Prolog

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[Dieses und die folgenden Kapitel werden in den nächsten Tagen durch die lektorierte Fassung ersetzt. Noch entspricht die Leseprobe der Rohfassung. Falls du auf die korrigierte Version wartest, bitte ich dich um ein bisschen Geduld. Es dauert nicht lange :) ]

Wenn es nach der Zeitrechnung der Lehma einen Freitag den Dreizehnten gegeben hätte, so müsste diese Geschichte wohl mit ebenjenem Datum beginnen.

Dann wäre Idis an einem Freitag durch den Zauber eines Magyrs ins Leben gerufen worden und hätte mit ihrem ersten Atemzug die unheilvollen Gefühle der Abergläubigen nur mehr bestätigt.

Dann wäre Idis an einem solch dunklen Freitag aus den geheimnisvollen Bergsystemen unter der Rabenfeste geflohen.

Dann wäre der Tag ihrer Erschaffung in dieser Welt aus Steinen und Sterblichen und Ewigen möglicherweise in einem Kalender zu erahnen gewesen.

Aber die Bibliothekare der Lehma kannten und kennen seit jeher einen ganz eigenen Aberglauben.

Und so würden sie diesen Sturm, der sich in jener Nacht entgegen aller Berechnungen über den Dächern der Kronstadt zusammenzubrauen begann, wohl nur mit einem einzigen Namen in die Geschichte eingehen lassen können.

Die unheilige Nacht.

Diese Geschichte beginnt in der unheiligen Nacht.

In der unheiligen Nacht, die mehr als einen gewöhnlichen Sturm über König Laurins Land fegen lassen sollte.

***

In jener Nacht schlugen die Schöpfer unter den Bergen ihre Fäuste ungewöhnlich laut gegen die Wände der Höhlensysteme und versetzten die Grenze zwischen den Ländern in derart wildes Getöse, dass sich selbst die Gewitterwolken über der Rabenfeste nur vor Ehrfurcht bebend aneinander drängen konnten. Die Düsternis schien sich wie ein Schleier aus der Andersweltkluft über die Dächer am Fuße des Festenbergs zu legen, als hätte sich eines der Fabelgeschöpfe unter Stein und Staub und vergangenen Jahren noch einmal zu vergessener Größe erhoben ... Oder womöglich, als hätte einer der Schöpfer höchstselbst eine Mahnung an die Frevler in der Festung des Königs geschickt.

Ein Gewitter wie dieses hätte wohl ein Zeichen gewesen sein sollen.

Jedoch ließ sich keine Gestalt aus den Mythen finden, die da mit ihrer Jagd über die Unwetterfront hätte donnern können; kein Herr der Schöpfer auf seinem Ross, der heulend und kreischend den Wolken voraus reiten würde.

Da waren bloß Wolken. Wolken, Nebel und das Gefühl einer unheiligen Macht in der Luft.

Schwarze Wolken. Finsternis.

Und dann ... ein kurzer Moment der Stille vor dem Sturm.

In einem solchen Moment der Stille schälten sich die Gestalten zweier Männer aus den Schatten vor den Toren der Festung, hielten im Schein der flackernden Feuerlampen auf die Klippe des Felsenplateaus vor den Rosengärten zu und senkten so manches Mal den Blick auf die Steine zu ihren Füßen, obwohl sie den Weg bereits seit Jahren – oder gar seit Jahrhunderten – kannten. Denn der Sturmwind drängte die Schritte der Wanderer mit seiner schieren Wucht aus den gewohnten Bahnen und verwandelte den Pfad zu den Aussichtspunkten in ein Spiel auf Messers Schneide, bis bloß noch eine kleine Mauer zwischen einem der Männer und einem Sturz in die vernebelten Tiefen lag. Wie ein hungernder Wolf aus den Wäldern zerrte der Westwind an Haaren und Kleidung der beiden Gestalten, hätte den kleineren Schatten um ein Haar von den Füßen gerissen ...

Wäre da nicht die schnelle Reaktion seines Begleiters gewesen. Eine helfende Hand, die den König wieder aufrichtete.

König Laurin konnte sich gerade noch rechtzeitig an der Schulter des Chorleiters stützen, ehe ihn der stechende Schmerz in seinem Bein erneut auf die Knie zu zwingen drohte.

Ein Herz aus Lehm und Glas - Rabenkrone [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt