Aruna - Die Rote Göttin

By Alounaria

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Teil 1: Aruna - Die Rote Wölfin Teil 2: Aruna - Die Rote Göttin ---- Nachhause. Das einzige, woran Aruna nu... More

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By Alounaria

Es war kalt. Ein Wintertag, ganz sicher. Das Mädchen mit den roten Locken schlich zwischen den Bäumen entlang, den langen Mantel eng um sich geschlungen.

Sie hatte ein mittelalterlich anmutendes Kleid an, von dem man allerdings durch den dicken Mantel nur den braunen Saum erkennen konnte. Ihre Hände waren in gefütterte Lederhandschuhe gehüllt, während dicke Flocken auf sie hinabschneiten.

Dann blieb sie abrupt stehen. Sie war an einer Lichtung angekommen. Die blauen Augen sahen sich fast aufgeregt um, während sie sich einige Flocken, die ihr eine Böe ins Gesicht geweht hatte, von der sommersprossigen Haut wischte.

„Miriam?", rief sie mit gedämpfter Stimme, nahm sich dann die Kapuze vom Kopf, damit sie ihre Sicht nicht so sehr einschränkte. Sie hasste Kapuzen genau aus diesem einfachen Grund.

Ihre Stirn legte sich in Falten und es war deutlich zu erkennen, dass sie unruhig wurde. Sie trat von einem Fuß auf den anderen.

„Bist du hier?"

Sie drehte sich im Kreis, ließ den Blick über die Bäume schweifen. Immer noch stand sie nur am Rande der Lichtung.

Ihre Hand strich behutsam über die Rinde eines Baumes, als könnte dieser ihr verraten, ob Miriam hier war. Dann wagte sie sich einige Schritte vor, schnalzte mit der Zunge.

„Typisch... Will sich hier mit mir treffen, ist aber zu spät..."

Sie klopfte sich einige Flocken von dem Kleid und schüttelte verärgert den Kopf.

Dann ertönte ein Schrei.

„Rosie!"

Sie wirbelte herum. Doch es war zu spät. Ein lauter Pfiff. Und im nächsten Moment traten dutzende dunkle Gestalten aus den Schatten der Bäume, allesamt in schwarze Mäntel gehüllt. Mäntel gehalten von Broschen in der unverkennbaren Form, die sich auch auf ihrem Rücken abbildete.

Das Zeichen der Ven.

Sie drehte sich mit angstvoll pochendem Herzen im Kreis, doch keine Chance. Sie war umstellt.

Ihr Herz begann höher und höher zu schlagen und voller Schrecken realisierte sie, dass sie Miriam zu liebe ihren Ring bei ihrem Rudel gelassen hatte, der sie normalerweise vor den Ven verborgen hatte.

„Nein...", hauchte sie entsetzt, als eine weitere Gestalt auf die Lichtung trat, ein kunstvoll gefertigter Bogen genau auf sie gerichtet.

Der Duc.

Die hassvollen Smaragdaugen fixierten sie. Wie Miriams... Und dann sah sie es.

Das Mädchen mit dem langen, braunen Haar und den unverkennbaren Augen wehrte sich zwar, doch der Hüne hinter ihr hatte sie fest im Griff. Ihr Gesicht war tränennass.

„Nein! Lass mich verdammt noch mal los! Vater! Bitte!"

Rosies Herz schien vollkommen entsetzt aufzuhören, zu schlagen, während sie das gesamte Ausmaß der Situation verstand. Ihre Lippen begannen zu beben.

Dann fiel Miriams Blick auf sie. Sie begann, nur noch heftiger an dem Griff des Mannes zu zerren.

„Rosie! Bitte Vater! Bitte nicht!"

Sie kämpfe, doch keine Chance. Und Rosie wusste: Hierbei gab es kein Entrinnen. Keine letzte Chance, die man ergreifen konnte. Keine schützende Hand, die irgendjemand ihr hinhalten würde.

Sie ballte die behandschuhten Hände zu Fäusten, versuchte, stolz wie sie war, sich möglichst aufrecht hinzustellen. Trotzdem zitterte sie.

Ihre Augen waren fest auf Miriam gerichtet, die tobte und weinte und schrie, unbedingt zu der Rothaarigen wollte. Sie hätte sich vor dieses Mädchen geworfen, ohne Frage, ohne Zögern.

Rosies Lippen bebten, sie spührte heiße Tränen in ihren Augen. Trotzdem blieb sie aufrecht stehen, sagte ihrer Freundin mit ihrem Blick, dass es okay war.

Dann donnerte plötzlich die schneidende Stimme des Ducs über die Lichtung.

„Der Wahnsinn hat jetzt endlich ein Ende Miriam! Egal was dieser Wolf mit dir gemacht hat, welchen Fluch er über dich gelegt hat, jetzt ist es vorbei!"

Rosie konnte noch hören, wie Miriam schrie. Dann war da ein surrendes Geräusch. Ein letzter Atemzug.

Mit vor entsetzen geweiteten Augen wegen dieser Plötzlichkeit, blickte sie ein letztes Mal zu ihrer Freundin, flehte, schrie, um sich schlug.

Und dann war da für den Bruchteil einer Sekunde der grausamste Schmerz, den sie jemals gespürt hatte.

Keuchend fuhr ich hoch. Mein Herz donnerte wie wild in meiner Brust, der kalte Schweiß stand auf meiner Stirn und für einen Moment schaute ich mich gehetzt um, in der Angst von dutzenden von vermummten Ven umstellt zu sein.

Erst langsam verstand ich, dass ich in meinem Bett lag, um mich nicht mehr als die bekannten Möbel. Es war tiefste Nacht.

Mit klopfendem Herzen zwang ich mich, meine Atmung zu beruhigen und rieb mir über mein Gesicht. Erschrocken stellte ich fest, dass meine Wangen Tränennass waren. Es fühlte sich an, als würde ich innerlich verbrennen. Wieder einer dieser Träume...

Ein Mädchen, das mein Spiegelbild hätte sein können, Ven... Wieder dieses seltsame Gefühl, als hätte ich selbst erlebt, was dieses Mädchen erlebt hatte... Rote, ganz sicher.

Mein Kopf surrte, also schlug ich seufzend meine Decke zurück und erhob mich, auch wenn meine Beine etwas zitterten. Ich brauchte jetzt definitiv eine Abkühlung...

Auf leisen Sohlen schlich ich in den Flur, vermied wie immer den Blick zu den zwei Türen gegenüber meiner eigenen. Jedes Mal daran erinnert zu werden, dass diese beiden Zimmer nach ihrem Tod nun leer waren, schmerzte, doch lange nicht mehr so schlimm, wie in den ersten Wochen.

Ein kurzer Blick die Treppe hinauf, die zu dem Zimmer meiner kleinen Geschwister führte, dann schlich ich die Treppe hinab, darauf bedacht, bei der letzten Stufe nur links aufzutreten, damit sie nicht knarrte.

Das Wohnzimmer sowie die direkt angrenzende Küche waren dunkel, trotzdem erlaubte mir mein wölfisches Ich, alles klar und deutlich sehen zu können.

Kurz sah ich über meine Schulter, den Flur hinab, der zu den Arbeitsräumen und dem Schlafzimmer meiner Eltern führte. Sie schienen ebenfalls bereits zu schlafen. Keine nächtliche Besprechung in ihrem Büro.

Auch den Anblick der Bilder an den Wänden vermied ich.

Möglichst leise nahm ich mir ein Glas aus dem Regal, füllte es dann mit eisig kaltem Wasser. Ohne abzusetzen leerte ich das gesamte Glas. Dann noch eins. Erst nach dem dritten Glas schien sich meine innere Hitze, die mich seit dem ich aufgewacht war begleitete und geradewegs von meinem Herzen auszugehen schien, etwas zu beruhigen.

Seufzend lehnte ich mich gegen die Küchenzeile und schloss für einen Moment die Augen. Aus Erfahrung wusste ich, dass man Träume manchmal nicht nur als bloße Träume abstempeln sollte, aber was zur Hölle wollte man mir diesmal sagen. Und wer? Die rote Göttin? Warum?

