Hüter

By Josie_ldwg

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Als Kyra bei einem Waldlauf Erfrischung an einem Bach genießen will, wird sie von etwas angegriffen, was sie... More

Kapitel 1
Kapitel 2a
Kapitel 2b
Kapitel 3a

Kapitel X

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By Josie_ldwg

Nacht.

Eine dunkle Nacht, so wie sie nur selten vorkam. Keine Sterne waren am Himmel zu sehen und nur der helle Vollmond verteilte Licht auf der dunklen, schattigen Lichtung, auf der Jasper nun war. Er irrte in Schlangenlinien durch die dunklen Schatten der Bäume. Die Waldluft hinterließ einen erdigen Geruch in seiner Nase.
Jasper rannte. Er rannte schneller als jemals zuvor, denn er hatte auch noch nie zuvor eine solche Angst gespürt und diese Angst trieb ihn voran. Er wusste nicht vor wem oder was er weglief, aber er war auch nicht so lebensmüde, stehen zu bleiben und sich umzudrehen. Aber er wusste genau, dass ihn jemand oder eher gesagt etwas verfolgte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, es pochte so laut, er hörte nicht einmal mehr sein erschöpftes Keuchen. Aber er wusste, dass seine Atemfrequenz mindestens um das fünf-fache gestiegen sein musste. Was war das?! Ein Bär? dachte er als er dann doch anhielt um ruhig zu atmen. Ein Kratzer machte sich an seinem Arm bemerkbar. Jasper spürte das warme Nass, welches aus der Wunde floss. Sein Verfolger, ein bärenartiges Geschöpf mit leuchtend saphirblauen Augen, hatte ihn durch den halben Wald, bis hin zu den entlegensten Stellen gejagt. Wie ein Raubtier, welches seine Beute bis zur Erschöpfung hetzte, um ihm dann den Todesbiss zu verpassen
Es hatte ihn einmal bekommen, aber Jasper konnte sich mit einem rettenden Tritt gegen den Kopf des Monsters befreien und blieb nur mit einem Kratzer zurück. Ein eisiger Windstoß ließ Jasper erzittern. Wo ist es? dachte er. Jasper sah sich um. Es muss wohl weg sein... Jasper atmete erleichtert auf und legte die Hände erschöpft auf seine Knie. Hinter ihm ertönte ein ohrenbetäubendes Knallen. Das Beben des Bodens ließ Jasper beinahe umkippen.

Er sah auf und wollte laufen, aber das Biest stand schon mit seinen blau leuchtenden Augen vor ihm. Das Blau in den Augen des Biestes war dunkel und schien doch so kalt, es ließ Jasper erzittern und bescherte ihm eine Gänsehaut. Das Monster fing an zu knurren. Seine großen Nüstern bebten bedrohlich, als es seinen schweren Kopf etwas höher hob. Sein riesiger Kopf ähnelte dem eines Wolfes. Aber das kann doch nicht sein... Es gibt in dieser Gegend doch keine Wölfe, und schon gar nicht so große. dachte er.

Der riesige Kiefer der Bestie öffnete sich. Klarer Speichel tropfte aus dem Maul des Ungeheuers und leuchtete in dem Licht des Mondes. Es fletschte seine gewaltigen Zähne. Als Jasper es von der Nähe betrachtete, sah es nicht mehr aus wie ein Bär, sondern Jasper war sich sicher, dass es sich um einen schwarzbraunen Wolf handelte, der beinahe die Größe eines Ponys besaß.

Aber Wölfe werden doch niemals so groß...

Ist das mein Ende?

Werde ich sterben?

Ich bin noch nicht so weit...

Ich will leben...

Es wurde schwarz um ihn.

Stille.

Als er aufstand spürte er einen starken Schmerz in der rechten Seite. Sein T-Shirt war zerfetzt und voller Dreck und Blut.

Ist...

"Ist das mein Blut...?" Er fing an zu zittern. Eine Angst überströmte ihn. Aber nun kam allmählich die Erinnerung zurück, an gestern. An die Hetztirade, diese schreckliche Angst. An diese Bestie, die ihn angefallen hatte.

An einfach alles.

Er sah verschwommen als er den ersten Schritt tat. Sein Kopf dröhnte extrem, und alles um ihn begann sich zu drehen. Er wusste zwar, dass er im Wald war, aber er wusste nicht genau wo. Das Rauschen des Wassers verriet ihm jedoch, dass er irgendwo nahe den Wasserfällen im Nationalpark, neben der Stadt war, in der er lebte. Jasper quälte sich Schritt für Schritt weiter. Bei jedem Schritt stach es wieder in seiner Seite. Es war eine Art Schmerz, die sich anfühlte, als würde beinahe zusammengewachsenes Fleisch wieder gewaltsam auseinandergerissen werden. Er bekam Panik als er sein T-Shirt hochhob, um zu sehen, was den Schmerz verursachte. Von seiner rechten Seite bis zu seinem Bauchnabel waren eindeutig große Bissspuren zu sehen, die aber, an schon länger verheilte Wunden deuten ließen. Das geronnene Blut klebte an seiner Haut und bei jeder Bewegung sickerte wieder etwas Blut aus der Wunde. Der süßliche Geruch von Eisen erfüllte seine Nase.

Bissspuren!? Hat das etwas mit dem riesigen Wolf zu tun? Richtig, es hat mich gebissen... Wie lang war ich denn bewusstlos? Wieso hat es mich nicht getötet?

Zu viele Fragen irrten durch seinen Kopf, sie flogen so schnell umher, dass er keine hätte greifen und festhalten können, um eine Antwort für sie zu finden. Jasper konnte nicht klar denken.

Er suchte nach seinem Handy, das er, bevor er das Haus verlassen hatte, in seine Hosentasche gesteckt hatte. Das wusste er ganz genau. Unruhig suchte er seinen Körper ab: Durch die Bewegungen brannten sich seine Wunden wie Feuer in ihn hinein. Er zische vor Schmerz und hielt einige Sekunden inne, bevor er weitersuchte.

Es ist weg? Es kann nicht weg sein. Er schaute sich um. Irgendwo hier muss es doch sein? Da lag es, leicht bedeckt von Erde und Blättern. Es blinkte. Er hob es hoch und strich den Dreck von dem zerkratzten Bildschirm. Jasper machte sein Handy an und öffnete die Nachricht.

Gestern:

Peter:

Wieso bist du so schnell von der Party abgehauen? Ich habe mir

Sorgen gemacht.

Claire:

Ich meinte es vorhin nicht so... Naja... Ich hoffe du hast nicht den Waldweg nachhause genommen... Dort ist es im Moment gefährlich und das haben ich und mein Bruder dir oft genug gesagt! Naja, du bist 16 du weißt was du tust. Pass auf dich auf. Bis Montag.

20:23

Jasper entschied sich nicht zu antworten. Er steckte sein Handy weg. Wie soll ich das irgendjemandem erzählen, ohne für völlig verrückt gehalten zu werden?

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. "Scheiße!" schrie Jasper. Er dachte, er würde verrückt werden, und vielleicht bildete er sich alles nur ein und war nach der Party gestern auf dem Nachhauseweg umgekippt und eingeschlafen. Aber diese schmerzende Wunde verriet ihm, dass er falsch lag.

"Was gibt es da zu meckern?!" Wegen der fremden Stimme erschrak Jasper. Er drehte sich um, um die zugehörige Person zu suchen, aber die Stimme schien aus dem Nichts zu kommen. "Wer ist da!?" rief Jasper, versuchend seine Angst nicht in seine Stimme fließen zu lassen.

"Du könntest mich theoretisch Papa nennen, ich meine, ich habe dich schließlich zu dem gemacht was du jetzt bist. Ich habe dich erschaffen..." Die Stimme brachte ein dunkles, fast gefährliches Lachen hervor.

"Wie, du hast mich zu dem gemacht was ich bin? Was bin ich denn verdammt nochmal!?" brüllte er. Jasper hatte die Spielchen satt, denn seine Wunde war gefährlich tief und er war nicht zum Spaßen aufgelegt. "Was hast du mit mir gemacht?!" fragte er nochmal, als keine Antwort kam.

"Ich habe dich lediglich..." Die Stimme schien nach dem passenden Wort zu suchen. "verbessert. Das ist alles." Noch immer hörte Jasper die Stimme nur, sehen konnte er außer den Bäumen nichts. Er konnte nicht einmal zuordnen aus welcher Richtung sie kam. Sie schien einfach überall zu sein. Sie wehte wie der Wind durch die Blätter des Waldes.

"Wer zur Hölle bist du?! Was hast du mit mir...?" Jasper verschluckte den letzten Teil, als seine Wunde schrecklich zu schmerzen begann. Er stieß einen erstickten Schrei aus und fasste sich an den Bauch, um zu versuchen den Schmerz zu lindern. Jasper bückte sich krampfhaft. "Ahh... Verdammt. Was hast du, verdammt noch mal, mit mir gemacht?!" rief er mit vor Schmerz verzogenem Gesicht.

Eine große Gestalt trat aus den Schatten der Bäume. Es war ein großer Mann mit einer getönten Sonnenbrille dessen Gläser bläulich schimmerten und dunklen längeren Haaren die er in einen strammen Pferdeschwanz nach hinten gebunden hatte. Sein markantes Kinn und seine Wangen waren von einem dunklen Drei-Tage-Bart bewachsen.

"Wer trägt denn in so einer Dunkelheit eine Sonnenbrille...?" fragte er sich leise.

"Weißt du Jasper-" Jasper ließ ihn nicht ausreden. "Woher kennst du meinen Namen?! Ich kenne dich nicht!" Hat dir deine Mutter nicht gesagt, dass es unhöflich ist jemanden zu unterbrechen? Der Mann räusperte sich. Naja... Was ich sagen wollte war: Ich habe dich eine lange Zeit beobachtet. Um genau zu sein, seitdem du zehn bist. Er bemerkte Jaspers angewiderten Blick. Also... Ähm, denk jetzt bloß nichts falsches von mir, sagte er mit einer schnellen Handbewegung. Dann fing er an zu lachen aber ich musste ja auch sehen, ob mein Alpha mit dir eine gute Entscheidung getroffen hat. Und es ist verständlich, dass du mich nicht erkennst... Gestern war ich auch naja... Anders."

"Anders? fragte Jasper verwirrt. Der Mann nickte. War er das Monster von gestern? "Dein Alpha?" fragte Jasper spöttisch hinterher. "Wer ist das? Woher kennt er mich?! Und was meinst du mit anders?" Jasper verzweifelte langsam.

Der Mann sah ihn mit einem verschrobenem lächeln an "Ich verstehe, dass du im Moment sehr verwirrt bist, aber das muss erst mal warten..." Ein Lautes Jaulen ertönte. "Hat mich gefreut endlich deine offizielle Bekanntschaft gemacht zu haben. Es wird nicht mehr allzu lange dauern." sagte der Mann mit einer salutierenden Handbewegung. "Warte! Was wird nicht lange dauern? Warte!" rief Jasper ihm hinterher, aber die Stimme war in den Schatten des Waldes verschwunden.

Jasper stand nun alleine da.

Jasper schaute auf sein Handy. Schon halb vier...

Er ging Richtung Woodberry, seiner Heimatstadt. Jasper war froh, dass ihn niemand sah, als er durch die engen Straßen zu seinem Haus ging. Endlich war da. Er schloss die Tür so leise wie es ging auf und drückte sie mit einem leisen Klicken zu. Jasper schlich auf sein Zimmer. Er zog die dreckigen Sachen aus und stieg unter die Dusche. Das schon trockene Blut und der Dreck an seinem Körper, wurden durch das Wasser wieder flüssig und ließen sich nun mit Leichtigkeit abwaschen. Seine Wunde war beinahe vollkommen geheilt.

Als Jasper sich abgetrocknet hatte, wischte er den Dunst vom Spiegel um besser sehen zu können. Er zuckte zusammen.

Scheiße, was ist mit meinen Augen?!

Seine dunkel braunen Augen badeten für einen kurzen Moment in einem tief warmen Blau.

Er legte sich in sein Bett und versuchte zu schlafen. Als er die Augen zumachte sah er immer wieder diese blauen Augen und die im Mondlicht leuchtenden, riesigen Zähne des Biestes. Jasper zitterte. Er drehte sich zur Seite, doch bereute es sofort, denn seine noch immer vorhandene Wunde stach erneut. Jasper zog die Decke höher. Er versuchte erneut sich zu entspannen und dieses Mal funktionierte es.

Er schlief ein.

"Jasper!" rief ihn seine Mutter ihn aus dem Tiefschlaf. "Jasper, du kommst zu spät zur Schule!"

Jasper setzte sich erschrocken auf. "Ich bin wach, ich bin wach, Mama..." antwortete er hundemüde. Er fühlte sich, als hätte er seit Tagen keinen Schlaf bekommen.

Er stand auf. Wieso tut mein Kopf JETZT auf einmal so weh? Jasper drückte seine Fingerspitzen gegen die Schläfen, um den Schmerz etwas zu betäuben.

Er zog sich an und machte sich fertig für die Schule. Dann ging er runter in die Küche, wo seine Mutter bereits auf ihn wartete. Sie hatte ihm, so wie jeden Morgen, Essen gemacht.

"Morgen, Mama."

"Guten Morgen. mein Schatz, hattest du gestern einen schönen Abend mit deinen Freunden? Du kamst erst wieder, als ich schon geschlafen habe."

"Ach ja?" fragte er, obwohl er es genau wusste, aber er stellte sich lieber dumm. "Ich habe nicht bemerkt wie die Zeit vergangen ist, es war bestimmt schon zwei oder drei..." Jasper wurde bei dem bohrenden Blick seiner Mutter nervös. Er schluckte und sah nach unten.

Sollte ich es ihr erzählen? Nein sollte ich nicht... Sie sah ihn wissend an. "Du hast viel Alkohol getrunken, oder?" fragte sie dann mit einem Lachen und hochgezogenen Brauen. Jasper entspannte sich bei der Unwissenheit seiner Mutter. "Geht so." antwortete er erleichtert. Sein Blick wurde auf das Bild seines Vaters gezogen, welches auf dem Schrank hinter ihr stand. Wie lange war er jetzt schon tot? fragte er sich. Lange genug... Er sah hoch zu seiner Mutter. "Mama... Wie ist Papa eigentlich-" Sie unterbrach ihn. "Willst du Käse oder Wurst auf dein Brot?" Er bemerkte den Schmerz in ihren Augen, welche sie versuchte mit einem gefälschten Lächeln zu vertuschen. Jasper schluckte die Frage herunter. Er wollte ihr nicht noch mehr Leid zufügen. "Käse... Danke, Mama." sagte er mit einem aufgesetzten Lächeln.

"Vergiss nicht, dass deine Schwester morgen Geburtstag hat! Wir wollen zu ihr fahren, wenn du von der Schule kommst." Jasper nickte: Er setzte sich dann in sein neues Auto. Er versuchte es zu starten, aber es sprang nicht an. Jasper versuchte es ein weiteres Mal. Nichts.

In ihm kam eine Welle der Wut hoch. Sie riss ihn mit und ertränkte ihn beinahe

Verdammt!

Er schlug vor Wut gegen sein Lenkrad. Ihm wurde heiß. Jasper versuchte sich zu beruhigen, doch es funktionierte nicht. "Beruhige dich, Jasper..." murmelte er, ohne zu wissen, wieso sein Körper so auf dieses kleine Problem reagierte. Er schloss die Augen. "Beruhige dich..." wiederholte er sich. Jasper machte die Augen wieder auf und versuchte erneut seinen Wagen zu starten. Er sprang an.

Auf dem Weg zur Schule holte er seine zwei besten Freunde Claire und Scott ab. Claires lange blonde Haare wehten, als sie sich auf den Beifahrersitz setzte. Sie hatte einige Strähnen geflechtet und diese hinten zusammengebunden. Scott stieg hinten ein. "Wow, ist das dein neues Auto? Schön." Scotts Aussage triefte nur so vor Sarkasmus, so dass Scott sich das kichern unterdrücken musste. Jasper sah ihn mit müden Augen an. "Ja, ich warte schon seitdem ich mit meinem Führerschein angefangen habe darauf ihn endlich fahren zu können." Er strich über das weiche, ledrige Lenkrad. "Das ist der alte von meinem Vater, bevor er..." Er musste schlucken. "Es ist ein schönes Auto nicht wahr, Scott?" Claire sah Scott vorwurfsvoll durch den Schminkspiegel an.

Scott strich ihm über die Schulter. "Ey Mann, tut mir leid ich wollte nicht..." Jasper ließ Scott nicht ausreden. "Schon okay, es ist ja nicht deine Schuld, dass er gestorben ist, meine Mutter ist nur immer noch sehr fertig und sie will über dieses Thema nicht sprechen. Egal wie ich es anspreche. Ich will doch nur wissen, was passiert ist..." Er schüttelte den gesenkten Kopf. Claire warf Scott einen Blick zu.

"Schon okay Jasper, wir sind für dich da. Hast du verstanden?" Claires warme Augen erweckten in Jasper den Wunsch, ihr alles von gestern zu erzählen. Aber er konnte nicht. Er brachte es nicht übers Herz.

"Wir sollten langsam mal los, sonst kommen wie zu spät zur Schule. Und am ersten Tag sollten wir doch auf keinen Fall zu spät kommen, oder?" Claire lachte kurz, nachdem sie das sagte und knuffte ihn liebevoll in die Seite. Jasper nickte und startete den laut summenden Motor.

Jasper konnte sich an diesem Tag einfach nicht konzentrieren. Egal wie sehr er es versuchte. Es war sehr ungewöhnlich für ihn, selbst nach dem Tod seines Vaters war seine mündliche und schriftliche Mitarbeit im Unterricht immer hervorragend. Aber die Bilder des vergangenen Abends liefen in seinem Kopf wie ein Film auf Dauerschleife ab. Er sah aus dem Fenster. Wenn das von gestern ein Wolf war, was mich gebissen hat, dann... Eine raue Stimme riss ihn aus den Gedanken. "Mister Nolan!" ermahnte ihn sein Lehrer. "Würden Sie mir und sich selber einen Gefallen tun und sich auf den Unterricht konzentrieren?" Jasper nickte müde und sah nach vorne.

Es war schon beinahe ein Monat vergangen und der Mann mit der getönten Sonnenbrille und dem Pferdeschwanz war noch nicht aufgetaucht. Jasper konnte über nichts anderes nachdenken, als an die Nacht im Wald, diese gespenstischen blauen Augen des Wolfes ließen ihn einfach nicht mehr los. Ihm war bewusst, dass dieser Biss ihn irgendwie verändert hatte. Da Jasper eine Gerinnungsstörung hatte, war es ihm auch ein Rätsel, wieso er in dieser Nacht durch den Biss nicht verblutet war. Er wusste nicht, wieso er noch am Leben war, denn diese riesigen Zähne hatten sich verdammt tief und schmerzvoll durch sein Fleisch gerammt, aber diese, eigentlich lebensgefährliche Wunde war nach eineinhalb Tagen völlig narbenfrei verheilt. Er saß an seinem Tisch, neben ihm Scott und Claire.

Plötzlich wurde ihm warm, nein ihm wurde heiß, und seine nun feuchten Hände fingen an zu zittern. Sein Herz fing in seiner Brust an, wie verrückt zu hämmern. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum.

Was passierte hier? Mit ihm?

Er wurde ängstlich. Hatte sich diese Wunde innerlich entzündet und bekam er deswegen jetzt Fieber mit Schüttelfrost? Seine Kehle schnürte sich vor Angst zu und als er nun auch fast gar keine Luft mehr bekam war ihm klar, dass definitiv etwas nicht mit ihm stimmte. Es konnte einfach nicht alles gut sein. Er wusste es, aber er wusste nicht wieso. Ein leiser Gedanke huschte durch seinen Kopf.

Der Wolf... Der Biss... Nein!

Er schüttelte den Kopf. Seine Hände umklammerten den

Tisch an dem er saß. Seine Fingernägel bohrten sich in die Tischplatte. Es muss einen anderen Zusammenhang dafür geben. Zumindest konnte er es nicht glauben. "Ich muss kurz hier raus..." flüsterte er. Scott sah ihn erschrocken an. "Was...?"

"Ich muss hier raus!" Er muss wohl lauter gesprochen haben als er wollte, seine ganze Klasse sah ihn verwirrt und entsetzt an, aber das war ihm jetzt egal. Er stürmte raus und suchte das Badezimmer. Sein Lehrer rief ihm erzürnt nach. Scott sah geschockt auf Jaspers Tisch und sah die tiefen Einkerbungen an denen Jasper sich festgehalten hatte. Scott schob Jaspers Hefter über die Löcher. Claire warf Scott beinahe einen erzürnten Blick zu.

Jasper riss die Tür vom Badezimmer auf. Niemand war da. Gut. Er stellte den Wasserhahn an, um sich etwas Wasser ins Gesicht zu werfen; um es so etwas abzukühlen. Es half alles nicht. Er fühlte sich als würden Fleisch und Knochen unter seiner Haut Feuer fangen und ihn von innen heraus verbrennen, doch er konnte das Feuer nicht löschen. Was passiert mit mir?!

Jasper wurde panisch. Er blickte reflexartig in den Spiegel und blieb an seinen Augen hängen. Was? Nein... Nein! Nein das kann nicht sein, das ist nicht möglich! Seine Augenfarbe wechselte immer wieder von braun nach dunkel blau.

Jasper fiel auf die Knie, als sie sich wieder änderten. Wieso? Wieso passiert so etwas gerade mit mir? Was habe ich denn nur getan, dass ER mir so etwas antut...? Und wer ist ER? Er fasste sich panisch an den Kopf und blieb für einen kurzen Augenblick wippend auf dem Boden sitzen, dann holte er tief Luft als sich der Schmerz verflüchtigte. Es erweckte den Anschein als könnte er sich beruhigen indem er langsam tief ein und ausatmete. "Beruhige dich... Alles wird gut..." flüsterte er immer wieder, ohne selbst sicher zu sein, ob dies die Wahrheit war.

Als er spät abends, nach dem Kickboxtraining zuhause ankam fand er einen Zettel seiner Mutter:

__________________________________________________

Habe Nachtschicht, erwarte mich nicht vor Sieben. Ich habe dir etwas Geld auf den Tisch gelegt damit du dir nachher etwas bestellen kannst. Hab dich lieb!

~Mama.

__________________________________________________

"Ich dich auch Mama..."

Jasper entschied sich etwas zu schlafen, da er immer noch sehr müde von einem langen Schultag und dem Training war. Er hatte alle seine Übungskämpfe gewonnen, er hatte sich nicht angestrengt und als er sie alle besiegt hatte, fühlte er zwar Freude über die Siege, aber auch eine Welle von Fragen und Vermutungen, die ihn zweifeln ließen. Zu viele, aber eine blieb in seinem Kopf.

War das alles seine Kraft, oder hatte dieser Biss ihn zu etwas... Anderem gemacht?

Hatte dieser Mann recht, in dem er sagte, dass er ihn zu etwas Besserem gemacht hätte? Er schüttelte den Kopf. Es war eine absurde Vorstellung, dass dieser Biss ihn verändert oder gar besser gemacht hätte und bei diesem Gedankengang musste er kurz lachen. Er ging zum Wohnzimmer und sein Lachen verstummte. Aber wenn es nicht an dem Biss lag, was machte ihn dann so gut? Und wieso? Er wusste, dass er nicht besser, geschweige denn stärker geworden war. Und er hatte auch keine schwachen Gegner zugewiesen bekommen, es waren allesamt erfahrene Kickboxer und keine Anfänger. Sein Kopf dröhnte bei all den absurden Ideen, die er hatte. Er legte sich auf die Couch, die im Wohnzimmer stand. Und bevor er denken konnte, war er schon eingeschlafen.

Als er aufwachte war es schon dunkel, Jasper schaute auf die

Uhr. Schon fast Mitternacht? Wie lang habe ich denn geschlafen?

Er setzte sich auf, es war eine bedrückende Stille und eine unangenehme Dunkelheit im Zimmer. Nur das Licht des vollen, hellen Mondes strahlte durch das Fenster. Jasper schaute direkt in den großen vollen Mond hinein. Er war wie paralysiert vom grellen Mondlicht. Als würde die Schönheit des Mondes ihn gefangen nehmen und nie wieder gehen lassen wollen. Es fühlte sich an wie ein Zwang, ein Instinkt den er nicht bezwingen könnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Aber er wollte auch nicht, er sah in dieses Licht und fühlte sich leicht, schwebend.

Anders.

Jasper konnte sich nicht bewegen, seine Füße standen wie festgebunden auf dem Boden. Sein Blick war starr auf das Fenster gerichtet, durch das der Mond durchstrahlte. Er vernahm einen Geruch.

"Sie ist schön, nicht? Also der Mond."

Diese bekannte Stimme...

Jasper versuchte sich dem Mond zu entziehen aber es ging nicht. Seine Muskeln fingen an sich zu verkrampfen. Sein Atem wurde schneller. Wie war er hier reingekommen?!

"Es hat begonnen, nicht wahr? Du merkst selber, dass etwas nicht in Ordnung ist, stimmt's? Es ging jedem von uns so... Am Anfang." brachte die Stimme mit einem dunklen Ton hervor. Der unbekannte Geruch, der wohl zu dem Mann gehörte, roch intensiver. Er war näher an ihm dran, als im Wald. Eine Hand berührte seine Schulter und Jasper gelang es, sich den Fängen des Mondes zu entziehen. Er drehte sich um, aber niemand war da.

"Bist du das Monster, welches mich angegriffen hat...? "Jasper versuchte ruhig zu bleiben. "Was hast du mit mir gemacht?" fragte er, nach einer Pause mit zittriger Stimme. Ein Mann trat aus den Schatten des Zimmers. Es war derselbe große Mann mit der Sonnenbrille, der ihm im Wald begegnet war.

"Wenn ich mich vorstellen darf? Ich bin James Ducane." Es klang so, als würde der Mann überlegen. "Aber nenn mich nur Ducane, das tun alle... Nun... Aber, aber Jasper... Als Monster würde ich mich aber nicht bezeichnen. Vielleicht ein Sadist, vielleicht ein wenig Temperamentvoll und spontan das ja, aber kein Monster." Ein Lachen kam hervor. "Und ich habe lediglich deinen Körper, deine Sinne und deinen Geist verbessert! Bitte schön dafür übrigens." sagte er mit sarkastischem Unterton. Jasper schnaubte verärgert. "Du hast mich nicht verbessert!" spuckte Jasper zurück. "Ich werde verrückt und nicht besser!" rief er. Die Wut in ihm nahm den Platz der Angst ein.

Du konntest dich, vergleichsweise schnell dem Mond entziehen. Ich glaube Gérald hat die richtige Entscheidung gefällt. murmelte er ohne Jasper zu beachten.

"Aber ich muss dir, bevor ich dich aufkläre, noch ein paar Dinge erzählen. Wo soll ich nur anfangen? Also, ich war ein guter Freund von deinem Vater. Er hat mir, naja uns, oft geholfen." fing er an.

"Wenn Sie ein Freund meines Vaters waren, muss Ihnen sagen, dass mein Vater bei einem Unfall ums Leben gekommen ist..."

Der Mann lächelte erleichtert. "Er hatte gehofft, dass du so etwas sagst."

"Was? Nein, hören sie, er starb durch einen Bärenangriff." versuchte Jasper Ducane aufzuklären.

"So wie du von einem Bären angegriffen wurdest? Du hast niemals seine Leiche gesehen, nicht mal auf seiner Beerdigung, da einige Personen, die du übrigens nicht kantest, es für besser hielten, den Sarg geschlossen zu halten. Oder?" James Ducanes Blick wurde plötzlich weich. "Er wurde getötet, ja, da hast du recht. Auf eine grausame und ekelhafte Art. Aber nicht von einem Bären. Er wurde von einem der Jäger getötet, nachdem er ihn mehrere Stunden grausam gefoltert hat." Jasper schaute ihn verwirrt an. "Einem Jäger? Meinen Sie er wurde im Wald von einem Wilderer erschossen?" fragte er verwirrt. "Nein." James Ducane lächelte sanft. "Jäger tragen zwar den gleichen Namen wie die Jäger, die auf Rehe schießen, sind aber eine Art Werwolfjäger." Der Mann stand nun direkt vor ihm. Jasper erschrak. Die Puzzleteile in seinem Kopf fügten sich nun Schritt für Schritt zusammen, und plötzlich ergab alles einen Sinn.

Aber hatte dieser James Ducane wirklich Recht?

"Werwolf?" Er sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Sind Sie auch einer?" fragte Jasper unsicher.

