Eine Merthur Kurzgeschichte

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     Das konnte so nicht weitergehen. Eigentlich war Merlin noch nie wie die anderen Bediensteten gewesen, aber in diesem Moment hatte er es übertrieben. Kamen nach seinen sarkastischen Bemerkungen und schnippischen Kommentaren bisher höchstens verärgerte Blicke, so war der Ausdruck auf Arthurs Gesicht nun angsteinflössend. Arthurs Augen, des Königs Augen, waren starr auf Merlins gerichtet. Die Augenbrauen bedrohlich zusammengezogen.         

     «Jetzt bist du zu weit gegangen», zischte Arthur in die angespannte Luft hinein.

     Merlins Rücken stiess an die Wand der königlichen Schlafkammer. Er hatte gar nicht bemerkt, wie er langsam vor Arthur zurückgewichen war.

     «Du kannst nicht einfach ständig meine Befehle missachten. Ich bin der König.» Die letzten Worte raunte Arthur mit einem bedrohlichen Unterton, während er auf seinen Diener zuging. Er blieb wenige Schritte vor ihm stehen. Merlin schien es, als würde er hoch über ihm aufragen. Vor wenigen Minuten spottete er noch über dessen Ärger.

     Ein paar Ritter waren von ihrer Patrouille zurückgekehrt. Sie wurden mitten auf der Strecke von feindlichen Söldnern überfallen. Arthur hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl dabei gehabt. Er durfte sich nicht sicher fühlen. Nicht bei der aktuellen politischen Lage. Er beauftragte Merlin damit, den Trupp ausfindig zu machen und vor der Falle zu warnen. Merlin war ein sehr fähiger Mann. Oder zumindest dachte er das. Merlin jedoch war mit einer anderen Geschichte beschäftigt und hielt Arthurs Sorge für unbegründet. Er verliess das Schloss nicht. Damit hatte er den Befehl des Königs nicht ausgeführt und sein Reich verraten. Die Ritter tappten in die Falle und schafften es nur mit Mühe und Not wieder zurück in die Burg. Dies alles hätte durch Merlin verhindert werden können, wenn er Arthur nur endlich ernst nehmen würde.

     Seinen Fehler hatte Merlin schon längstens eingesehen, aber seine Einstellung gegenüber Arthur wollte er nicht ändern. Er war der Magier hier und er hatte Aufgaben, von denen Arthur noch nicht einmal träumen würde. Trotzdem schüchterte Arthurs Nähe ihn plötzlich ein.

     Arthur sah die Nervosität in Merlins Augen. Mit Genugtuung stellte er fest, dass das aufmüpfige Grinsen aus dessen Gesicht verschwunden war. Doch sie waren hier noch nicht fertig. In Arthur kochte es und nur seine immense Beherrschung als König hielt seinen Zorn im Zaum. Merlin musste seine Lektion lernen.

     «Ich bin der König», wiederholte Arthur, «Ich herrsche über Camelot, das grösste Reich Englands. Mir gehört jeder Meter von den Inseln im Westen über die Hügel der Midlands zu den Flüssen der Shires. Jeder Mensch auf meinem Land ist mir unterstellt. Meinen Befehlen wird gehorcht. Mein Wort ist Gesetz.»

     Arthur trat einen Schritt auf Merlin zu, der sich mittlerweile an die Wand presste. Merlins Unbehagen wuchs.

     «Im Gegenzug ist es meine Pflicht für das Wohlergehen dieses Landes und jedes Lebewesens, das darauf wandelt, zu sorgen», fuhr der König fort. «Und das funktioniert nur, wenn der Staatsapparat unter mir genau das tut, zu was er angeordnet wird.»

     Arthurs muskulöser Körper war nur noch wenige Zentimeter von Merlins entfernt. Merlin wagte es nicht mehr zu atmen und konnte nicht anders, als in die blauen Augen Arthurs zu blicken. Sie waren ernst aber ruhig und beherrscht.

     «Ich kann es nicht dulden, dass man meine Befehle missachtet. Ich fürchte, dir ist das Ausmass meiner Verantwortung und meiner Macht noch nicht bewusst. Ich kann über die Liebe einer jungen Frau entscheiden, indem ich ihre Hochzeit bewillige. Ich kann über das Leben eines Diebes entscheiden, indem ich ihn hängen lasse oder nicht. Ich entscheide, wie viel jeder in dieser Stadt isst. Ich entscheide, mit welchen Ländern wir Handel treiben.»

     Arthurs Stimme war nun leiser, aber nicht minder ausdrucksstark. Jeder Muskel seines Körpers schien sich angespannt unter dem Stoff der Tunika abzubilden. Merlin wurde mit einem Mal bewusst, wie stark Arthur eigentlich sein musste. Er war ihm hoffnungslos unterlegen und hoffte, er würde nie Opfer dieser Stärke werden. Da hätte er sich seinen Fehler jedoch zweimal überlegen müssen.

     Arthur hob seinen rechten Arm und sagte mit mächtiger Stimme: «Ich kann dich schlagen.»

     Seine Hand sauste auf Merlins Wange herab. Die Ohrfeige war so stark, dass sie Merlin gleich auf den Boden katapultierte. Bevor dieser überhaupt begreifen konnte, was gerade passiert war, fand er sich auf dem harten Holzboden wieder. Er setzte sich halb auf und hielt sich seine Wange. Ein glühender Schmerz ging von ihr aus. Er blickte zu Arthur auf, immer noch schweigend. Sein König stand erhaben über ihm und schaute mit grimmiger Entschlossenheit in seine Augen. Er beugte sich herunter, packte Merlins Kragen und zog ihn mit Leichtigkeit wieder auf die Füsse. Merlin hatte bereits ein anderes Bild von Arthur und konnte es immer noch nicht ganz fassen, dass dieser ihn geschlagen hatte, doch was als nächstes geschah, verblüffte ihn noch mehr.

     Arthur stiess Merlin gegen die Wand. Sanfter diesmal. Sein Gesichtsausdruck änderte sich. Er raunte mit weicher Stimme: «Ich kann dich auch küssen.» Arthur nahm Merlins Gesicht in seine warmen Hände. Merlin erstarrte. Seine Arme schwebten in der Luft neben Arthurs Körper. Der König drückte seine Lippen ganz sanft gegen die seines Dieners, während seine Daumen dessen Gesicht streichelten. In Merlin explodierte seine Brust und Feuer schien sich in seinem Körper auszubreiten. Sein Kopf hatte sich abgeschaltet. Sein Hirn war noch nie weiter davon entfernt, sarkastische Sprüche auszudenken, als in diesem Moment. Seine ganzen Sinne wurden von Arthur eingenommen.

     Doch da war der Kuss auch schon vorbei. Merlin keuchte leicht, als Arthur wieder einen Schritt zurücktrat. Merlins Hände schwebten immer noch unbeweglich in der Luft und er starrte seinen König an. Sein Körper stütze sich gegen die Wand, ohne die er gar nicht mehr aufrecht stehen würde.

     «Ich kann alles machen», flüsterte Arthur. «Deswegen ist es von immenser Bedeutung, dass ich mir meiner Verantwortung bewusst bin. Ich wurde mein Leben lang auf diese Aufgabe vorbereitet und ich hole mir die Beratung, die ich brauche. Merlin, ich habe meinen Platz gefunden und ich gebe jeden Tag mein bestes, ihm würdig zu sein. Du musst mir vertrauen. Du musst deinem König vertrauen.»

     Aus Arthurs Körpersprache war jegliche Wut gewichen. Er sah nun lediglich mit ernstem Gesichtsausdruck zu Merlin herunter.

     «Nur so kann ich auch dir vertrauen.»

     Merlin wurde zum ersten Mal bewusst, wie weit sich Arthur entwickelt hatte. Er war nicht mehr der arrogante Sohn von Uther Pendragon. Er war der König von Camelot.

     Merlins Knie wurden weich und er sackte ein paar Zentimeter hinunter. Sofort waren Arthurs Hände an seinen Schultern und hielten ihn fest. Sein König würde für ihn sorgen. Immer.

Merthur Oneshot (BBC's Merlin)Where stories live. Discover now