Ein schmerzlicher Stich durchfuhr meine Brust, als ich daran dachte. Seit ich mit ihrer Hilfe den Vampiren besiegt hatte, war Aleyna mir nie wieder erschienen und ich zweifelte stark daran, dass ich sie jemals wieder sehen würde... Immerhin hatte sie ihr Leben an Alec weiter gegeben.

Ich vermisste sie. Verrückt, oder? Ein Mädchen, das vor über einem Jahrzehnt gestorben war, welches ich nebenbei nicht einmal wirklich kennengelernt hatte. Und trotzdem war sie selbst mehr als nur irgendeine Tote für mich. Sie war ein Teil von mir.

„Na? Schlecht geträumt?"

Erschrocken öffnete ich die Augen und stellte das Glas hastig auf die Theke ab, damit ich es nicht doch vielleicht volle Aruna-Manier auf den Boden donnerte. Mein Vater stand mit verschenkten Armen im Bogen, der aus dem Flur ins Wohnzimmer führte und musterte mich.

Ich seufzte schwer, rieb mir die Stirn und nickte dann.

„Ja... Nur ein Traum...", murmelte ich abwesend und musste automatisch wieder an die Lichtung zurückdenken.

Warum zur Hölle träumte ich von irgendwelchen Roten? Oder war es dieses Mal wirklich keine verschlüsselte Botschaft? War mein Hirn nach all dem, was passiert war, einfach so stark beschädigt, dass es mich, selbst jetzt, wo alles vorbei war, immer noch mit Schrecken quälen wollte? Langsam musste da aber wirklich mal der Seelenklempner dran...

„Aruna?"

„Hm?"

Tenebris riss mich aus meinen Gedanken und als ich seinem forderndem Blick begegnete, hob ich entschuldigend die Brauen.

„Entschuldige, was hast du gesagt?"

Ein liebevolles Lächeln legte sich auf sein Gesicht und trotzdem war da diese unverkennbare Traurigkeit, die seine Augen seit dem Tod meiner Geschwister nicht mehr verlassen hatte.

„Manchmal kann ich immer noch nicht recht glauben, wie sehr dich die letzten paar Monate verändert haben."

Ich seufzte. War ja auch einiges passiert. Von Hybriden über den Tod, fremde Ven, eine Verrückte, die mich für ihr Kind opfern wollte und der Urvampir höchstpersönlich... Achja, ganz zu schweigen von der Sache mit diesem einen Ven, den ich eigentlich nicht einmal berühren können sollte...

Trotzdem sah ich meinem Vater an, dass ihm irgendetwas anderes auf dem Herzen lag. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, musterte seine Gestalt. Die wenigen Monate hatten ihn mindestens Zehn Jahre altern lassen.

Augenblicklich beschlich mich ein schlechtes Gewissen. Ich ließ meine Schultern etwas sinken.

„Der unnötige Kummer, den ihr wegen mir hattet, tut mir leid. Mum und du und Lupa und Phelan. Ich weiß, ihr hättet gewollt, dass ich mit euch rede, aber..."

„Nein."

Überrascht hob ich den Blick. Das liebevolle Lächeln war nicht von seinen Lippen verschwunden.

„Du hast gut daran getan, zu schweigen. Hättest du etwas gesagt, wir hätten vermutlich den falschen Entschluss gefasst, getrieben von altem und neuen Hass."

Langsam nickte ich. Vermutlich.

„Deshalb ist es ja auch so wichtig für dieses Rudel, dass du nun da bist, um uns alle in die richtige Richtung zu führen."

Ich seufzte.

„Ich weiß immer noch nicht Recht, wie ich das alles schaffen soll... Ich meine, wie soll ich denn bitte alleine ein ganzes Rudels anführen?"

Mein Vater schnaubte.

„Alleine? Du glaubst doch nicht wirklich, wir würden dich einfach alleine lassen? Wir hatten schon vor, das Rudel am Leben zu lassen. Lumina und ich werden immer da sein, um dir zur Seite zu stehen, genau wie der Rat und die Grade."

