Dein. Lautes. Schweigen

By MartinaRiemer

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Für Riley beginnt ein neuer Lebensabschnitt, nachdem sein sportlicher Traum aus gesundheitlichen Gründen gepl... More

1. Es roch nach Freiheit
1. 2. - Es roch nach Freiheit
2. Das nächste Jahr konnte ein Spaß oder ein Albtraum werden
3. Ein wenig Fernsehen hat noch keinem geschadet
3. 2. - Ein wenig Fernsehen hat noch keinem geschadet
4. - Sogar Limonaden können heimtückisch sein
4. 2 - Sogar Limonaden können heimtückisch sein
4. 3. - Sogar Limonaden können heimtückisch sein

2. 2. - Das nächste Jahr konnte ein Spaß oder ein Albtraum werden

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By MartinaRiemer

Riley

Das Wohnheim war so großzügig gebaut, wie es von außen vermuten ließ. Vom großen Eingangsbereich führte rechts eine Treppe nach oben zu den anderen Stockwerken. Links befand sich ein kleiner Aufzug für zwei Personen. Die Böden waren mit alten, dunklen Parkett ausgestattet, die Wände cremeweiß gestrichen und ein großer, offener Aufenthaltsraum auf der linken Seite lud zum Verweilen ein. Eine Wand war mit hohen Regalen voller Bücher gesäumt. Neben der Bibliothek standen diverse Musikinstrumente, eine schwarze Ledercouch und zwei bequeme Sessel mit passendem Couchtisch aus dunklem Glas. Dazwischen lagen mehrere farbige Sandsäcke auf einem dunkelgrauen Teppich. An den Decken waren drei gut sichtbare Kameras platziert, die jeden abschrecken würden, der auf die Idee kam, hier etwas zu klauen.

„Nett", murmelte ich mit einem anerkennenden Pfiff. Die modernen Instrumente ergaben zusammen mit den gediegenen Bücherregalen aus Kirschholz einen interessanten Mix, bei dem man sich sofort wohl fühlte. Ich hatte noch nicht einmal mein Zimmer gesehen, schon liebte ich dieses Haus. Ich würde sogar im Eingangsbereich schlafen oder unter der Treppe hausen, wenn ich nur hierbleiben konnte. Zum Glück war das Dank Grace nicht nötig und wieder einmal wurde mir klar, die beste Schwester überhaupt zu haben.

Die ganze Führung im Untergeschoss dauerte keine zehn Minuten, da Summer es eilig zu haben schien, mir die anderen Mitbewohner vorzustellen. „Nachher zeige ich dir das oberste Stockwerk mit deinem Zimmer. Grace und ich werden im zweiten Stock sein, gemeinsam mit den anderen Mädels. Das Erdgeschoß, Stockwerk eins und zwei sind für die Mädchen. In drei, vier und fünf sind die Jungs untergebracht. Wir haben zwar nicht viele Regeln, aber Jungs und Mädchen müssen laut Verwaltung offiziell immer noch getrennt schlafen. Totaler Humbug. Verstehst du diese Regeln?"

„Absolut nicht", versicherte ich ihr schnell, obwohl mir ziemlich schnuppe war, wer mit wem ein Zimmer teilte. Generell kam ich mit allen ganz gut zurecht, egal ob Männlein oder Weiblein. „Danke noch mal, dass ich hier pennen darf. Es ist echt toll."

„Papperlapapp, du bist Grace's Bruder und damit gehörst du so gut wie zur Familie", beschwichtigte mich Summer und hakte sich bei mir unter. „So, und jetzt lass mich dir den Rest der Truppe vorstellen! Auf geht's."

Die Uni hatte einen Sport und Kunstschwerpunkt, daher waren viele Studenten dieser beiden Gruppen vertreten. Da Summer und Grace beide in der Band sangen, während Summer gleichzeitig Gitarre spielte, fehlten noch die anderen Instrumente. Wie zum Beispiel das Schlagzeug, das Fynn spielte. Ein witziger Typ mit braunen Rastazöpfen und dunkler Nerdbrille. Er begrüßte mich mit einem Fist Bump und bot mir einen Lutscher an, der nach Cola schmeckte. Am Keyboard stand ein Mädchen mit hellbraunen Haaren namens Josephine, kurz Joey genannt, welche kurz meine Hand schüttelte. Der Bass wurde von Esther gespielt, eine Austauschstudentin aus Deutschland. Im Background sangen das Geschwisterpaar Mary und Olsen, beide mit rötlichem Haar. Falls sich Grace vorstellte, mich ebenfalls in die Band zu stecken, um einen auf Trapp Familie zu machen, konnte sie das knicken. Ich hatte viele Talente, zu singen gehört nicht dazu.

