Teil 10

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Da stand er, ganz ordentlich angezogen, mit Hemd und Namensschild. Er hatte mir erzählt, dass er manchmal im Restaurant helfen muss und dass er heute kellnern muss. Das bedeutet Harry wird unser Kellner sein und meine Vater wird das bestimmt nicht freuen. Ich hoffe nur dass Harry sich zurück hält und keine Bemerkungen oder Andeutungen macht oder irgendwas in der Art, damit mein Vater mal ein wenig runterfährt. Hoffentlich benimmt Harry sich nicht komisch und hinterlässt einen guten Eindruck, dann werden meine Eltern sehen dass er ein anständiger Junge ist und nicht irgendein Idiot. Er sieht mich und grinst rüber. Ich bete, dass alles gut läuft das schlimmste wäre, wenn mein Vater ihn mit seinen Fragen löchert und Harry dann auch nicht mehr weiß, was er sagen soll. Er nimmt sich einen Block und kommt an unseren Tisch. Ich schaue zu meinem Vater, der ihn schon skeptisch anguckt. "Guten Abend, kann ich die Bestellung schon aufnehmen?" sagt er und zwinkert mir dabei zu. Ich tue einfach so, als hätte ich das nicht gesehen. Meine Eltern bestellen und Harry geht um den Tisch, um mit meiner Schwester zu reden. Er steht jetzt hinter mir. "Was möchtest du denn?" fragt er sie und macht dabei ein möglichst freundliches Gesicht. Sie zeigt ihm etwas auf der Karte und erklärt, was sie gerne hätte. Plötzlich spüre ich Harrys Hand auf meiner Schulter. Während er weiter die Bestellung aufnimmt, streicht er mir sanft über den Rücken. Es ist ja nicht so, dass mir das nicht gefällt, im Gegenteil, aber mein Vater wirft Harry einen Todesblick zu und auch die anderen am Tisch fragen sich, was der Kellner da macht. Gott im Himmel kann er bitte damit aufhören, es macht die Situation noch merkwürdiger, als sie eh schon ist. Langsam nehme ich seine Hand von mir und werfe ihm einen verzweifelten Blick zu, in der Hoffnung er begreift dass das hier grade keine gute Idee ist. Er geht wieder zur Küche und sofort drehen sie alle Blicke in meine Richtung. "Schatz, was war das grade?" fragt meine Mutter, die anscheinend noch nicht mit meinem Vater über Harry geredet hat. Ich fange an zu stottern. "Ähm, keine Ahnung..." sage ich und versuche so zu tun, als wüsste ich garnicht was das war. "Kennst du ihn?" Bevor ich was sagen kann mischt sie meine Schweter auch schon ein."Ja Mama das ist doch der Junge, den sie immer küsst." Ich würde meine kleine Schwester am liebsten erwürgen. Immer küsst? einmal. Außerdem wollte ich nicht, dass das gleich alle wissen. Was denken denn Maries Eltern über mich? Und meine Mutter will jetzt vermutlich auch noch ein peinliches Gespräch mit mir führen. "Wie bitte was?" hakt sie jetzt nach. Ich starre einfach auf die Tischdecke und versuche das alles hier zu ignorieren. Viellicht nicht unbedingt der beste Weg, aber ich muss nichts mehr sagen, weil mein Vater sich zu Wort meldet. "Ich erkläre dir das später, wir lassen das jetzt einfach so stehen." sagt er zu meiner Mutter, die nichts mehr zu verstehen scheint. Wir wechseln das Gesprächsthema und essen. Es bedient uns im laufe des Abends jemand anderes, da Harry verschwunden ist. Weiß der Geier wo hin, aber ich bin froh darüber.

