Kapitel 3: Der Dolch

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Er schaltete das Licht an und setzte sich an den Tisch. Es war niemand mehr hier. Damals, bevor alles anders lief, war Charles sein Mentor. Er war immer für Dean da, beriet ihn und war wie ein Vater. Irgendwann, nach langem betteln und flehen, willigte Charles ein, ihm bei seinem Plan zu helfen. Lou Mordokai musste gestoppt werden, egal mit welchen Mitteln. Damit Dean auf den laufenden blieb, ging Charles zur Familie Taylor. Als Hausdiener war er unauffällig genug, dass niemand ihn bemerkte, aber genauso konnte er alles mitbekommen, was bei James vor sich ging. Dean hatte später nur aus den Nachrichten erfahren, dass es Charles nicht mehr geschafft hatte. Er hatte sich an Claras Fersen geheftet und ihr dann, wenig später, das Angebot in Sankt Mary gemacht. Er verfluchte sich selber, das er einfach nicht abgedrückt hat, als er die Gelegenheit hatte, in der Kirche. Dieser verfluchte Dolch sollte nun die Antwort sein, aber wie kam er an ihm ran. Wieso verweigerte Pete plötzlich die Übergabe? Hatte er ihn nicht gesagt, dass er ihn holen soll, vor wenigen Tagen? Dean sass da, auf diesen alten, unbequemen Stuhl und stützte die Arme auf den Tisch. Es klopfte an der Tür und ohne eine Antwort abzuwarten, kam Shawn in die kleine Hütte. Dean blickte ihn böse an, verweilte aber nicht lange und schaute wieder auf den Tisch. Eine Kerbe regte seine Aufmerksamkeit und langsam fühlte er mit den Fingerspitzen diese entlang. Er wusste genau woher diese stammt. Er hatte sie selbst in den Tisch geritzt, als Zeichen - Mahnmal. Er wollte Mordokai schnappen, um seines Vaters Willen, doch bis jetzt schien er nicht weiter gekommen zu sein. Mit besorgter Miene schloss Shawn die Tür hinter sich und setzte sich gegenüber von Dean. "Dieser Dolch.." murmelte Watson und lies den Blick nicht von der Kerbe ab. Shawn musterte seinen Kollegen besorgt und sprach zurückhaltend. "Vielleicht solltest du mehr darüber erfahren. Gibt es denn keine Aufzeichnungen?" Wütend schlug Dean mit der Faust auf den Tisch. "Natürlich gib es die." brüllte er ihn an. "Es ist immer das Gleiche. Der Dolch muss den Wandler tödlich verletze und damit schickst du seine Seele zurück in die graue Stadt. Dort wo nichts Wahr ist und wo sie alleine nicht fliehen können." Seine Faust färbte sich weiss an den Fingerknöcheln vor Anspannung. "Doch wie soll ich ihn bekommen? Pete hält ihn unter Verschluss und nun, wo er mich wieder zurück hat, hält er mir ihn vor. Dieser elende.." Dean stoppte seine Worte und atmete tief durch. "Selbst wenn ich den Dolch finde und unbemerkt entwenden kann, wo soll ich dann nach Mordokai suchen? Ich weiss nicht mal wo sich dieser verdammte James befindet." Dean legte den Kopf in seine Hände. Shawn sah die Verzweiflung seines Kollegen deutlich an, sagte aber kein Wort.

Clara hatte sich ihr Shirt mittlerweile ganz zerrissen und verband jegliche Wunden von James, welcher von kalten schweiss und zittern geplagt wurde. Sie wusste, er hatte nicht mehr lange zu leben, wenn sie keinen Arzt oder jegliche Medikamente finden würde. Er lag nur dort, im Dreck und zitterte vor sich hin. Am Rande des Todes und keine Hilfe war in Sicht. Nachdem sie ihm einen kühlen Stofffetzen auf die Stirn gelegt hatte, packte sie ihn an den Beinen und zog ihn, über die Steine, weg vom Fluss. Sein Rücken musste gerade Höllenqualen durchleiden, doch sie hoffte, dass er davon nichts spürte.

Als Mordokai auf der langen Strasse erschien, fühlte er sich wohl. Zu wohl. Es war für ihn fast wie zu Hause. Die Häuser reihten sich aneinander wie Klone und alles sah gleich aus. Irgendwo hier, würde er hoffentlich James finden. Zumindest das, was von ihm übrig war. Er brauchte seinen Aufenthaltsort, bevor sein Körper versagt und es für beide den sicheren Tod bedeutet. Langsam, Schritt für Schritt ging Lou die Strasse entlang. Gestalten schwebte an ihm vorbei und beachtete den Wandler gar nicht. Vor einer Holzhütte blieb er stehen und beäugte sie argwöhnisch. Irgendwas war hier verkehrt, doch er konnte nicht realisieren was es war. Als Lou versuchte die Tür zu öffnen, rührte diese sich keinen Meter. Fest rüttelte an der Tür, doch sie gab nicht nach. Er liess von der Tür ab und sprach in ruhigen Worten: "Mach auf. Es wird dir kein Leid geschehen. Ich bin der Vater und ich werde dich führen." Kurz verharrte er vor der Tür, doch nichts tat sich. Mordokai grinste. "Komm raus, komm raus."

James bemerkte die Panik, jene die sich immer weiter ausbreitete. Die Gestalt, die mit ihm gefangen war atmete schwer, griff seine Arme und drückte zu. Schmerzen durchzuckten seinem Körper. Er wollte sich losreissen, doch er konnte sich nicht aus den Griffen der Gestalt befreien. "James, schnell. Öffne diese Tür. Jetzt oder nie." Fingernägel bohrten sich durch seine Jacke und in seine Arme. Langsam kam die Gestalt näher und drang langsam in ihn ein, bis sie ganz in ihm verschwunden war. James riss seine Augen auf und schrie vor Schmerzen.  Clara lies ihren Mann los und beugte sich über ihn. "James! Gott sei Dank! James kannst du mich hören?" voller Hoffnung schaute sie ihm in die Augen und sah, wie sie sich umsahen. Er sah verschwommene umrisse und hörte das Rauschen. Es dauerte einige Sekunden bis er ihr Gesicht sah. Tränen glitzerten in ihren Augen. Langsam hob er seinen rechten Arm und streichelte ihr über die Wange. "Bin ich tot?" fragte er mit leiser Stimme und Clara schluchzte. "Nein. Oh Gott, nein!" sie konnte sich die Tränen nicht zurückhalten und fing an vor Freude zu weinen. Ungestüm nahm sie seinen Kopf in ihre Hände und küsste seine Lippen. James hustete und Clara löste sich von seinen Lippen. Sein Husten wurde schlimmer und Blut spuckte er auf die kalten, spitzen Steine. "Ruhig Schatz, ganz ruhig." sagte Clara, stand auf und versuchte James aufzuhelfen. Mit einem Stechen im Bein und schmerzverzerrten Gesicht versuchte James aufzustehen, sich auf den Beinen zuhalten. Doch kurz bevor er stand, gab sein Bein nach und er fiel zu Boden. Clara schlug hart auf den Steinen neben ihren Mann auf, welcher sie abrupt mit gezogen hatte. Clara keuchte und drehte sich zu James. "Langsam. Ich such dir einen Stock oder irgendeine Gehhilfe." James schloss seine Augen und nickte. "Wir müssen hier weg."

Wie ein Stromschlag fuhr es durch Mordokai's Körper. Er schaute sich aufgeregt um und lief die Strasse zurück. Seine Beine berührten nicht mal den Boden und er eilte an den vielen Gestalten vorbei. Die Erscheinungen richteten die Augen auf ihn und verfolgten seinen Weg, doch keiner rührte sich. Immer wenn Lou ein Gestalt berührte und durch sie durch Schritt, löste diese sich mit einem schmerzerfüllten Schrei auf. Niemand stellt sich mir in den Weg, nicht dieses Mal, dachte er sich und eilte bis ans Ende. Als Lou in das tiefe, schwarze Nichts blickte verspürte er Hoffnung. Er schaute sich in der Leere um, als ob er etwas suchen würde. Ein kleines, schwaches Licht schimmerte in der endlosen Tiefe und Mordokai grinste. "Komm raus, komm raus, wo immer du bist. Jetzt hab ich dich."

Die Mordokai Trilogie: Die JagdWhere stories live. Discover now