This is us

961 39 12
                                    

„Robert?", das Zittern ihrer Stimme war evident zu hören, obgleich der Hörer, aus dem sie sprach, jeden Moment den Geist aufzugeben drohte. Sofort spürte er einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen. Diese Verzweiflung, der unmittelbare Schmerz, den er fühlen konnte, stach ihm ins Herz. Zu lange hatte er darauf gewartet, diese Stimme, ihre Stimme erneut zu hören, hatte sich nach dem Wissen gesehnt, dass es ihr gut gehe, hatte er sie bei ihrer letzten Begegnung doch so stark verletzt.

Die Atmung der jungen Frau am anderen Ende der Leitung nahm an Fahrt auf und sie drohte jeden Moment zu hyperventilieren. Förmlich konnte er die Tränen sehen, die ihr in diesem Moment über das Gesicht laufen mussten, spürte er doch das Verlangen diese aufzufangen, sie in den Arm zu nehmen und ihr zu versichern, dass alles gut werden würde, doch er stand am anderen Ende der Welt auf einer seiner Antrittsreisen und sie? Sie kauerte vermutlich in ihrer dunklen, kahlen Wohnung in Berlin. Alleine. Nein, diese Vorstellung quälte ihn zu sehr, als dass er weiter darüber nachdenken wollte.

„Annalena? Annalena, ist alles in Ordnung?" Gewiss war das eine unangebrachte Frage, hatte er doch genau gewusst, dass es das nicht war. Auch seine Stimme brach ab, wurde durchtränkt von Angst, einer bösen Vorahnung, die sich in den letzten Monaten angestaut hatte. Aber er konnte, durfte sich nicht einmischen. Dieses Recht hatte er sich verspielt, als er sie, alles, was sie hatten, sei es nur so selten und geheim, als Fehler bezeichnete. Natürlich war es alles andere als das. Es waren die schönsten Nächte seines Lebens gewesen, Himmel, jede Minute, die er mit ihr verbracht hatte, waren goldene Zeit für ihn.

Und auch wusste er genau, dass das Kind, von welchem sie ihm als einer der Einzigen erzählte, sehr gut das Seinige sein könnte, doch war er ein Feigling gewesen dies zu ignorieren und den Kontakt gänzlich abzubrechen. Nun musste sie sich zusammengekauert in ihrem Bett befinden, ihr Ehemann sturzbetrunken in der nächstbesten Bar, hochschwanger und verzweifelt. Innerlich zerriss es ihn, doch er war machtlos. Umso mehr wunderte es ihn, dass sie ihn anrief. Nach all den Monaten Funkstille, all dem Elend, dass er über sie beide gebracht hatte.

Das andere Ende der Leitung wurde still und mit dieser dröhnenden Stille wuchs auch seine Sorge exponentiell. „Annalena?!", rief er nun schon fast in sein Telefon und dann endlich ertönte ihre müde, heißere Stimme erneut: „Ich-, ich weiß nicht was-, Robert, wo soll ich hin?" Er verstand nicht, sprach sie doch in einer solchen Hektik, noch dazu so unglaublich leise. „Er hat mich rausgeworfen" Diese Worte vernahm er ohne Probleme. Sie brannten sich in sein Gehirn und wieder blieb er wie angewurzelt stehen. Der unglaublichen Sorge gesellte sich soeben die aufkochende Wut. Sie begann in ihm zu brodeln, drohte zu explodieren, bei dem Gedanken daran, was nun mit Annalena passieren würde.

Aber dieser Wut konnte er jedoch unmöglich Ausdruck verleihen, verzweifelte sie doch in diesem Moment, gar ohne ein Dach über dem Kopf, doch er war hier und sie dort.

Sein Kopf fühlte sich an als platzte er jeden Augenblick, seine Gedanken geplagt von Schuldgefühlen und Angst um die Frau, die er doch eigentlich mehr als alles andere liebte. Stöhnend nahm er seinen Gang wieder auf und streifte unruhig durch das große Bürogebäude der amerikanischen Administration. „Annalena, hey, atmen hörst du?"

Er musste ihr helfen, ihr irgendwie beistehen, doch das zaghafte Wimmern am anderen Ende signalisierte ihm, dass sie in diesem Augenblick unmöglich in der Lage war irgendwelche dämlichen Atemübungen auszuführen. Doch dann schoss ihm ein Gedanke in den Kopf. Was wenn? Nein, sie würde nicht-. Unmöglich. Aber dies war seine einzige Chance, ihr tatsächlich zu helfen. Sie war verzweifelt und er versank knietief in Schuldgefühlen. Hatte er es vor einer Stunde noch für unmöglich gehalten, dass sie ausgerechnet bei ihm Hilfe suchen würde, stand er nun hier. Es lag jetzt an ihm, diese Chance zu ergreifen und seine Schuld zu begleichen.

Better Together - Oneshots (Baerbeck/Mélalena)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora