Kapitel 41

393 10 0
                                    


"Ich finde es wirklich seltsam wie wenig es dich stört", sagt Samantha, während wir brav an mehreren Tischen sitzen und bestimmt schon seit 2 Stunden Einladungskarten schreiben. Wie es aussieht, hat sich der Kanzler überlegt, dass der jährliche Sommerball nun doch stattfinden soll. Theresa hingegen schien nicht sonderlich begeistert, immer wieder seufzt sie und treibt uns zur Eile an. Ein paar Wochen Vorbereitung ist für sie nicht sonderlich viel.

"Warum sollte es das ?", ich schmunzle und verdrehe die Augen während ich den leeren Platz von Gracie sehe. Heute wurde sie für ein Treffen mit dem Prinzen ausgewählt und natürlich haben sich sämtliche Journalisten sofort darauf gestürzt. Tatsächlich habe ich blendende Laune. Auch wenn meine Handschrift nicht sonderlich ordentlich oder geschwungen aussieht, wie Theresa so gerne bemerkt.

"Es ist schließlich Gideons Aufgabe",ich zucke mit meinen Schultern. "Und es hält die Presse davon ab sich mit mir zu beschäftigen."

"Hast du dich darauf denn schon vorbereitet ?", Sam sieht mich fragend an, während sie sich einen weiteren Briefumschlag greift. "Auf die Presse, die Politik und den ganzen Rest ?"

"Um ehrlich zu sein, ich versuche das so gut wie möglich zu ignorieren." Ich hole einmal tief Luft. "Ich glaube nicht, dass man sich darauf gut vorbereiten kann."

"Aber du liebst ihn ?" Die Frage kommt unerwartet.

"Ja. Ich glaube schon. Die meiste Zeit treibt er mich zwar in den Wahnsinn, aber am Ende..." Ich muss den Satz nicht beenden, denn Samantha verdreht nur die Augen.

"Ihr zwei seid wirklich schlimm."

"Miss Stirling, wenn Sie mit den Karten fertig sind, dann können Sie sich im Tanzsaal melden. Dort geht man dann mit Ihnen schon einmal die Schritte durch." Theresas Blick sagt alles, sodass Sam sich erhebt und mich nur entschuldigend ansieht. Ich hingegen seufze und greife nach der nächsten Einladung.

Nachdem wir den gesamten Tag damit verbracht haben die Umschläge zu adressieren, uns im Tanzsaal eine Predigt anhören durften wie schlecht wir tanzen könnten und schließlich noch einen vollen Ordner mit Protokollen aufgedrückt bekommen haben, in welchen uns haargenau erklärt wird wie wir uns zu benehmen haben, bin ich froh über ein wenig Freizeit.

Die anderen Auserwählten sind bereits in ihre Zimmer zurückgegangen. Nur Samantha und ich sitzen noch im Damensalon und starren auf den Bildschirm. Mittlerweile wird jede Stunde über den Palast berichtet. Die Selection und die Entdeckungen über Cide sind die einzigen Themen. Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, aber jedes Mal muss ich an Ally denken. Jetzt, wo Cide keine Bedrohung mehr darstellt müsste sie doch nach Hause kommen dürfen. Aber weder der Kanzler noch Gideon konnten mir die Frage beantworten.

"Also ich bin müde." Sam gähnt. "Ich gehe zurück ins Bett. Morgen geht der ganze Stress wieder von vorne los." Ich nicke ihr nur leicht zu, während sie aufsteht und den Raum verlässt.

Der Damensalon wirkt kalt und überdimensioniert, während ich in die Dunkelheit starre. Trotz der Uhrzeit fühle ich mich hellwach. Vereinzelte Schatten tanzen über die Wände, aber ich kann mich nicht konzentrieren. Stattdessen stehe ich auf und schleiche durch die leeren Gänge des Palastes. Ich kann nicht sagen, wieso mich meine Füße gerade hierhin führen, aber schließlich bleibe ich vor dem Musikzimmer stehen.

Es liegt im Dunkeln vor mir, allerdings ist die Tür nur angelehnt. Der Mond scheint durch die Fensterfront und fällt direkt auf das Klavier. Ich war nie eine gute Spielerin. Wenn ich gespielt habe, dann ging es nur darum die richtigen Noten zur richtigen Zeit zu spielen. In den meisten Fällen sogar eher schlecht als recht. Aber Gabriel nicht. Er war ein Genie. Wenn er sich an die Tasten setzte, dann schien die Musik ein Eigenleben zu entwickeln. Ich fahre langsam über die Tasten. Staub hat sich mittlerweile angesetzt, aber die Oberfläche glänzt noch immer. Schließlich berühre ich eine vereinzelte Taste und ein heller Ton durchzieht den Raum. Wenn ich die Augen schließe, dann kann ich Gabriel fast sehen, wie er hier saß und spielte.

