Kapitel 5

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Kapitel 5 - Treffen Nummer Eins

„Morgen Colton“ Vor Schreck ließ ich fast meine Tasse mit heißem Kaffee fallen. Ash warf mir einen amüsierten Blick zu. „Sorry, wollte dich nicht erschrecken“, sagte sie und holte sich ebenfalls eine Tasse aus dem Schrank, „Wieso bist du schon wach?“ „Konnte nicht schlafen“, wich ich aus. Glücklicherweise ließ sie es darauf beruhen. „Kannst du mir eines erklären?“, sie warf mir einen Blick zu, ich hob eine Augenbraue und wartete darauf, dass sie fortfuhr. „Warum klebt auf deinem Camero ein halbes Blumenbeet?“ „Das ist ein Acker“, sagte ich trocken und schüttelte den Kopf, „Ich habe Zoey getroffen“ Ash hob leicht verwirrt die Augenbrauen. „Und sie hat Erde nach dir geworfen?“ Ein leichtes Lächeln schlich sich mir auf die Lippen. Die Vorstellung war irgendwie amüsant. „Nein“, ich schüttelte den Kopf, „Ein Reh ist auf die Straße gelaufen und Zoey ist von der Gegenfahrbahn auf meine Spur ausgewichen. Dann musste ich halt auf die Seite ausweichen, wo zufällig ein Acker war“. „Dann bin ich mal froh, dass da nicht der Wald war. Du hast Glück gehabt“. Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste ja, dass sie Recht hatte. „Wann kommt dein Kumpel eigentlich?“, wechselte Ash dann das Thema. „Morgen“, ich runzelte die Stirn, „Ich sollte in die Waschstraße fahren“. Ash grinste: „Oh ja, solltest du“.

„Ich weiß nicht“, Ash wechselte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. „Was willst du bitte mehr?“, fragte ich und sah mich in dem Foyer des opulent ausgestatteten Hotels um, das wir uns gerade ansahen. Es war das dritte auf ihrer Liste, die nicht sonderlich lang war. So viele Luxushotels gab es in unserem Umkreis immerhin nicht. „Es ist doch genauso wie du es dir vorgestellt hast und sie haben an eurem Hochzeitsdatum noch einen Saal und ne Suite frei. Ich würde mir das nicht entgehen lassen“. Ash seufzte und strich sich eine dunkle Locke aus dem Gesicht. „Ja schon, aber hast du dir schon mal die Preisliste angesehen? Das ist mehr als in Mom und Dads Budgets drin ist. Mehr als ich verdiene“ Ich verdrehte die Augen. „Ich hab dir gesagt, dass Geld keine Rolle spielt!“, sagte ich mindestens schon zum fünften Mal. „Und ich hab dir gesagt, dass ich nicht verlangen kann, dass du...“ „Ash, du bist meine kleine Schwester“, unterbrach ich sie, nahm sie am Arm und führte sie zur Rezeption, „Das ist mehr als in Ordnung. Ich mach das gern für dich“. Ich legte meine schwarze American-Express auf den glänzenden Glastresen. „Jetzt reservier mal, dann kommen wir mit Mom, Matt und Zoey das nächste Mal vorbei und sehen uns alles nochmal genau an. Ja?“ Ash nahm meine Karte und drehte sie in den Händen, dann seufzte sie ergeben. „Okay“. „Braves Mädchen“, sagte ich lächelnd. „Danke bester großer Bruder“

Das Gefühl „der Beste“ zu sein verging mir aber genauso schnell wie es gekommen war als ich den Rückwärtsgang meines frisch aus der Waschstraße kommenden Cameros einlegte und aus der Ausfahrt rauszurollen. Umdrehen konnte ich nicht, da meine Mutter offensichtlich der Meinung war, sie müsse ihren Volvo V50 quer auf unserer kleinen Parkfläche vor der Garage parken und mir somit den Platz zum Umdrehen nehmen. Stattdessen war ich seltsam nervös, dass mir davon schlecht wurde. „Der übliche Ort“, wie Zoey ihn genannt hatte, war eine kleine Eisdiele am Rand des kleinen Ortes, wo auch der Supermarkt war. Die Eisdiele war nicht so bekannt, da die meisten Leute einfach vorbeiliefen ohne sie zu bemerken. Aber dort gab es unserer Meinung nach das beste Eis von Ohio. Zuzugeben ist, dass den meisten von uns damals auch keine Vergleichsmöglichkeit zu anderen Staaten fehlte. Die meisten, die in diesem Ort von Ohio wohnten hatten den Staat noch nie verlassen. Ebenso gehörte ich zu den wenigen aus meiner Generation den Staat nach dem College verlassen hatten. Naja, auf dem College war ich ohnehin nicht sehr lange gewesen nachdem das mit der Modeling-Karriere durchgebrochen war. Auf der Straße dann legte ich den Gang ein und fuhr in Richtung des Dorfs los, wo die Eisdiele war. Diesmal kamen mir keine Rehe oder andere Autos von der Gegenfahrbahn in die Quere und ich erreichte meinen Zielort schneller als mir lieb war. Mit dem Handy löste ich einen Parkschein und betrat die Eisdiele. Auch ohne Aufzusehen wusste ich, dass Zoey noch nicht hier war. Sie kam immer ungefähr zehn bis fünfzehn Minuten zu spät. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich das ändern könnte und wie es aussah behielt ich Recht. Bis dahin konnte ich uns immerhin einen Platz suchen. Viel Auswahl gab es allerdings nicht, denn wie gesagt, die Eisdiele war wirklich klein. Ich wählte den Tisch am Fenster und kaum hatte ich mich hingesetzt wurde ich gleich von der Bedienung angesprochen, die mir offensichtlich gefolgt war, ohne dass ich es mitbekommen hatte. „Willkommen“, sagte sie so fröhlich, dass es mir schon fast in den Ohren wehtat, „Wartest du noch auf jemanden oder willst du gleich bestellen?“ Ich sah zu ihr auf und zwang mir ein Lächeln auf. „Ich warte noch auf jemanden, danke“, antwortete ich ihr freundlich. „Oh okay“, sie lächelte immer noch, „Wenn du etwas brauchst, ich bin gleich da hinten“. Sie deutete auf die Theke, hinter der noch ein anderer Kellner etwas lustlos Besteck abtrocknete. Ich wandte meinen Blick wieder auf sie. Irgendwie kam sie mir bekannt vor. Sie wandte sich zum Gehen als mir ihr Name wieder einfiel. „Moment mal, Betty?“, rutschte es mir heraus bevor ich es verhindern konnte. Sie drehte sich überrascht zu mir um und hob eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen. „Woher weißt du...?“ Betty war in der Highschool ebenfalls in meinem Jahrgang gewesen, jedoch hatten wir nie miteinander zu tun gehabt. Was wohl dran lag, dass wir uns in verschiedenen Welten bewegten (ich der Außenseiter, sie so ziemlich das gefragteste Mädchen der ganzen Schule neben Zoey). Wenn wir irgendwie miteinander zu tun hatten, dann hatte sie mich eher herablassend behandelt, so wie jeder außer Darren und Zoey. Und sie arbeitet hier? „Wir gingen auf die gleiche Schule“, erklärte ich ihr. Betty strich sich nachdenklich eine blondierte Strähne aus der Stirn. War sie nicht diejenige, die davon geredet hat, nach ihrem Abschluss nach Harvard zu gehen und sogar richtig damit angegeben hat? „Das soll mich doch... Colton? Das kann doch gar nicht sein“ „Genau das dachte ich mir auch“, hörte ich plötzlich Zoeys Stimme. Ich hatte sie gar nicht kommen sehen, doch jetzt stand sie hinter Betty, die sie zögerlich durchließ, dass sie sich mir gegenüber setzen konnte. „Hey Zoey“, begrüßte ich sie und lächelte etwas. Zurück kam ein Strahlen von ihrer Seite, dann wandte sie sich der Karte zu. Verdammt. Es würde verdammt schwer werden ihr nicht wieder zu verfallen, wenn sie mich so anlächelte.

Nein, Gedanken. Aus. Zoey ist eine alte Freundin, mehr nicht. You’re over it.

Betty hatte sich wieder hinter ihren Tresen verkrümelt und bediente gerade irgendein Kind, das sich nicht entscheiden konnte ob es lieber Vanille- oder Schokoeis haben wollte. „Die hat dich voll ausgecheckt, Colton“, sagte Zoey plötzlich und sah mich mit einem Grinsen über dem Rand ihrer Karte an. „Was?“, ich warf ihr einen verwirrten Blick zu. Zoey legte die Karte weg und nickte leicht in Bettys Richtung. „Sie hat dich mit ihren Blicken schon fast ausgezogen“. Ich schüttelte den Kopf und grinste schief. „Blödsinn“. „Das merkst du vielleicht nicht, weil es dir ständig passiert, aber lass es dir von einer Frau sagen, es ist so“. Ich verdrehte die Augen. „Ist sie nicht dein Typ?“ Ich hob eine Augenbraue. „Willst du jetzt ernsthaft über meinen Typ reden?“ Zum Glück rettete mich Betty indem sie kam und unsere Bestellung aufnahm. „Eigentlich nicht“, fuhr Zoey fort als Betty wieder verschwand. Ich sah sie fragend an. „Wir haben uns fünf Jahre nicht gesehen, das ist eine lange Zeit. Was gibt es Neues?“ Ich rieb mir mit einer Hand nachdenklich den Nacken. „Eigentlich hat sich bei mir nichts verändert“. „Gar nichts?“, hakte sie nach, „Komm schon, da muss es doch etwas geben. Keine Freundin?“ Klar, als ob ich jemanden so nah an mich ranlassen könnte. „Nein, ich bin kein Beziehungsmensch“ „Freund?“ Ich sah sie entsetzt an. „Was?“ Zoey lachte. „Hätt ja sein können“. „Du denkst...?“ „Beruhig dich, das war ein Scherz“, sie grinste mich an und achtete nicht auf Betty, die uns unsere Eisbecher brachte. „Hm, das hier habe ich vermisst“, sagte ich und nahm den ersten Löffel Schokoeis. „Das glaub ich dir“, antwortete Zoey und deutete mit ihrem Löffel auf mich, „Auf jeden Fall siehst du anders aus“. Ich zuckte mit den Schultern. „Ein neuer Haarschnitt, bisschen Training und ein langer Besuch beim Zahnarzt wirken Wunder“. „Scheint so“. „Und was ist mit dir?“, lenkte ich das Thema auf sie um damit sie nicht mehr von mir sprach, „Ich weiß, dass du in einer Firma in der PR-Abteilung arbeitest, sonst...?“ „Es hat sich auch nicht großartig viel verändert außer dass ich nicht mehr bei meinen Eltern wohne“. „Und du bist noch mit Justin zusammen?“ „Wieder“ Warum fragst du eigentlich? Ich hob fragend eine Augenbraue. „Ein paar Monate nachdem du weg warst haben wir uns getrennt“, erklärte Zoey, „Dann vor fast einem Jahr haben wir uns wieder getroffen als ich mein Auto in die Werkstatt brachte in der er arbeitet. Wir sind wieder ausgegangen und ja“, sie zuckte mit den Schultern, „Hat es wieder gefunkt. Wahrscheinlich war es Schicksal, wir gehören anscheinend einfach zusammen“. Meine inneren Alarmglocken schrillten los. Diese Richtung wollte ich nach all den Jahren einfach noch immer nicht einschlagen. Du bist selber Schuld, Colton, in all den Jahren hast du keinen Schritt gemacht und jetzt ist es zu spät. Nicht dass ich noch was fühlen würde. Tue ich nicht. Nein. „Ich freu mich für dich, Zo“. „Du wirst auch noch jemanden finden, Colton“, meinte sie zuversichtlich, „Ganz bestimmt“. Am besten widersprach ich ihr da nicht, denn das würde wohl oder übel eine Diskussion vom Zaun brechen und dafür hatte ich nicht die nötige Energie.

„Willst du mir auch erzählen warum du weggegangen bist?“, fragte Zoey und schob ihren leeren Eisbecher von sich weg. Genau die Frage die ich eigentlich gefürchtet hatte. Man sollte meinen, ich sollte jetzt schon langsam eine passende Ausrede parat haben aber aus einem Grund den ich bis heute nicht nachvollziehen konnte hatte ich keine. Ich seufzte und legte meinen Löffel weg. „Ich brauchte einfach einen Neuanfang“, erklärte ich wage. „Das hast du mir schon in dem Brief geschrieben den Darren mir gegeben hat“, sagte sie ohne den Blick von mir abzuwenden, „Ich hätte gerne die ganze Wahrheit“. „Es ist nun mal die Wahrheit“, beteuerte ich, „Mehr kann ich dir im Moment auch nicht sagen“. Zoey sah mich lange an, dann schien sie zu merken, dass sie aus mir im Moment nicht mehr rausbekommen würde.

Allerdings kannte ich Zoey gut genug, dass ich sagen konnte: Sie würde es nicht auf sich beruhen lassen. Ich steckte echt in der Tinte. 

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