Ich runzelte die Stirn, konzentrierte mich vermutlich auf den denkbar unpassendsten Part seiner Aussage.

„Wenn du und Mum nicht mehr Alphas seit, was ist dann mit euren Namen?"

Ich hatte mir noch nie Gedanken darüber gemacht, dass Lumina und Tenebris nur Namen waren, die sie durch ihr Alphaamt bekommen hatten. Überrascht stellte ich fest, dass ich nicht einmal wusste, wie sie wirklich hießen! Mein Vater lächelte.

„Normalerweise würden wir unsere Namen an unsere Kinder weitergeben, aber da du sie nicht brauchst, wird sich daran wohl nichts ändern."

„Wie heißt ihr eigentlich?"

Vermutlich eine der merkwürdigsten Fragen, die jemals ein Kind gestellt hatte, welches seit siebzehn Jahren bei seinen Eltern lebte. Feixend hob Ten seine Brauen.

„Lumina und Tenebris, das weißt du doch Aruna."

Ich verdrehte die Augen, lächelte dennoch ein wenig.

„Ernsthaft Dad. Ihr habt es uns nie gesagt."

Langsam nickte mein Vater.

„Das stimmt. Aber das hatte auch einen guten Grund."

Meine Neugierde schien ins schier unermessliche zu steigen, sodass ich mich sogar etwas zu aufgeregt von der Küchenzeile abstieß und meinen Vater erwartungsvoll ansah.

„Welchen?"

Sein Lächeln verblasste nicht.

„Wir wissen unsere Namen nicht."

Ich blinzelte heftig? Wie? Sie wussten ihre Namen nicht? Ganz offenbar war mir meine Verwirrung mehr als deutlich anzusehen.

„Eigentlich passend, dass du fragst. Dass ist es nämlich auch, worüber ich mit dir reden wollte. Die Aufgaben eines Alpha. Wenn man in der Zeremonie die von Luna gegebene Gabe akzeptiert und seinen Alphaposten einnimmt, verschreibt man sich voll und ganz seinem Rudel, man wird zum Tenebris oder zur Lumina. Vorherige Bezeichnungen werden hinfällig."

Ich blinzelte heftig.

„Das heißt, ich vergesse meinen Namen?!"

Ungläubig sah ich ihn an, doch er lachte nur.

„Nein. Du bist ja immerhin auch keine Lumina, richtig?"

Fast erleichtert ließ ich die angehaltene Luft entweichen. Richtig...

„Aber genau wegen solcher Fragen ist es vermutlich wichtig, dass deine Mutter und ich uns gemeinsam mit dir und dem Rat zusammenzusetzen. Du solltest wissen, was es bedeutet, Alpha zu werden."

Ich seufzte schwer und bildete mir ein, jetzt schon all die Last spüren zu können, die das Alphasein bedeuten würde...

„Hey..."

Mein Vater kam auf mich zu und legte mir beruhigend die Hände auf die Schultern.

„Mach dir keine Sorgen. Du wirst eine würdige Alpha werden. Außerdem, wie gesagt, deine Mutter und ich sind immer noch da und nur weil wir zurücktreten, heißt das nicht, dass wir all unsere Aufgaben mit einem Mal fallen lassen."

Die Wärme seiner Nähe sowie das Versprechen, was er mir gab, nahm mir wenigstens etwas von der Last. Dann grinste er mich an.

„Und jetzt ab mit dir ins Bett. Die Alpha-Schule fängt morgen früh an."

Ich grinste ihn schelmisch an, machte trotzdem bereits Anstalten, loszugehen.

„Wenn ich Alpha werde, kannst du mir dann eigentlich noch Befehle erteilen?"

Ten grinste mich an, ruckte dann mit seinem Kopf Richtung Treppe.

„Dein Alpha-Titel ändert nichts daran, dass ich dein Vater bin, junge Dame!"

◊♠◊♠◊♠◊

Ich war mir ganz sicher die schlechteste Alpha seit Lykanthropen-Gedenken zu werden. Ich saß bestimmt bereits seit drei Stunden in der Großen Hütte, in der der Rat sich traf und musste mir krampfhaft ein Gähnen verkneifen, während mir jedes noch so kleine Detail meiner Aufgabe erklärt wurde.

Ich bemühte mich ja, zuzuhören – wirklich! – meine Gedanken schwiffen nur immer und immer wieder ab, wie in der Schule. Ich dachte an Ben. Dann wollte ich nicht mehr an seinen Anblick denken, wurde allerdings automatisch zu Gabe weitergeleitet, der nun irgendwo da draußen war, komplett alleine.

Kurz war ich versucht, meine Augen zusammenzukneifen, hinderte mich selbst allerdings im letzten Moment daran. Meine Gedanken wanderten weiter. Zu Eza und Cole. Ich konnte nicht ausdrücken, wie dankbar ich war, dass ich sie beide hatte, auch wenn ich nicht leugnen konnte, dass die Tatsache, dass sie ein Paar waren, mich wirklich überrascht hatte.

Andrerseits musste man auch sagen, dass ich die letzten Monate reichlich andere Sorgen hatte, mit einem Ven zu kämpfen hatte, der meine Identität kannte.

Ven. Nun glitten meine Gedanken zu Alec und meine Mundwinkel wollten sich fast automatisch heben. Ich hielt sie allerdings davon ab, weil es wohl äußerst unpassend war, wo Finnian mich doch in dem Moment an meine Pflicht erinnerte, bei Beerdigungen eine Rede zu halten.

Wie gesagt: schlechteste Alpha seit Lykanthropen-Gedenken.

Andrerseits wurde das wissen, was die Erben sonst über Jahrzehnte ansammelten auch innerhalb von wenigen Stunden in mich hineingeprügelt. Dabei sahen sie mich alle auch noch so unendlich ernst an, Mum und Dad rechts von mir, Lilith links.

Was würde ich jetzt dafür geben, einfach nur stumm, Schulter an Schulter gemeinsam mit Alec im Wald zu sitzen. Jeder würde seinen eigenen Gedanken nachhengen und doch würden wir zusammen sein. Er würde mich mit diesen warmen Silberaugen ansehen und, auch wenn gerade alles um mich herum zusammenfiel, würde ich wissen, dass wenigstens diese Sicherheit blieb.

„Du wirkst abwesend."

Erschrocken sah ich auf, geradewegs in Liliths sanftes Gesicht, stellte dann verwundert fest, dass das Treffen wohl vorbei war.

Der Rat machte sich auf den Weg nach draußen, nur meine Eltern und Lilith saßen noch an dem Tisch. Je höher die Position, desto später verließ man ein Treffen, das hatte ich heute gelernt...

Ich versuchte, ein möglichst unbekümmertes Gesicht aufzusetzen, die wirklich unpassenden Gedanken von eben zu vergessen.

„Alles nur sehr viel auf einmal. Du kennst mich und mein Bohnenhirn doch."

Lilith hob die Brauen, ihre Mundwinkel allerdings zuckten etwas nach oben.

"Ich bin mir ziemlich sicher, das heißt Erbsenhirn, Ary."

Ich schnitt eine Grimasse. Meine Eltern schienen unser Gespräch nicht einmal zu bemerken. Sie unterhielten sich mit Zak, dem Leiter der Gärtner.

Die Gamma legte den Kopf schief, betrachtete mein Gesicht dann eingehend, als würde sie dort nach irgendetwas suchen. Sie blieb bei meinen Augen hängen.

„Du wirkst verändert", raunte sie, sodass klar wurde, dass dieses Gespräch nur für unsere Ohren bestimmt war.

Ich zog die Brauen zusammen.

„Die letzten Monate ist viel passiert", seufzte ich, doch zu meiner Überraschung schüttelte sie einfach den Kopf.

„Das ist es nicht. Gerade, als du so abwesend geschaut hast. Deine ganze Ausstrahlung..."

Und plötzlich hatte ich die irrationale, panische Angst, dass man die Tatsache, dass ich mich auf jemanden geprägt hatte, aus zehn Metern Entfernung riechen konnte. Nervös faltete ich die Hände ineinander, suchte hitzig nach einem neuen Thema.

„Wirst du eigentlich zur nächsten Beta?", fragte ich dann, vielleicht etwas zu schnell und laut und schallt mich im nächsten Moment selbst, weil ich mir ziemlich sicher war, dass irgendjemand in den letzten paar Stunden auch etwas von Gamma und Beta geschwafelt hatte.

Lilith hob die Brauen, sah mich ein letztes Mal prüfend an und seufzte dann.

„Ich seh schon, das wird viel Arbeit."

Ach was du nicht sagst... Aber immerhin war es eure Idee, dem Mädchen mit dem Geschick und Verstand einer Ofenkartoffel, den Posten des Alphas zu geben!

„Der nächste Alpha wird auch den nächsten Beta und Gamma bestimmen. Immerhin müssen diese drei zusammenarbeiten können, als wären sie eins."

Säße ich nicht immer noch bemüht professionell in der Hütte der Versammlungen, hätte ich meinen Kopf jetzt vermutlich äußerst spektakulär gegen den Tisch gedonnert. Darüber musste ich mir auch noch Gedanken machen?!

Stattdessen begnügte ich mich damit, meine Stirn gequält kraus zu ziehen und mir meine Schläfen zu reiben. Und da meldete sich plötzlich mein Vater zu Wort. Diesmal redete er nicht mit Zak, richtete seine Worte genau an mich.

„Der Alpha spiegelt die gesamte Stärke des Rudels wieder. Er ist ihr Repräsentant. Mit einem Alpha steht und fällt das Rudel."

Die pochenden Kopfschmerzen, die sich während des gesamten Treffens immer weiter aufgetürmt hatten, hämmerten wütend gegen meinen Schädel... Danke für die Erinnerung.

Fallen... Zumindest das konnte ich gut. Am besten mit lautem Gekreische und wild mit den Händen herumfuchtelnd, während dutzende Zeugen erschrocken von mir zurückwichen...

Erschöpft legte ich meinen Kopf nun doch auf den Tisch, doch immerhin war nun der gesamte Rat verschwunden.

„Wie soll ich das alles bitte schaffen?", murmelte ich niedergeschlagen, als meine Mutter mir beruhigend eine Hand auf die Schulter legte.

„Darum haben wir mit Zak gesprochen. Er wird heute noch eine Botschaft an das Rudel im Osten senden. Dein Vater und ich sind zwar seit Jahrzehnten Alphas, aber wir sind vielleicht etwas engstirnig geworden. Eine neue Sicht würde dir mit Sicherheit guttun. Deshalb laden wir den ältesten ihrer Söhne hierher. Auch er soll bald Alpha werden und wurde sein ganzes Leben darauf vorbereitet. Für die erste Phase wird er dir sicherlich weiterhelfen."

Ich runzelte die Stirn. Ein Alphageborener aus dem Osten... Ich wusste nicht, wie gut mir das gefiel. Vor allem, weil das bedeuten würde, dass zumindest er von der Situation mit den Ven erfahren musste.

Andrerseits, die Freundschaft zwischen unser beider Rudel sowie die Verbundenheit und Loyalität ging tief, im Zweifel würden sie sich, auch durch die Friedensverträge, hinter uns stellen müssen, es sei denn sie wollten einen Krieg, den sie allein aufgrund der Quantität meines Rudels sicher nicht gewinnen konnten.

„Außerdem..."

Ein vielsagendes Lächeln trat in das Gesicht meiner Mutter und der Blick, mit dem sie mich betrachtete, gefiel mir ganz und gar nicht.

„Es tut dir sicher gut, diese Kontakte zu knüpfen."

Beinahe hätte ich mich an meiner eigenen Spucke verschluckt. Diese Kontakte?!

Another chapter because I felt like it. (Sonntag kommt trotzdem noch eins, also keine Sorge :))

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