Kapitel 1

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Dunkelheit krallte und umgab mich wie ein kalter, rauer Schleier. Meine Gedanken rasten und immer wieder verlor ich das Bewusstsein. Luft! Ich brauche Luft! Es schleuderte mich herum und zog mich in die Tiefe. Was ist das bloß für eine Hölle? Wann nimmt dieser fürchterliche Schmerz ein Ende?

Schweißgebadet wachte ich auf dem Rücksitz des frisch gemieteten Pickups auf. Erneut dieser Alptraum. Unerklärlicherweise kam er jede Nacht wieder, um mich auf ein Neues heimzusuchen. Der Geruch nach altem Zigarettenrauch und teurem, französischem Parfum brachte mich zurück in die Realität. Mein Vater blickte zu meiner Mutter und setzte sein altbekanntes, schelmisch-charmantes Grinsen auf. Das bedeutete wohl, dass es nicht mehr weit war. Ich sah in den Seitenspiegel und erkannte das berühmte Augenrollen meiner Mutter. Man sah ihr die Erschöpfung an. Ich entfernte meine Airpods und die ohrenbetäubende, geballte Macht der Realität schlug auf mich ein. Aufgeregt schrie meine kleine Schwester im Auto herum und stupste mir mit ihren dünnen, kleinen Fingern in die Seite. Ein wenig verärgert, doch liebevoll drehte ich mich zu ihr, sah ihr in die Augen und bemerkte das Funkeln darin. Das Funkeln von Kinderaugen. Bin ich früher auch so gewesen, so voller Lebensfreude? Bevor ich die Ernsthaftigkeit des Lebens erkannte und wie schlimm die Schule wirklich ist, welche Probleme man als Teenager tatsächlich hat? Das echte Leben ist ein Witz gegen das eines Teenagers. Hier ein paar Rechnungen und da ein wenig Arbeit. Ich grinste, sie erwiderte es mit einem strahlenden Lächeln. Für sie würde ich es gegen den Rest der Welt aufnehmen. Der Fahrtwind fuhr mir durch meine hellbraunen, lockigen Haare und zerzauste sie. Normalerweise hingen sie mir ins Gesicht, doch nun sah ich aus als hätte ich einen Afro und wäre einer 70er Jahre Komödie entsprungen. Einmal oben kriegt man diese Naturgewalt einfach nicht mehr runter. Da kann man sonst was machen, aber es wird nicht klappen, das ist ein Naturgesetz. Das einzige was helfen würde, wäre eine heiße Dusche in der ich 10 Minuten mit einem Kamm durch die Gegend fuchteln würde. Nach mehrmaligem Durchwuscheln, Glattstreichen und innerem Fluchen, fand ich mich mit der Situation ab und akzeptierte mein herrlich-wunderschönes, und falls wenn jemand fragen sollte, gewolltes Aussehen. Die grüne, angenehm tropische Szenerie zog an uns vorbei und erfüllte mich mit Urlaubs- und Sommergefühlen. Gewaltige Berge spendeten dem Auto Schatten und ragten majestätisch zum Himmel hinauf. Ja, jetzt hatte auch ich das Gefühl, dass die Herbstferien ihren Anfang nahmen. Das Ziel war eine Insel in der Nähe Hawaiis, die vor ein paar Jahren wie aus dem Nichts aus dem Meer gekrochen kam. Bis heute gibt es immer noch keine Erklärung dafür. Manche munkeln von unterirdischen Beben, die diese Insel nach oben drückten oder von einem unterirdischen Vulkan der ausbrach und sich an der Oberfläche manifestierte. Das Seltsame jedoch war, dass kaum ein Jahr später die gesamte Insel grün und fruchtbar wurde und sich allerlei verschiedene Spezies darauf niederließen. Ein paar religiöse Fanatiker nannten sie – das Geschenk Gottes. Naja solange bis sie von einem Multimilliardär gekauft wurde und zu dem größten Freizeitpark der Welt umgebaut wurde. Spezifischer zum: Second World Adventure Park. Oder einfach nur SWAP genannt. Lustiger Name dafür, da diese fruchtbare Insel in einen Freizeitpark umgeSWAPt wurde! Wie dem auch sei, diese Insel zog eine gewaltige Aufmerksamkeit auf sich. Der Multimilliardär wusste diese Chance zu nutzen und erfand etwas GROßARTIGES: Einen vollkommen holografischen Park! Eine Revolution in der Technik und das größte Geschäft seines Lebens, den Preisen nach zu urteilen. Abenteuer konnten erlebt, Welten erkundet und Bösewichte besiegt werden. An diesem Morgen, nach einem ewig andauernden Flug, landeten wir am Kona International Airport. Die Nerven lagen blank, die Stimmung hatte sich, während des Fluges von fröhlich, gespannt zu verärgert und schlussendlich zu reiner Erschöpfung entwickelt. Lisi schien als Einzige noch vollkommen munter und ihr Gemüt brachte uns langsam zur Verzweiflung. Kein Mensch kann dauerhaft so gut gelaunt sein!!! Das einzige was uns bei Laune hielt war das Wissen, dass wir bald in dem Motel eintreffen würden.

