Be God

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Konstantin Schemat, Dominica Schemat

Sag mal, wolltest Du auch wissen, was Rumpelstilzchen eigentlich für ein Typ war? Man erfährt so wenig über diesen kleinen Kerl, er kann Stroh zu Gold spinnen, möchte gerne etwas lebendiges besitzen, und niemand soll wissen, wer er ist.

Neulich habe ich eine Geschichte am Nebentisch in meinem Café gehört, als mir überhaupt nichts eingefallen ist, was ich schreiben könnte. Ich frage mich, ist es eine urbane Legende oder ist so etwas wirklich einmal geschehen. Was meinst Du?

Dieses Rumpelstilzchen kann den ganzen Planeten zu Aktien spinnen. Und doch weiß niemand, wer es ist. Er hat sich sogar ein altes Spionageflugzeug besorgt, was unglaublich aufwendig zu warten ist, und was er von seiner Ranch im südlichen Afrika starten kann. Er ist so ein Typ, der eigentlich in den Weltraum will, aber er wartet lieber, bis die Pioniere der Sonne zu nahe gekommen sind, um dann aus der 3. Reihe heraus, ganz nach vorne durchzustarten. Das ist für ihn kein technisches Problem, sondern reine Finanztaktik, also viele Zahlen, wilde Spekulationen, waghalsige Geschichte und der Überraschungsmoment. Dafür hat er sich optimal vorbereitet, ihm gehören Medienunternehmen und große PR Agenturen, alles steht bereit für die große Übernahme. Rumpelstilzchen macht das nicht, weil er es muss, er macht das, weil er nichts anderes kann. Es ist mehr ein Zwang, als ein Kampf um die große Freiheit. In seinen Investitionen ist er auf Aktien spezialisiert von Unternehmen, die in Verruf gekommen sind, die eine Ölpest hier verursacht haben oder die Zerstörung eines Ökosystems da, gerne auch Kohlebergbauunternehmen, Risikofälle ganz allgemein, für sie kann Rumpelstilzchen eine Liebe entwickeln, wie andere für ihre Kinder. Dazu muss man wissen, dass er früher, als er sich noch an den Mainstream gehalten hat, und die Umweltzerstörer und Sklavenhalter gemieden hat, da hatte er einen fürchterlichen Waschzwang. Er hat sich extra starke laugenhaltige koreanische Kernseife kommen lassen und sich mit einer Luffagurke gründlich abgerieben. Auch die eitrigen entzündeten Stellen. Nur sein Gesicht und die Hände hat er ausgespart, denn die waren damals noch für die Öffentlichkeit. Hätte Rumpelstilzchen damals nicht seine „Schmuddelecke" entdeckt, die dreckigen Aktien, dann wäre er vielleicht an einer Sepsis gestorben. Aber so, mit der ersten Ölaktien, da ging es ihm besser. Es war so, als ob dieses Öl, was unter menschenverachtenden Umständen gefördert wurde und ein ganzes Flussdelta verseuchte, wie eine Art Schutzbalsam, eine zweite Haut für seinen Körper war. Je mehr er zerstören konnte, desto besser ging es seiner Haut, langwierige aufgescheuerte Geschwüre, hörten auf zu eitern, begannen sich zu schließen und heilten ab. Und immer wenn er sich wieder waschen wollte, musste er nur eins tun, um dem Waschzwang zu widerstehen, er musste mehr dreckiges Öl fordern und gleichzeitig dafür sorgen, dass diese Firma in der Öffentlichkeit gut da stand. Ohne natürlich direkt in Erscheinung zu treten.