"Wenn du nicht übst Emma, dann wirst du es nicht schaffen. Jeder gute Musiker muss üben."

"Aber das dauert so lange. Ich will jetzt spielen können." In meiner Erinnerung kann ich kaum älter als 10 Jahre alt sein. Ally saß neben mir, genauso verzaubert.

"Eines Tages wirst du es verstehen." An diese Worte erinnere ich mich als wäre es gestern gewesen.

Jetzt scheine ich es zu verstehen. Ob Musik oder Politik, ich werde einiges lernen müssen. Vielleicht ist es das, was Theresa uns versucht beizubringen. Eigentlich wissen wir nichts. Wie auch ? Keine von uns wurde darauf vorbereitet Teil der königlichen Familie zu sein. Ein Teil der Politik. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig als zu üben. Üben jeden Tag ein kleines bisschen besser zu werden. Und wer weiß, vielleicht schaffe ich es irgendwann einmal stolz auf mich zu sein.

"Hier bist du. Ich dachte du wärst schon in dein Zimmer zurückgegangen" Ich schließe meine Augen, während sich zwei Arme von hinten um mich schlingen.

"Es ist ein guter Ort zum Nachdenken", antworte ich , während ich mich an ihn lehne.

"Ich würde es eher trostlos nennen" Gideon dreht mich vorsichtig herum, während ich ihm in die Augen sehe.

"Vielleicht. Aber es hat etwas Beruhigendes."

"Und ? Verrätst du mir worüber du nachgedacht hast ?", will er schließlich wissen, aber ich schüttele nur meinen Kopf. "Nein. Es ist nichts wichtiges."

"Und wenn ich es wissen will ?" Er beugt sich langsam zu mir herunter und streicht mit seiner Hand eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.

"Ich fürchte selbst dann nicht", ich schmunzele, während er sein Gesicht gespielt verärgert verzieht.

"Dann werde ich dir auch nicht sagen, was heute Nachmittag für dich angekommen ist." Er zuckt mit seinen Schultern und sieht mich entschuldigend an.

"Was ist angekommen ?"

"Wenn ich mich nur daran erinnern könnte..." Wieder verzieht er sein Gesicht.

"Jetzt sag schon", ich greife nach seiner Hand, zwinge ihn mich anzusehen.

"Nun es könnte sein, dass es sich dabei um..." Er macht eine Pause, ehe er plötzlich nach mir greift und mich einmal im Kreis herumwirbelt.
"Deine Abschlussprüfungen handelt. Die Ergebnisse wurden an den Palast übermittelt."

"Wirklich ?", außer Atem sehe ich ihn strahlend an. "Und ? Habe ich bestanden ?"

"Bestanden ?" Er zieht eine Augenbraue hoch, ehe er mich nur verwundert ansieht.

"Bestanden ? Du hast beinahe die Höchstpunktzahl erreicht."

"Aber..." In meinem Kopf versuche ich die Prüfungen Revue passieren zu lassen. Ich will gerade zu einer Erwiderung ansetzen, da presst mich Gideon bereits an sich und erstickt meinen Protest mit einem Kuss. Ich will ihn gerade erwidern, als wir durch ein Husten unterbrochen werden.

"Gideon, ich fürchte, dass ich euch unterbrechen muss, die Dokumente für die neue Reform müssen heute noch unterschrieben werden." Die Stimme des Kanzlers ist amüsiert, während er im Türrahmen steht.

"Ich könnte ihn einfach ignorieren", flüstert Gideon mir dann zu, was mich zum Lachen bringt.

"Damit würdest du nicht durchkommen", erwidere ich und schmunzele.

"Ich kann sehr überzeugend sein", antwortet er, während ich ihn wegschubse.

"Jetzt geh schon."

Ich sehe ihm lachend zu, wie er seine Mundwinkel zu einem Schmollen verzieht, dann aber tatsächlich den Raum verlässt.

"Miss Crawley", der Kanzler nickt mir kurz zu, ehe er sich umdrehen will, um Gideon zu folgen. Ihm scheint allerdings noch etwas einzufallen, denn er dreht sich noch einmal herum.

"Das hätte ich beinahe vergessen, Herzlichen Glückwunsch. Ihre Ergebnisse waren hervorragend."
"Danke", erwidere ich knapp.

"Wir haben sie bereits an ihre Familie übermittelt. Auch sie waren sehr begeistert. Aber das können sie Ihnen bestimmt morgen noch einmal selbst sagen." Er nickt mir zu und verlässt mich dann. Und wieder stehe ich in dem dunklen Raum und starre auf das Klavier.

~A Light In The Dark~Where stories live. Discover now