E I N S

84 4 0
                                    

Kapitel 1


Wenn ich früher an einen Samstagabend gedacht habe, stellte ich mir oft eine Nacht voller Alkohol, Partys und wilden Aktionen vor.

Heute jedoch sieht mein Samstag eher doch ein wenig anders aus.

Zum hundertsten Mal laufe heute schon zur Tür, um den nächsten Patienten anzusehen, obwohl ich bereits weiß das wir weder Betten noch Kapazitäten für einen weiteren haben. Meine Füße schmerzen schon seit Beginn meiner Schicht und mit einem knappen Blick auf die Uhr begreife ich auch erst, dass es noch einige Stunden sind, die mir bleiben bis ich die Turnschuhe abstreifen kann. Grade mal 22 Uhr sagt mir der kleine Helfer an meiner Brust und meine Gedanken kreisen nur vor sich hin. Weitere 9 Stunden halte ich das fast nicht mehr aus.

Kurz vor der Tür atme ich noch einmal ein, sammle mich und dann gehe ich den Schritt nach vorn, sodass sich die Tür öffnet. "Schönen guten Abend, wie kann ich Ihnen helfen?" lächelnd schaue ich den jungen Herrn vor mir an und warte auf eine Antwort.
Seinem Gesicht nach, wusste er es wohl auch nicht so ganz und streckte nur mit zitternd seine Hand aus, in der sich ein rosa Zettel befand.

Nickend nahm ich diesen entgegen und scannte die Einweisung schnell über.
,,Okay, Sie können erstmal noch im Wartebereich Platz nehmen. Ich bin gleich wieder da und nehme dann die Personalien auf." Mit diesen Worten zeigte ich nur noch grob in die Richtung wo sich der Wartebereich befand und machte auf den Haken kehrt.
Kopfschüttelnd ging ich zu meiner Kollegin am Tresen und legte ihr die Einweisung hin. ,,Schon wieder ein Abszess am Hintern. Der Junge ist nicht einmal volljährig und es ist schon der 3. diese Nacht."
Lara guckte mich nur lächelnd an und nahm den Zettel in die Hand. „Mach dir da nichts draus. Sei einfach froh, dass es dich nicht trifft."

„Aber ich habe einfach keine Motivation mehr, meine Füße schmerzen jetzt schon unfassbar dolle."

„Ich verstehe auch nicht warum du dich dazu entschieden hast, noch ein paar Nächte dran zu hängen." In dem Moment wo die Worte ihre Lippen verließen, ertönte hinter ihr ein lauter Alarmton. Grinsend sah ich schaute ich sie kurz an, um dann auf den großen Bildschirm in unserem Dienstzimmer zu schauen. Der Alarmton bedeutete, dass der Rettungsdienst uns einen Notfall bringen würde und mein Grinsen wurde nur breiter als ich sah was angemeldet wurde.

„Aus genau dem Grund" sagte ich ihr ,,Ich habe die ganze Woche auf eine rote Anmeldung gewartet." Mit einem Lachen wandte ich mich von ihr ab und ging im Schnellschritt durch die Aufnahme zum Schockraum.

„Oh du Schlingel! Er fährt heute Notarzt! Oder nicht?" mit gespieltem Entsetzen rief Laura mit hinterher, doch ich antwortete nicht und schob die schwere Tür vom Schockraum auf.
Sie wusste genau, warum ich lieber Nachtdienst machte.

Mit automatischen Griffen wühlte ich die Schränke im Raum durch und legte alles Notwendige auf die umliegenden Tische. Spritzen, Nadeln, Pflaster und insbesondere noch einige Kleinigkeiten, von denen ich wusste, dass er sie benötigen würde. Mit einem letzten schleifenden Blick schaute ich nach ob alles so vorbereitet war, wie es benötigt werden sollte.

Zufrieden mit meiner Arbeit ging ich aus dem Raum und suchte auf dem Flur nach einer Trage.

„Oh man Ella! Ich kanns nicht fassen, dass du für so einen Typen freiwillig mehr Nachtdienste machst!" Mit falschen Entsetzten rief Lara zu mir rüber, doch ich ignorierte sie einfach.

Es war nicht so, dass ich nur wegen ihm noch ein paar Nächte mehr machte. Aber es war ein sehr netter Bonus.
Unser Chefarzt fuhr hauptsächlich immer nur nachts die Notdienste, damit er am Tag bei uns in der Aufnahme sein konnte, um die Ärzte einzuweisen und uns Pflege unterstützen konnte. Ich hatte anfangs viel mit ihm zusammengearbeitet, als ich die stellvertretende Leitung wurde. Und es war ein unausgesprochenes Geheimnis bei uns, dass zwischen Arne (eigentlich Dr. van Kleevten) und mir eine gewisse Chemie herrschte, doch ich bejahte weder die Gerüchte noch verneinte ich sie. Im Prinzip waren wir nur ein sehr gutes Team, perfekt auf einander abgestimmt halt. Oftmals wusste ich schon was er brauchen würde, bevor er es selbst wusste. Und das war das, was uns zu einem so guten Team machte.

Aber es war dazu auch ein wirklich spannendes Arbeiten in der Nacht, wenn er anwesend war, insbesondere weil er oftmals nur mit wirklich extremen Notfällen kam. Wie in dieser Nacht.

Ich konnte das Blaulicht bereits vom Schockraum aus sehen, da es sich in den Glasfronten des Eingangsspiegelte. Mit flinken Bewegungen schob ich also das grade platzierte Bett wieder aus dem Raum raus, um es direkt in den Eingang zu schieben und durch die Regung gleichzeitig auch die Schiebetüren für die Kollegen aus dem Rettungsdienst zu öffnen.

Als bereits die ersten paar Zentimeter der Tür offenstanden, traten schon die Kollegen in blau an die Tür mir einer trage. Durch die Glastüren war es bereits sichtbar, dass schon einer der Kollegen auf der Trage hockte und sich mit dem Oberkörper auf und ab bewegte.

"LARA!" schrie ich nur "mach sofort den Monitor im Schockraum bereit und räum alles zur Seite! Aus dem Herzinfarkt ist eine Rea geworden!" 

Ein Arzt zum VerliebenWhere stories live. Discover now