"Bist du gut drauf?"
Der erste Gedanke der mir durch den Kopf schoss war, dass gut ein relativer Begriff ist. Ich hatte verdammt doll Hunger, soviel dass ich ohne Probleme drei McMenus verdrücken könnte und dann immer noch Platz für ein Eis wäre. Außerdem hatte ich letzte Nacht nur drei Stunden geschlafen, was einen bemerkbaren Unterschied von zwei Stunden zu normalen Nächten darstellte. Noch dazu hatte ich nur noch vier Zigaretten in meiner Schachtel und nicht mal genügend Geld um mir ein Kaugummi zu kaufen.
Aber Freddie meinte ja auch nicht, ob es mir gut ging, sondern ob ich dazu in der Lage war, jemanden gut zu verprügeln. Naja, das könnte ich halbtot sicherlich immer noch. "Klar. Wie viel ist im Pott?"
"Wenn du ihn in den ersten drei Minuten fertig machst, bekommst du dreihundert bar auf die Kralle."
Da der Typ, wer immer der Wichser auch war, sowieso nicht länger durchhalten würde, ersparte ich mir die Frage danach, wie viel ich ansonsten bekommen würde. Wichtig war nur, dass der andere blutete und das schnell. "Ich bin soweit." Sagte ich und zog mir meinen Pullover aus. Kein Grund den dreckig zu machen, falls der Spinner doch ein bisschen mehr drauf hatte. Einen neuen konnte ich mir schließlich auch nicht leisten.
"Mach ihn fertig, Benji." Freddie klopfte mir auf die Schulter und grinste wie ein Vollidiot durch seine verfaulten Zähne, denn auch für ihn würde heute Abend eine schöne Stange Geld abfallen. Immerhin war er der Organisator dieser kleinen Hinterhofboxkämpfe. Obwohl man es wohl kaum einen Boxkampf nennen konnte, denn der hätte ja ein paar Regeln, im Gegensatz zu dem was hier ablief.
Ich hielt drei Schritte Abstand von Freddie, als er vorging in das alte Lagerhaus hinein, wo schon ungefähr dreißig andere Kleinkriminelle auf uns warteten. Den Abstand hielt ich nicht aus Respekt, sondern weil der Kerl genauso roch wie seine Zähne aussahen und es einfach scheiße aussehen würde, wenn ich mich vor dem Kampf wegen dem beißenden Gestank übergab. Obwohl da ja sowieso nur Magensäure rauskommen würde.
Der Ring war eigentlich sehr einfach aufgebaut. Die Zuschauer bildeten einen Kreis und darin schlugen wir, also ich und mein jeweiliger Gegner uns die Fresse ein, während alle anderen uns jubelnd zusahen und anfeuerten. Einen Schiedsrichter gab es nicht. Aber den brauchte es auch nicht, denn wer umfiel und nicht mehr aufstand, der hatte halt verloren. An einem Abend gab es ungefähr fünf bis sechs unterschiedliche Kämpfe, doch jedes Mal wenn so eine kleine Session stieg, war ich mit dabei.
"Mach ihn fertig, Benji." Freddie grinste mich noch einmal dreckig an und machte mir Platz, sodass ich in den Kreis treten konnte.
Es war ganz schön kalt hier drin, kaum mehr als zehn Grad und ich musste auf und ab hüpfen, um mich warm zu halten, denn ich hatte ja nicht mehr als eine kurze Hose und ein T-Shirt am Leib. Mehr Kleidung hätte mich nur in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und die würde ich heute wirklich brauchen, wenn ich mir meinen Gegner ansah.
Er war schätzungsweise 1,95 Meter groß und wog laut Freddies Aussagen ungefähr Hundert Kilo, was ihn zu einem richtigen Bulldozer machte, der zwar nicht nur aus Muskeln bestand, dafür aber einiges zu bieten hatte und war 28 Jahre alt.
Aber leider setzte sich Kraft nun mal aus Masse und Beschleunigung zusammen, wie mir mal eine Freundin erklärt hatte. Hieß, auch wenn ich nur knappe achtzig Kilo dagegen zu setzen hatte und ungefähr zehn Zentimeter kleiner war, konnte ich ihn trotzdem schlagen, denn ich war nun mal schneller. Vor allem weil ich nicht so viel unnötiges Gewicht an Körperfett mit mir rumschleppte, wie der Fettsack.
Er machte Grunzgeräusche wie ein wildes Tier, beleidigte mich, sich, meine Mutter, seine Mutter, Gott und auch die Zuschauer, alles nur um sich richtig aufzuputschen und das Adrenalin so richtig zum Brodeln zu bringen. Der Typ würde schon vor dem Kampf vollkommen außer Atem sein.
