Siebenunddreissigstes Kapitel

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Zwar ist das Treffen mit Skye am Montagabend eine Notlüge, dafür treffe ich sie am nächsten Tag über den Mittag zum kurzen Lunch. Nach einem intensiven Seminar über literarische Theorien ist mein Kopf fix und alle. Umso mehr freue ich mich über die kurze Auszeit mit Skye.

Als ich aus dem Hauptgebäude der Uni trete, steht Skye bereits anmutig wie immer auf dem Vorplatz. Sie trägt einen übergrossen Pulli und Army Boots, die auf freche Art perfekt passen. Ihr glänzendes, braunes Haar liegt wie immer leicht auf ihren Schultern. Skye könnte aus einer Modezeitschrift herausgeschnitten sein. Kein Wunder, dass sie das Praktikum als Fashion Blogger gekriegt hat.

„Sin", ruft sie mir freudig entgegen und zieht mich in eine kurze Umarmung, als ich bei ihr ankomme. Sie riecht nach zarten Blumen und ihre Stimme tönt so melodisch, dass ich unwillkürlich lächle. Neben ihr fühle ich mich sofort wieder wie ein Sack Kartoffeln. Dennoch vermögen meine Selbstzweifel nicht, die gute Laune und Vorfreude auf ein gemeinsames Mittagsessen zu überschatten.

„Jimmy Choo's?", fragt sie schnell und ich nicke. Das Asiatische Take Away um die Ecke ist unser geheimer Liebling. Während wir in wärmenden Sonnenstrahlen zur Imbissbude marschieren und dort auf unsere Nudeln warten, erzählt mir Skye euphorisch von ihrem neusten Fotografie-Projekt für ihr Praktikum.

„Die Models tragen also alle diese schuppenähnlichen Kleider", erzählt sie mit grossen Augen, „und einige davon sollen sogar im Wasser stehen und liegen."

„Wow", stimme ich ihr anerkennend zu. „Das klingt wirklich nach einem tollen Shooting. Und du darfst die Fotos ganz alleine machen?"

„Naja, Frank ist der Senior Photographer der Kampagne, ich bin also quasi nur Zweitfotografin", erklärt sie und nimmt ihre Nudeln entgegen. „Aber wenn meine Fotos gut werden, kann ich sie für mein Portfolio gebrauchen. Und vielleicht wird ja sogar eins davon abgedruckt."

„Das wäre wirklich toll."

„Ja", haucht Skye verträumt. Nicht weit vom Take Away entfernt setzen wir uns auf eine kleine, grüne Wiese.

„Und wie läuft es bei dir so?", will Skye wissen, nachdem wir gegenseitig von beiden Nudelportionen probiert haben. Wie immer himmlisch aromatisch.

„Gut", nicke ich mit vollem Mund. „Im Moment stapeln sich gerade enorm viele Dinge, aber bisher kriege ich alles hin."

„Was musst du denn alles erledigen?"

„Naja, wie immer arbeite ich in der Werkstatt und versuche, alle meine Kurse zu besuchen", fange ich mit der Aufzählung an. „Für die Uni muss ich gerade ziemlich viele Arbeiten schreiben und Bücher lesen. Vom Showcase habe ich dir ja bereits erzählt, nicht? Das findet nun auch schon in sechs Wochen statt. Und weil ich dafür nicht ausreichlich fit bin, hat mich Katie quasi zum Fitness verknurrt. Also habe ich jeden Tag entweder Tanzunterricht oder gehe mit Eamon, meinem Tanzpartner, ins Fitnessstudio. Und einer meiner Profs will eine meiner Arbeiten zu einem Artikel machen, was eine wirklich gigantische Chance für mich ist, aber auch viel Zeit frisst. Dazu kommt Alan."

„Woah, das klingt wirklich nach einem vollen Wochenplan", meint Skye stirnrunzelnd. „Wird dir das nicht zu viel?"

„Noch nicht", versuche ich mich selbst zu überzeugen. „Jetzt darf einfach nichts schiefgehen, dann schaffe ich alles."

„Okay. Falls ich dir was abnehmen kann, gib Bescheid."

„Danke", antworte ich ehrlich dankbar für ihr Angebot, auch wenn ich es nicht in Anspruch nehmen werde.

Während wir unsere Nudeln essen setzen sich mehrere Paare und Grüppchen auf die Wiese, sodass der Lärmpegel etwas ansteigt und die wohltuende Ruhe verfliegt. Ich strecke die Beine vor mir aus und geniesse das Gefühl in meinen Zehen.

Lila LichterWhere stories live. Discover now