Von Weitem konnten wir bereits das große, blinkende Schild erkennen. Kaum aus dem Auto ausgestiegen, kroch uns der Geruch eines viel zu süßlich riechenden Parfums in die Nase. Ein beleibter Kerl mit Glatze stieg aus einem Auto und eine etwas ältere Frau begrüßte ihn, als wäre er ein langjähriger, guter Freund. Langjährig könnte passen, aber ich würde eher Kunde anstatt Freund meinen. Mum nahm Lisi an der Hand und zog sie schleunigst vor sich her. „Wir warten drinnen, Desmond" haspelte meine Mutter etwas nervös und schneller als wir uns umdrehen konnten, waren die beiden auch schon im Motel verschwunden. „Na dann hilf mir mal Junge" sagte mein Vater wohl wissend, dass ich gleich versuchen würde zu widersprechen.
„Wir holen das Gepäck gleich aus dem Koffer, dann müssen wir das später nicht mehr erledigen."
„Muss das sein, Dad?".
„Ja, das muss sein und jetzt mach hinne. Ich will rein!"
An der Rezeption erwartete uns ein gut gekleideter, großer Mann, der bereits mit fröhlich-gespannter Miene auf uns wartete. Mein Vater ging auf ihn zu und begrüßte ihn mit einem starren Nicken. Der Blick sprach Bände. Essen, Schlafen, Ruhe und das am besten sofort.
„Wie kann ich behilflich sein? Haben Sie reserviert oder möchten Sie spontan einchecken?" fragte der freundlich blickende Herr.
„Wir haben reserviert auf den Namen: Kobald" antworte mein Vater nun auch ein weniger höflicher, als er hinzufügte: „Wir bleiben nur eine Nacht und würden gerne heute Abend noch etwas essen."
„Ja selbstverständlich. Ich schaue gleich mal nach... aha, da haben wir es ja. Kobald! Zimmer Nr. 10 und 11. Hier bitteschön ihre Schlüsselkarten. Abendessen gibt es noch knapp eine Stunde lang. Wenn Sie dort die Treppe hinauf gehen, gelangen Sie unfehlbar zum Salon und somit auch zum Essen und zu ihrer Rechten finden sie die Zimmer."
„Vielen Dank für den freundlichen Empfang und einen schönen Abend noch."
„Ich habe zu danken! Einen schönen Aufenthalt wünsche ich ihnen!"

Meinen Eltern durch den Gang folgend, erreichten wir schlussendlich unsere Zimmer und das erste Mal seit heute Morgen, empfand ich so etwas Ähnliches wie Dankbarkeit in mir aufsteigen. Dankbarkeit für die wohlverdiente Pause und Ruhe, welche mir gleich zu teil würde. Das Zimmer schien gepflegt zu sein und man konnte sich tatsächlich wohl fühlen. Keine Waschbären in Sicht, kein Staub, die Toilette sah auch sehr sauber aus. Ich habs nicht so mit Hotels, außer es sind 5 Sterne Hotels. Dieses schien jedoch völlig in Ordnung zu sein. Ich setzte mich und ließ mich in das weiche, kuschelige Bett fallen. Kaum hatte mein Kopf das Kissen berührt, funkelten auch schon die ersten Traumbilder vor meinem geistigen Auge. Es klopfte an der Tür. Wieso? Wieso nur? Schritt für Schritt schaffte ich es, dank größtmöglicher Anstrengung, zur Tür. Eine Mitarbeiterin stand mit straffer Körperhaltung vor mir und starrte schnurstracks an mir vorbei.
„Wie kann ich Ihnen helfen?" stammelte ich im Halbschlaf.
„Ich bringe die frischen Handtücher für ihr Badezimmer, Sir! Dürfte ich sie für sie persönlich aufhängen?" antwortete sie mit hartem und respektvollem Ton.
Die bettelt ja schon nach Trinkgeld, aber guter Service sollte auch entlohnt werden.
„Herzlichen Dank gute Frau. Das wäre nicht nötig gewesen, aber ich nehme mit Freuden ihren Service an!" entgegnete ich respektvoll meinerseits.
Mit einem Kopfnicken huschte sie ins Badezimmer und sprach im Vorbeigehen: „Mit größtem Vergnügen, Sir!".
Ich begab mich auf den Weg zu meinem Rucksack, kramte in der Tasche nach meinem Geldbeutel, fischte 5 Dollar raus und wartete an der Badezimmertür.
„So alles erledigt! Ich hoffe sie genießen ihren Aufenthalt, Sir! Mit freundlichen Grüßen des Motels!" fügte sie hinzu bevor sie sich auf den Weg machte.
„Warten sie!" sagte ich und fuchtelte mit dem Dollarschein.
„Den können sie behalten Sir! Ich mache einfach nur meinen Job."
Sie zwinkerte mir zu und verschwand. Was für eine nette Frau. Sowas habe ich tatsächlich noch nie erlebt und vor allem nicht in einem Motel. Aber keiner kann mir erzählen, dass die nicht beim Militär gewesen ist. Ein wenig glücklicher dank dieser Erfahrung kuschelte ich mich zurück ins Bett und hoffte nun die restliche Nacht nicht mehr gestört zu werden. Mich riss es auf der Stelle in einen bildgewaltigen Traum und ich holte mir nun endlich meine verdiente Portion Schlaf ab!

TIOMA - The Island of magic ArtsWhere stories live. Discover now