Lichtritter

By Sharlence

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"Seine Gier nach der Wahrheit war angefacht, er würde aus diesem stummen Kampf siegreich hervorgehen. Er würd... More

Auszug aus dem Alchemiebuch des Feyjassan
Prolog: Dunkles Eindringen
Akt 1
Identitätskrise (Teil 1)
Identitätskrise (Teil 2)
Legenden leben nicht (Teil 1)
Legenden leben nicht (Teil 3)
Unangenehmes Wiedersehen (Teil 1)
Unangenehmes Wiedersehen (Teil 2)
Keine Monster (Teil 1)
Keine Monster (Teil 2)
Keine Monster (Teil 3)
Keine Monster (Teil 4)
Sandkörner (Teil 1)
Sandkörner (Teil 2)
Sandkörner (Teil 3)
Sandkörner (Teil 4)
Wunderfluch (Teil 1)
Wunderfluch (Teil 2)
Wunderfluch (Teil 3)
Zwischenspiel
Ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt (Teil 1)
Ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt (Teil 2)
Ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt (Teil 3)
Sigra'Kivi (Teil 1)
Sigra'Kivi (Teil 2)
Sigra'Kivi (Teil 3)
Ein Sandkorn, das im Auge sticht (Teil 1)
Ein Sandkorn, das im Auge sticht (Teil 2)
Ein Sandkorn, das im Auge sticht (Teil 3)
Ein Sandkorn, das im Auge sticht (Teil 4)
Das Haus der Alchemisten (Teil 1)
Das Haus der Alchemisten (Teil 2)
Das Haus der Alchemisten (Teil 3)
Schleichendes Verderben (Teil 1)
Schleichendes Verderben (Teil 2)
Schleichendes Verderben (Teil 3)
Stadtunter (Teil 1)
Stadtunter (Teil 2)
Stadtunter (Teil 3)
Stadtunter (Teil 4)
Das Fundament bröckelt (Teil 1)
Das Fundament bröckelt (Teil 2)
Das Fundament bröckelt (Teil 3)
Das Fundament bröckelt (Teil 5)

Legenden leben nicht (Teil 2)

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By Sharlence

In dem Haus neben ihr klingelte es leise.

Die Assassinin spitzte die Ohren und ging automatisch langsamer, obwohl ihre Schritte auf der dicken Schneedecke kaum einen Laut verursachten. Sie wandte den Kopf nach rechts und erkannte in einem der kaputten Gebäude ein Feuer brennen. Die Tür war aus den Angeln gerissen und lag einige Meter entfernt auf dem Boden und war zum Teil wohl zu Feuerholz verarbeitet worden, doch der Eingang war freigeschaufelt und wirkte beinahe schon einladend. Vor dem kleinen Feuer saß eine Gestalt, die sich einen Mantel locker um die Schultern geschlungen hatte und einen Stoffballen in den Händen hielt, der beim Bewegen eben dieses leise Klingeln von sich gab.

Tango schnaubte aus und scharrte mit den Hufen.

Du musst diesem Pferd noch einiges beibringen. Lumen stöhnte, als die Gestalt den Kopf hob und in ihre Richtung sah. Eve starrte zurück und erkannte im Schein des Feuers unheimliche Zeichnungen auf dessen Gesicht. Die Augen waren umrandet von einer dunklen Farbe, ebenso wie die Lippen und gaben dem Mann ein gespenstiges, unwirkliches Aussehen. Die Hautfarbe war unnatürlich hell, selbst in dem warmen Licht und erst jetzt fielen Eve die dunklen Flecken auf der Kleidung des Mannes auf.

Nun, egal, wie gefährlich eine Person aussehen mochte, sie hatte keine Angst.

Mutig streckte sie das Kinn vor und ging ein paar Schritte auf ihn zu.

„Hübsches Feuer", sagte sie mit selbstbewusster Stimme. „Es ist schwer, eines zu entfachen, wo alles so nass und kalt ist."

„Ich brauche es eigentlich nicht", antwortete der Mann mit nachdenklicher Stimme.

„Ich gucke nur gerne den Flammen zu, wie sie das Holz fressen. Ich bin am Überlegen, ein Lied darüber zu schreiben. Brennende Zähne und heiße Krallen könnte ich es nennen. Das Feuer, es ist unerträglich heiß; die Krallen, sie brennen, was für ein scheiß."

Eve überlegte ernsthaft, ob der Mann vor ihr einen schlechten Scherz machte oder nicht. Dabei betrachtete sie ihn genauer:

Er schien ungefähr im gleichen Alter wie sie selbst zu sein, auch wenn es durch seine Schminke nur schwer einzuschätzen war. Eve betrachtete die aus zwei unterschiedlich farbigen Stoffen hergestellte Kleidung – Schwarz und Rot – dann wanderte ihr Blick wieder zu dem klingelnden Gegenstand in seinen Händen. Ein oder zwei Glöckchen lugten unter der Stoffmasse hervor und Eve meinte, eine Art Kopfbedeckung ausfindig zu machen.

Eve atmete aus.

„Ihr seid ein Narr", meinte sie und ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Narren waren alles andere als gefährlich; sie wurden schon beinahe wie Haustiere von dem Adel gehalten, mussten Kindermädchen spielen und für Unterhaltung sorgen. Sämtliche Narren im Land gehörten der Narrengilde an, dessen Anführer der Narrenkönig Goldvogel darstellte.

Der Mann senkte den Kopf. Der orangene Schein der knisternden Flammen ließ sein nussbraunes Haar beinahe golden wirken; seine Frisur war unordentlich, jedoch nicht ungepflegt, und mit einer Hand fuhr er sich über den Kopf, brachte den Strähnen noch viel mehr Unordnung als so schon.

„Ich war einer. Zumindest offiziell", antwortete er.

Eve forstete in ihrem Gedächtnis nach Informationen, aber sie hatte sich nie für diese lächerliche Narrengilde interessiert und war deswegen nicht auf dem aktuellen Stand.

„Was meint Ihr damit?", fragte sie.

„Goldvogel war der Meinung, ich passe nicht mehr in die Gilde herein. So ist es, wenn man eine andere Meinung vertritt." Der Narr lehnte sich leicht zurück und stützte sich mit den Händen am Boden ab. Beinahe schon verschwörerisch blickte er zu der Schattentänzerin. „Deswegen trage ich auch das Schwarz. Nur ein ausgestoßener Narr darf diese Farbe anlegen."

„Darf ich Euren Namen erfahren?"

„Blutwolf. Früher war ich als Rotwolf bekannt."

Eine Erinnerung blitzte in Eves Gedanken auf. Sie war viel jünger gewesen, hatte noch in Amphitrite bei den Krallenassassinen gelebt. Sie hatte sich mit ihren Freunden gestritten und war über den Marktplatz geschlendert, als der Narrenkönig persönlich aufgetreten war und ein Lied vorgetragen hatte.

Mein Lied wird ewig leben. Das hat Goldvogel an Eurer Stelle in Amphitrite gesungen. Das war aber schon vor etlichen Jahren. Er hat behauptet, Ihr seiet... krank oder verhindert."

„Das hat er gesagt?" Der Blutwolf lachte kopfschüttelnd. „Typisch Goldvogel", murmelte er dann vor sich hin und starrte in das Feuer. „Er tut alles, um den guten Namen seiner Gilde nicht zu beflecken."

„Ihr scheint damals schon rausgeflogen zu sein", bemerkte Eve.

Der Blutwolf zuckte nur mit den Schultern.

„Ihr habt ein seltenes Pferd bei Euch. Kresota sieht man in Collis nicht allzu häufig."

Das war das trügerische an Narren. Man hielt sie für harmlos, regelrecht dämlich, doch die meisten von ihnen entpuppten sich als wirklich schlaue Menschen. Eve verengte die Augen zu Schlitzen und hielt Tangos Zügel automatisch fester.

„Und das wisst Ihr woher?"

„Es ist groß und elegant. Außerdem bröckelt die Asche an der Seite ab und man sieht die faszinierende Fellzeichnung. Schwarz und rostrot... eine interessante Wahl." Der Blutwolf blickte einige Augenblicke an sich selbst herab. Dann hob er den Blick wieder und seine Augen huschten zu ihrem Schatten.

„Und Ihr scheint die Schattentänzerin zu sein, die in der Stadt gesucht wird."

Eve versuchte gar nicht erst, diesen Umstand zu verbergen. Sie trat in das Haus ein und fragte mit lauernder Stimme: „Wollt Ihr, dass ich mir Euer Schweigen erkaufe?"

„Das wird nicht funktionieren", antwortete der Blutwolf. „Ihr würdet mich sofort töten, wenn ich so etwas nur ansatzweise in den Mund nehmen würde. Das wäre ziemlich schade, ich habe nämlich noch vor, einige Jahre zu leben."

Eve blieb dicht neben ihm stehen. Der Blutwolf zuckte nicht vor ihr zurück und irgendetwas an ihm wirkte auf die Assassinin unheimlich vertraut. Da war etwas an dem Mann, das sie an etwas erinnerte, aber sie konnte nicht sagen, was genau es war.

Magie, wisperte Lumen in ihrem Kopf. Ich spüre sie von ihm ausgehen... wie bei Aleko.

Aleko war der stärkste Magier, den Eve kannte. Doch jetzt, wo Lumen sie darauf hingewiesen hatte, schien sie auch bei dem Blutwolf die magischen Schwingungen zu spüren, die von ihm ausgingen. Ihre Tätowierung, die für derlei Dinge natürlich empfindlich war, half ihr selbstverständlich dabei und Eve versuchte herauszufinden, wie stark der Blutwolf wohl sein mochte.

„Ihr verratet mich nicht, wenn ich Euch nicht verrate", erkannte die Assassinin schließlich.

„Das hat aber lange gedauert. Ich hatte gehofft, ihr Schattentänzer wäret... schneller von Begriff."

Eve war empört und schnappte nach Luft. Ihrer Meinung nach war sie sehr schnell in ihrer Schlussfolgerung gewesen!

Der Blutwolf lachte. „Beruhigt Euch. Ich ziehe Euch nur auf."

„Das ist nicht witzig", fauchte Eve ihn an.

„Tatsächlich? Entschuldigt. Ihr seht mir so aus, als könntet Ihr ein paar Lacher vertragen."

„Ich habe schon bessere Narren als Euch gesehen", antwortete die Assassinin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe gehört, Ihr seid immer zu guten Scherzen aufgelegt, aber bisher scheint Ihr mir ein recht ernster Mann zu sein."

„Es ist viel passiert. Gebt mir noch ein oder zwei Tage und ich werde voll und ganz der gute, alte, nervige Narr sein. Es gibt einige, die nicht mit mir zusammenarbeiten wollen, weil sie meine Reime nicht ausstehen können. Dabei bin ich einer der besten Sänger der Gilde!"

„Wart", kommentierte Eve mit trockener Stimme.

„Nur weil ich nicht mehr in der Gilde bin, heißt das noch lange nicht, dass ich meine Stimme verloren habe."

Der Blutwolf stand auf und streckte sich. Dann setzte er sich seine Narrenkappe auf; Eve sah die silbernen Glöckchen sanft hin und her wiegen. Jede gab einen anderen Ton von sich und der Magier berührte sachte eine von ihnen und schloss für einen kurzen Moment die Augen.

„Habt Ihr dort... Zauber eingespeichert?"

Der Blutwolf sah sie überrascht an. „Wie kommt Ihr darauf?"

„Ich habe einen Freund, der macht das ständig." Eve zuckte mit den Schultern, als wäre das nichts Besonderes.

„Euer Freund ist schlau", sagte der Blutwolf mit einem Lächeln. „Ihr könnt das Haus hier haben, wenn Ihr mögt. Ich habe mich genug ausgeruht."

Er rückte seinen Mantel zurecht und ging dann zu einer großen, ausgebeulten Tasche, in der wohl seine Habseligkeiten steckten. Ein Pferd besaß der Narr anscheinend nicht und die Schattentänzerin betrachtete den mysteriösen Mann eine Weile bei seinen Vorbereitungen.

„Wie wollt Ihr eigentlich aus der Stadt herauskommen?"

Ein Magier als Verbündeter erwies sich als nützlich, egal, wie unbegabt er war. Und dieser hier schaffte es, Zauber in Gegenständen einzuspeichern, eine eigentlich ziemlich schwere und hohe Kunst der Magie. Der Blutwolf, der schon bereits im Türrahmen stand, legte den Kopf in den Nacken und blickte hoch zum Himmel. Nur wenige Sterne schafften es, durch die dicke Wolkendecke zu scheinen und spendeten kaum genug Licht, die Umgebung ausreichend zu erleuchten.

„Ich finde schon einen Weg", antwortete er anschließend mit einem breiten Grinsen, als habe er ihre Gedanken lesen können. „Aber wenn Ihr als arme, schwache Frau Hilfe benötigt... Ich habe gehört, die Spielmannsgruppe Der schwarze Greif ist wieder zurück. Sie kann Euch bestimmt helfen."

„Wieso sollte ich mich einem Haufen Narren anschließen?", fragte Eve und rümpfte die Nase. Es störte sie, dass der Blutwolf sie so leicht durchschaut hatte und bekam langsam ein Gespür davon, wie intelligent der Magier tatsächlich eigentlich war. „Es sind Spielmänner. Die können noch weniger als Ihr."

Der Blutwolf sah sie über seine Schulter hinweg an. „Glaubt mir... Sie sind genauso wenig Spielmänner, wie ihr eine normale Frau seid."

Mit diesen Worten stülpte er sich eine Kapuze über seine Narrenkappe, wahrscheinlich, um das Klingeln seiner Glöckchen zu dämpfen, und war hinaus in die Nacht verschwunden. Eve stand noch eine Weile neben dem fröhlich prasselnden Feuer und runzelte die Stirn.

„Ein seltsamer Geselle", murmelte sie vor sich hin. Dann nahm sie Tango ihr Zaumzeug ab, um dem Pferd ein wenig mehr Freiraum zu bieten und breitete ihre eigenen Decken auf dem hölzernen Boden aus. Die ganzen Splitter und anderen Kleinteile waren an die Wände gefegt worden, sodass Eve zumindest eine halbwegs gemütliche Unterlage zum Schlafen finden würde.

Ich fand ihn interessant, bemerkte Lumen. Er scheint viel zu wissen. Ich frage mich, was genau er getan hat, um aus der Gilde rauszufliegen.

Narren besaßen einen strengen Kodex, an den sie sich halten mussten. Wenn einer eine Regel brach, dann war es vorbei mit dem Narrenleben. Eve nahm an, dass die Verbrechen des Blutwolfes von geringer Natur waren und sie versuchte, den Mann schnellstens zu vergessen. Er war nur eine weitere Person auf ihrer Liste, bei der es sich nicht lohnte, sie in Erinnerung zu behalten.

Du wirst seinem Hinweis nachgehen, richtig?, vergewisserte sich Lumen.

Es kann nicht schaden. Außerdem will ich wissen, was genau er gemeint hat, antwortete Eve in Gedanken. Gleichzeitig machten sie die Worte des Blutwolfes nachdenklich.

Sie sind genauso wenig Spielmänner, wie ihr eine normale Frau seid.

Wenn man nach dem Maßstab ging, dass sie eine Schattentänzerin und somit eine äußerst gefährliche Persönlichkeit war, dann war davon auszugehen, dass diese Spielmänner wohl ein Geheimnis verbargen, das sie ebenfalls zu einer tödlichen Waffe machte. Und wann immer es um ein Geheimnis ging, war Eve gewillt, es herauszufinden. 

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