Berlin Song

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Sahra blätterte in ihrem Buch. Die Buchstaben vor ihr führten sie in eine Welt voller Poesie, in der sie noch stundenlang hätte versinken können. Wenn sie nicht plötzlich von einem lauten Geräusch aus ihren Gedanken gerissen worden wäre.

Verwundert schaute sie sich um, um zu identifizieren, woher das Geräusch gekommen war. Sie drehte sich zur Seite und erblickte eine junge blonde Frau, die sich auf den Boden gekniet hatte, um ihren dicken Juraschmöcker vom Boden aufzuheben. Hecktisch sammelte sie die Blätter ein, die ebenfalls mit dem Buch zu Boden gegangen waren. Damit wäre die Frage, woher der ohrenbetäubende Knall gekommen war, wohl auch geklärt.

Schnell hob sie ihr Buch auf und setzte sich wieder an ihren Tisch auf dem weitere Bücher lagen, die sich ebenfalls gefährlich nah an der Tischkante befanden. Doch die junge Frau schien das nicht zu bemerken. Sie war zu beschäftigt damit ihre Nase wieder tief in einem Gesetzestext zu vergraben, wobei Sahra auffiel, dass sich ihre Wangen leicht rosa gefärbt hatten. Wahrscheinlich war ihr das ganze doch ziemlich peinlich gewesen, was ihr nicht zu verübeln war. Sahra wäre es genauso ergangen. Sie hätte es nur vielleicht besser überspielt.

Sahra beobachtete sie genauer. Sie strich sich immer wieder eine widerspenstige Locke aus dem Gesicht und seufzte jedesmal leise genervt auf, wenn ihr ihre Haare schon wieder die Sicht versperrten. Sahras Blick wanderte weiter über die Nase der blonden, die sie tief in ihrem Buch vergraben hatte, bis hin zu ihren Lippen.

Sie klappte schließlich ihr eigenes Buch zu und ging hinüber zu dem Tisch der anderen.

"Wenn du nicht willst, dass dir das gleiche wie eben passiert, solltest du vielleicht deine anderen Bücher näher zur Tischmitte rücken." Sagte Sahra lächelnd und versuchte dabei nicht unhöflich zu klingen. Innerlich vefluchte sie sich schon jetzt dafür, sie mit so einer "Belehrung" angesprochen zu haben. Man Sahra. Da willst du einmal eine hübsche Frau ansprechen und dir fällt nichts besseres ein als DAS?

Die andere schien ihr das aber allen Anschein nach nicht übel zu nehmen "Ähm Dankeschön." sie lächelte verlegen und schien kurz zu überlegen "Willst du dich vielleicht zu mir setzen? Ich schaffe hier eh nichts produktives mehr."

"Gerne. Ich bin übrigens Sahra." sagte sie und hielt ihrem Gegenüber die Hand hin.

"Linda." antwortete sie lächelnd während sie Sahras Hand nahm und sie mit einem festen Händedruck schüttelte. Das hätte sie der so zart anmutenden Frau vor sich garnicht zugetraut, aber es gefiel ihr.

Sie griff rüber zu ihrem Tisch, nahm ihre Kaffeetasse und versuchte sie zwischen die vielen Gesetzestexte vor sich zu quetschen.

"Oh, entschuldige." sagte Linda schnell und begann ihr Chaos hastig in einen riesigen Rucksack zu räumen. Gerade als sie dabei war einen Stapel mit 20 losen Blättern und mindestens 3 Lehrbüchern hochzuheben um ihn wegzuräumen, rutschte ihr alles aus den Händen und ergoss sich erneut über den Boden.

Die junge Frau fluchte leise vor sich hin und kniete sich schnell hin um alles vom Boden aufzuheben. Ihr Gesicht hatte mittlerweile ein tiefes Rot angenommen, was sich nicht dadurch verbesserte, dass sich im ganzen Café neugierige Blicke auf sie richteten.

"Du bist ganz schön tollpatschig was? Oder mache ich dich nervös?" fragte Sahra grinsend.

"Vielleicht ein bisschen von beidem." murmelte Linda verlegen.

Nachdem sie dann nun endlich den Tisch freigeräumt hatte, bestellte sie sich noch einen Kaffee und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Sahra. "Tut mir wirklich leid, ich weiß nicht was heute mit mir los ist, sonst passiert mir sowas eigentlich nicht."

Wagenberg OneshotsWhere stories live. Discover now