Neben den Leuten aus der Band, gab es zwei Mädchen aus dem Fußballteam, die Lorelai und Kenzie hießen. Beide brünett und mit einem netten Lächeln. Außerdem waren es aus der Fraktion der Sportler Dexter, Brian und Chloe. Der blonde Brian und die schwarzhaarige Chloe mit Bob waren Fußballer und dementsprechend schlank gebaut - Chloe im Frauenteam, Brian im Männerteam. Dexter hingegen war ein stämmiger Kerl mit dunkelbraunen Locken aus dem Football-Team, der nicht viel redete, mir aber freundlich zunickte. Summer erzählte gerade, dass ihr Cousin Sean erst nächstes Semester zurück an das College kommen würde, nachdem er sich eine Auszeit für eine Europa- und Asienreise genommen hatte. Der letzte Typ aus Summers engerem Freundeskreis, war Jason. Während Summer über Sean sprach, eilte Jason die Treppe nach unten. Ich versuchte nicht in seine Richtung zu blicken und mich auf Summers Erzählung zu konzentrieren, aber es fiel mir schwer. Schlechtes Gewissen und Neugierde kämpften um die Oberhand.

Bei uns angelangt, schlug Jason mit Dexter mit der Faust zusammen, die anderen begrüßte er mit einem Nicken, um es sich anschließend in einem breiten Sessel bequem zu machen. Nun lümmelte er dort, die Beine lässig über eine Lehne gelegt und kritzelte in seinem Block herum.

„Das ist Jason", sagte Summer und deutete in seine Richtung, woraufhin ich antwortet: „Wir haben uns schon kennengelernt", um Grace zuvorzukommen. Bei der Erwähnung seines Namens nickte er gelangweilt, ohne in unsere Richtung zu sehen, als wäre es ihm piepschnurzegal, was um ihn herum passierte oder wer hier zukünftig ein- und ausging. Auch gut, dann sollte ich eben ignoriert werden. Ich musste mich nicht mit jedem verstehen, obwohl es das Zusammenleben leichter machen würde. Ich hoffte, dass ich mir ein Zimmer mit Dexter, Brian oder Fynn teilen würde. Die drei wirkten gesprächiger als Jason und Gespräche waren mir definitiv lieber als starres Schweigen. Lange genug hatte in meinem Kopf Schwärze und Stille geherrscht.

Die restlichen Studenten im Cleveland House hatte die Studentenverwaltung selbstständig zugeteilt. Diese hatten sich in ihre Zimmer zurückgezogen oder schleppten ihren Krempel bei der Tür herein.

Damit war die Vorstellungsrunde vorbei und die ersten Leute verdrückten sich in Gruppen. Ich war gespannt, wie alles werden, welche Freunde ich finden würde, aber zuerst musste ich mich in meinem Zimmer einrichten. Die stundenlange Fahrt, bei der wir uns hinterm Steuer abgewechselt hatten, forderte seinen Tribut. Ich konnte das Gähnen beim besten Jedi-Willen nicht mehr zurückhalten. Was meine Schwester prompt bemerkte.

„Los jetzt, wir müssen dir dein Zimmer zeigen und dann packen wir am besten gleich aus und gönnen uns eine Pause. In wenigen Tagen ist dein erster Tag an der Bluefield, das ist aufregend."

Gesagt, getan. Beide verabschiedeten wir uns von den anderen und bestiegen mit unseren Taschen bewaffnet den Aufzug, in dem wir mit unserem Zeug gerade so reinpassten. Zuerst blieben wir im zweiten Stockwerk stehen, wo ich meine zwei Taschen und einen Karton im Flur abstellte, um Graces Gepäck aus ihren Fingern zu befreien. Protestierend schnaubte sie. „Du musst nicht meine Sachen tragen, ich bin eine selbstständige Frau."

„Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Mir ist schon klar, dass du deine Taschen selbst tragen kannst, genauso kann ich dir aber helfen, weil ich kein Arschloch, sondern dein Bruder bin. Außerdem habe ich nur eine auf den Kopf bekommen und nicht mein Rückgrat oder meine Muckis verloren", scherzte ich, um ihre Anspannung zu lösen. Ich schulterte die Taschen und deutete ihr an, den Weg zu zeigen. „Na los, wo ist dein Zimmer?"

Unzufrieden seufzte sie, ging jedoch voran. Grace war schon immer eine beschützende große Schwester gewesen, was sich verschlimmert hatte, als ich mich in der High School geoutet hatte. Doch seit dem Vorfall im Frühling meines Abschlussjahres ähnelte sie beinahe einer Löwenmutter. Ein Verhalten, das irgendwie süß und gleichzeitig extrem nervig war.

Ein breiter Gang mit dunklem Holzboden führte zu den einzelnen Zimmern. Grace und Summers Zimmer 2A lag auf der linken Seite. Sobald sie aufgesperrt hatte, traten wir ein und ich stellte ihre Taschen neben die Tür. Gott bewahre, und ich trug die Dinger noch in ihr Zimmer. Grace stand neben mir und ließ den Blick schweifen, bevor sie sich mir zuwandte. „So, da wären wir. Das ist mein Reich! Ich lass dich jetzt in Ruhe auspacken, du hast 5C. Wir sehen uns später. Einverstanden?"

„Danke, ich weiß. Steht auf dem Schlüsselanhänger", antwortete ich und trat auf den Flur hinaus. „Wir können uns hier treffen und gemeinsam Abend essen. Ich pack nur schnell aus. Und ich werde Mum Bescheid geben, dass wir hier sind."

So schön die gewonnene Freiheit war, ich hatte ein schlechtes Gewissen, sie mit der Information, wir seien gut angekommen, warten zu lassen. Grace stöhnte an den Türrahmen gelehnt: „Oh ja, bitte. Mach du das, ich habe jetzt keine Nerven dafür. Danke, ich schulde dir was."

„Wie immer." Grinsend drehte ich mich um und marschierte zum Aufzug. Bevor dieser aufging, rief mir meine Schwester hinterher: „Ach und Riley. Häng im Zimmer ja nicht diese Dinger auf."

Nachdenklich zog ich die Augenbrauen zusammen und stellte mich unwissend. „Keine Ahnung wovon du redest."

Sie taxierte mich mit einem strengen Blick, der etwas schelmisches hatte. „Unverbesserlich. Tu, was du nicht lassen kannst."

Zustimmend hob ich den Daumen. „Und ob ich das werde. Du kennst mich ja", meinte ich, um ihr zu verstehen zu geben, dass ich in meinem Zimmer machen würde, was ich wollte. Mein Reich, meine Regeln. Sie grinste breiter. Immerhin war es ein Schritt zum alten Riley. Dem Riley mit unzerstörbarem Selbstvertrauen und dem es vollkommen egal war, was andere Leute über ihn dachten. Leben und leben lassen, war meine Devise gewesen. Solange, bis jemand ein Problem mit meiner Lebensweise gehabt und es eindrucksvoll gezeigt hatte. Angewidert schüttelte ich den Kopf, um die Schatten zu vertreiben. Anschließend fuhr ich hoch in mein Zimmer.

Wie das restliche Heim, war unser Wohnbereich und mein Zimmer mit dunklem Holz ausgestattet und die Wände hellgrau gestrichen. Hellgrüne Vorhänge hingen an den Fenstern und ein blaues, großes Sofa stand an der anderen Seite gegenüber der Eingangstür, an deren linken Seite sich die Küche öffnete. Beim Fenster, dort wo das Sofa stand, war bereits ein Fernseher angeschlossen. Daher stellte ich meinen Karton daneben, um später die Playstation anzuschließen. Zwar hatte ich nicht vor, all zu viel zu spielen, aber ohne wäre ich auf keinen Fall ausgezogen. Wenn schon kein echtes Fußball mehr, dann zumindest virtuell. Das würde ich mir nicht nehmen lassen.

Anschließend schleppte ich die vollgestopften Taschen in mein Zimmer. Ich wusste nur, dass das andere schon belegt war, weil mein zukünftiger Mitbewohner eine altmodische Krawatte an der Türklinke befestigt hatte. Komisch, tat man das nicht, wenn man nicht gestört werden wollte, weil man Sport in der Horizontalen ausübte? Amüsiert drehte ich mich um und verstaute meine Sachen im Kühlschrank, um anschließend mein Zimmer in Beschlag zu nehmen. Es war klein, aber fein. Ein Fenster, unter dem ein Schreibtisch mit Leselampe und Stuhl stand. Rechts neben der Tür ein Einzelbett und links von der Tür ein Kleiderschrank. Außerdem stand an der rechten Wand zwischen Bett und Schreibtisch eine Kommode. Mehr als ausreichend Platz, um alles unter zu bekommen.

Zuerst zog ich die Vorhänge beiseite und öffnete das Fenster. Beim Ausblick blieb mir die Spucke weg. Von hier aus konnte ich einen großen Teil des Campus, der anderen Wohnheime und der Universitätsgebäude sehen. Am beeindruckendsten waren die alten, ehrwürdigen Gemäuer, die rund um den parkähnlichen Campus angeordnet waren. Hohe Bäume warfen Schatten auf die grüne Rasenfläche und die gepflasterten Gehwege darunter. In weiterer Entfernung konnte ich sogar die Sporthallen, den Fußball- und den Footballplatz erkennen. Nach meinen Rundblick, räumte ich schließlich meine Taschen aus: Die Klamotten in den Kleiderschrank, Lehrbücher gestapelt links auf den Tisch mit dem Plan der Uni und den Schreibsachen. DVDs und die Star Wars Bücher auf der rechten Seite des Tisches, um vom Bett aus schnelleren Zugang zu ihnen zu haben. Vermutlich hätte ich mir nicht so viele Spaßbücher mitnehmen sollen, da die Kurse in Chemie und Physik genügend Zeit fressen würden, aber ich hatte beim Packen nicht widerstehen können. Immerhin fühlte ich mich dadurch heimeliger. Wo wir bei den nächsten Dingen waren, die ich aus den Taschen fischte. Ich entrollte das Han Solo Poster, das in zwei Teile geteilt war. Das erste Bild hängte ich auf den linken Flügel des Kleiderschranks, das Han Solo in Karbonit von vorne zeigte. Seine eingefrorene Hinterseite befestigte ich an den rechten Flügel. Die Bilder rangen mir immer ein Lächeln ab, sobald ich sie sah. Anschließend starrte ich unschlüssig auf die beiden Schwerter und die restlichen Sachen am Boden meiner Tasche, die meine Schwester vorhin gemeint hatte. Sollte ich sie aufhängen oder lieber in einer Schublade verstecken? Jedes Mal hatten mich meine Freunde damit verarscht und gemeint, ich sollte mich beim Cast von The Big Bang Theory bewerben. Mit meinem Chemiestudium würde ich tatsächlich ganz gut dazu passen, nur dass ich heißer aussah. Selbstbewusstsein musste sein. Außerdem wurde ich oft von Frauen angegraben, denen ich jedes Mal einen Korb erteilen musste, weil ich war, wie ich war.

Nein, ich wollte mich nicht verstecken, sondern sein, wie ich wollte. Demonstrativ stellte ich meinen Darth Vader Helm auf die Kommode. Gut sichtbar. Sofort fühlte ich mich besser. Nun war es gemütlicher und ich mit dem Zimmer verbunden. Diese Tatsache drängte die Schatten der Vergangenheit zurück. Fehlten nur noch zwei Dinge. Ich schnappte mir die Schwerter, drückte einen Knopf und eines der Laserschwerter erwachte mit einem Surren und rotem Licht zum Leben. Den Blick auf das Licht geheftet, folgte ich den Bewegungen, die ich schnell ausführte und so tat, als hätte ich eine Ahnung davon. Egal, wie ich damit aussah, ich fühlte mich gut dabei. Die Bewegungen gaben mir die Sicherheit und den Glauben, die wichtigen Dinge selbst in der Hand zu haben.

Schließlich schaltete ich das Laserschwert aus und hängte sie beide an die Wand über dem Bett, anstatt sie in einer Schublade zu verstecken. Es würde sowieso niemand außer Grace in mein Zimmer kommen. Danach holte ich mein Handy hervor und wählte die Nummer unserer Eltern.


~*~

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