Kapitel 15: Der Nebel

15 3 0
                                    

Clara macht einen Schritt auf James zu, streckt ihre Hand aus, um ihn zu berühren. Doch einen Wimpernschlag später ist er verschwunden. Sie schaut panisch um sich. Nichts. Der bläuliche Dunst wabert in der Luft. Er liess das einstig schöne Haus, kalt und bedrohlich wirken. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr. Was passiert hier? Dachte sie bei sich und ging wie hypnotisiert auf die Erscheinung zu. Sie konnte es nicht erkennen, doch irgendwie kam es ihr so vertraut vor. Ihre Schritte wurden schwerer. In ihren Kopf schrie es förmlich «RENN WEG!» Doch ihr Körper ging unaufhaltsam darauf zu. Langsam, sie war nur noch ein paar Schritte davon entfernt, erkennte sie Umrisse eines Mädchens und einer Frau. Das Bild wurde klarer und ehe sie sich versah, blickte sie in die Augen ihrer Mutter.

«Clara, mein Liebes, was sollen wir nur mit dir machen?» Ihre Mutter seufzte und schaute sie mit besorgter Miene an. Sie befand sich in dem Haus ihrer Eltern, genauer im Wohnzimmer. Die roten Ledermöbel, der Kamin, ein kleiner runter Tisch in der Ecke mit Whiskey und Gläsern darauf. Clara überlegte, wann sie das letzte Mal mit ihrer Mutter gesprochen hatten. Es war Jahre her, seit sie von zu Hause verschwunden war. Aber das würde nicht bald passieren. «Wie oft haben wir dir gesagt, man schlägt keine Anderen Mitmenschen? Und dass nur wegen ein paar blöder Worte?» Ihre Mutter war schön, trotzdem besorgten Blick ihrer Augen. Ihr gewelltes, schulterlanges blondes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Relativ streng und fest, selbst wenn sie selbst eine sehr sanftmütige Frau war. Nie kam ein böses Wort von ihr, ganz gleich was sie angestellt hatte. Manchmal bereut Clara es sie verlassen zu haben. Ihre Haselnussbraunen Augen fixierten sie. «Möchtest du nichts dazu sagen?» Clara schluckte.

«Es tut mir leid.» stammelte sie heraus. Doch sie hatte keine Kontrolle über das was sie sagte. Die Wörter kamen einfach. «Sie nannten mich Mopelchen und Truckerbraut.» Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen. «Ganz egal wie sie dich genannt haben. Man schlägt deswegen nicht zu. Und immerhin hat dein Vater einen Job und bringt uns das Essen auf den Tisch. Nicht alle Kinder können das von ihren Eltern behaupten.» Sie ging auf ihre Tochter zu und nahm sie in den Arm. «Versprich mir einfach nicht wieder zuzuschlagen. Ok?» sagte sie sanft aber mit einer Bestimmtheit, wie es nur eine Mutter kann. Ihr liefen die Tränen langsam die Wangen runter und bildeten nasse Flecken auf der weissen Bluse ihre Mutter. Clara versuchte sich auf der Umarmung zu lösen, um ihre Tränen zu trocknen, aber ihre Mutter hielt sie fest. Mit mehr Kraft versuchte sie loszukommen, doch auch ihre Mutter umarmte sie stärker. «Ich liebe dich doch.» flüstere ihre Mutter und drückte zu, dass sie kaum mehr atmen konnte. Clara schaute zu ihrer Mutter und erschrak. Ihr Gesicht war verzehrt, die Augenbrauenpartie war hervorgehoben, die Wangen eingefallen. Ihre leichte Gesichtsbräune war grau und fahl. In den Augen waren nur noch zwei schwarze, knopfartige Augen zu sehen. Mit verzehrter und kalter Stimme sagte sie: «Du bleibst hier .... Bei mir.»

Clara schrie, stiess sich mit alter Kraft ab und landete hart auf den Boden des alten Hauses. «Was... was passiert hier?» fragte sie sich. Schnell bewegte sie sich von dieser Erscheinung weg und fiel, landete weich und sah sich ihrem Bett wieder. Verzweiflung plagten sie. Sie war kurz vor dem Collage Abschluss und wusste nicht, wie es bei ihr weiter gehen sollte. Alle ihre Freunde hatten schon zusagen von verschiedenen Universitäten quer durchs Land. Doch sie hat es immer aufgeschoben. Sie redete sich gerne ein das es mit den tot ihres Vaters zutun hatte, mit den Probleme von ihrer Mutter. Um die Wahrheit zu sagen, sie war einfach nur faul gewesen. Doch jetzt hatte sie Angst. Grosse Angst. Sie wollte nicht in diesem Kaff bleiben und langsam vor-sich-hinsterben, wie die anderen Versager. Sie wollte die Welt sehen.

