Chapter 4

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Schließlich ist das Essen beendet und wir werden wieder in den Gemeinschaftsraum zurück gebracht. Schlecht gelaunt bleibe ich stehen und die Männer ignorieren mich einfach, schließen die Tür zum Gemeinschaftsraum und lassen mich in dem Zwielicht zurück.

Ich finde die Toiletten sofort. Es hat sich wirklich nichts verändert, und ich erinnere mich schmerzlich genau an jede Kleinigkeit.

Hier ist es totenstill, nur ein leises Plätschern ist zu hören. Ich stütze mich gegen eins der gesprungenen Waschbecken und werfe einen Blick in den Spiegel. Das Mädchen, was zurück blickt ist bleich, seine Haare sind leicht unordentlich und es sieht verstört aus. Ein Seufzen entweicht meinem Mund. Wenn doch jetzt nur Nico hier wäre. Er würde mich beschützen. Oder Mate. Ich würde Morgen in meinem Bett aufwachen und es würde sich alles nur als böser Traum erweisen. Müde schüttel ich den Kopf und betrachte meine Hände. Dies ist schlimmer als jeder Traum. Das Platschen ist unangenehm laut, dröhnt in meinem Kopf. Ich fühle mich einsam.

Mein Hals fängt an, leicht zu brennen und habe einen Klos im Hals. Nein! Nicht weinen, auf keinen Fall!

Hastig drehe ich den Wasserhahn auf und spritze mir ein bischen Wasser ins Gesicht. Es ist eiskalt. Ich kämpfe die Tränen zurück und gehe zur Tür. Die anderen weinen auch nicht und vor Frau Kingston werde ich erst recht keine Schwäche zeigen!

Ich gehe zu den anderen zurück, und ein angenehmer Geräuschpegel schwappt mir entgegen, als ich die Tür öffne.

Es gibt zwei Sofas. Ich entdecke das Mädchen und den Jungen vom Essen. Natürlich, sie sind halt die Stärksten. Noch vier weitere sind auf die zwei möbel verteilt, der Rest setzt sich auf den Teppich. Langsam setze ich mich hinten an die Wand und sehe mich unter den Kindern um. Keiner kommt mir bekannt vor, kein Wunder. Außerdem scheine ich mit Abstand die Älteste zu sein, die anderen schätze ich auf vierzehn, höchstens fünfzehn.

Plötzlich geht die Tür auf und Frau Kingston, die zwei Typen und ein fremder Mann kommen hinein. Der Mann trägt ein wahrscheinlich ziemlich teures Jackett und hat einen komischen Bart.

Sofort verstummen die leisen Gespräche der Kinder, alle starren die Erwachsenen in der Tür an.

„Herzlichen Glückwunsch, Jonathan. Du wurdest gerade von diesem netten Mann adoptiert!“ Frau Kingston lächelt ihr falsches Lächeln, doch alle Augenpaare sind auf den Jungen auf dem Sofa gerichtet. Ich muss schlucken, seine Gesichtszüge entgleisen.

Mein blick huscht zurück zu den Erwachsenen und ich beobachte, wie sie Papiere tauschen, der Mann Frau Kingston mehrere Scheine gibt und etwas unterschreibt. Adoptiert ist nett ausgedrückt. Jonathan wurde gerade verkauft, wahrscheinlich an irgendeinen Mafiatyp, der ein Kind braucht, das für ihn klaut. Wieder spüre ich die Wut in mir. Das war die Einnahmequelle des Waisenheims: Kinder zu Verbrechern ausbilden und sie dann für viel Geld zu verkaufen.

„Komm jetzt!“ Der Junge wird von den beiden Typen gepackt und vom Sofa gerissen. Sofort entsteht ein kurzer Ringkampf und ein anderer Junge lässt sich auf den Platz fallen. Sobald einer weg ist, nimmt sofort ein anderer den Platz ein. Die Kinder weichen zur Seite, als der hilflose Junge von den beiden Kerlen zur Tür geschleppt wird. Egal wie er strampelt und zappelt, sie halten ihn zu gut fest.

In dem Moment reicht es mir. Mit einem Satz bin ich auf den Beinen, springe über ein verdutztes Mädchen, was gerade noch den Kopf einziehen kann und stoße den einen Kerl von Jonathan weg.

„Was!“, braust der Mann auf und schlägt nach hinten, doch damit habe ich schon gerechnet und weiche aus.

„Lauf!“, rufe ich dem Jungen zu, aber der ist viel zu verdattert und wird von dem zweiten grob gegen die Wand gestoßen und festgehalten.

Geheimagenten verkauft man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt