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Fast wäre Boerne über das kleine Päckchen gestolpert, das auf seiner Fußmatte lag, als er am Abend seine Wohnungstür aufschließen wollte.

Einen Moment lang starrte er auf das rechteckige Objekt, das in blaues Papier gewickelt war, welches von silbernem Geschenkband zusammengehalten wurde, dann bückte er sich und hob es auf.

Er drehte es in den Händen, schüttelte es leicht und hatte dann eine Idee, um was es sich handeln könnte.

Schnell hatte er das Papier entfernt und seine Vermutung wurde bestätigt.

Eine Kassette.

Er öffnete die Hülle, nahm den Tonträger heraus und betrachtete das Etikett, das unbeschriftet war.

Der Hülle fehlte die typische Pappeinlage zum Beschriften und in Boerne wuchs die Neugier. Was würde wohl auf der Kassette drauf sein?

Er steckte sie in die Manteltasche und stieg die Kellertreppe hinunter.

Glücklicherweise wusste er genau wo der alte Kassettenspieler stand und griff zielsicher nach dem Gerät, das für jüngere Generationen wahrscheinlich einem Museumsstück glich.

Er blies den Staub von der Oberfläche, ging wieder nach oben und betrat seine Wohnung.

Nachdem er Mantel und Schuhe abgelegt hatte, trug den Kassettenspieler ins Wohnzimmer, schloss ihn an die Steckdose an und legte die Kassette ein.

Bevor er aber die Abspieltaste drückte, holte er eine Flasche Wein aus der Küche und schob die Reste der Quiche vom Vortag in den Backofen.

Er dachte an Thiel und wie sie am vergangenen Abend noch lange zusammengesessen hatten.

Immer öfter verbrachten sie in letzter Zeit die Abende gemeinsam. Ganz ohne Fallbesprechung. Nur mit einem guten Essen und einem anschließenden Glas Wein bei Fernsehen oder Musik. Mal unterhielten sie sich angeregt, mal breitete sich angenehmes Schweigen aus und sie beide genossen die Stille.

Wie oft kam es schon vor, dass man jemanden hatte mit dem man sowohl gute Unterhaltungen führen als auch wunderbar schweigen konnte, ohne dass es sich unangenehm anfühlte?

Boerne goss sich ein Glas Wein ein und setzte sich auf sein Sofa.

Neugierig musterte er noch einmal die Kassettenhülle, bevor er die Play-Taste drückte.

Kratziges Rauschen drang durch den Raum und wurde dann von einem Lied abgelöst, dass er nur zu gut kannte.

Springsteen. Hungry Heart.

Das hatte er früher wirklich gern gemocht.

In den letzten Jahren hatte er fast ausschließlich Klassik gehört und wenn er jetzt darüber nachdachte, dann konnte er nicht einmal wirklich sagen wieso. Vielleicht war das ein Teil seiner akkurat konstruierten Fassade?

Er ließ sich in die Polster sinken und schloss die Augen. Wem hatte er diese Kassette zu verdanken?

Das Wissen um die einzig plausible Antwort ließ ihn lächeln und das nächste Lied noch mehr.

Take on me. a-ha.

Eine Zeit lang hatte er dieses Lied rauf und runter gehört und während er nun Morten Harket zuhörte, schoben sich die Bilder des Musikvideos vor sein inneres Auge.

Unbewusst begann er mitzusingen.

[...] Shying away
I'll be coming for your love, OK?
Take on me [...]

Wieder dachte er an den vergangenen Abend und wie wohl er sich in Thiels Gesellschaft gefühlt hatte. Nicht nur gestern, nein, eigentlich tat er das immer, wenn der Hauptkommissar in seiner Nähe war.

Münsteraner MixtapesOnde histórias criam vida. Descubra agora