Dies war wohl der Punkt. Sie sah keinen anderen Ausweg mehr und stand auf, packte ihre Sachen in einen Rucksack, der viel zu klein war, und ging aus ihrem Zimmer, um wegzugehen. Irgendwo ihr Glück zu suchen. Leise schlich sie die Treppe runter und ging zur Tür. Noch ein letztes Mal drehte sie sich um. «Wo willst du denn hin?» fragte, mit einer lieblichen, schon fast honigsüssen Stimme, ihre Mutter die plötzlich vor ihr stand. Clara zuckte zusammen, dreht sich um und wollte die Tür öffnen, da packte eine deformierte Hand mit viel zu langen Fingern und noch spitzeren Fingernägeln ihre Schulter und riss an ihr. Sie sah die aufgedunsene Haut, blass und eitrige Stellen pochten regelrecht hervor. Ihr aufgeblähtes Gesicht hatte alles von Liebe verloren. Speichel tropfte aus ihren Mundwinkeln und Clara hatte alle Mühe ihren Ekel zu verbergen. Mit ganzer Kraft stiess sie ihrer Mutter den Elenbogen ins Gesicht, welche schlagartig von ihr liess. Sie öffnete die Tür und rannte ins Freie. Ohne eine Vorwarnung befand sie sich wieder im alten Haus, prallte gegen die Anrichte im Haus, stiess sich Hüfte und Kopf und fiel ungebremst zu Boden.

James blickte um sich. Er befand sich nicht mehr in der Küche, sondern stand in seinem alten Arbeitszimmer. Kerzen brannten und der schwere Schreibtisch stand immer noch wie ein alter Wächter an Ort und Stelle. Die schwere Standuhr war immer noch in der Ecke, genau wie die Vitrine mit seinen unzähligen Spirituosen. Er spürte etwas an seiner Schulter, drehte sich um und sah in das Gesicht eines älteren Herren, der ihm nur zu bekannt vorkam. «Hallo Sohn.» sagte sein Vater und lächelte. Sein grauer Vollbart war ungepflegt, seine Haare (wenn auch silbrig vom Alter) nach hinten gekämmt. Mit seinen warmen, grünen Augen schaute er ihn an und versprühte wärme.

James ging einen Schritt zurück. «Wie zur Hölle.....» kam aus ihm heraus. «Was wird hier gespielt? Wo bin ich?» Sein Vater lächelte nur. «James, mein Junge. Lass dich ansehen. Meine Güte bist du stattlich geworden.» Er sprach voller Stolz und hätte James es nicht besser gewusst, würde er glauben das sein Vater gerade eine Träne verdrückt. Aber dies geschah sicher nicht. «Wer oder Was bist du?» fragte James streng, doch sein Vater hörte nicht auf zu lächeln.

«Seit es in der grauen Stadt dieses Erwachen gab, konnte meine Seele frei sein. James, ich habe dich gesucht und bin froh dich endlich nochmal zu sehen.» sagte er und öffnete seine Arme für eine Umarmung. «Erwachen?» fragte James und musterte seinen Vater immer noch. Das Lächeln verschwand und Trauer legte sich auf sein Gesicht. «Du hast alles vergessen, stimmt's?» Langsam genervt und verwirrt blickte er seinen Vater an und versuchte, so gut er konnte, Augenkontakt zu halten. «Was soll ich vergessen haben? Was? Rede verdammt nochmal!» Sein Vater seufzte.

«Du.. nein Wir» begann er, «sind Jäger. Trainiert, um das Böse fernzuhalten. Doch Mordokai wusste es besser. Du erinnerst dich anscheinend nicht mehr daran, wie er mich Ermordete und dir deine Kämpfernatur, deinen Kampfgeist nahm. Er schaltete mich aus und stellte dich ruhig.» James lachte kurz abfällig. «Ach soll das so sein? Deswegen hat meine «bessere Hälfte» wohl auch vorgehabt mich umzubringen und allein weiterzumachen.» James kochte vor Wut. «Verzeih ihm. Ihr werdet wieder zueinander finden. Er war so lange allein seinen Qualen ausgesetzt, die ewige Opferung an eine höhere Macht. Wer würde da nicht ein wenig durchdrehen?» versucht sein Vater ihn zu beschwichtigen. «Wenn ihr wieder eine Einheit bildet, habt ihr eine Chance diesen Bastard zur Strecke zu bringen.» James faste sich an den Kopf und raufte sich die Haare. Das kann doch nicht wahr sein. Seine eigene Persönlichkeit möchte ihn umbringen, weiss wohl nicht mal mehr, wer er eigentlich ist und dann noch diese zweitklassige Jinn in Schwarz. «Aber» begann sein Vater plötzlich, «du wirst etwas Opfern müssen, um es zu vollbringen. Ich weiss nicht was es sein wird. Ich weiss nur, dass es dir nicht leichtfallen wird.»

Die Mordokai Trilogie: Die JagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt