Wie gesagt, mein Leben ist ein Chaos. Aber Isabell und Bonny waren mein Anker, meine Rettung. Auch die Besuche bei meinem Dad halfen mir nicht aufzugeben. Zu hoffen, dass es besser wird. Doch das wurde es nicht. Es wurde schlimmer als Cole und Drew wieder die Stadt betraten. Drew ist für mich weiterhin ein heikles Thema und die Tatsache, dass er unglaublich freundlich zu mir ist (außer, wenn er mich mit seiner Art stichelt) irritiert mich.

Das eigentliche Problem bin allerdings ich. Wenn Drew mit mir spricht und mich mit seinen warmen Augen ansieht, verpufft meine Wut und meine Unwissenheit. Zumindest für den Moment, in dem er sich in meiner Nähe befindet, lässt mich vergessen was ich in jener Nacht gesehen habe. Jedoch kann ich nichts dagegen tun, es geschieht alles von allein. Ich werde weich in seiner Gegenwart, meine Knie fangen an zu zittern und meine Wangen glühen vor Scharm. Womöglich zieht mich seine Anwesenheit auch nur so stark an, weil er mich wie die wenigen wie einen normalen Menschen behandelt. Drew sah mich noch nie mit einem abwertenden Blick an.

Als er gestern plötzlich im Physikraum auftauchte, durchfuhr mich pure Panik, gefolgt von einem heißen Prickeln. Es schien für mich keinen Sinn zu ergeben, dass er auf einmal da war. Als würden sich unsere Körper gegenseitig anziehen. Dann wären wir wieder bei der Physik.

Die ganze Doppelstunde über konnte ich mich nur schlecht auf den Unterricht und den Stoff konzentrieren. Drew direkt neben mir zu wissen, seine Nähe zu spüren und seinen intensiven Duft in der Luft klebend zu haben, belastete meine Konzentration gewaltig. Dann folgte er mir noch zu meinem Spind, wofür ich insgeheim dankbar war. Es waren zwar kaum andere Schüler im Flur, doch innerlich half es mir jemanden bei mir zu haben.

Er riss mir den Brief von der Universität in San Francisco einfach aus der Hand, bestand darauf zu erfahren, was in dem Briefumschlag verborgen war. Wieso wollte er das alles über mich wissen? Was macht mich so interessant, für jemanden wie ihn? Obwohl ich eindeutig mehr Fragen, als Antworten habe, berührte mich seine Art wie er versuchte mich aufzumuntern.

Und das wiederrum macht mich wütend, und zwar auf mich selbst. Mir sollen seine Worte nicht gefallen, seine Nähe soll mich nicht aus der Fassung bringen und vor allem hasse ich es, dass ich mich in seiner verkorksten Gegenwart sicher fühle.

Gerade bin ich dabei mir meinen Rucksack über die Schulter zu werfen, somit sind wir wieder am Anfang meiner Gedanken. Das Leben im Haus der Gibsons raubt mir jegliche Energie und das wegen Cole. Seit er da ist fühle ich mich unter diesem Dach nicht mehr so geborgen und geliebt. Vielleicht bilde ich mir das alles nur ein und Isabell und Bonny sind genau so wie früher, doch ich kann nicht so tun als wäre alles in Ordnung. Solange ich das bittere Gefühl habe, mir wird etwas verschwiegen, meide ich jeden Familienmoment, den es hier womöglich geben wird.

Isabell besteht darauf, dass Cole und ich gemeinsam in die Schule fahren, doch zu diesem Opfer bin ich nicht bereit. Ich erfinde immer eine neue Ausrede, fahre jeden Morgen und Nachmittag mit Conner oder Meghan mit, nur damit ich Cole nicht ausgesetzt sein muss.

Heute Morgen, am Freitag, brauche ich zum Glück keine Ausrede. Ich habe erst zu dritten Stunde Unterricht, das bedeutet Cole ist schon weg. Conner müsste jeden Moment vor der Tür stehen und mich abholen, da wir vor beginn der dritten Stunde noch in ein Café gehen und zusammen frühstücken.

Als ich die Treppen hinunterspaziere kommt Isabell zur Haustür hinein. Ihr Blick ist zu der Zeitung in ihren Händen gesenkt, erst spät nimmt sie mich wahr. »Guten Morgen, Luna.« Sie lächelt mich warm an, streift sich ihre Schuhe ab und legt die Autoschlüssel in eine Schale.

»Guten Morgen.« Mit angeschwollenen Herzen komme ich am Fuß der Treppe an und steige in meine schwarzen Vans. »Ich habe Bonny eben in den Kindergarten gebracht. Könntest du sie später vielleicht holen? Ich habe noch einen wichtigen Termin mit dem neuen Anwalt deines Dads und das würde sich überschneiden.«

Sofort erinnere ich mich an das Gespräch zwischen Cole und ihr zurück, als ich hinter der Tür gelauscht habe. Eiskalte spuren zeichnen meine Brust ab. »Redest du von dem Anwalt, den Cole und du im Auge habt?«, sage ich scharf und meide jeglichen Augenkontakt. Isabell lässt die Zeitung komplett nach unten sinken, dann sieht sie mich an.

»Er ist der beste der Stadt«, meint sie mit schwacher Stimme. Grinsend schüttle ich bloß mit dem Kopf und starre nach oben an die Decke. Wow, der Dachdecker hat sich echt Mühe gegeben.

»Und wieso wird mir sowas verschwiegen? Ich bin nämlich der Meinung, dass mir solche Informationen nicht vorenthalten werden sollten, Isabell!«, fahre ich sie an.

Isabell kommt eilig auf mich zu und kommt direkt vor mir zum Stehen. Sie sieht verzweifelt und völlig fertig aus. »Luna. Als ich dich hier bei mir aufgenommen habe, da habe ich dir etwas versprochen. Erinnerst du dich?« Um nicht einzuknicken, verschränke ich die Arme vor der Brust und presse die Lippen festaufeinander.

Isabell legt mir ihre warme Hand auf die Schulter.

»Ich habe dir versprochen deinen Dad so schnell wie möglich zurückzuholen. Hiermit halte ich mein Versprechen und tue alles was in meiner Macht steht um ihn dir zurückzubringen, okay? Und damit du dich damit nicht rumschlagen musst, halte ich dich daraus. Du hast genug mitmachen müssen, Maus.«

Langsam hebe ich mein Kinn an um sie ansehen zu können. Eine Träne schmückt ihr Gesicht, ein Kloß macht sich in meinem Hals breit und ich widerstehe dem Drang sie in den Arm zu nehmen. Sie will mir weiteren Kummer ersparen, trotzdem ist es nicht ihre Aufgabe mich zu schonen.

»Ich komme damit klar«, sage ich rau.

»Ich weiß, Schätzchen.« Sie lächelt mich unter Tränen an. »Ich weiß wie stark du bist und wie dich die ganze Sache abgehärtet hat. Nur kann ich es nicht ertragen dich am Boden zerstört zu sehen. Lieber leide ich für uns beide.«

Und ich glaubte ihren Worten. 

-Losing Game-Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz