Elfenkuss

By Wintertochter

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Seit drei Monaten sitzt Cardan nun schon auf dem Thron und noch immer geht alles drunter und drüber. Schließl... More

Prolog
Kapitel 1 ~ Marionettenkönig
Kapitel 2 ~ Verräterblut
Kapitel 3 ~ Der Brief
Kapitel 4 ~ Madocs Plan
Kapitel 6 ~ Pandora
Kapitel 7 ~ Alles außer Liebe
Kapitel 8 ~ Die Prinzessin der Tiefsee
Kapitel 9 ~ Faltermädchen
Kapitel 10 ~ Die Schlangenkönigin
Kapitel 11 ~ Memoria Setrecias
Kapitel 12 ~ Der sechste Sohn
Kapitel 13 ~ Die Spionin
Kapitel 14 ~ Verliebt
Kapitel 15 ~ Das erste Geheimnis
Kapitel 16 ~ Zerbrochene Uhren
Kapitel 17 ~ Die Nacht der Sommersonnenwende
Kapitel 18 ~ Ballgeflüster
Kapitel 19 ~ Wenn sich Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagen
Kapitel 20 ~ Das Märchen von Sonne und Mond
Kapitel 21 ~ Der Morgen danach
Kapitel 22 ~ Abschied
Kapitel 23 ~ Blutgift
Kapitel 24 ~ Der Turm des Vergessens
Kapitel 25 ~ Verräter
Kapitel 26 ~ Eine tägliche Dosis Gift
Kapitel 27 ~ Königsverhör
Kapitel 28 ~ Gras und Feuer
Kapitel 29 ~ Die Königin der Geschichten
Kapitel 30 ~ Wenn du liebst
Kapitel 31 ~ Der Keller der Spione
Kapitel 32 ~ Mörder und Kronen
Kapitel 33 ~ Der Lebendige Rat
Kapitel 34 ~ Nachtschattenblut
Epilog

Kapitel 5 ~ Ein gläserner Käfig

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By Wintertochter

Wie mechanisch klopfte ich an Orianas Zimmertür. Wut, Schock und Angst wirbelten in mir herum und bereiteten mir Bauchschmerzen. So schlecht hatte ich mich nicht mehr gefühlt, seit ich dieses Haus betreten hatte. Der Anhänger unter meinem Kleid pulsierte, als wolle er ein Loch in meine Haut brennen. Dennoch wagte ich es nicht, ihn herauszuholen. Ich wollte ihn nicht sehen, mich nicht schon wieder darin verlieren, was geschehen war. Es war seine Schuld. Hätte er mir das nie angetan, müsste ich jetzt nicht...

Ich konnte nicht verstehen, wieso mein Vater mich dazu zwang, sowas zu tun. Er wusste von meiner größten Schwäche und nun musste ich mein Land, meine Moral und vor allem sie verraten. Und doch...ich war ihr in diesem Moment näher als je zuvor. Die Tür öffnete sich mit einem Klacken und meine Stiefmutter blickte mich besorgt an. „Komm rein." Sie sah es, das war mir klar. Natürlich sah sie es. Sie war die, die es am ehesten sehen würde. Kaum, dass Oriana die Tür hinter mir geschlossen hatte, brach ich zusammen. Mein kompletter Körper zitterte und obwohl ich gerne geweint hätte, konnte ich es nicht. Es ging einfach nicht.


„Ich will nicht die Geliebte des Hochkönigs werden."

Mehr brachte ich nicht heraus und mehr musste ich auch gar nicht sagen. Sie sah mich nur ernst an und schüttelte bekümmert ihren Kopf. „Er hat es dir also gesagt."

„Ich will das nicht! Wie kann er mir das antun?" Ihr Gesicht war eine Maske, durch die ich ohne Probleme blicken konnte. Sie hatte Mitleid mit mir, wollte nicht, dass ich das tun musste, aber sie würde auch nicht dagegensprechen. „Du musst ihn nicht verstehen. Ich weiß, dass dir das nicht gefällt, Crystal. Aber genau deswegen ich weiß auch, dass du das schaffst, worum ich dich jetzt bitte.", begann sie nach einer langen Pause schließlich. Ich blinzelte verwirrt. „Was meinst du? Ich muss es tun, sonst wird er mich zurückschicken, weil ich gegen das Gesetz von Elfenheim verstoßen habe, als ich ihn verlassen habe." Oriana machte einige Schritte auf mich zu und nahm meine Hände in ihre. Sie waren so viel wärmer als meine, dass es wehtat. „Du darfst das Erbe deiner Mutter nicht aufgeben, Crystal. Lass nicht zu, dass sie umsonst gegangen ist. Versuch, ich so weit wie möglich vom König fernzuhalten. Das sollte nicht allzu schwer sein, er wird sehr beschäftigt sein und du bist mit deinen Pflichten als Lehrerin ausgelastet. Tu nichts, was den Prozess beschleunigen könnte. Dein Vater kann dich nicht unter Druck setzen, solange du nicht unter vier Augen mit ihm sprichst, also tu das nicht." Ich war mehr als nur durcheinander. Zuerst gab mir mein Vater Anweisungen, jetzt Oriana. „Ich...ich habe zugestimmt, damit er mich nicht zurückschickt oder irgendwas offenbart. Ich kann jetzt nicht einfach das Gegenteil machen..."

„Das ist mir durchaus bewusst. Aber hat Madoc dir gesagt, wie du es tun sollst? Vermutlich nicht.", Orianas Hände wanderten zu meinen Schultern, „Du musst verhindern, dass er Gefühle für dich entwickelt. Du hast nichts versprochen, oder?" Ich schüttelte stumm den Kopf. „N-nur, dass ich ihm nichts von dem Plan erzählen werde. Ich kann das nicht mal."

„Na bitte. Nutz das aus. Ich soll dir innerhalb von einer Stunde beibringen, was du tun musst, damit dich ein Hochkönig beachtet. Du machst einfach immer genau das Gegenteil davon, was ich dir im Folgenden sage, verstanden?" Langsam nickte ich, obwohl ich noch immer nicht sicher war, ob das klappen würde.



Ein paar Stunden später standen wir alle draußen auf dem Hof. „Du hast alles?", wollte mein Vater wissen. Ich wusste, dass er nicht nur mein Gepäck meinte und nickte, während ich ihn mit wütenden Blicken durchbohrte. Glaub mir, ich weiß ganz genau, was ich tun muss. „Viel Erfolg, Crystal." Oriana nickte mir zu und lächelte mir so leicht zu, dass man es kaum sehen konnte. Ich lächelte ebenso leicht zurück, der Zorn in mir löste sich ein Stück weit auf. Mit entschieden festen Schritten schritt ich zur Kutsche und stieg ein. Dabei winkte ich ihr noch einmal zu und erdolchte ihn förmlich mit meinen Augen. Dann ließ ich mich nachdenklich in die dunklen Polster der Sitze sinken. Während die Kutsche von außen wie aus silbrig-grünem Metall gewirkt hatte, welches mit gläsernen Verzierungen geschmückt war, war sie von innen durchsichtig, sodass ich alles sehen konnte, was um mich herum passierte. Im inneren der Kutsche standen ein paar der zerbrechlichen Truhen, in denen recht wertvolle Artefakte waren, was hieß, dass meine Kalmotten hinten waren. Kurz sah ich einmal hinter mich, durch die Wand hindurch. Mein Vater sprach leise mit dem Kutscher, ein Elf mittleren Alters mit Hasenohren und zuckender Nase. Meine Augen wurden schmal. Noch immer verstand ich nicht, warum er das wollte. Ich, eine Geliebte des Hochkönigs, das war doch wohl ein Witz. Ich war niemand, der sich groß auf Festen vergnügte, geschweige denn sich mit Jungen auskannte. Die wenigen Erfahrungen, die ich gesammelt hatte, waren schmerzhaft und eher schlecht verlaufen. Ich wollte mich nicht daran erinnern. Ich wollte mich an nichts erinnern, was mir passiert war. Es war lächerlich.

Doch das vermutlich schlimmste an der Vorstellung, die Liebhaberin von König Cardan zu sein, war schlicht und einfach, dass ich ihn nicht liebte. Bis auf diesen einen Anblick vor elf Tagen hatte ich ihn nur aus der Ferne gesehen und nie versucht, ihm näherzukommen. Ich kannte ihn praktisch nicht. Das hieß, natürlich wusste ich, wie er äußerlich drauf war, und natürlich hatte ich ihn und seine Freunde schon oft gesehen und gehört. Sie waren ziemlich schwer zu überhören gewesen. Aber das war doch nicht, was eine Person ausmachte, oder? Ich glaubte nicht, dass man immer so war, wie man sich verhielt, nicht mal als Elf. Nur, weil man nicht lügen konnte, ließ man nicht automatisch sehen, wer man war. Das tat ich ja auch nicht. Ein Rattern riss mich aus meinen Gedanken. Blinzelnd sah ich auf und mir wurde bewusst, dass wir losgefahren sein mussten. Gerade passierte die Kutsche die Mauer des Stützpunktes und wir kamen in den Wald. Zurücksehen wollte ich nicht, also ging ich im Kopf noch einmal durch, was Oriana mir gesagt hatte.

Du musst nicht unhöflich sein, aber wenn du wirklich verhindern willst, als potenzielle Geliebte in Erwägung zu treten, musst du deutlich machen, dass du dich nicht einfach unterordnen willst. Wie du vielleicht weißt, ist der König recht stolz. Ein falscher Kommentar und du bist tot Trotzdem solltest du nicht die ganze Zeit still dasitzen und dir alles gefallen lassen. Leichter gesagt als getan. Ich war nicht wirklich gut darin, meinen Kopf bei Fremden durchzusetzen und still in der Ecke sitzen war wohl eines der wenigen Dinge, die mir keinerlei Probleme bereiteten. Ja, ich hatte einen Sturkopf, aber sobald mir jemand zu viel dagegenredete, gab ich schnell auf. Die wohl wichtigste Regel ist für dich, dass du eine Mauer aufbaust. Mach ihm klar, dass du nicht für romantische Affären offen bist. Egal, was er versucht, du darfst nicht weich werden. Wenn er etwas versucht, ist es vermutlich sowieso schon zu spät. Wenn nötig, brich ihm das Herz. Sag ihm direkt in Gesicht, dass du nichts für empfindest und er aufhören soll. Allerdings hoffe ich sehr, dass du das nie tun musst. Ja, das hoffte ich auch. Wie gesagt, ich war nicht gut darin. Außerdem taten mir solche Leute immer leid...ich war zu mitfühlend für diese Welt.


Das leichte Rütteln einer Wichtelin weckte mich auf. Ich zwinkerte einige Male und sah mich um. Die Kutsche hatte angehalten und stand nun im Hof des Palastes. Ich musste über meinen Gedanken eingeschlafen sein, anders ließ sich das nicht erklären. Langsam hob ich meinen Kopf aus den weichen Polstern, obwohl es sich noch immer anfühlte, als wäre er in Watte gepackt. „Miss Nightshade, Sie sind jetzt da.", sagte die Wichtelin unnötigerweise, ehe sie den Wagen verließ. Ich folgte ihr langsam. Ohne den grünlichen Stich, den die Welt durch das Glas der Wände hatte, fühlte sie sich wieder echter an. Vor dem Palast herrschte geschäftiger Lärm. Überall trugen Wichtel Kisten durch die Gegend, Pixies flatterten mit großen Blumentöpfen umher, Diener luden Gepäck von Ankömmlingen wie mir ab und neue Reiter trafen wohl alle paar Sekunden an, ebenso schnell wie sie wieder verschwanden. Die lauten Geräusche und vielen Personen verunsicherten mich, trotzdem machte ich mich daran, das zu tun, was per Brief abgeklärt worden war. Ich schlängelte mich durch die Leute hindurch und gelangte nach einiger Zeit zum Eingangstor. Dort erwarteten mich scheinbar zwei Personen. Jude, die mir bereits erklärt hatte, dass sie mich herumführen und mir alles erklären würde, in einem efeugrünen Kleid mit goldenem Saum und redete mit... Oh nein...nicht ausrechnet...

Doch. Ausgerechnet er. Neben meiner Adoptivschwester stand die Person, von der ich gehofft hatte, sie nicht zu treffen. Cardan Greenbriar. Das Schicksal muss mich doch echt hassen. Was macht er hier? Innerhalb der paar Sekunden, die mir noch blieben, bevor die beiden ihr Gespräch vermutlich unterbrechen würden, und mich bemerkten, setzte ich eine Maske der Neutralität auf und zwang mich zu einer äußeren Ruhe. Auch innerlich versuchte ich, rational zu bleiben. Gefühle aussperren, Kopf und Herz trennen, Seele und Körper nicht mehr zusammenhängend sehen. All diese Dinge könnten mir helfen. Sie mussten es. Ich schloss kurz die Augen, ehe ich meinen Weg wieder aufnahm und schließlich vor den beiden stand. Dort räusperte ich mich leise. Jude und Cardan hoben gleichzeitig den Kopf und während letzterer sich einfach unterbrach, schenkte Jude mir sogar ein Lächeln, das ich vorsichtig erwiderte. „Crystal. Schön, dass du gekommen bist. Hattest du eine gute Fahrt?"

„Ich habe geschlafen. Von daher kann ich nur sagen, dass diese Polster sehr bequem waren." Sie blinzelte kurz und nickte dann. „Gut. Der Plan für heute sieht folgendermaßen aus. Ich führe dich herum, bringe dich in dein Zimmer, du hast etwas Zeit, dich einzurichten und dann gibt es Essen. Morgen fängt dann eure erste gemeinsame Stunde an." Ich runzelte leicht die Stirn. Irgendwas an dieser Formulierung stimmte nicht. „Unsere?", widerholte ich gedehnt. Ich hatte nicht gewusst, dass ich noch mit einem anderen Lehrer arbeiten würde. „Ja, eure. Sofern Cardan pünktlich ist. Was ich bezweifele."

Mein Mund klappte auf, während Cardan meine Gedanken mehr als nur passend ausdrückte. „Bitte was?!" Jude sah zwischen uns hin und her und lächelte unschuldig. „Oh, hatte ich vergessen, das zu erwähnen? Das tut mir aber sehr leid. Wie wäre es, ich bringe Crystal auf ihr Zimmer und erkläre es ihr auf dem Weg und dann komme ich wieder und erkläre es dir, Cardan? Klingt doch nach einer guten Idee, oder?" Irgendwie sah es so aus, als fände er nicht, dass das eine gute Idee war, aber er sagte auch nichts dagegen. Jude bedeutete mir, ihr zu folgen und warf dem König ein kurzes „Warte einfach hier auf mich" zu. Ich machte, dass ich ihr hinterherkam, wobei ich noch einen letzten Blick über meine Schulter warf. Cardan warf uns beiden einen Blick zu, bei dem ich vermutlich tot umgefallen wäre, wenn ich nicht an solche Blicke gewöhnt gewesen wäre.

Während wir durch die vielen verzweigten Gänge schritten, begann Jude zu reden. „Ich muss wirklich vergessen haben, dir zu sagen, dass du Cardan unterrichten solltest, oder? Es ist nur leider so, dass es immer unwahrscheinlich war, dass er König wird, und er sich dementsprechend auch kaum mit Artefakten auseinandergesetzt hat. Und jetzt haben wir den Salat. Von uns kennt sich auch keiner so wirklich damit aus, zumindest nicht so gut wie wir sollten. Der letzte Hofartefaktor ist vor kurzem gestorben und du warst unsere einzige bekannte Möglichkeit." Ich nickte nur langsam. „Der Hochkönig hat aber auch ziemlich...ähm überrascht gewirkt."

„Er hört eher selten zu. Ich wünsche dir jetzt schon Glück im Unterricht." Ich seufzte leise. Hätte mein Vater mir nicht erzählt, dass Jude und der König nicht nur ehemalige Klassenkameraden, sondern auch nicht die besten Freunde gewesen waren, hätte ich mich vermutlich über die Art wie sie über ihn redete gewundert. So war ich einfach nur durcheinander. „Ja...das werde ich wohl brauchen." Kurz blieben wir noch still, dann standen wir vor einer unscheinbaren meergrünen Tür, in die ein paar Pflanzen eingeschnitzt worden waren. „Dein Zimmer", erklärte Jude knapp, „Auf dem Bett liegt deine Uniform, die musst du aber nur während des Unterrichts tragen. Wenn du möchtest, kannst du dich jetzt etwas einrichten. Ich hole dich dann zum Abendessen ab. Deine Sachen kommen bestimmt gleich" Ich nickte leicht und sah ihr noch eine Weile nach, als sie den Weg zurückging, den wir gerade gekommen waren. Dann öffnete ich die Tür und schloss sie direkt hinter mir. Langsam ließ ich mich am warmen Holz hinabgleiten und blieb in der Dunkelheit sitzen.

In meinem Kopf formte sich ein Wort. Ich hatte es nur einmal gehört, als Mutter mich zu einem Besuch in die Menschenwelt mitgenommen hatte. Damals hatte ich sie nach der Bedeutung des Wortes gefragt, doch sie hatte mir gesagt, dass ich dieses Wort niemals sagen sollte. Nun musste ich es doch tun. Mein Kopf kippte nach hinten und ich blickte zur Decke hinauf, die Arme um meine Knie geschlungen. „Scheiße..."

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