Der Mann nickte. Trotz der Dunkelheit behielt er seine leicht bläulich leuchtende Sonnenbrille an. Mein Vater war aber kein... Werwolf... sagte Jasper leise. Ducane grinste. Nein, da hast du Recht. Aber er hat unserem Rudel als treuer und loyaler Freund und Berater gedient.

"Und was hat das mit mir zu tun?" Jasper schien durcheinander und sein Geduldsfaden spannte sich allmählich unangenehm stark.

"Jasper, dein Körper hat sich zu etwas verwandelt, was du nur aus alten und auch neuen Geschichten kennst. In vielen werden wir als Monster dargestellt. Aber das sind wir nicht..."

"Wir?!" fragte Jasper drohend. "Was hatte das alles zu bedeuten?"

"Nun, du bist jetzt auch ein Werwolf. Eigentlich kein normaler Werwolf, du bist ein Hüter um genau zu sein, so wie ich. Eine sehr wichtige Rolle, in einem Rudel."

"Ein Werwolf? Verarschen Sie mich nicht! Das ist doch alles ein riesiger mieser Scherz!" Er drehte sich laut lachend um. "Ich glaube ich bin im falschen Film..."

"Erstens, wieso sollte ich dich verarschen und zweiten, lass endlich dieses bekloppte Sie! Wir sind jetzt quasi eine Familie" forderte er ihn ruppig auf.

Jasper wurde sauer. Er drehte sich zu Ducane um. "Familie?! Ich habe niemals gesagt, dass ich etwas Derartiges sein will! Du hast mich gejagt! Mir Todesangst gemacht! Du hast mich angefallen und gebissen! Woher soll ich wissen, ob ich dir überhaupt vertrauen kann, verdammt!?" rief er wütend. Jasper wurde heiß. Nein. Nicht nur heiß, ihm war, als würde er von innen heraus verbrennen. Sein Hals schnürte sich vor Wut zu und er keuchte schwer. Als sein Bauch sich krampfend zusammenzog, krümmte er sich und hielt sich die Hände schützend um den Bauch. Ein heiserer Schmerzensschrei entglitt seiner Kehle. Jasper merkte, wie sich etwas in ihm veränderte. Er versuchte seine Wut zu ignorieren. Aber je mehr er versuchte es zu unterdrücken, desto mehr schmerzte es.

"Das kannst du nicht... Aber sieh dich an. Du hast keine andere Wahl..." Er blickte auf Jasper herab. "Du merkst es selber, nicht wahr? Dass sich etwas in dir verändert. Dass du es nicht verhindern kannst."

"Was passiert mit mir? Was hast du mit mir gemacht?!" Jasper brach zusammen und fing an zu zucken.

Jasper stieß Schmerzensschreie aus. "Je mehr du dich wehrst, desto schlimmer wird es! Vertrau mir!" sagte Ducane mit einer sanften Stimme.

"Ich will aber nicht, dass sich etwas in mir ändert!" rief er mit vor Schmerz brechender Stimme.

"Hör auf mich, Jasper. Entspann dich." flüsterte Ducane.

Jasper versuchte es. Er atmete stockend langsam ein und aus und ließ seine Muskeln locker.

Was passiert nur mit mir...? dachte er ängstlich. "Wie gesagt, du verwandelst dich. Zu einem Werwolf und ich werde dich lehren mit dieser Macht umzugehen." sagte Ducane als Jasper halb verwandelt aufstand. Er hatte noch die Statur eines Menschen, aber sein Kiefer fühlte sich größer und schwerer an. Mit der Zunge spürte er Reißzähne die aus seinem Kiefer herauskamen. Jaspers Blick wurde schärfer, er konnte in der Dunkelheit des Zimmers plötzlich viel besser sehen. "Wieso ich...?" fragte er sich leise, in der Hoffnung Ducane hätte ihn nicht gehört, aber da irrte er sich. "Wieso du? Weil du eine starke Person bist." Er sah skeptisch an ihm herunter. "Zumindest hast du eine gewaltige Willensstärke und deinen Körper können wir dem auch noch anpassen."

Jasper nickte unsicher.

"Sehr gut..." knurrte er beinahe "Dann kann deine Ausbildung beginnen!"

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