Unterdrückte Leidenschaft

بواسطة blueberry021298

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„Enttäusche mich nicht, Claire. Denn wenn du dies nicht schaffen solltest, dann weiß ich, dass du nicht gerec... المزيد

Prolog
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بواسطة blueberry021298

Boston, Massachusetts

Mai 1862

"Ich habe keine solchen Bedenken, Mrs. Montgomery. Wir werden während ihrer Anwesenheit gut für sie sorgen.", berichtete der Bote, den der Baron von Salisbury nach Amerika übersandte. Er wollte also doch seine Enkelin kennenlernen. Triumphierend klatschte Victoria ihre Hände zusammen. "Daran zweifle ich nicht", erwiderte sie mit einem kurzen Lachen, "aber ich schätze, es wird höchste Zeit, dass sie aufhört, wie eine Vagabundin herumzustreifen, und anfängt, einen Exkurs in die Gesellschaft zu machen." Der Bote unterdrückte sich sein Lachen. "Die Baroness Campbell wird das mit großem Enthusiasmus arrangieren. Es gibt mehrere Familien in der Gegend, durch die das Kind absolut einwandfrei gesellschaftliche Kontakte knüpfen kann, so lange sie nichts Unschickliches unternimmt." "Ich werde dies mit aller gebotenen Eile umsetzen." Victoria lachte. "Aber ich denke doch, Claire hat trotz ihrer Kindlichkeit eine geistige Reife und Kultiviertheit an sich, die es ihr nicht erlauben wird, dem fragwürdigen Charme irgendeines unreifen Jüngling zum Opfer zu fallen."

Als Claire früh am Morgen das Frühstückszimmer betrat, fand sie nur ihre Mutter vor. Sie ahnte nichts davon, dass dies auf ihre Bitte hin so arrangiert worden war, sie las wie jeden Morgen die Zeitung. Doch diesmal war etwas anders. Claire spürte den nachdenklichen Blick ihrer Mutter auf sich und setzte ein freundliches Lächeln auf. "Guten Morgen, Ma!", lief zu Victoria und küsste ihr auf die Wange. "Guten Morgen, mein Schatz! Ich hoffe du hast gut geschlafen. Ich hörte, James war gestern zu Besuch?" "Ja, Mum, das war er. Du wirst es nicht glauben, aber er versucht mich immer noch zu überreden nach England zu gehen." Claire lachte, als sie jedoch den ernsten Blick ihrer Mutter sah, verstummte sie. "Claire, ich habe beschlossen, dass es für dich das Beste wäre, wenn du deine Großeltern kennenlernen würdest und für eine gewisse Zeit nach England gehst. " Claire funkelte sie in wortloser Wut an, dann machte sie auf dem Absatz kehrt, stürmte aus dem Zimmer und knallte laut die schwere Tür hinter sich zu. Sie war noch keine drei Schritte den Korridor entlanggegangen, als die Tür wieder aufgerissen wurde und Victorias plötzlich gefährlich leise Stimme aufhielt. "Claire Montgomery, komm sofort wieder zurück und schließ die Tür, wie es sich gehört!" Claire biss sich frustriert auf die Lippen, zögerte jedoch nur eine Sekunde, bevor sie sich umdrehte, um zu gehorchen. Victoria war wieder in den Raum zurückgegangen, geradezu beleidigend überzeugt davon, dass sie sich fügen würde, und hatte die Tür weit offengelassen. Claire schloss sie leise, dann eilte sie zur Haustür und hinaus in die kühle Morgendämmerung.

"Ich finde diese ganze Sache überhaupt nicht angenehm, Linton." Es war der Morgen nach ihrer Exkursion nach London und Linton blickte von seiner einsamen Mahlzeit im Frühstückszimmer auf und musterte seine Ehefrau fragend. Sie war ein entzückender Anblick, als sie ins Zimmer kam - ihr Samthausmantel so strahlend weiß, ihr Haar eine offen auf ihre Schultern herabwallende Lockenmähne. Ihre Füße waren nackt, wie er bemerkte, aber Charlotte richtete sich nur selten nach den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und folglich waren ihre Gäste stets sorgfältig ausgewählt. Bisher war noch keiner an diesem Freitagmorgen aus seinem Schlafzimmer herausgekommen, aber es war auch noch nicht einmal neun Uhr. Nachdem Linton vergeblich versucht hatte, eine schläfrige Charlotte dazu zu überreden, ihm Gesellschaft zu leisten, hatte er einen frühmorgendlichen Ausritt unternommen und widmete sich jetzt seinem Frühstück. "Welche Sache, mein Schatz?", fragte er, als sie keine Neigung zeigte, ihre Bemerkung weiter auszuführen. "Diese Sache mit unserer Enkelin Claire", erwiderte sie und hielt ihre nackten Zehen an das knisternde Kaminfeuer. "Charles hat mir erzählt, dass du während ihrer Anwesenheit hier sein wirst. Ich meine, seit wann möchtest du unsere Enkelin kennenlernen? Du bist doch ein grimmiger, alter Mann, der Kinder über alles hasst?" "Was hast du gesagt?" Der Baron verschluckte sich fast an einem Mundvoll Rührei und nahm Zuflucht zu seinem Alehumpen. "Bei Gott! Ich meinehältst du das für klug?" , sagte sie, während sie ihren anderen Fuß wärmte. "Ich freue mich wahnsinnig unsere Claire kennenzulernen, aber du " "Komm her." Er schob seinen Stuhl zurück und klopfte gebieterisch auf sein Knie. Charlotte setzte sich auf seinen Schoß und griff nach einem Stück Brot und Butter auf dem Tisch. "Manchmal hilft es", informiert er sie, als sie herzhaft in das Butterbrot biss. "wenn man nachgibt und seine Fehler einsteht. Zwischen mir und Victoria ist vieles vorgefallen, jedoch sollte unsere Enkelin nicht auch darunter leiden findest du nicht auch?" "Wir werden ja sehen." Sie küsste ihn auf die Nasenspitze. "Ich wollte dich nicht so abscheulich foppen, Linton, aber .." "Aber du konntest einfach nicht anders", beendete er schmunzelnd den Satz für sie. "Ich frage mich, ob du jemals irgendetwas anderes als ein unmöglicher kleiner Schlingel sein wirst." "Möchtest du das denn?" Sie blickte ihm forschend ins Gesicht. "Nein." Er schüttelte den Kopf. "Und ich kann nur hoffen, dass unsere Enkelin nach ihrer Großmutter schlägt." Sagte er sanft und küsste sie zärtlich auf den Mund.

Es ist alles nur ein Traum, sagte Claire sich, während heiße Tränen in ihren Augen brannten. Wenn sie weinte, würde ihre Nase laufen und sie hatte keine Möglichkeit, sie zu putzen. Sie schniefte heftig und wischte sich die Tränen weg. Wieso? Wie konnte nur ihre Mutter solch eine Entscheidung treffen? Alleine in England? Wie sollte das denn funktionieren? Ihre Mutter und Grace sind die einzigen wichtigen Menschen, seit dem Tod des Vaters vor 17 Jahren. Claire war zwei Jahre alt, als ihr Vater bei einer Explosion beim Tunnelbau für die Eisenbahn starb. Ihre Mutter litt jahrelang unter der schmerzlichen Trennung und hatte sich seitdem an keinen neuen Mann mehr gebunden, trotz vieler Angebote. Claire kannte ihren Vater kaum, sie hatte Mutters Verhalten nie nachempfinden können. Ihre Großmutter versuchte es ihr immer wieder zu erklären, was es denn bedeuten würde jemanden zu lieben. "Liebe ist ein Gefühl, was du nicht beschreiben kannst. Du fühlst "dieses Verlangen nach der Person, diese Sehnsucht, Angst ihn zu verlieren. Du kannst dir nicht vorstellen ohne ihn zu leben. Liebe kann man nicht beschreiben, mein Kind, sowas fühlst du nur" Claire kannte bislang solch ein Gefühl nicht, natürlich liebte sie ihre Großmutter und ihre Mutter, aber bei einem Mann konnte sie es sich nicht vorstellen. Sie wollte es auch nicht, sie wollte nicht dieselben schmerzlichen Jahre durchmachen, die ihre Mutter durchlebt hatte. Seit wenigen Jahren ginge es ihr wieder richtig gut, ihre Pension lief erfolgreicher denn je und auch seelisch war sie wieder stabil. Claire konnte nicht nach England gehen. Ihre Mutter brauchte sie hier um die Pension aufrecht zu erhalten. "Oh Großmutter, warum bist du nur gegangen, ich brauche dich doch hier. Ich vermisse dich so sehr! Du warst mit den richtigen Entscheidungen immer sofort da. Ich kann doch Ma nicht verlassen!" schluchzte Claire. Der Morgenwind wehte ihr kastanienbraunes Haar schlagartig durcheinander. Verzweifelt versuchte sie sie wieder zu ordnen, als ihr plötzlich der rettende Gedanke kam. Während ihrer Abwesenheit könnte Stefan ihrer Mutter helfen. Sie würde so oder so nicht lange fernbleiben und die Pension von ihrer Mutter würde ohne Probleme vorangehen. "Ich habe meine Entscheidung getroffen, Großmutter. Ich werde nach England gehen, werde es meinen Großeltern zeigen, worauf sie sich eingelassen haben und werde meine Ma nicht enttäuschen!" sagte sie laut und entschlossen. Daraufhin erhob sie sich, blickte um sich und nahm den Weg nach Hause.

Als Claire in der Stadt ankam, fand sie sofort Stefan am Hafen. Sie pfiff in seine Richtung und rief ihn zu sich. "Was ist los, Claire?" Verwundert schaute er in Claires Gesicht. Gewöhnlich besuchte sie ihn nie zu dieser Tageszeit, wenn überhaupt dann nur, wenn Probleme vorhanden waren. Was ist denn jetzt schon wieder passiert, fragte er sich und strich sich wirr mit der Hand durch die Haare, wieso musste dieses Mädchen sich immer wieder in Schwierigkeiten begeben! Bereits seit Beginn ihrer Freundschaft mussten sie sich schon vielen Problemen stellen. Kennengelernt haben sie sich, als Stefan mit seiner Familie vor sieben Jahren nach Colorado zog. Sein Vater leitete eine Schifffahrtsgesellschaft und ersetzte den erst kurz vorher urplötzlich Verstorbenen. Damals schickte Claires Mutter sie mit einem Korb voller Lebensmitteln zur Familie Hastings. Auf dem Weg dorthin grübelte Claire, die ganze Zeit wie der neue Junge wohl sein möge. Vor Stefan hatte Claire noch nie wirkliche Freunde gehabt, erst durch ihn hatte sie erfahren, wie wertvoll und wichtig eine Freundschaft war. Als sie am Haus angelangt war, empfing sofort Mrs. Hastings, Stefans Mutter, Claire freundlich und umarmte sie innig, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Sie freute sich sehr über den Korb mit Lebensmitteln und bat Claire noch etwas zu bleiben. Claire nahm die Einladung herzlich an und folgte ihr durch einen schönen Vorgarten mit Rosen in das Haus. Sie betraten, eine große geräumige Diele, die in einen weiteren Raum führte, die zwar einfach, aber gemütlich mit hellen Möbeln und viel Liebe eingerichtet war. "Bitte, setz dich doch, Claire. Kann ich dir etwas zum trinken anbieten?", fragte Mrs. Hastings aufmerksam. "Oh nein danke, Mrs Hastings. Ich hoffe Ihnen gefällt es hier." "Bitte nenn mich Elsa.", erwiderte sie fröhlich und ließ sich neben Claire nieder. Sie fuhr fort, "Wir sind ziemlich erleichtert endlich hier zu sein. Die Anreise war anstrengend, aber für all das hier, war sie es wert." Freudestrahlend blickte Elsa um sich und Claire tat es ebenfalls. Es erschien ihr, als würde sie für einen Moment heimisch sein. Die Ausstrahlung und Wärme des Umfeldes spiegelte ihr eigenes Elternhaus wieder, sie fühlte sich sofort hingezogen zu dieser Frau, obwohl sie sie noch gar nicht kannte. Ihre Blicke trafen sich und ein Augenblick der friedlichen Stille lag in der Stube, die jedoch schlagartig zerfiel, als die Eingangstür weit aufgerissen wurde. Elsa stand sofort auf und eine Äußerung erfolgte. "Wo um Himmels willen hast du den ganzen Tag über gesteckt, Stefan? Kennst du denn überhaupt keine Vernunft und Rücksichtnahme?", tadelte Elsa, während sie ihren hereinkommenden Sohn an den Schultern schüttelte. Der Anblick des gut gebauten Jungen, versetzte Claire in einen Moment der Trance. Sein schulterlanges, goldbraunes Haar, das durch die hereinscheinende Abendsonne satingold erschien, umrahmte sein aristokratisch geformtes Gesicht. Lange Wimpern umspielten seine Augen, die nach Belustigung und sogleich Überrumpelung glänzten. "Guten Abend Mutter", antwortete Stefan gelassen und strich zaghaft über die Wange von Elsa. "Vater brauchte mich noch am Hafen, ich konnte unmöglich früher nach Hause kommen." Schnell zog er seine schweißtriefende, unreine Weste aus und lief zu einer schönen Porzellanschüssel, die mit Wasser gefüllt war, um sich den Ruß aus dem Gesicht zu wischen. Als er jedoch eine zärtliche Gestalt erblickte, hielt er inne. Er blickte direkt in bernsteinfarbene Augen, die von langen, dichten Wimpern verziert wurden. Ein freundliches Lächeln erschien auf dem herzförmigen Gesicht. Er musste unwillkürlich zurücklächeln und trat auf sie zu. Claire erhob sich und reichte ihm höflich die Hand. "Herzlich Willkommen in Boston, ich bin Claire Montgomery, eine Bewohnerin von nebenan." Er nahm Claires Hand und schüttelte sie leicht. "Schön sie kennenzulernen, Miss Claire. Ich heiße Stefan." Selbst nach vielen Jahren konnte Claire sich noch gut daran erinnern, wie sie den restlichen Abend mit der Familie Hastings verbracht hatte. Später kamen noch Stefans Vater, Frank und Claires Mutter, Victoria dazu. Gemeinsam wurde viel erzählt und zwischen den Familien Hastings und Montgomery entstand sofort eine innige Freundschaft. Seit dem Tod von Stefans Vater vor zwei Jahren, war Stefan nun der Leiter der Schifffahrtgesellschaft. Er hatte sich verändert. Vor dem Tod seines Vaters war er ein Jahr verschwunden, untergetaucht in ein anderes Land um die Streitigkeiten mit seinem Vater zur entkommen. Claire vermisste ihn stark und doch sogleich wusste sie, dass er eines Tages zurückkommen würde, was auch ein Jahr später geschah. Sie hatte nie mit ihm darüber gesprochen, wo er sich umhergetrieben hatte, da sie es für besser hielt die Vergangenheit ruhen zu lassen. Manchmal wünschte sie sich aber den alten Stefan wieder zurück, der unbefangen und humorvoll war, doch es schien, dass er erwachsen geworden war und seinen Pflichten gehorsam nachging. Mit direktem Blick sah sie ihn an und sagte entschlossen: "Stefan, ich habe meinen Entschluss gefasst. Ich werde nach England zu meinen Großeltern gehen." Bevor sie jedoch überhaupt weiterreden konnte, nahm er sie überglücklich in den Arm, hob sie in die Luft und wirbelte sie um sich. Sie stieß einen lachenden Schrei von sich und befahl ihm dennoch sie sofort wieder runterzulassen. Als sie wieder festen Boden unter sich spürte, rückte sie erstmal ihre Kleidung wieder zurecht und ihr Gesicht wurde ernst. "Ich brauche jedoch deine Hilfe dafür, Stefan. Nur mit deiner Unterstützung könnte ich sorgenfrei diese beschwerliche Reise antreten." Seine Augen verengten sich und er grübelte, was sie den von ihm verlangen könnte. "Claire, was immer du auch möchtest, welche Wege du einschlägst, ich werde versuchen dir immer zu helfen, möge es noch so kompliziert und schwer sein.", antwortete er direkt und offen. Er nahm ihre zarten, lauwarmen Hände in seine und blickte sie fragend an. Claire nahm all ihren Mut zusammen und drückte leicht ihre Hände in seine. Ihre Stimme war schüchtern und leicht zitternd. "Ich weiß nicht, wie lang ich weg sein werde, Stefan und nun ja, während meiner Abwesenheit müsste jemand meiner Mutter mit der Pension helfen und ich dachte, dass du eventuell das könntest. Du bist der Einzige, dem ich alles anvertrauen würde, selbst mein Leben würde ich in deine Hände legen." Ihre Hände fingen leicht an zu zittern, als von ihm keine Antwort kam. "Ich weiß, dass du selbst viel um die Ohren hast, aber du würdest du auch einen anständigen Lohn dafür bekommen." Einen schrecklichen Augenblick lang beschlich ihr der Verdacht, dass er ablehnen könnte, doch dann legte er seine Hand sachte um ihr Kinn und hob es an, damit sie ihm direkt in die Augen blicken konnte. Er trat einen unmerklichen Schritt näher an sie heran. Ihr Puls begann zu rasen. Mit einer unbewusst sinnlichen Geste befeuchtete Claire ihre ausgetrockneten Lippen. Ihr blieb keine Zeit zum Nachdenken. Stefan riss sie plötzlich an sich und bedeckte ihren Mund mit einem so leidenschaftlichen Kuss, dass es ihr den Atem raubte. Dann nahm er sie in seine Arme. Er schlang einen Arm um ihre Mitte und zog sie zwischen seine gespreizten Beine, bis ihr Busen seine Brust berührte. Sein Mund fühlte sich unendlich weich und zart an und entfachte dennoch einen Sturm begehrlicher Empfindungen in ihr. Sie wollte fliehen, doch als er seine Lippen von ihr löste und sein unergründlicher Blick sich in ihre Augen versenkte, hielt er sie wie in Ketten gefangen. Zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhr Claire die unglaubliche Aura männlicher Stärke an ihrem biegsamen Körper. Und zum Teufel, es gefiel ihr sogar. Sie konnte nicht mehr klar denken und geriet in Taumel, als er erneut seine Lippen auf die ihren senkte, und sie sich zu einem zärtlichen Kuss vereinigten, der unendlich zu währen schien. Dann hauchte er unzählige Küsse auf ihre Schläfen, ihre Lieder und ihre Nasenspitze. Ein prickelndes Beben durchrieselte sie, als sie die Handflächen gegen seine Schultern stemmte. "Ich werde alles, was in meiner Macht steht unternehmen um dir zu helfen, Claire. Ich verspreche dir hiermit, dass ich versuchen werde, deine Mutter zu unterstützen, sobald sie mich brauchen sollte.",murmelte er. "Jedoch verlange ich auch von dir etwas. Bitte komm sobald wie möglich wieder zurück, Claire." Ihre Schamesröte ignorierend, verzehrte Stefan sie mit seinen Augen. Sein Blick glitt von ihrem Gesicht zu ihren vollkommenen Brüsten, ihrer schlanken Taille bis hin zu ihren wohlgerundeten Hüften. Als sich ihre Blicke erneut trafen, sah Claire ihn aus riesigen bernsteinfarbenen Augen an. Sie zögerte so lange mit ihrer Antwort, dass er bereits mit einer Ablehnung rechnete. Doch was sollte er dann tun? Er begehrte sie, von dem Tag an, als sie sich begegneten. Jahrelang unterdrückte er seine wahren Gefühle gegenüber Claire. Doch das konnte er nicht mehr, jetzt wo er das Gefühl hatte sie würde ihm für immer entrissen werden. Wenn Claire nach England zu ihren Großeltern geht, würde sich etwas verändern. Ihre Beziehung würde nicht mehr dieselbe sein. Sie würde sich verändern. Er wollte sie nicht verlieren und doch war ihm klar, dass er sie verlieren wird. Claire versuchte sich innerlich zu sortieren, doch es gelang ihr nicht. Was bedeutete der Kuss zwischen ihnen? Hatte er überhaupt eine Bedeutung? Er gefiel Claire, doch war Stefan für sie die letzten Jahre nur ein Freund gewesen. Sie hatte in Stefan nie etwas Anderes gesehen, doch der Kuss veränderte ihre Einstellung. Jetzt sah sie in ihm keinen Freund mehr, sondern einen Mann. Und das bereitete ihr Unbehagen. Sie wollte sich nicht an jemanden binden, sie wollte nicht dieselben schrecklichen Jahre wie ihre Mutter durchstehen, nach dem Tod ihres Vaters. Es würde sie innerlich zerstören. Doch eines wusste sie, der Kuss würde alles ändern und so wie sie ihn kannte, würde er nicht aufgeben.

Zwei Wochen später erhielt Claire den Beweis von Stefans' Zielstrebigkeit. Sie hatte sich bereits zu Bett begeben, als ein leises Klirren an der Fensterscheibe sie aufhorchen ließ. Dann erklang ein zweites Klirren. Ihr Schreck verwandelte sich schnell in Unmut, als ihr klar wurde, dass Steinchen gegen ihr Fenster geworfen wurden. Das konnte nur Stefan sein, wer sonst? Sie öffnete das Fenster und spähte in den Garten. Dort stand er unter der Eiche und schaute zu ihr herauf. Sie hatte den ganzen Tag zu Hause verbracht, der strömende Regen hatte ihr den morgendlichen Ausritt verleidet und nachmittags war Claire mit Vorbereitungen für die Reise beschäftigt. Inzwischen hatten sich die Wolken verzogen und der Vollmond erhellte die Nacht. "Warum schleichst du unter meinem Fenster herum?", flüsterte sie empört. "Ich will dich zu einem Ausflug einladen", antwortete er, weniger leise. "Mitten in der Nacht?" "Es ist noch nicht mal Mitternacht. Und du warst den ganzen Tag eingeschlossen." "Ich liege bereits im Bett." "Heißt das, du lädst mich zu dir ein?" "Untersteh dich!" "Dann komm herunter." "Stefan, ich bin im Nachthemd." "Das stört mich nicht, erwiderte er belustigt. Zieh dich an und komm runter, Claire. Oder soll ich an die Haustür klopfen und die Dienerschaft wecken?" Seine leise Drohung war empörend. "Ich habe nicht die Absicht, mitten in der Nacht allein mit dir eine Spazierfahrt zu unternehmen." "Keine Sorge! Der Kutscher wartet bei den Pferden und einem offenen Wagen." Als sie immer noch zögerte, rief er leise: "Feigling. Seit wann hast du etwas gegen eine kleine Spritztour?" Seitdem dieser verdammte Kuss zwischen uns wahr, du Idiot, meldete sich eine quälende Stimme in ihr. Dieser dreiste Kerl. Hatte sich denn für ihn gar nichts verändert? Es wäre Leichtsinn einzuwilligen. Doch wie gewöhnlich gab er sich nicht mit einem klaren Nein zufrieden. "Komm herunter, bevor ich hochklettere und dich hole. Wir treffen uns am Hintereingang." Er wandte sich ab, verschwand im Schatten und gab ihr keine Gelegenheit zu weiteren Protesten. Wütend trat Claire vom Fenster zurück. Es war unfassbar, dass sie tatsächlich mit dem Gedanken spielte, Stefan Hastings auf einer nächtlichen Kutschfahrt wieder einmal zu begleiten. Und dennoch fiel es ihr schwer, dem Reiz zu widerstehen. Was, um Himmels willen, war mit ihr los? Obwohl ihre Mutter es immer wieder nur gut meinte, vermisste Claire manchmal das unbefangene frühere Leben. Und nun spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, etwas durchaus Verbotenes zu tun. Und was ist daran so schlimm? , meldete sich eine trotzige Stimme in ihr. Dein zukünftiges Leben wirst du vernünftig und sittsam verbringen müssen. Lass dich wenigstens noch ein letztes Mal auf ein Abenteuer ein. Ihr Verhalten war nicht damenhaft, das wurde ihr aber erst bewusst, als sie sich bereits ankleidete und einen Kapuzenumhang um die Schultern warf. Komm schon Claire, sei keine Spielverderberin, sagte sie sich. Das Haus war still und dunkel, als sie sich die Hintertreppe hinunterschlich und durch den Dienstboteneingang ins Freie trat. Stefan wartete wie versprochen und empfing sie mit einem strahlenden Lächeln. Plötzlich stieg eine Schwindel erregende Freude in ihr hoch, ihm nahe zu sein. Am Ende der kurzen Einfahrt wartete eine offene Kalesche; ein Bursche hielt zwei Pferde am Zügel. Stefan half ihr beim Einsteigen und kletterte nach ihr in den Wagen. "Warte hier", erklärte er dem Burschen. "Wir sind bald zurück." Damit ließ er die Peitsche über den Rücken der Pferde knallen, die munter antrabten. Claire hielt sich beim ruckartigen Anfahren der Kutsche an der Armlehne fest und warf Stefan einen empörten Blick zu. Seine Dreistigkeit war nicht zu überbieten. "Ich hätte wissen müssen, dass ich dir nicht mehr trauen kann.", entrüstete sie sich. "Du hast mich glauben lassen, dein Bursche würde uns begleiten." "Was blieb mir anderes übrig? Seit wann vertraust du mir eigentlich nicht mehr?" "Wohin bringst du mich? " "Nicht weit weg. Schau dich um, Engel. Ist das nicht schöner, als in deinem Schlafzimmer eingeschlossen zu sein?" "Nenn mich nicht Engel, Stefan!" antwortete Claire entschlossen. Aber er hatte Recht, es war eine herrliche Mainacht. Eine laue Brise fächelte ihr ins Gesicht, als der leichte Wagen die stillen, in Mondlicht getauchten Straßen entlangfuhr. Ihr Missbehagen gegen Stefan hinderte sie jedoch daran, die Schönheit wirklich zu genießen. "Willst du mir weißmachen, nur an mich gedacht zu haben, als du mich aus dem Haus gelockt hast?" "Vielleicht nicht. Aber kannst du mir keinen Vorwurf daraus machen, dass ich mit einer schönen Frau in einer Vollmondnacht allein sein will?" "Du gibst also deine unlauteren Absichten zu." "Kein Gesetz der Welt verbietet mir, meine Freundin zu einer Spazierfahrt zu entführen." Claire seufzte verzweifelt. "Hast du nicht anderes im Sinn, als mich zur Raserei zu bringen?" "Ich konnte mir, seit Beginn unser Freundschaft nichts Reizvolleres vorstellen." "Stefan! " "Eigentlich" , fuhr er im Plauderton fort, "wollte mein Freund Lucas und ich einen Zug durch die Etablissements der Halbwelt machen, doch ich lehnte ab." Die Vorstellung, dass er sich mit leichten Mädchen in diesem abgelegten Bordell vergnügte, behagte Claire ganz und gar nicht, da sie ihm schon immer ausdrücklich sagte, dass es ihm natürlich freistehe, da er ein Mann war. Sie warf einen Blick auf sein kühnes Profil. Claire musste zugeben, dass er unwiderstehlich gut aussah, attraktiver als jeder Mann, den sie bisher kennengelernt hatte. Jede Frau lag ihm zu Füßen, das erlebte sie in den letzten Jahren pausenlos häufiger, jedoch ließ er sich auf solche Frauen nie ein, worüber sie sich häufig lustig machte. "Stefan, ich wusste ja schon immer, dass du andere Vorzüge hast", neckte sie ihn immer wieder, worauf er ernst antwortete. "Wenn ich eine Frau nehme, dann meine ich es ernst, Claire." Deshalb war er kein Schurke, der Frauen nur benutzte, doch er war auf irgendeine Weise gefährlich. Das wurde ihr plötzlich bewusst. Sie hätte sich nicht in die Situation begeben dürfen, allein mit ihm und ihm schutzlos ausgeliefert zu sein. "Warum hast du abgelehnt?" fragte sie leise und wollte die Antwort eigentlich gar nicht hören. "Weil die einzige Frau, die ich begehre, meine beste Freundin ist." Sie ging nicht auf seine ungezügelte Bemerkung ein. "Wie bitte?", neckte er, als sie stumm blieb. "Keine spitze Entgegnung? " Sie warf ihm einen strengen Blick zu. "Ich glaube nicht, dass du mich einer erfahrenen Lebedame vorzögest." "Aber es ist so, Engel." "Stefan, ich will das Wort Engel nicht mehr aus deinem Munde hören!", fassungslos rieb sie sich die Schläfen, "Wie konnte ich mich in dich so irren? Ich meine, warum gerade du? Du bist genau wie Lukas und willst nur das, was du nicht haben kannst. " "Das ist nicht der Grund, warum ich dich so begehre." "Warum dann?", fragte Claire, die ihre Neugier nicht bezähmen konnte. "Ich wünschte, ich wüsste es, antwortete er mit erstaunlicher Ernsthaftigkeit. Ich habe mich noch nie zu einer Frau hingezogen gefühlt wie zu dir." "Was du empfindest, erscheint mir lediglich deine männliche .." Er lieferte ihr das Wort, das sie nicht auszusprechen wagte. "Lust?" Seine Mundwinkel verzogen sich spöttisch. "Tja, so einfach ist das nicht, Schatz. Und es ist weit mehr als schiere Wollust. Es ist eher ein quälendes Verlangen." "Du musst dich eben bezwingen." "Ich versuche mein Bestes, aber ich kann meine Fantasie nicht unterdrücken. Ich träume oft von dir. " "Stefan, es reicht jetzt! Wenn du dich nicht anständig benimmst", erklärte sie gereizt, "verlange ich von dir, sofort umzukehren und mich nach Hause zu bringen." "Merkwürdig, früher warst du durch meine Frechheiten nicht sofort genervt.", murmelte er und blickte sie nachdenklich an, "Ob du es glaubst oder nicht, ich habe mir vorgenommen, dich heute Abend nicht zu reizen. Ich gebe dir mein Wort. Ich handle aus reiner Nächstenliebe, wie früher. Ich möchte nur, dass du ein wenig Freiheit genießt." Sie wusste nicht, ob sie ihm noch vertrauen konnte, was sie innerlich verletzte, aber als er sich ihr zuwandte, war sein Blick ernst und wahrhaftig. "Deine Mutter sorgt sich um dich. Sie sagt, dass du dich in den letzten Tagen in dein Zimmer zurückgezogen hast und kaum Gesellschaft um dich hattest." "Meine Mutter irrt sich - Wenn ich Gesellschaft brauchen sollte, würde ich mich gewiss nicht mehr an dich wenden - einen Mann, der sich nicht scheut, mutwillig einen Skandal heraufzubeschwören. Verdammt Stefan, es ist total gefährlich nachts hier umherzufahren, was, wenn uns jemand sieht oder uns überfällt?" "Ich hätte mir denken können, dass die Enkelin eines Barons daran Gefallen gefunden hätte, einmal etwas zu wagen und den Pfad der Tugend zu verlassen. Oder ist es dir lieber, wenn ich um dich herumscharwenzle und dich wie ein Porzellanpüppchen behandle?" "Ich möchte lediglich, dass du meine Wünsche respektierst", entgegnete sie kühl, "statt dich rücksichtslos darüber hinwegzusetzen. Du sagtest einmal, Frauen behandle man mit Respekt und Höflichkeit. Das bedeutet, dass du mir wenigstens ein Mindestmaß an Achtung erweisen könntest." "Aber das tue ich, meine Liebe. Ich denke ausschließlich an dein Wohlergehen. Gib zu, du fandst es schon immer anregend, deine Schlagfertigkeit mit mir zu messen. Meine Gegenwart bringt dein Blut in Wallung." "Ich wünsche nicht, dass mein Blut in Wallung gebracht wird, Stefan." "Nun komm, du kannst doch nicht behaupten, dass es dir nicht Spaß gemacht hat, mit mir zusammen zu sein? Also die alte Claire, die ich kenne, würde viel lieber diese wunderschöne Nacht genießen, als im Bett zu liegen und Schafe zu zählen." Sie hob das Gesicht zum Sternenhimmel, in dem der Vollmond schwamm und ein magisches Licht verbreitete. In stummen Einvernehmen schwiegen beide, nur das Klappern der Hufe auf dem Kopfsteinpflaster und das Quietschen der Räder waren zu hören. Bäume und Büsche umgaben den Kiesweg, auf den Stefan abbog. "Ich nehme an, es gibt einen Grund, warum du mich hierher bringst", meinte Claire skeptisch. "Warte ab." Er fuhr eine kurze Strecke, bis der lang gezogene See in Sicht kam, still und glatt wie ein Spiegel, ein atemberaubender Anblick. Stefan verließ den Weg und fuhr über den Rasen zu einer Gruppe Kastanienbäume. Dort hielt er den Wagen an. Claire saß lange stumm da. "So verzaubert habe ich den See noch nie gesehen", sagte sie schließlich. "Du hast viele Dinge noch nicht gesehen. Wollen wir uns ans Ufer setzen?" Sie nickte und Stefan sprang ab, band die Pferde an einen Ast und half ihr beim Aussteigen. Als er sie aus dem offenen Wagen hob, spürte Claire seine Hände um ihre Mitte wie ein Brandmal. Auch er stand plötzlich ganz still, verspürte die gleiche Hitze wie sie. "Du trägst kein Korsett", murmelte er plötzlich heiser. "Es blieb keine Zeit dafür", flüsterte sie verlegen. "Ich tue einfach so, als hätte ich es nicht bemerkt." Er holte eine Decke unter der Bank hervor, nahm Claire bei der Hand und führte sie an einem Rosengebüsch vorbei zum Ufer. Dort breitete er die Decke im Gras aus und als Claire sich gesetzt hatte, ließ er sich neben ihr nieder. Lange saßen sie nebeneinander und schauten andächtig über den stillen, glitzernden See. "Es ist wirklich wunderschön." "Ja." Und dann spürte sie seinen Blick wie eine Liebkosung. Claire schlang die Arme um die Knie und hob ihr Gesicht dem Mond entgegen, dessen Rund von einem silbernen Ring umgeben war. Sie sog die friedliche Schönheit der nächtlichen Natur in sich ein und atmete den Duft nach feuchter Erde und frischem Gras tief ein. "Danke, dass du mich doch hierhergebracht hast." "Es ist mir ein Vergnügen." Er machte eine Pause. "Ich wollte dir zeigen, was du dir entgehen lässt, wenn du dich in deinem Gefängnis einsperrst." "Tatsächlich?", erwiderte sie spöttisch. "Ich würde mein halbes Vermögen daraufsetzen, dass dir dein baldiges Leben in England nicht mehr gefallen wird, sobald du die Freiheit verlieren solltest." Seine Beharrlichkeit erheiterte sie. "Du scheinst immer noch der irrigen Annahme zu sein, ich würde bald mit meinem Leben unzufrieden sein und die Entscheidung nach England zu gehen, bereuen." "Ich irre nicht, du bist jetzt schon einsamer, als du denkst." Wiederwillig musste Claire ihm in gewisser Weise Recht geben. Sosehr sie sich ihre Zufriedenheit auch einredete, so konnte sie das Gefühl von Leere in ihrem Inneren doch nicht leugnen. Sie spürte seinen forschenden Blick, als wollte er die Tiefen ihrer Seele ergründen. "Du wärst glücklicher, wenn du dich öffnetest", sagte er sanft, "wenn du Wagnisse eingingest und dich nicht um die Folgen kümmern würdest." Claire wurde unruhig. "So wie du? Würdest du selbst dein Leben aufs Spiel setzen um dein bisheriges Leben weiterzuführen?" "Selbst das." "Sich in Lebensgefahr zu begeben scheint mir nicht der Schlüssel zum Glück zu sein." Stefan zuckte gleichmütig die Achseln. "Für mich schon. Gefahr gibt dir das Gefühl, lebendig zu sein, macht dich dankbar, am Leben zu sein. Gefahr sollte man genießen, nicht sich ängstlich davor verkriechen." Sie legte die Wange auf die Knie und betrachtete ihn sinnend. Sie brachte sich bereits in Gefahr, ihn in ihre Nähe zu lassen. Ihre neueste Erkenntnis: Stefan bedeutete Gefahr. Er war Aufregung. Er war das sprühende Leben. Genau das unterschied ihn von anderen Männern, die sie kannte: seine Lebenslust. "Mir ist gar nicht aufgefallen, dass du so unbekümmert und verwegen bist?" "Ich fürchte in meiner Jugend war ich ziemlich wild.", gestand er. "Daran kann ich mich noch gut erinnern.", sagte Claire und ein kurzes Lächeln husch über ihr Gesicht. "Nicht nur in deiner Jugend. Deine Mutter erzählte mir, du warst wie ein Wildfang für die Familie." "Habt ihr über mich gesprochen?" Claire spürte, wie sie errötete. "Während du nicht da warst, war ich oft bei ihr zu Besuch und half ihr bei alltäglichen Aufgaben. Immer wieder bat ich sie darum, mir mehr über ihren verlorenen Sohn zu erzählen. Ich glaube, es half ihr den Verlust besser zu verarbeiten. Vielleicht war das meine Art, dein Andenken für mich zu wahren." Er lächelte warmherzig. "Sehr schmeichelhaft." "Und was führte deinen Sinneswandel herbei?" "Der Tod meines Vaters." Stefan streckte sich seitlich neben ihr aus und stützte sich auf einen Ellbogen. "Ich wusste, dass ich eines Tages die Schifffahrtsgesellschaft meines Vaters übernehmen würde. Darauf hat mein Vater mich vorbereitet, seit ich denken kann. Ich verbrachte meine Kindheit mit den Matrosen auf Schiffen und lernte alles zu segeln, was auf dem Wasser schwimmt. Das gefiel mir ausgesprochen gut, aber was mir nicht gefiel, war die Tatsache, dass meine Zukunft geplant und längst geregelt war. Als Zwanzigjähriger rebellierte ich, verließ meine Familie und nahm mein Leben selbst in die Hand." Claire konnte sich noch gut an den jungen, ungestümen Stefan, der sich von seinem strengen Vater befreien wollte, erinnern. Er blickte über das gleißende Wasser. "Danach besuchte ich Boston nur selten, sodass meine Mutter nichts davon mitbekam. Ich konnte ihr nicht immer wieder erklären, dass ich nicht zurückkommen werde, das hätte ihr das Herz gebrochen. Erst am Sterbebett meines Vaters wurde mir klar, wie tief ich ihn mit meinem Weggehen verletzt hatte." Sie hörte Trauer aus seiner Stimme. "Es war wohl eine große Überwindung, heimzukehren und das Unternehmen deines Vaters weiterzuführen." "In gewisser Weise ja, aber das war ich meinem Vater schuldig. Ich habe mir nie wirklich klar gemacht, welche Opfer er erbrachte, nur für mich und meine Mutter ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Seine große Liebe war schon immer meine Mutter gewesen im Übrigen war es höchste Zeit für mich, Verantwortung zu übernehmen. Ich versprach ihm, für meine Mutter zu sorgen und sein Vermächtnis in Ehren zu halten. Es gelang mir auch tatsächlich, das Unternehmen zu vergrößern." Claire wusste nicht, ob sie sich wieder an diesen Stefan erinnern wollte - den ruhigen, nachdenklichen Mann, der seine Gefühle preisgab, sich öffnete. Aber seine Offenheit half ihr auch, seine Beweggründe zu verstehen. "Darum also warst du so sehr um Elsas Wohlergehen besorgt und hast deine eigenen Pläne in den Hintergrund gestellt. " "Ja." Er lächelte. "Der einzige Grund, der mich hier festgehalten hat." Stefan hatte sich also gegen seinen Vater aufgelehnt und sich in wilde Abenteuer gestürzt, während sie sich gehorsam dem Willen anderer gebeugt hatte. Und bis jetzt, bis zu eben diesem Augenblick, hatte sie sie nicht eingestanden, wie schwer ihr dieser Gehorsam gefallen war. "Woran denkst du?", fragte er. "Durch das heutige Treffen mit dir habe ich mich zum ersten Mal im Leben strenger Sitte widersetzt." "Grace erzählte mir etwas anderes", widersprach er leise. "Sie erzählte mir, dass du dich oft gegen den Bruder von deinem Vater, deinen Onkel Mr. Nelson, aufgelehnt hast, um seine Diener immer wieder vor seinen Gewaltausbrüchen zu schützen, bis deine Mutter sie bei euch eingestellt hat, als er Boston verließ." Claire wandte den Blick ab. Sie wollte nicht an den Jähzorn ihres Onkels erinnert werden, der Gedanke war zu beunruhigend, zu demütigend. "Grace war Zeuge, als er dich bedrohte. Hat er dich geschlagen, Claire?" "Nein", sagte sie zögernd, denn sie wollte nicht ungerecht sein. "Ich war die Einzige, die ihm Einhalt gebieten konnte, wenn er ." Sie schloss die Augen in Gedanken an die wehrlosen Bediensteten, die ihr Onkel misshandelt hatte. "Er war nicht immer gewalttätig", fuhr sie schließlich fort. "Aber nach Vaters Tod begann er zu trinken. Seine Stimmungen waren so unberechenbar. Er war sehr launisch. Er konnte liebenswürdig und freundlich sein und beim geringsten Anlass gerat er in Wut. Es gelang mir meist, ihn zu beruhigen, aber irgendwann ertrug ich seine Nähe nicht mehr." Ihre Stimme wurde ein tonloses Flüstern. "Es ist schrecklich, das zu sagen, aber ich glaube, ich hasste ihn." "Nein, es ist nicht schrecklich." "Doch, es ist eine Schande, den eigenen Onkel zu hassen." "Nicht, wenn er es verdient. Ein Mann, der Abhängige schlägt" Er führte den Satz nicht zu Ende, sondern schüttelte erbittert den Kopf. "Ich würde am liebsten deinen Onkel kennen lernen." Claire zuckte bei dem Gedanken an eine solche Begegnung erschrocken zusammen. "Er hat größeren Schaden an dir angerichtet, als du wahrhaben willst. Und ich konnte dir nicht helfen, weil ich es nicht bemerkt hatte", fuhr Stefan nach einer Weile fort. "Wir waren doch noch Kinder. Mein ganzes Leben habe ich mich vor seinen Wutausbrüchen gefürchtet. Ich bin krank geworden. Über Jahre hinweg waren wir ihm hilflos ausgeliefert. Meine Großmutter, meine Mutter und ich hatten keinerlei Chancen gegen ihn. Seitdem hasse ich jede Gefühlsaufruhr. Aber ich könnte niemals dir die Schuld geben, Stefan." Ein Frösteln durchlief sie. Er streichelte ihr sanft über den Rücken und Claire fand Trost in seiner Berührung. Ihr Onkel konnte ihr nichts mehr anhaben. "Seit drei Jahren finde ich Frieden. Ich schrecke nachts nicht mehr aus dem Schlaf hoch aus Furcht, meinem Onkel zu begegnen." "Warum hast du mir all das verschwiegen?" "Was?" "Die Gefahr, in die du dich täglich begeben hattest!" "Was hätte es genutzt? " "Ich wusste nichts von alledem." "Es war auch meine Entscheidung, Stefan.", lächelte sie zaghaft. Er dachte lang über ihre Worte nach. Und als er sprach, klang er sehr vorsichtig. "Die Freiheit, die du bisher kennen gelernt hast, ist wie ein Kratzen an der Oberfläche, Claire." Sie sah in fragend an. "Wie kannst du das sagen? Ich fühle mich freier, als je zuvor." "Du könntest viel mehr wagen. Du erledigst dir noch immer Zwänge auf, beugst dich den strikten Regeln der Gesellschaft und den Erwartungen deiner Mutter." Eigentlich hatte er auch damit Recht, überlegte sie und blickte über den silbern glänzenden See. Sie presste trotzig die Lippen aufeinander. Sie hatte gewiss nicht den Wunsch nach Befreiung. Aber vielleicht sollte sie dennoch mehr Wagnisse eingehen. "In dir ist ein starker Lebenshunger, Claire, verborgen unter all deiner Sittenstrenge." Seine Stimme klang tief und melancholisch. "Du willst dich lebendig fühlen, du weißt nur noch nicht, wie." Sie spürte seinen forschenden Blick, als wollte er bis in die verborgenen Winkel ihre Seele dringen. Irgendwie begriff er die rastlose Sehnsucht, die in ihr schwellte, eine Sehnsucht nach Erfüllung, von der sie nicht einmal zu träumen wagte. "Und ich nehme an, du willst mir den Weg zeigen?", fragte sie schließlich skeptisch. "Ja, das ist mein Wunsch." Seine samtweiche Stimme umschmeichelte ihre Sinne. "Ich könnte dir eine Welt zeigen, von der du nichts weißt, eine bunte, schillernde, aufregende Welt. Du bist nicht glücklich in deinem eintönigen, grauen Dasein." "Du bist nicht für mein Glück verantwortlich, Stefan", murmelte sie beklommen. "Das vielleicht nicht, aber ich will dich von deinen Zwängen befreien." "Wie denn? Indem du meinen Widerstand brichst?" In der nächtlichen Stille vernahm sie allein ihren dröhnenden Herzschlag. "Schlägt dein Herz schneller bei dem Gedanken, dass wir uns lieben? Kannst du leugnen, dass meine Berührung dich erregt?" Nein, das konnte sie wahrlich nicht. Aber Stefan war ihr Freund. Doch sie begehrte ihn. Sie war sich der Stille der Nacht deutlich bewusst, des Kribbelns ihrer Haut, der verlockenden Verheißung seines Mundes. Die Luft zwischen ihnen schien zu knistern vor Spannung, als sie ihren Blick in seine Augen senkte. Ein wildes Rauschen erhitzte ihr Blut, eine wispernde Stimme drängte sie, ihre Hemmungen fallen zu lassen, sich den süßen Wonnen hinzugeben, die er versprach. Sie hatte wenig Erfahrung in der Kunst der Verführung, doch sie hatte einmal in einem Buch von ihrer Mutter gelesen, dass eine Frau große Macht über den Mann ausüben konnte, den sie beherrschen wollte. Sie blickte ihm unverwandt in die Augen, beugte sich langsam über ihn und legte ihre warmen Lippen auf seinen Mund. Stefan bewegte sich nicht, so als würde ihn ihr Mut erschrecken. "Meinst du das wirklich ernst?", fragte er nach einer Weile. Sie antwortete in gespielter Ruhe: "Sehr ernst. Du sagtest doch, ich sollte etwas riskieren. Das habe ich vor und beginne soeben damit." Sie legte ihm die flache Hand an die Brust, um ihn nach hinten zu drücken, er aber hielt ihr Handgelenk fest. Mit einem nervösen Lachen richtete sie sich auf. "Hast du etwa Angst vor mir, Stefan?" gurrte sie verführerisch. Er verengte die Augen. "Was hast du vor?" "Ich will deine Lust stillen. Wieder presste sie die Hand an seinen Brustkorb. Und vielleicht will ich mich ein wenig rächen. Dir gefällt es, mich zu quälen. Nun bin ich an der Reihe, dich zu quälen. Ein gerechter Ausgleich. Leg dich hin." Er gehorchte, doch seine heisere Stimme warnte sie. "Claire, ich bin kein Heiliger und rate dir dringend, nicht mit dem Feuer zu spielen." Sie lächelte träge, während sie seinen Mantel öffnete. "Als Heiligen würde ich dich gewiss nicht bezeichnen, Stefan. Und ich will nur mit dem Feuer spielen." Langsam knöpfte sie seine Weste auf und spürte seinen Herzschlag unter dem feinen Batist des Hemdes, spürte seine Wärme unter den Fingern. Ihre Hand glitt tiefer, zögerte eine Sekunde, bevor sie ihm das Hemd aus der Hose zog und seinen flachen Bauch entblößte. Als Stefan sich zu bewegen begann, furchte Claire warnend die Stirn. "Bleib still liegen." Er gehorchte und ihre Finger strichen federleicht über seine gespannte Bauchdecke. Unter hochgezogenen Brauen blickten seine listigen Augen in ihre Augen. Es ärgerte Claire, dass er so gut aussah und sich dessen bewusst war. Aber noch mehr ärgerte sie, dass er durchaus eine Wirkung auf sie hatte. Vermutlich hatten schon unzählige Frauen dem Verlangen nachgegeben, ihm das seidige goldbraune Haar aus der Stirn zu streichen oder diese schön gebräunte Haut zu liebkosen, die Gedanken weckte an. "Claire, flirtest du mit mir?" "Mr. Hastings", sagte sie in einem Versuch, sachlich zu erscheinen und schnappte dann gehörig nach Luft, als seine Hand versehentlich ihre wohlgerundete Brust streifte. "Ja?" Ihre Stimme verlor ihre Festigkeit und Claire flüsterte heiser: "Dieser Moment wird nichts verändern." "Claire", sagte er leise, "wann lernst du endlich, dass es unklug ist, mich zu reizen?" Und er verlieh seinen Worten Nachdruck, indem er ihr einen heftigen Kuss aufzwang. Sein Mund war heiß und hart; seine Arme umschlangen ihre Taille in wilder Besitzergreifung. Er war froh, dass sie ihm diesen Vorwand zum Austoben der in ihm brodelnden Wut geliefert hatte, froh, ihr beweisen zu können, dass er nicht so geschlechtlos war, wie sie zu glauben schien. Wochenlang hatte sie ihn behandelt, als wäre er Luft, hatte ihre freundlichen Worte und ihr flirtendes Lächeln den jungen Hüpfern vorbehalten, die um sie herumtänzelten. Er war ein Mann, mehr Mann, als sie ahnte und er wollte verdammt sein, wenn er es sie vergessen ließ. Mit einer zielsicheren Bewegung hob er sie auf seinen Schoß.

Der Kuss war ein Fehler. Das wusste er, sobald er spürte, wie ihre Lippen unter den seinen weicher wurden und die Arme, die ihn zurückgehalten hatten, anfingen, ihn näher zu ziehen. Weil er nach ihrer Berührung und ihrem Geschmack hungerte, war er in seine eigene Falle getappt. Er wollte sie nicht wieder loslassen, nachdem er nun wusste, dass sie ihm gehören konnte. Einen Augenblick noch hielt er an seinen Skrupeln fest, obwohl er wusste, dass es hoffnungslos war. Schon gab er sich selbst die Erlaubnis und schwor sich, hinterher alles wiedergutzumachen. Er knöpfte ihr Nachthemd auf und zog es herab, bis ihre Brust entblößt war. Mit dem Daumen rieb er eine zarte Spitze, bis sie zu einer festen Knospe wurde und ihr Körper sich wand vor Lust. Er trank ihr leises erregtes Wimmern wie ein Verdurstender in sich hinein. Es passierte ihm schon wieder. Kaum hatte er sie berührt, war er versessen darauf, sie zu nehmen, sie unter sich zu spüren und sich in ihr zu versenken. Mit einer anderen Frau hatte er so etwas noch nie erlebt. Er rückte sie in seinen Armen zurecht, so dass ihr Körper ihm voll zur Verfügung stand. Als sein Mund sich um eine harte Brustspitze schloss, hob er eine Hand unter ihr Nachthemd und ließ sie langsam vom Knöchel bis zum Schenkel hinaufwandern. Claires Gedanken waren Stefans nicht unähnlich. Es passierte ihr schon wieder. Er brauchte sie nur zu berühren und schon war sie wie Wachs in seinen Händen. Er konnte mit ihr tun, was er wollte, konnte aus ihr machen, was er sich wünschte. Er war stark, männlich und fordernd obendrein. Sie hätte entsetzt sein sollen. Stattdessen genoss sie es. Sie wollte ihn verzweifelt festhalten. Das konnte nicht sein. Bald würde sie Boston für lange Zeit verlassen, Stefan würde sie vergessen. In den letzten Tagen konnte sie kaum an etwas anderes denken. Sie wusste nicht, was die Zukunft bringen mochte außer Kummer und Schmerz und der Sehnsucht nach allem, was sie verloren hatte. Deshalb wollte sie den Augenblick genießen, nehmen, was sich ihr bot, bevor es nichts mehr gab. Erinnerungen, das würde das Einzige sein, was ihr später blieben. Sie zog an seinem Haar, zog seinen Kopf zu sich heran, damit sie ihn küssen konnte. Er schmeckte ihre Tränen auf der Zunge und hob den Kopf, um sie anzusehen. In ihren Augen stand ein Vorwurf. "Stefan?" Sie wusste nicht, warum er aufgehört hatte. "Sag kein Wort." Er blickte ihr lange in die Augen. Er wusste, dass er sie hätte haben können, aber er wollte nicht nur ihren Körper. Er fluchte, stand auf und schob Claire von sich. Er wartete, bis er seinen Atem wieder unter Kontrolle hatte und sagte dann: "Ich sollte dich jetzt besser nach Hause bringen." Er hielt ihr seine Hand hin, nachdem sie ihr Nachthemd wieder zurechtgezogen hatte, die sie mit zittriger Hand ergriff. Stefan bückte sich nach der Decke, brachte Claire zum Wagen und half ihr beim Einsteigen. Als er neben ihr saß und die Zügel aufnahm, warf er einen letzten Blick zum schimmernden See hinüber. Die Heimfahrt verlief schweigend. Claires Herz schlug bang, während sie überlegte, ob sie etwas falsches getan hatte. Als sie bei Claires Haus angelangt waren, hielt er an und half Claire beim Aussteigen. Er ließ jedoch sofort seine Hand von ihr, als hätte er sich an ihr verbrannt. "Stefan, habe ich etwas falsches getan?" ,fragte sie ihn unbeholfen. "Nein, nicht im Geringsten, Claire." "Warum ignorierst du mich dann?", fragte sie verzweifelt. Er trat einen Schritt auf sie zu und sah sie mit einem durchdringenden Blick an. "Ich ignoriere dich nicht. Verdammt, Claire, verstehst du nicht? Du verlässt in ein paar Tagen Boston, es könnte Jahre dauern bis wir uns wieder sehen. Ich hätte mich als Freund von dir verabschieden sollen, doch stattdessen habe ich mich wie ein gieriges Tier gegenüber dir verhalten. Ich wollte mich mit dir treffen, damit du weißt, dass ich auf dich warten werde, doch stattdessen bedränge ich dich zu etwas, was " "Allerdings" , sagte sie. "Es hätte zwar nicht das Geringste an meinen Plänen geändert, aber ich wäre besser auf Enthüllungen von der Art vorbereitet gewesen wie die, die du mir heute Nacht gemacht hast." "Verzeih mir, Claire. Ich wollte dich nicht verletzen." Ein schmerzlicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Claires Miene wurde ernst. "Nein? Und warum hast du es doch getan?" "Weil ich Angst davor habe, dass du Boston und uns alle hier vergessen wirst. Weil ich Angst davor habe, eine gute Freundin zu verlieren und weil ich Angst davor habe, dich nie wieder zu sehen." Sie sah ihn verwirrend an. "Und was hast du mir angetan? Mein bester Freund war ein Jahr lang spurlos verschwunden. Weißt du überhaupt welche Sorgen ich mir in dieser Zeit um dich gemacht habe? Hast du daran mal gedacht? Aber nein, es dreht sich natürlich alles immer nur um den armen Jungen Stefan der untergetaucht ist, weil er Angst davor hatte, Verantwortung zu übernehmen." "Claire, es reicht!" Er versuchte ihren Arm zu packen, doch sie riss sich los. "Nein, Stefan. Jetzt hörst du mir zu! Hast du dir jemals Gedanken darüber gemacht, wie es uns allen hier ergangen ist? Deine Mutter, Grace, dein Freund Lucas, alle hier waren über dein Verschwinden bestürzt, aber dir war es egal." Ein Schluchzen entwich Claire. Er versuchte sie in den Arm zu nehmen, doch sie ging ein Schritt zurück. Sie blickte direkt in sein Gesicht. "Du sollst wissen, dass ich auf dich gewartet habe. Jeden Tag hatte ich gehofft, dass du eines Tages wieder zurückkehrst, dass alles wieder so wird wie früher. Doch du kamst nicht. Und irgendwann erschien es mir sinnlos auf etwas zu warten, was niemals geschehen wird. Es ist nur mühsam und verletzend. " "Claire, ich " "Du solltest jetzt besser gehen, Stefan. Es wäre besser für uns beide." Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten, drehte sie sich um und eilte zum Haus. Die Rufe von Stefan ignorierte sie und schloss die Tür hinter sich.

"Du warst den ganzen Tag heute sehr still, Claire." Claire blickte auf, als sie die Stimme ihrer Mutter vernahm und bemerkte, dass Victoria ihr Schlafzimmer betrat. "Hast du nochmals mit Stefan wegen deiner morgigen Abreise gesprochen?" "Nein, Mutter. Ich wüsste auch nicht, was es noch zu besprechen gäbe.", erklärte Claire bedeutungslos, während sie ihr Haar bürstete. Victoria blickte sie verwundert an und ließ sich auf der Bettkante nieder. "Ich weiß, dass du es in den letzten Wochen nicht leicht hattest. Aber du sollst wissen, dass dies alles nur für dein Wohlergehen geschieht. Ich weiß nicht, was in den letzten Tagen zwischen dir und Stefan vorgefallen ist. Es geht mich auch nichts an. Du sollst nur begreifen, dass er dich sehr mag." "Er hat mich zutiefst verletzt, Mutter." Mit tränengefüllten Augen drehte sich Claire zu ihrer Mutter um. "Ich glaube, ich kann ihm nie verzeihen." Schluchzend ließ sich Claire neben ihrer Mutter nieder. Tröstend nahm Victoria sie in den Arm. "Wein doch nicht, mein Liebes. Es ist nicht leicht erwachsen zu werden. Zu lernen, mit" Victoria zögerte, als ihr bewusst wurde, was sie hatte sagen wollen, unsicher, ob sie es in Worte kleiden sollte. "Liebe?" fragte Claire. "Ich hatte eigentlich Leidenschaft sagen wollen." flüsterte sie. Das Wort schien noch eine Weile zwischen ihnen zu schweben. "Er ist nicht der derselbe Stefan, den ich einmal kannte. Sein Charakter und Verhalten ist so anders." seufzte Claire. "Ihr beide habt euch verändert, mein Liebes. Er ist erwachsen geworden. Du kannst ihn nicht mehr mit dem kleinen Jungen von früher vergleichen. Meiner Ansicht nach, glaube ich, dass ihr euch nie ausgesprochen habt und dass es euch nun vor der Verabschiedung zum Verhängnis geworden ist." "Er hat mich enttäuscht und verletzt, Mutter",klagte Claire. "Man muss lernen, Schmerz und Enttäuschung als Teil des Lebens zu akzeptieren." Zaghaft streichelte Victoria über das Gesicht ihrer Tochter. "Und was soll ich jetzt machen?" Fragend blickte Claire in das Gesicht ihrer Mutter. "Sprich mit ihm. Verabschiede dich von ihm. Denn nur dann kannst du sorgenfrei nach England gehen." antwortete sie. Victoria wandte sich gerade zum gehen, als Claire nach ihrer Hand griff. "Mutter, eine letzte Frage noch. Warum bist du strenger geworden? War es wegen Stefans Rückkehr?" fragte Claire unbeholfen. "Er ist ein Mann geworden, Claire. Noch ein durchaus angesehener, attraktiver Mann hinzu. Nicht das ich seine Ehre infrage stellen würde, aber ich hatte die Angst, dass du etwas bereuen könntest. Außerdem wurde es höchste Zeit, dass ich als Mutter einer pubertierenden Tochter etwas härter in der Erziehung durchgreife." Schmunzelnd drückte Victoria ihrer Tochter die Hand. "Ich hoffe du kannst mir meine Taten nachvollziehen. " "Ja, das versuche ich, Mutter." "Geh jetzt zu Bett, Claire." Victoria wollte gerade die Tür schließen, als sie ihre Namen vernahm und sich daraufhin umdrehte. "Ja, Claire?" "Danke."

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