Kapitel 1: Das Erbe

272 4 2
                                    

Die Sonne blendete mich. Ich saß auf dem Beifahrersitz unsere Autos und hörte Musik. Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Am Steuer saß meine Mutter. Sie wirkte sehr ernst. Kein Wunder bei dem Anlass, der uns zu dieser Fahrt zwang. Wir fuhren zu der Villa meines Onkels Fynn, in dessen Haus eingebrochen wurde. Die Polizei sagte, dass er bei diesem Überfall getötet wurde. Heute, nicht mal zwei Wochen nach dem Unglück, waren wir nun auf dem Weg zu der Villa da dort ein Termin mit einem Notar betreffend des Erbes ausgemacht war. Zuerst wollte ich nicht mitgehen, allerdings war dies wahrscheinlich das letzte Mal, dass ich diese Villa betreten würde und ich konnte meine Mutter doch nicht alleine fahren lassen. Außerdem war ich früher oft bei ihm zu Besuch. Er war ein faszinierender Mensch und hatte immer genug Geschichten auf Lager, so dass mir nie langweilig wurde. Wir saßen immer in seinem Arbeitszimmer und durchstöberten seine Bücher. Er hatte auch Tagebücher, allerdings ließ er mich nur selten hinein schauen und dann durfte ich auch nur Stellen lesen, die er vorher ausgesucht hatte. Ich fand das immer ziemlich spannend, wunderte mich aber dass ich seine Tagebücher nicht nach Belieben durchstöbern durfte. Hatte er etwa Geheimnisse? Das machte das ganze natürlich noch spannender und mysteriöser. Mein Vater war vor langer Zeit bei einem Autounfall ums Leben gekommen und seitdem waren ich und meine Mutter alleine. „Tom, ich weiß es ist nicht leicht für dich, dass dein Onkel gest...“. „Maa, ich bin kein kleines Kind mehr. Ich bin schon 17 und denke, dass ich mit der Situation sehr wohl umgehen kann.“, fuhr ich ihr dazwischen. Ich wollte nicht darüber reden. Weder über meinen Onkel noch über den Tod. Denn sobald ich über den Tod nachdachte, kamen die Erinnerungen an meinen Vater hoch und das wollte ich auf keinen Fall. Sie sah mich besorgt an, sagte jedoch nichts weiter. Stumm fuhren wir weiter. Fynns Villa lag in einem kleinen Dorf, ca. 100km von unserem Haus entfernt. Wir wohnten in einem Außenbezirk von Wien. Mit einem Mal verdunkelte sich die Sonne und Wolken zogen auf. Ich betrachtete die Wolken und stellte mir vor, dass sie irgendwelche Figuren darstellten. So vertrieb ich mir die Zeit bis wir angekommen waren.

Wir wurden bereits vom Notar erwartet. Empfing uns beim Eingang der Villa. „Herzlich Willkommen. Die anderen warten bereits.“ Er hielt uns die Türe auf und wir traten ein. Es waren keine Spuren eines Einbruches zu erkennen, alles sah sauber und ordentlich aus. Auch als ich mich umsah konnte ich nicht erkennen, dass irgendwelche Wertgegenstände verschwunden waren. Laut Polizei jedoch sah es nach dem Einbruch ziemlich wüst aus. Anscheinend hatten sie extra für diesen Notartermin aufgeräumt. Wir betraten das Wohnzimmer, wo bereits meine Tante mütterlicherseits und ihren Mann mit ihrer Nichte wartete. Sie war ca in meinem Alter, allerdings kannte ich sie nicht besonders gut. Sie begrüßten uns freundlich und wir nahmen Platz. „Nun sind wir vollständig, wir können anfangen.“, sagte der Notar und begann danach mit der Prozedur. Er schilderte den Unfall noch einmal in knappen Worten und sagte, dass unser Onkel für alles vorgesorgt hat. Er holte das Testament meines Onkels aus seiner Aktentasche und begann vorzulesen. Meine Cousine bekam ein Sparbuch und seine Briefmarkensammlung. Was sie damit anfangen sollte wusste ich nicht aber na ja. Ihre Tante und ihr Onkel bekamen seinen Wagen, einen nagelneuen Toyota Carola Verso und seine Münzsammlung. Meine Ma bekam ein Sparbuch und einen Brief, den sie sofort einsteckte ohne ihn vorher auch gelesen zu haben. Als der Notar a die Stelle kam, wo er verkünden sollte was ich erbe, stockte er und sah mich an. Dann sagte er: „Thomas Griffin, mit dir würde ich bitte gerne alleine sprechen.“ Er wandte sich wieder den anderen zu und sprach noch ein paar Abschlussworte, wie leid ihm das ganze täte. Aber ich hörte nicht richtig hin. Warum nur wollte er alleine mit mir sprechen? In meinem Kopf drehte sich alles.

Als der Notar fertig mit seiner Ansprache war, sah er mich an und deutete mir, mit zu kommen. Ich sah meine Ma an und sie nickte mir leicht zu „Ich werde hier auf dich warten.“ Also erhob ich mich und folgte dem Notar. Wir gingen in den Nebenraum, eine kleine Bibliothek. Hier waren die Zeichen eines Einbruches deutlich zu sehen da sich niemand die Mühe gemacht hatte, aufzuräumen. Nichts stand mehr dort, wo es eigentlich stehen sollte. Er blieb bei einem Tisch stehen und sah mich an. „Dein Onkel war ein Freund von mir. Er hat mich gebeten, dass ich dir seine Tagebücher gebe. Er denkt, dass sie dir sehr nützlich werden können.“ „Sehr nützlich wofür?“ fragte ich. Ich konnte sie schließlich seine Geschichten lesen, die er über all die Jahre gesammelt hatte aber warum sollte das nützlich sein? Er lächelte und sagte: „Sobald die Zeit gekommen ist, weißt du warum. Und dann wirst du ihm dankbar sein. Die Tagebücher habe ich schon in Kartons gepackt.“ Er deutete auf 2 Kartons, die unter dem Tisch am Boden standen und er hievte sie hoch. „Außerdem“, fing er erneut an: „soll ich dir von deinem Onkel einen Brief und einen Schlüssel geben. In dem Brief steht alles, was du wissen musst. Ich wünsche dir viel Glück Tom. Wir werden uns bald wieder sehen.“ Er griff in das innere seines Jacketts und holte den Brief und den Schlüssel heraus. Er legte beides auf den Tisch, lächelte mich noch einmal an, drehte sich um und verließ, ohne ein weiteres Wort zu sagen, den Raum. Ich stand nun da, unsicher was ich tun sollte. Ich betrachtete den Schlüssel- er war klein sah sehr unscheinbar aus. Ich steckte ihn und den Brief ein. Eigentlich war ich ziemlich neugierig, was drinnen steht aber ich konnte meine Ma doch nicht warten lassen. Also ging ich zurück ins Wohnzimmer. Sie saß auf einem Sessel und starrte in den Kamin, in dem noch Überreste von Holz lagen. Die anderen waren bereits gegangen. Als ich das Zimmer betrat, sah sie mich an und sagte: „Wo hast du denn den Notar gelassen?“. „Der ist doch kurz vor mir gekommen, hast du ihn nicht gesehen?“, sagte ich, verwundert über sie. „Nein, hier kam niemand durch.“, sagte meine Ma und runzelte die Stirn. Komisch, dachte ich mir. Er kann doch nicht einfach vom Erdboden verschwinden. Oder kann er etwa doch?

Der Schatten (Arbeitstitel)Where stories live. Discover now