Eine gewagte Nummer

Comenzar desde el principio
                                    

Ich schiebe den Gedanken vorerst beiseite. In Tagträumen kann ich auch später schwelgen.

"Und, Elijah, du bist mit Freunden da?" fange ich wieder ein Gespräch an und wende mich ihm voll und ganz zu.

Er wackelt mit dem Kopf und lehnt sich vor, wobei sein maskuliner Duft mich umhüllt. "Eigentlich sind das die Freunde meiner Schwester. Ich soll sie nur begleiten, weil sie erst einundzwanzig geworden ist und naja... Das Küken der Familie wird für Eltern nie wirklich erwachsen."

"Oh, das kenne ich gut," meine ich und füge hinzu, "Ich hab eine größere Schwester, die sieben Jahre älter ist. Ich liebe sie auch echt, aber hab es trotzdem gehasst, wenn meine Eltern sie zum Babysitten verdonnert haben."

Elijah lacht leise auf und dreht sich zum Tisch um. "Das glaube ich gern. Angie hat es am Anfang auch gehasst, aber mittlerweile..." Ich folge seinem Blick und erkenne die hübsche Afroamerikanerin, die gerade mit einem strahlenden Lächeln ihrem Bruder winkt, "So schlimm ist es wohl doch nicht mit mir." Er hebt die Hand lässig, dreht sich dann wieder zurück und nimmt einen Schluck aus seinem Glas, das beinahe leer ist.

James steht plötzlich mit den Worten "Ich muss aufs Klo," auf und verlässt das Booth.

Elijah grinst wieder und lacht leise.

"Was," fragt Matt, muss aber auch schmunzeln.

"Nichts," meint Elijah, entscheidet sich aber doch anders. "Es war nur so Englisch. Wir würden nie vom Klo sprechen. Immer nur Badezimmer."

Matt zieht amüsiert die Augenbrauen hoch. "Aber es ist doch gar kein Badezimmer. Da ist nur ein Klo drin."

Elijah zuckt schmunzelnd mit den Schultern. "Ich weiß auch nicht, wieso wir es so sagen. Es macht wirklich keinen Sinn."

Ich springe mit ein und unterstütze meinen Landsmann. "Ganz ehrlich, ich sag es nach vier Jahren immer noch falsch. Das kommt einfach nicht da oben rein." Mit dem Zeigefinger tippe ich an meine Schläfe.

Elijahs erstaunte Aufmerksamkeit wandert wieder zu mir herüber. "Vier Jahre schon?"

"Jep," meine ich, "Hab mir aber erst vor knapp einem halben Jahr hier meine eigene Wohnung gekauft. Davor war ich immer vier Monate hier, dann zwei drüben."

"Verrückt. Aber wie stehen deine Freunde und Familie dazu? Das muss doch ganz schön schwer für sie gewesen sein, als du umgezogen bist," gibt Elijah mit ernster Stimme zu bedenken.

Matt antwortet rasch, bevor ich etwas sagen kann. "Es ist ziemlich scheiße, wenn du mich fragst." Mit verschränkten Armen sieht er mich vorwurfsvoll an. "Überhaupt mal so jemanden wie Connor zu finden ist eine Seltenheit, und dann zieht der verdammte Bastard auch noch ewig weit weg." Matt schweigt einen kurzen Moment, dann spricht er weiter. "Aber ich weiß, dass er hier glücklicher ist und das ist mir lieber als alles andere."

Meine Lippen verziehen sich zu einem kleinen Schmunzeln. Matt hat seine eigene Art, Wertschätzung und Zuneigung zu zeigen.

Ich neige den Kopf. "Es stimmt aber schon. Manchmal ist es wirklich schwer und man vermisst seine Freunde und Familie. Da will man nichts anderes als zurückzugehen. Aber dann merkt man auch, wie schön es hier ist und welche tollen Menschen hier sind. Dann wird das Heimweh etwas kleiner."

Elijah nickt, leert sein Glas und dreht es in seinen Händen. Einen Moment schweigen wir, geben ihm einen Moment, nachzudenken. Irgendwann erhebt er wieder seine wunderschöne, tiefe Stimme. "Wow... Ich war noch nie außerhalb von Louisiana. Als Kind wollte ich immer durch die ganze USA fahren, aber daraus ist nie was geworden."

Matt zuckt mit den Schultern. "Was noch nicht ist kann ja noch werden. Gib die Hoffnung nicht auf."

Elijah zuckt mit den Schultern, sieht Matt an und lächelt. "Ja, vielleicht hast du recht." Mir erscheint es, als würde eine gewisse Melancholie in seiner Stimme mitschwingen, doch als er weiterspricht ist alles wieder so locker und entspannt wie zuvor. "Und wie lange bleiben James und du?"

"Wir heiraten im September in Kansas City, weil James da Familie hat. Danach geht's vermutlich wieder nach Hause," erklärt Matt mit glänzenden Augen und fasst unbewusst an seinen Ringfinger, an dem das goldene Band sitzt.

Auf Elijahs sinnlichen Lippen entsteht ein strahlendes Lächeln. "Dann wünsche ich euch das Beste dafür." Er sagt es mit einer solchen Freude, dass ich mir sicher bin, dass er es ernst meint.

In dem Moment kommt James zurück an unseren Tisch und setzt sich neben Matt. Ich sehe aus Gewohnheit auf meine Armbanduhr und ziehe überrascht die Augenbrauen hoch. Es ist eine halbe Stunde vergangen, seitdem ich vorhin geschaut habe. Es war wirklich für mich an der Zeit zu gehen. Enttäuschung, dass der schöne Abend nun zu Ende kommen würde und ich Elijah vielleicht nie wiedersehen würde, breitete sich in mir aus, doch ich versuchte sie zu vertreiben.

"Okay, ich muss langsam echt gehen. George nimmts mit den Zeiten sehr genau," meine ich mit einem Seufzen. "Es war mir aber eine Freude, dich kennenzulernen, Elijah."

"Die Freude war meine," meint er und grinst mich breit an. "Sehe ich euch denn nochmal hier? Ich meine, das Singen war schon ein Erlebnis." Elijahs Augen blitzen schelmisch auf.

"Hey," meint James, der sofort die Anspielung versteht, nimmt es allerdings mit Humor. "Ich habe wenigstens unsere Chancen erhöht."

Matt legt seine Hand auf dessen Unterarm und legt den Kopf zur Seite. "Wir sind leider nur noch bis übernächsten Montag da, aber wir sind morgen Abend in der Blue-Bar. Da spielt Connor mit seiner Band. Warum kommst du nicht auch dazu?"

Gespannt schweift mein Blick zurück zu dem attraktiven Afroamerikaner. Hoffnung sprudelt in mir auf, doch vergeht sofort, als ich Elijahs gequälte Mimik erkenne.

"Morgen Abend hab ich meiner kleinen Cousine versprochen, ins Kino zu gehen," erklärt er und mein Herz zieht sich enttäuscht zusammen. Ich will gerade schon resigniert mein Glück verfluchen, doch da meint Elijah, "Ich weiß nicht, wann der Film zu Ende ist, aber wenn ihr dann noch da seid, komm ich gerne."

Sofort fängt mein Herz an, rasant zu klopfen. Er will uns tatsächlich nochmal treffen.

"Das wäre super," meint James nun auch und ich nicke zustimmend.

"Nun denn, ich geh dann mal ins... Badezimmer. Bin gleich wieder da," meine ich schmunzelnd und stehe aus dem Booth aus. Ich verrichte mein Geschäft, wasche und trockne meine Hände, dann geh ich zur Theke und bezahle meinen Drink. Anschließend gehe ich zurück zu den anderen drei, die sich bereits ebenfalls erhoben haben.

"Gut, wir sind wieder vollzählig. Dann kanns ja los gehen. Hoffentlich bis morgen, Elijah," meint Matt lächelnd und reicht ihm die Hand.

"Würde uns freuen, dich da zu haben," fügt James hinzu und schüttelt dem hübschen Mann die Hand.

"Ich werde versuchen, zu kommen," erwidert er, sieht mir noch ein mal tief in die Augen und schüttelt mir ebenfalls die Hand. "Bis dann, Connor."

"Bis dann," erwidere ich. Nur zu ungern lasse ich seine große, weiche Hand aus meiner gleiten. Während Elijah zurück zu seinen Tisch geht, verlassen wir zu dritt die Bar. Wir nehmen uns einen Uber, der erst an Matt und James' Hotel vorbeifährt und mich schließlich an meiner Wohnung ablässt. Ich erklimme die Stufen in den dritten Stock und betrete mein Drei-Zimmer-Appartement. Dort mache ich mich zum Schlafen fertig, entkleide mich bis auf die Boxer und lege mich anschließend ins Bett.

Ich will gerade das Licht meiner Nachttischlampe löschen, da vibriert mein Handy. Verwirrt entsperre ich es und sehe eine unbekannte Nummer in meiner Nachrichten-App. Als ich den Text lese schlägt mein Herz schneller. Ein breites Grinsen schleicht sich auf meine Lippen und verschwindet nicht, bis ich eingeschlafen bin, seine Worte tief in meiner Erinnerung eingebrannt.


Hey, hier ist Elijah. Matt hat mir deine Nummer gegeben, als du kurz weg warst. Wollte nur sagen, dass ich den Abend sehr genossen habe und dich gerne wiedersehen würde. Falls das morgen nicht klappt, was wäre mit Montag Abend? Würde mich sehr freuen :)

Soul SongDonde viven las historias. Descúbrelo ahora