"Hey, gehst du mit mir zur Rezeption? Ich muss noch was fragen." sagt Marie, nachdem wir vom Tisch aufgestanden sind und ich stimme zu. Wir machen uns zu zweit auf den Weg zur Lobby und stellen uns in die lange Schlange, die sich an der Rezeption gebildet hatte. Wir warten ein paar Minuten, aber die Schlange bewegt sich nicht wirklich weiter. Mein Blick schweift durch den Raum. Oh da ist Harry ja, er muss anscheinend noch ein bisschen im Eingangsbereich arbeiten. Ich schaue rüber zur Tür. Ein hübsches Mädchen mit langen braunen Haare schleppt sich grade mit ihrem Gepäck herein. Sie kommt in Begleitung mit einem älteren Mann, vermutlich ihr Vater. Ich schätze sie ist ungefähr so alt wie ich.  Sie redet kurz mit dem Concierge. Dann guckt sie wie ich durch die Gegend. Sucht sie etwas bestimmtes? Während Marie endlich ganz vorne an der Schlange angekommen ist und mit der Frau hinter dem Tresen diskutiert beobachte ich sie. Das mache ich manchmal ganz gerne so Leute beobachten. Das Mädchen scheint Harry gesehen zu haben, er sie aber nicht da er mit dem Rücken zu ihr steht. Ihr Blick erhellt sich und sie strahlt über beide Ohren. Ich gebe es ungern zu, aber ich beneide sie für ihr Lächeln. Sie läuft los und rennt von hinten auf Harry zu. Was hat sie vor? Sie wird ihn umschmeißen. Sie springt mit viel Schwung auf seinen Rücken und erst jetzt bemerkt er sie. Er fällt fast um, aber kann sich grade noch halten. Wer ist sie eigentlich? Man springt ja nicht einfach fremden Leuten auf den Rücken. Ihre übertrieben langen und dicken Haare fallen auf seine Schultern. Sie hält ihm mit ihren Händen die Augen zu. Wie ist die denn drauf? Ich beobachte das ganze aus einer gewissen Entfernung, doch nah genug dass ich hören kann was sie sagt: " Na...Wer bin ich? Rate wer hier ist?" sie lacht. Er wird sie warscheinlich gleich fragen, was das ganze soll und sie bitten von seinem Rücken zu verschwinden. Sie hat ihre Beine um seinen Körper geschwungen und hält ihm noch immer die Augen zu. Jetzt kann ich auch ein Strahlen in seinem Gesicht erkennen. Er kennt sie? Aber seine Schwester ist es sicher nicht, ich kenne sie. Er hat doch keine Freundin oder?! Harry scheint sie riesig über die Anwesenheit des Mädchens zu freuen. Er lacht. " Ruby? OMG Ruby!" Sie springt von seinem Rücken und in seine Arme. Warum freut er sich denn so sie zu sehen? Ich meine wer ist das bitte? Er schleudert sie durch die Luft und umarmt sie gefühlte Stunden. "Ich hab dich so vermisst kleine, ich wusste garnicht dass du vorbei kommen wolltest. Was für eine schöne Überraschung!" ruft er und mir wird fast schlecht. Was soll denn der Mist? Sie lacht "Tja, hier bin ich Hazza." sie wuschelt ihm durch die Locken. Hazza? Ist das ein Spitzname für Harry? Die beiden scheinen sich ziemlich gut zu kennen, wenn sie sich mit Spitznamen ansprechen... Sie reden weiter. "Wie lange bleibst du denn?" Sie schaut ihn betrübt an. "Nicht lange, ein, zwei Tage." Er guckt ein wenig enttäuscht:" Dann müssen wir die Zeit gut nutzen!" Was meint er damit? Ich versuche mir die ganze Zeit einzureden, dass es sie nicht um seine Freundin handelt. Aber das ganze wird immer schlimmer. "Du kannst bei mir in der Suit schlafen, komm ich nehm dein Gepäck!" Marie ist fertig damit die Rezeptionsfrau anzumotzen, was auch immer die arme Frau gemacht hat und dreht sich zu mir um. "Oh guck mal, da ist Harry geh doch zu ihm." sagt sie und läuft in seine Richtung. Oh je, muss das sein? Ich laufe ihr hinter her und wir stehen beide vor ihm und dem Mädchen, dass anscheinend Ruby heißt. Sie mustert mich. "Ich lass euch dann mal." sagt Marie und verschwindet. Das Mädchen schaut erst mich an und anschließend Harry. "Wer ist das Harry?" fragt sie und schaut mich wieder an. Ich scheine grade gar nicht recht zu sein, denn als ich meine Hand auf seine Schulter legen will, schiebt er sie schnell weg. "Das ist ähm...niemand." sagt er etwas nervös. Ich schaue ihn empört an. Niemand? Ist das sein Ernst? Sie lacht "Niemand?!" Jetzt lacht er auch. "Nein ich meine nicht niemand, tut mir leid..." dabei schaut er mich an. Jetzt endschuldigt er sich bei mir? Er schiebt mich vorsichtig ein Stück zur Seite. "...Das ist einer unserer Gäste." Er wendet sich wieder an mich "Wenn sie fragen haben, gehen sie am besten da vorne zur Rezeption, die helfen ihnen gerne weiter." Er spricht mich mit Sie an? Als würden wir uns gar nicht kennen. Hat der sie noch alle? Einer unserer Gäste? Danke dass ich jetzt feststelle, dass ich nur irgendein Gast für ihn bin. Er dreht sich um, nimmt ihr Gepäck und die beiden machen sie auf den Weg zum Zimmer. Bevor ich ihm eine Standpauke halten kann, werde ich schon alleine in der Lobby stehen gelassen. Ich begreife langsam gar nichts mehr. Ich fühle mich komplett verarscht. Harry ist so ein Idiot! Er küsst mich und dann bin ich aufeinmal niemand?! Er hat seine Freundin mit mir betrogen und mich einfach angelogen. "Ich will auf keinen Fall irgendeine Beziehung zerstören" Ne, ist klar. Dämlicher Arsch der kann mich mal. Ich hoffe mal dass ich nicht irgendeine Beziehung zerstört habe, ich will sicher nicht die Schlampe sein, die sich an einen Typen ranmacht der in einer Beziehung ist.

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