Mittwoch, 6.7. nachmittags

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In diesem Kapitel könnten Inhalte vorkommen die dich womöglich triggern. Es geht um SH, ED, Gewalt, eine toxische Beziehung und Depressionen!!!


Vor dem Krankenhaus bleibt Paloma kurz stehen und atmet einmal tief durch. Danach läuft sie im Schnellschritt zielstrebig Richtung Meer. Halb laufend, halb rennend,versuche ich ihr zu folgen.

Wir erreichen eine noch kleinere Bucht als die in der gestern die Party stattfand.
„Hier ist mein Safe Place. Ich gehe hier immer hin wenn es mir schlecht geht und schwimme einfach oder höre Musik oder rauche." sagt sie andächtig. „Du bist die Erste, der ich das hier zeige."
„Oh", sage ich nur. Ich bin überwältigt, dieser Ort ist einer von den magischen Orten die es so selten gibt und wo man sich einfach sicher fühlt.

Paloma geht weite und setzt sich schließlich auf einen 10 Meter entfernten Baumstamm der halb im Wasser liegt. Ich schaue mich noch einmal um und laufe dann zu ihr.

„Ich komme hier immer hin, wenn ich eine Flucht aus der Realität suche. Wenn mir der ganze Mist da draußen einfach zu viel wird,flüchte ich hier hin." Sie beginnt traurig zu lächeln. „Ich habe das hier entdeckt als ich neun war, damals kam mein Vater mal wieder besoffen nach Hause. Er hat mich angeschrien und mich und meine Mutter geschlagen. Es war schrecklich! Ich bin weinend aus dem Haus gerannt und stundenlang kopflos durch die Gegend gesprintet. Als mein Kopf wieder klarer wurde habe ich mich plötzlich hier wieder gefunden." Gedankenverloren streicht Paloma über das Holz. „Seit dem komme ich hier her wenn sich meine Eltern mal wieder streiten oder ich einfach nicht mehr so tun kann als wäre alles in Ordnung. Seit ich 13 bin habe ich Depressionen und eine Essstörung... Mit 14 habe ich mich das erste mal selbst verletzt." Erzählt sie mir halb in Gedanken. „Weißt du warum ich gestern so viel getrunken habe?", fragt sie mich plötzlich.
„Nein?",antworte ich, etwas geschockt von ihren Erzählungen.
„Ich habe so viel getrunken, weil ich nicht mehr wusste was ich tun soll. Ich war verzweifelt und um meine Sorgen loszuwerden und vor der Realität zu flüchten habe ich getrunken und getrunken und getrunken. Selbst r1tzen hat mir nicht mehr geholfen", erklärt sie mir traurig. Ich lege ihr einen Arm um Paloma und sie lehnt ihren Kopf an meine Schulter. Nach einer kurzen Pause fährt sie fort: „ich will das alles gar nicht. Ich will nicht, dass es mir so schlecht geht, ich will nicht unmotiviert sein, ich will nicht immer die Menschen verletzen die mir wichtig sind! Es passiert einfach ich sage oder tue Dinge die ich eigentlich gar nicht will und verletze so Menschen die mir wichtig sind. Erinnerst du dich an das Mädchen mit den blauen Haaren vom Lagerfeuer?" Ich nicke. „Das war Lucia, sie war mal meine beste Freundin, aber sie ist nicht mit mir klar gekommen. So ist das bei allen. Keiner kommt mit mir klar! Abends liege ich oft in meinem Bett und frage mich warum ich überhaupt noch hier bin, warum ich all das ertragen muss und obwohl ich es versuche, ja ich versuche es wirklich, einfach nicht rauskomme, aus diesem Loch, das mich immer weiter auffrisst und aufsaugt wie ein Schwamm das Wasser. Dann verletze ich mich um den geistigen Schmerz in körperlichen Schmerz umzuwandeln. Und um zu fühlen, dass das alles real ist. Gestern ging es mir so schlecht, dass ich den ganzen Tag nichts gegessen habe. So geht es mir oft. Das war auch der Grund warum der Alkohol so stark gewirkt hat... Aber wem erzähl ich das hier eigentlich?" Ein nervöses und verunsichertes Lachen dringt aus ihrer Kehle. „Ich mein ich kenn dich erst seit gestern und gestern war ich voll bis oben hin, das einzige was ich über dich weiß ist dein Name.Vergiss einfach was ich gesagt habe haha"

Ich schweige, während sich Paloma eine Zigarette anzündet. Das kam unerwartet! Hätte mir gestern Nachmittag jemand erzählt, dass ich mich jetzt in dieser Lage befinden würde hätte ich ihm wahrscheinlich kein Wort geglaubt...
Ich suche nach einer Antwort. Paloma hat mir ihre halbes Leben erzählt, ich kann jetzt hier nicht einfach sitzen und schweigen.

„Krass!",sage ich nach 2 Minuten. „Ich weiß gar nicht was ich dir jetzt sagen soll, ich bin schließlich kein Therapeut oder so und ich kenne mich auch nicht wirklich mit solchen Dingen aus... Das einzige was ich nachempfinden kann ist, dass mit dem Streit. Meine Eltern haben sich als ich klein war oft gestritten. Eines Tages ist Papa dann Hals über Kopf abgehauen und hat sich seit dem nie wieder blicken lassen. Und ich war echt traurig, dass wir umgezogen sind und ich alle meine Freunde verlassen musste... Aber dein Leben ist eindeutig krasser!"
Ein kleines Lächeln huscht über ihr Gesicht.
Plötzlich beugt sie sich zu mir vor und ehe ich überhaupt verstehe was da gerade passiert ist küsst sie mich auf die Wange. Ich werde rot. Ich wurde noch nie von einem Mädchen geküsst. Ich würde überhaupt noch nie geküsst.

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