die sie für andere Dinge als Sachen zu tragen viel dringender brauchte. Und alles, was sie für die Arbeit benötigte, war in ihrem Büro, weshalb nach der Tüte aus der Apotheke auch kein Platz mehr für weitere Mitbringsel war.

Mit klackernden Absätzen und in ihrem farblich relativ auffallenden Businessanzug brachte sie ein paar Straßen und rote Ampeln, auf die niemand Rücksicht nahm, hinter sich, um zur Telefonzelle zu kommen.

An ihrem ersten Arbeitstag war sie sich unheimlich wichtig vorgekommen, in ihrem Anzug, den sie, nachdem sie dutzende aus der Frauenabteilung anprobiert hatte und von einer Schneiderei zur nächsten gerannt war, nur um gesagt zu bekommen, dass die Änderungen, die sie haben wollte, nicht vorgenommen werden konnten, schlussendlich einer Eingebung zu Folge, welche sie bis heute für eine der besten Entscheidungen ihres Lebens hielt, einfach in der Männerabteilung gekauft hatte.

An ihrem ersten Arbeitstag hatte sie beschlossen, dass sie stolz auf ihre Erfolge sein und keinen Teil von sich, egal wie viel Kritik sie dafür bekommen würde, dass sie einfach nur ihr Leben in Frieden leben wollte, verstecken würde, was die Einstellung gewesen war, die ihr die Wichtigkeit eingebracht hatte, von welcher sie an ihrem ersten Arbeitstag nur geträumt hatte.

Denn heutzutage war Hermine Granger ein unheimlich wichtiger und nicht wegdenkbarer Teil des Ministeriums der magischen Welt.

Sie steuerte zielstrebig auf die Telefonzelle zu und wählte, nach einem Moment des gespielten Nachdenkens, eine ganz bestimmte Nummer.

62443.

Sie wartete, bis die mechanische Frauenstimme erklang, die ihr jeden Tag aufs Neue dieselben Regeln erklärte, und sie fing an auf diese einzureden, um für eine vorbeigehende Person, trotz der winzigen Wahrscheinlichkeit, dass sich jemals jemand, in diese Ecke verirren würde, nichts weiter als eine junge Frau, die telefonierte und keiner besonderen Beachtung bedurfte, zu sein.

Das Leiden der Hermine Granger - PansmioneWhere stories live. Discover now