Raum | 2

18 0 0
                                    

Ich hatte dieses Gefühl, dass ich gehen muss. Irgendwas in mir brachte mich dazu meine Sachen zu packen und von hier zu verschwinden. Doch als ich aus meinem Bett steigen wollte und mein Bein am Boden platzierte verspürte ich plötzliche starke Schmerzen an meiner Hüfte. Es fühlte sich an als würde mein Körper sich nur auf diese eine Stelle konzentrieren. Der unzähmbare Schmerz brachte mich zu Boden. Jede einzelne Bewegung, die mich von meinem Bett entfernen ließ brachte mir noch größere Schmerzen, die sich weiter über mein Bein ausbreiteten. Neben dem Tisch erblickte ich einen alten Gehstock. Doch das plötzlich kribbeln in meinem Arm hinderte mich weiter nach ihm zu greifen.

Claire...du musst weiter gehen...du darfst nicht aufgeben

Ich dachte ich werde verrückt, wieder konnte ich diese Stimme hören. Immer wenn ich sie wahrnahm, wurde meine Umgebung verschwommen und mein Kopf fühlte sich an wie eine Sirene. Es war unerklärlich. In mir stauchte sich eine Angst, durch die sich meine Lunge so beengt fühlte, dass es schwer war nach Luft zu schnappen.

Geh weiter! Nicht aufgeben! Weiter gehen! Sie wollen dich davon abhalten

Durch meinem Kopf gingen nur diese Sätze und ich musste all meine Kraft zusammen nehmen um nicht völlig die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren. Ich kroch, trotz meiner Schmerzen, weiter über den Boden in Richtung Tür. Ich hatte das Gefühl, dass mein ganzer Körper sich innerlich zusammenzog und kurz bevor ich - übersäht von einem stechendem und brennenden Ziehen in meinem Rücken - die Tür erreichte, konnte ich eine große mit schauernd glänzenden Schuppen übersähte Gestalt erblicken. Ich unterdrückte mein Schreien um keine der Pfleger auf mich aufmerksam zu machen, weil ich mir nicht sicher war, was ich hier wirklich sah. Ein grummeln, welches immer lauter wurde, näherte sich meinem Gehör und ich spürte eine innere Unruhe die sich über meinen gesamten Körper ausbreitete. Langsam neigte ich meinem Kopf in die Höhe und dieses unbeschreibliche Wesen, welches nicht von dieser Welt sein konnte, starrte mir tief im die Augen. Es stand direkt neben dem Wagen auf dem mein Essen von vermutlich gestern Abend lagerte. Die Geräuschkulisse, die aus dem anfahren der Krankenwagen, dem piepen der Geräte und dem Rollen der Krankenbetten durch den Flur bestand, endete erneut mit einem Mal.

Das Salz Claire... Das Salz...

Während diesen Worten konnte ich nur die Anwesenheit der dunklen und düsteren Gestalt wahrnehmen und wie ein leichter kalter Wind über meine dünnen Klamotten zog. Ich war mir nichtmal sicher ob das überhaupt die Wortwahl war, weil alles so verzerrt klang. Aber im Nachhinein denke ich, dass es nur so sein konnte. Das Gefühl, dass diese Stimme das einzige ist was mir gerade helfen konnte, ließ mich nach dem Salz greifen. Ich streckte meinem Arm in die Höhe während mir der Schweiß von der Stirn fließ. Zentimeter für Zentimeter spürte ich wie mein Arm stärker schmerzte, unerträgliches Kratzen, als würde jemand mit einem Messer über meinem Arm fahren. Und kurz bevor ich das Salz greifen konnte, viel ich zu Boden und nahm den gesamten Wagen mit mir herunter. Der Teller zerschellte vor mir und das Besteck klirrte ebenfalls beim Aufprall. Und wie nicht anders zu erwarten öffnete jemand innerhalb von wenigem Sekunden ruckartig die Tür und sah mich bedeckt von Nudeln auf dem Boden liegen. Von der Gestalt war ebenfalls keine Spur mehr.
Miss Collister, Was ist passiert?" sprach ein junger Mann zu mir. „Ähem, Ja, es..." ich versuchte einen ordentlichen Satz herauszubringen, aber er unterbrach mich. „Warte ich helfe ihnen aufzustehen", sprach er zu mir. Er packte mich Arm und half mir wieder in Richtung Bett, obwohl ich ihm mehrmals sagte, dass das nicht geht. Nach wenigen Minuten Diskussion machte er mich auf meinen Arm aufmerksam und fragte was ich dort gemacht hätte. Und kaum warf ich einen Blick darauf spürte ich es. Ein Kratzer an meinen Arm in dem das Blut stande. Ich versuchte ihn und mich selbst davon zu überzeugen, dass es durch das heruntergefallene Messer, oder durch die Scherben des Tellers passiert ist. Er glaubte mir scheinbar, aber ich konnte mir selbst nicht glauben. Das Messer landete direkt hinter mir am Schrank und die Scherben landeten vor mir...
Der junge Pfleger wollte mich  überreden noch zwei weitere Nächt zu bleiben, damit sie meine Wunde nochmal untersuchen könnten. Entgegen seiner Empfehlung entschied ich mich jedoch schon am nächsten Morgen das Weite zu suchen.

Dennoch verging bis zu diesem besagten Morgen noch einige Zeit. Zeit in der ich mir das Gemälde des Mannes mit den tief braunen Augen genauer anschaute. Mir viel sofort auf in welchem Kontrast sein grüner Pullunder zum roten Hintergrund steht. Doch um so länger ich es mir ansah, desto mehr beängstigte mich die Tatsache, dass die Augen mich zu verfolgen scheinen. Der Schweiß lief mir die Stirn herunter, wie die Regentropfen am Fenster. Und als der Mann plötzlich lächelte, ergriff ich die Initiative und drückte den Hilfe-Knopf an meinem Bett. Innerhalb weniger Sekunden öffnete die Tür und der junge Mann kam wieder herein, allerdings war das Lächeln im Gemälde wieder verschwunden...
Gibts ein Problem Miss Collister?"
„Ich eh, da war- wann gibt es Essen?"
Nach dieser erfundenen Ausrede erklärte er mir die Essenszeiten und dass ich mich zwischen Kartoffelgratin und Spaghetti entscheiden könnte. Doch mein Gedanke war ganz und gar nicht beim Essen. Ich versuchte zu glauben, dass ich nicht verrückt geworden bin und dass mir dieses Gemälde wirklich zugelächelt hat.

————————————————————————————————————————————————
Hey, danke fürs Lesen ;D hinterlasst gerne ein Feedback in den Kommentaren.

Claire Collister - the unknown voiceWhere stories live. Discover now