Obwohl er die heutige Sucht nach der Aufmerksamkeit anderer Menschen überhaupt nicht verstand, das Gegenteil ist der Fall, so brauchte er doch für die Heilung der letzten Wunde, den Kontakt zu den Leuten, die dort im Delta lebten. Wie ein Mörder, der immer wieder an seinen Tatort zurück kommen muss, so musste auch er sich immer wieder ansehen, wie die Menschen den Fisch aus dem verseuchten Wasser zogen. Damit er dabei nicht auffiel, war er selbst mit einem einfachen Kutter in diesen Gewässern unterwegs. Er hatte auf seinem Bot eine verborgene Kabine mit allem was die Technik bietet um die Luft zu reinigen und den Aufenthalt kurzweilig und angenehm zu gestalten. Aber was eigenartig war, schon bei seinem ersten Ausflug, den er auch noch ganz alleine unternahm, verspürte er überhaupt keine Lust auf diese Kabine. Nein, er mochte es, sich die Kohlenwasserstoffbrise um die Nase wehen zu lassen und am offenen Steuerrad zu stehen. Selbst als er von den anderen vorbeifahrenden Fischern gegrüßt wurde, störte ihn das nicht, nein es reizte den angenehmen Kitzel noch mehr, er fühlte sich wie ein Gott, der eben auf seine Erde zu einer Stippvisite herabgestiegen war.

Es dauerte nicht lange, da begann er sich mit den Leuten anzufreunden. Half ihnen bei Reparaturen, war ein Fischer unter vielen, der versuchte sich die Anerkennung dieser Gemeinschaft durch Beharrlichkeit zu verdienen.

Er aß mit ihnen den verseuchten Fisch, lag mit ihnen unter den gleichen Bäumen in der Mittagshitze und führte seine Finanzaktionen zwar immer noch mit professionellem Geschick aus, aber nicht mehr mit der gleichen Begeisterung. Und auch die Fischer hatten sich an ihn gewöhnt, und begannen ihn zu akzeptieren, hielten ihn für einen gestrandeten Hippie. Vielleicht lag das auch daran, weil er mit ihnen am Lagerfeuer laut träumte, von einem unverschmutzten Delta, davon, dass die Fische zurückkommen. Und dass sie dann etwas hätten, was sie ihren Kindern übergeben konnten.

Es hätte immer so weiter gehen können, doch eines Tages zog er einen eigenartigen Fang an Bord, eine großes schwarze Frau, hatte sich in seinem Netz verfangen, und was noch eigenartiger war, sie schien im Wasser geschlafen zu haben. Wie jemand, der sich ganz entspannt von dem schweren Salzwasser tragen lässt. Nennt man das nicht Toter Mann?

Einen Moment ist er unschlüssig, was er tun soll, ob er sie wieder ins Wasser werfen soll, wie Beifang. Da schlägt sie die Augen auf und sagt, während sie ihn interessiert mustert: Dich hätte ich mir irgendwie anders vorgestellt.

Als hätte er den Teufel selbst erblickt, greift er nach der alten rostigen Harpune, was seinen nackten Gast nur ein Schmunzeln über die Lippen huschen lässt.

Sie sagt: Setzt dich doch, und erzähl mir ein bisschen von dir.

Aber nach Erzählen ist ihm nicht zumute, eine unglaubliche Welle der Anklagen macht sich Luft: Bist Du es, die die Stürme schickt? Bist Du es, die sich keine Mühe macht, die Wüsten zu gießen.

Er lässt kein Naturphänomen aus, was er ihr ankreidet, über das er sich bei ihr beklagt.

Sie hört sich alles geduldig an, hat aber Probleme nicht laut los zu lachen. Ihre letzten Worte sind: Wir sehen uns noch.

Elegant wie ein Fischotter gleitet sie in die Fluten.

Aber Rumpelstilzchen hat nur Flüche für sie, die ich hier nicht alle wiedergeben werde: Lass Dir ruhig Zeit mit dem Wiedersehen.

Von da an, schließt er sich in seiner kleinen Wohnung in Downtown Manhattan ein, flucht leise

vor sich hin, warum er der Einzige sein soll, der diesen Schlamassel wieder in Ordnung bringen soll.

Was ist mit den anderen Arschlöchern?

Aber dann beruhigt er sich wieder und sagt sich: Vielleicht ist sie ja auch all den anderen erschienen.

Aber dann als ihn der Mut schon etwas verlassen hat, weil es wirklich nicht einfach ist, alles wieder in Ordnung zu bringen, da erscheint sie ihm noch einmal, diesmal ist es nicht so lustig, ein Schmerz, wie ein Magnesium Feuer scheint ihm fast jeden Nerv in seinem Körper zu verbrennen. Da weiß er, dass sie wiedergekommen ist, dass sie unzufrieden ist, dass er sich eine kleine Pause noch nicht verdient hat.

Be GodWhere stories live. Discover now