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Und doch ständest du nur wenige Monate später vor mir und blicktest wahrscheinlich genauso überrascht wie ich vor dir her. Ich hatte nur gehofft, dass du es nicht wärst. Aber, was sollte ich dir sagen? Du wusstest ebenfalls, dass ich so einige Praktika in diesem Jahr hätte, was wohl wirklich komplizierter gewesen wäre, wenn du mir eine Phase bei dir erlaubt hättest. Dennoch entdeckte ich daraufhin ein kleines Lächeln auf deinen Lippen, während ich nicht mehr wusste, ob ich den Tag würde durchstehen können. Nur warst du eben wegen deiner Exfrau hier und ich war nur eine Unbekannte in deiner Welt, die wohl nicht mehr wirklich zählte. Oder wolltest du es, Remy? Was ging gerade in deinen Verstand vor sich. Trotzdem fing ich mich wieder schnell und fragte, ob ich Ihnen helfen könnte. Wie sonst auch durfte man nicht von uns wissen; von den wenigen Monaten gemeinsam und dennoch getrennt voneinander. »Ja, ich habe einen Termin. Remy Paulsen, mein Name.« Ich merkte selbst, dass ich länger brauchte, um zu reagieren, aber ich konnte nichts dagegen tun, dass du mich mit deiner Anwesenheit weiterhin in den Bann zogst, auch wenn wir uns offiziell niemals gekannt haben, sondern angeblich nur Fremde für einander waren.

Nur musste ich dich ignorieren, weil ansonsten meine Noten gefährdet waren und ich nicht ein weiteres Mal meine Pläne für jemanden riskieren wollte, außer mir. »Ja, hier steht es. Warten Sie bitte noch einem Moment, da Herr Dr. Fänger noch in einem Gespräch ist«, erzählte ich dir in der Hoffnung, dass du kurz deine Augen von mir nehmen würdest, doch war eher das Gegenteil der Fall. Zwar zeigte ich in Richtung des Wartebereiches, bloß wolltest du irgendwie nicht gehen. Dabei schien dein Blick eher interessiert an meinem Anblick, weil du mich bisher nie so geordnet gesehen hast und reif genug, meine Aufgaben zu übernehmen. Derweil warst du der selbe Mann wie immer, Remy, weil dies eigentlich auch deine Welt war und nicht meine, wohingegen ich bereits die einfachsten psychologischen Grundsätze im Gegenzug verstand. Sollen wir aber wirklich so enden? Sollten wir wirklich ewige Unbekannte mit dieser Anziehungskraft sein, die beinahe schon magisch war? Hatten wir nicht tausend Träume miteinander gehabt? Ich konnte es nicht erklären, jedoch zerriss es mein Herz, wenn du dich nun wieder gegen mich entscheiden würdest, weil ich immer noch den Kern eines Gefühls für dich hatte. Dennoch warst du mir auch nicht gerade neutral gegenüber eingestellt, oder?

Nur nahm dich bald deine Ex ein und ich konnte nicht anders und versteckte mich hinter der Arbeit, währenddessen wir kein weiteres Wort miteinander gewechselt hatten. Jedenfalls war es für mich so, dass ich dich nicht länger ansehen konnte, doch du musstest endlich deine Unterschrift, unter den von dir so sehr ersehnten, Vertrag setzen, nachdem du eine Ewigkeit mit ihr an deiner Seite verbracht hattest. Trotz dessen hattest du mir in einem einzigen Moment so viele Wunden aufgerissen, dass ich meinem "Kumpel" schreiben musste, der mich am liebsten ohnmächtig hätte ficken sollen, damit ich dich endlich vergessen konnte. Du müsstest dir auch eine Neue suchen, doch konntest du, Remy, der Ältere, Reifere, nicht an mir vorbei gehen ohne einen Zettel liegen zu lassen, auf dem die Adresse der Kanzlei stand und das Ende meiner heutigen Arbeitszeit. Schwer schluckte ich, wogegen mein Inneres weiter nach dir schrie und dir eigentlich noch schnell einen langen Kuss aufdrücken wollte. Waren dir meine siebzehn Jahre nun doch egal oder wolltest du weiterhin meinen Vater spielen? Erahnen konnte ich es nicht, weil du mir in deinen Intentionen doch ein Rätsel warst, stattdessen schienst du mich langsam zu endschlüsseln. Was mir noch weniger gefiel, weil ich eben die Verrückte war.

Heute war es dennoch schwerer überhaupt zu einem Ziel zu kommen, aber zu dem Treffen musste ich einfach kommen können, da ich ansonsten ebenfalls meine Neugierde im Keim ersticken müsste und ein Kind ohne Kindheit konnte dies nicht so einfach machen wie jemand, der schon gut gelebt hatte. War es Angst, die mich hielt? Nein, eher Freude, denn ich wollte keinen Tag länger ohne dich sein, aber du... Wie soll ich es sagen, Remy? Du warst jemand, der trotz allem noch Lächeln konnte und nicht wie eine tickende Zeitbombe auf seine Umgebung wirkte. Ich hatte eben nicht das Glück, in deiner Welt aufzuwachsen und es war für mich sehr schwer anders zu sein oder normal, weil ich in diese Rolle gedrängt wurde und dennoch hatte ich diese kurze Gier, das Verlangen, in deinen Augen bemerkt, als wären wir ein einfaches Paar gewesen. Diese Schmerzen, die ich in dir anscheinend ausgelöst hatte, waren wohl nichts gegen die Anziehungskraft, welche du verspürt hattest, nachdem deine Augen meine gefunden hatten. Selbst in einer riesigen Menge, würde ich auffallen, meintest du zu mir, dennoch war ich mir nicht sicher, ob dies tatsächlich die Wahrheit war. Konntest du nicht verstehen?

BrokenWhere stories live. Discover now