Chapter 2

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"Mommy, Mommy, erzählst du uns eine Geschichte?", quengelt die Jüngste der Familie. "Ja bitte Mommy, bitte!", riefen nun auch die anderen drei. Nur der Älteste rief nicht. Er versteckte wieder einmal sein Gesicht hinter einem dicken Wälzer. "Na gut, aber nur eine.", willigte die Mutter ein. "Jipiee!", riefen die vier kleinen Mädchen durcheinander und wuselten durchs Zimmer in ihre Betten. Die fünf Kinder des Hauses teilten sich ein Zimmer. "Bitte die mit Einhörnern Mommy!" "Nein die mit den Elfen!" "Ich will die mit den Feen hören!" "Die mit der magischen Meerjungfrau im Zaubersee Mommy!" "Welche willst du hören Liam?" "Keine?" "Ach komm schon Liam!" "Bitte Liam!" "Such eine aus Liam!" "Bitte die mit den Meerjungfrauen!" Liam seufzte und legte sein Buch zur Seite. "Wie wäre es mit der Legendentochter, Mom?" "Die Legendentochter...." "Weißt du nicht mehr? Du hast mir die Geschichte früher erzählt." "Doch doch, ich weiß schon..." "Was ist das, eine Legendentochter, Mommy?" "Das weiß niemand so genau, mein Schatz. Es gibt viele Mythen und viele Geschichten über sie. Doch keiner weiß genau, welche von ihnen wahr sind, und welche es nicht sind." "Aber du weißt welche wahr sind, oder Mommy?" "Nein, dass weiß auch ich nicht. Ich kenne sie nicht einmal alle. Ich kenne nur jene, die meine Mutter mir erzählt hat." "Erzähl sie uns, Mommy!" "Bitte, alle die du kennst!" "Wir wollen sie hören, Mommy!" "Erzähl uns von ihr! Bitte bitte bitte!" "Ich glaube, das schaffen wir heute nicht mehr. Morgen ist Schule, meine Lieben." "Und Kindergarten!" "Und Vorschule!" "Ja, das beides auch." "Und Mittelschule, und ich schreibe einen Matheexam, morgen in der ersten und zweiten Stunde! Also würde ich jetzt wirklich gerne schlafen, Familie!" "Ist gut Schatz. Gute Nacht ihr fünf!" Die Mutter verließ das Zimmer und acht vorwurfsvolle Augen richteten sich auf Liam. Dieser drehte sich zur Wand und schloss die Augen. Dann fingen die vier kleinen Mädchen an zu reden. So wie an jedem Abend, seit Liam sich erinnern konnte. Zumindest seit er sich erinnern konnte, dass es mehr als eine Schwester in diesem Haus gab. Sie warteten bis die Eltern vom Flur weg waren und redeten dann die ganze Nacht, wenn man sie ließ. "Wenn ihr nicht leise seid, dann sag ich es eurer Mutter.", sagte Liam. "Du bist fies, Liam! Wegen dir bekommen wir heute keine Geschichte erzählt!" Die Jüngste schien beinahe zu weinen wegen der ausgebliebenen Geschichte, und dies machte Liam ein schlechtes Gewissen. Er setzte sich auf und sah von einer Schwester zur nächsten. Die Jüngsten weinten fast. Liam seufzte. "Na kommt schon her!", sagte er und sofort liefen die vier Mädchen zu seinem Bett und ließen sich darauf nieder. Liam lehnte sich an die Wand und das Jüngste Mädchen kletterte auf seinen Schoß. "Also", begann Liam zu erzählen, "Die Legendentochter ist ein alter Mythos, der seit Jahrtausenden vom Generation zu Generation weitergegeben wird. Mom hat mir früher von ihr erzählt, als ich noch klein war. Es heißt, die Legendentochter hause mutterseelenallein in einer Hütte in einem verlassenen Dorf, welches von den alten Stammesmitgliedern als das Dorf Okas bezeichnet wird. Es sollte einst ein Dorf der Hexen und Zauberer gewesen sein, ein Ort der Zuflucht für verstoßene Wesen. Vor dem großen Zaubererkrieg war Okas ein ausgestorbenes Plätzchen, es heißt, dort war es immer still, nicht einmal den Wind hatte man dort hören können. Nach dem Krieg und nach der Pest bewohnte niemand mehr diesen Ort. Niemand, außer der Legendentochter, die diesen Ort niemals verlassen hatte. Legenden besagen, dass sie heute noch immer in ihrer Hütte im Wald haust, und wenn jemand mit reinem Herzen ihre Hilfe braucht und sie aufsucht, dann wird sie ihm helfen, solange er ehrlich für eine gute Sache kämpft." Die kleinen Mädchen waren eingeschlafen und Liam lächelte. Es war so einfach seine Schwestern glücklich zu machen. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, stand Liam auf und trug seine jüngste Schwester, Valentina, zu ihrem Bett und deckte sie zu. Sie schlief einfach weiter. Danach brachte Liam seine zweitjüngste Schwester Alina in ihr Bett zurück, danach seine beiden ältesten, jüngsten Schwestern Sarah und Rosalie. Rosalie, die Älteste von Liams kleinen Schwestern, fiel in einen unruhigen Schlaf als er sie in ihrem Bett ablegte. Das hatte sie öfter. Manchmal weinte sie im Schlaf, wenn einer aus der Familie Stress hatte. Rosalie hatte eine sehr dünne Haut. In solchen Nächten musste Liam sie aufwecken, damit die drei jüngeren Mädchen nicht ebenfalls aufwachten. Danach schlief Rosalie meist nicht wieder ein, und Liam setzte sich mit ihr in die Küche, bis der Morgen graute. Sarah, die Zweitälteste der Schwestern, war so ziemlich das Gegenteil von ihrer Schwester Rosalie. Sarah nahm selten Rücksicht auf die Gefühle Anderer und diese Eigenschaft führte oft zu Streit in der Familie und auch mit fremden Kindern oder Erwachsenen. Doch diese Eigenschaft machte Sarah nicht herzlos oder Ähnliches, nein, es machte sie irgendwie... Stark. Sie machte sich nie Sorgen, oder stresste sich, sie war also nahezu die Ruhe in Person. Sie hatte einen sehr ruhigen Schlaf. Alina war in vielerlei Hinsicht sehr durchschnittlich. Sie hatte ein völlig durchschnittliches Aussehen, normale Noten, normales Schlaf oder Essverhalten. Aber aus welchem Grund auch immer konnte Alina alles hören, was gesprochen wurde, egal wie leise es war. Das war das Einzige überdurchschnittliche, was sie besaß. Valentina, die Jüngste, war mit ihren vier Jahren außergewöhnlich talentiert. Ob sie nun Zeichnen oder Singen sollte, Tanzen oder ein Instrument spielen, sie konnte einfach alles. Sie besuchte zwar einen normalen Kindergarten, doch ihre Erzieher hatten Liams Eltern schon oft vorgeschlagen, sie den Kindergarten überspringen zu lassen und in die erste Klasse zu schicken. Doch ihre Eltern waren stur dagegen ihre so begabte Tochter überspringen zu lassen. Sie waren der Meinung, dass es besser für Valentina wäre mit Kindern ihres Alters aufzuwachsen. So war das bei allen Kindern ihrer Familie. Sie alle hatten irgendein außergewöhnliches Talent. Dann wäre da einmal sein Cousin Hugo, der jede menschliche Gestalt annehmen konnte die er wollte. Seine Cousine Meggan, die ältere Schwester von Hugo, welche mühelos perfekt war. Perfektes Aussehen, perfekte Stimme, perfekte Haltung, perfekte Noten. Im Grunde war sie wie die ältere Version von Valentina. Seine Tante Mera konnte Wasser bewegen und beliebig Formen, ohne es zu berühren. Liams Mutter sprach mit Tieren und sein Onkel Marius... Über den durfte man nicht sprechen. Angeblich hätte er die Zukunft sehen können und wäre dann mit sechzehn abgehauen... Soweit Liam wusste, hatte Marius eine Tochter gehabt, Peach, welche Pflanzen hatte wachsen lassen können wo immer sie war. Doch ebenso wie Marius, war Peach verschwunden. Vermutlich hatte Liams Onkel seine Tochter einfach mitgenommen, Liam jedenfalls erinnerte sich nicht an seine Cousine Peach. Die jüngste Tochter von Mera hieß Pepa, und sie konnte Verletzungen durch die bloße Berührung ihrer Haut heilen. Und dann war da Liam, welcher... Normal war. Normal wie sein Vater, normal wie sein Onkel Erik, der Vater der perfekten Meggan, der Heilerin Pepa und des Gestaltwandlers Hugo. Manchmal frustrierte es ihn, dass er der Einzige durchschnittliche in der Familie war. Natürlich, seine Abuela war auch normal, aber ab da... Abuelas drei Kinder, Mera, Julia und Marius, hatten magische Fähigkeiten bekommen. Meras Kinder, Meggan, Hugo und Pepa, hatten magische Fähigkeiten. Julias Töchter, Rosalie, Sarah, Alina und Valentina, hatten magische Fähigkeiten. Der Grad der magischen Fähigkeiten war gesunken, Sarah war auch beinahe normal, und doch hatte auch sie eine Fähigkeit. Dann war da die mysteriöse Peach, die ebenfalls magisch begabt war. Doch er, er, der dieselben Eltern wie seine vier Schwestern hatte, er hatte keine Fähigkeit geerbt. Und das frustrierte ihn manchmal sehr. 
Gerade als Liam wieder in sein Bett steigen wollte, wackelte der Boden, Rosalie begann zu weinen und er hörte die aufgebrachten Stimmen der Erwachsenen.

LegendentochterTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang