Essen hilft natürlich immer gegen Kummer und Sorgen.

Der offene Speisesaal ist bereits ziemlich voll. Die neu angekommenen Gäste haben sich noch nicht an den Taucherhunger gewöhnt. Sie konnten es wohl nicht erwarten, sich am reichhaltigen Buffet zu bedienen, das hier täglich serviert wird.

Ich steuere auf den Stafftisch zu. Unsere Tafel steht etwas abseits im Raum, damit die Gäste den Ausblick von der überdachten Terrasse des Speisesaals über das Meer geniessen können. Die grosse Mehrheit des Personals hat sich bereits um den Tisch versammelt. Es wird wild in Englisch und Malaiisch durcheinander gesprochen.

Zwischen James - dem Tauchlehrer aus London - und Raya - der malaysischen Schnorchelinstruktorin und meine beste Freundin auf der Insel - finde ich noch ein freies Plätzchen auf der Bank. Gerade in dem Moment, als ich mich niederlasse, wird das Abendessen aufgetischt. Die Teller und Schalen dampfen, sodass es mir das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.

Mit Freuden stelle ich fest, dass Moe, der Koch, mein Lieblingsessen zubereitet hat: Nasi Lemak - das geilste malaysische Gericht auf Erden.

Nasi Lemak for life!", grinst er mich an, als ich ihm meinen Teller hinstrecke und er mir eine grosszügige Portion schöpft.

Seit ich ihm das erste Mal fast die Füsse für dieses Gericht geküsst habe, als er es kochte, macht es ihm immer eine Freude, mein glückliches Gesicht zu sehen, wenn er mir den Teller damit füllen darf.

Nasi Lemak for life, my friend", stimme ich ihm zu.

Die wichtigste Zutat bei dem Gericht ist der Reis, welcher in der cremigsten Kokosnussmilch, die man sich vorstellen kann, getränkt und in Pandanblättern gedämpft wird. Dazu gibts eine scharf-würzige Sauce aus Chili, Pfeffer - wir sind ja in Malaysia, das sogenannte Land, wo der Pfeffer wächst - und gebackenen Garnelen. Moe hat der Chilisauce noch Mango hinzugefügt, was das ganze Gericht in himmlische Sphären hebt. Zum göttlichen Reis gibt es erfrischende Gurkenscheiben, geröstete Erdnüsse, ein Ei, getrocknete Sardellen und gebratenes Hühnerfleisch.

Es gibt wirklich kaum ein besseres Gericht, als dieses. Wenn ich bald sterben müsste, dann wäre Nasi Lemak mein letztes Mahl, das ich zu mir nehmen wollen würde und Moe der Koch, der es zu meinem Leichenschmaus zubereiten dürfte.

Während an unserem Tisch fleissig gegessen wird, höre ich von James und Raya, wie sie heute mit dem Walhai geschwommen sind. Unvermeidlich macht sich der Neid in meinem Magen breit. So gerne würde ich mit diesem Tier in meinem Leben einmal durch die unendlichen Weiten gleiten können. Nur hatte ich bis heute keine Gelegenheit dazu.

Das ist ärgerlich, denn im Moment sind die Bedingungen für eine Walhai-Sichtung besonders günstig. Das spürt man an dem ganzen Plankton im Wasser, der auf der Haut wie tausend Nadeln sticht.

Schweigend stopfe ich mir das Maul mit dem herrlichen Mahl und geniesse einfach die lockere Atmosphäre zwischen meinen Kollegen. Manchmal ist mir nicht zum Reden zumute und dann höre ich gerne den anderen Gesprächen zu.

Da wird meine Idylle von einer lauten Stimme unterbrochen, die meine Nervenbahnen wieder zum Überglühen bringt.

„Abend zusammen. Ich bin Alexander. Der Neue", stellt er sich vor.

Ein erstauntes Raunen geht durch meine Teamkollegen. Dann wird Platz für ihn gemacht. Auf der gegenüberliegenden Tischseite, so dass ich ihm direkt in die abscheuliche Visage starren muss.

Das hat mir gerade noch gefehlt.

Mit einer eleganten Bewegung streicht sich Alex die mittellangen, blonden Strähnen nach hinten und fixiert sie mit seiner Sonnenbrille, die er noch immer trägt, obwohl die Sonne sich längst an den Horizont geschmiegt hat und uns gute Nacht sagt.

Schildkröten sprechen nichtWhere stories live. Discover now