Die Chroniken aus Ravan II...

Από StephanieBerth

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Der Kronprinz der Unih befindet sich auf seiner abenteuerlichen Reise ins Exil und kann nur auf sich selbst u... Περισσότερα

1. Kapitel - Sli
2. Kapitel - Uhowo
3. Kapitel - Lydia
4. Kapitel - Ethleb

Anfang

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Από StephanieBerth

Anfang

Väter erzählen ihren Söhnen von Göttern,

denn wir sind aus dem Blut der Erde geschaffen.

„Durlundin ward aus dem Reich der ursprünglichen Wolken geboren, Naturgebilde von einst, die kaum etwas mit dem gemeinsam haben, welche die Menschen kennen. Daher ist es so schwierig, Legenden aus alten Zeiten zu erzählen. Selbst das Verständnis der Zeit konnte nichts gemeinsam haben mit dem, was die Menschen heute zu kontrollieren glauben. Allerdings war es eine Zeit, die viel länger angedauert hatte als die Herrschaft der Menschen. Jene die heute glauben, ihre Macht sei heute von Wichtigkeit, können davon ausgehen, dass die wahrhaftigen Herren der Erde noch immer existieren und eines Tages aus ihrem Schlaf erwachen werden. Daher ist es sicherlich eine gute Sache, wenn Väter und Mütter aus hohen Familien ihren Kindern von den alten Legenden erzählen und sie dazu ermahnen, die Namen und Geschichten der Götter auswendig zu lernen.

Wolkenmassen umgaben die junge Erde und bezogen ihre Kraft direkt aus dem Staub der Sterne und der Himmel war dunkel. Die junge Erde ruhte in der Finsternis, denn der Moment, an dem sie vom Sonnenstern berührt werden konnte, war noch nicht gekommen.

Durlundin nannte sich selbst der Schwarze, denn seine Haut war pechschwarz, ebenso sein langes seidiges Haar, welches seinen gesamten Körper wie einen Mantel umgab. Seine Augen beobachteten seine Welt. Eine Welt in ständiger Bewegung, die Elemente tanzten in ihrer ursprünglichsten Form, fanden zueinander, teilten sich, ergaben Neues.

Er war der jüngste aus seiner Bruderschaft, Gimmynsar war der Älteste, nach ihm ward Rilbanfil geboren und lange Zeit später kam Durlundin hinzu. Durlundin beobachtete seine Brüder gerne und versuchte zu begreifen. In seinem Herzen warteten unzählige Fragen auf Antworten und wenn er mit Grimmynsar zusammen sein konnte, nutzte er die Zeit, um Antworten zu hören, die sein Bruder geben konnte. Denn Grimmynsar war der erste gewesen, der sich fragte, woher sie kamen und aus welchem Grunde sie hier waren. Der Jüngste fragte sich, wozu die Kraft in seinen Händen und Muskeln dienen sollte und warum die drei Brüder zwar ähnliche geformt waren, aber so unterschiedlich aussahen und sehr verschiedene Charaktere hatten. Auf die meisten Fragen vermochte Grymmynsar nicht zu antworten, also zog er sich zurück um zu meditieren.

„Wir sind an diese Erde gebunden!", sagte er „Ich habe das Reich der Wolken verlassen, um von der Erde zu lernen. In ihr brennt ein ewiges Feuer, ich versuche es zu verstehen. Im Licht der roten Glut erfreuen sich meine Augen und die Mäander der tanzenden Fluten aus Lava lernen mir, aus was die Zukunft geschaffen wird."

Durlundin verstand kein Wort von dem was sein Bruder sagte und erklärte sich diese Tatsache, dass Grimmynsar viel älter und tugendhafter war. Grimmynsar veränderte sich jedes Mal, wenn er von den Augen seiner Brüder erblickt wurde. Er war grösser, seine Schultern breiter, seine Haut, sein gesamtes Wesen verbündete sich mit dem, was ihn umgab. Seine Augen waren weiß und dafür geschaffen, alles zu sehen. Durlundin und Grimmynsar verfügten über Augen, die bereits denen der Menschen glichen. Jene Wesen, von denen in so einer ursprünglichen Epoche nicht einmal geträumt werden konnte.

Seinen Bruder Grimmynsar ließ Durlundin lieber allein, er vermied es sogar, ihm zu begegnen. Grimmynsars Haut war hell und seine rote Haarmähne kraus und wild.

Das lange Warten während der Abwesenheit seines weisen Bruders nutzte Durlundin bald mit Reisen durch das Land seines Ursprungs. Ein Land aus purer Kraft, erfüllt vom Tosen der mächtigen Wolken, die aufeinanderprallten, die Luft mit Blitzen erfüllten und mit ihrer ungebremsten Energie die Elemente aufrührten. In dieser Zeit hatte Durlundin der Schwarze die ersten Drachen erschaffen und diese Wesen geflissentlich vor Grimmynsar geheim gehalten. Grimmynsar der Rote, wie er sich nun nannte, war stets mit sich selbst beschäftigt und achtete kaum auf das, was ihn umgab. Er benutzte die Blitze, um auf seine Haut schwarze Muster zu zeichnen. Stolz auf seine Kraft und seinen Körper war er wie besessen von dieser Tätigkeit und ließ keine Gliedmaßen aus, bis seine gesamte Haut von geheimnisvollen Zeichnungen übersät war.

Als Durlundin ihm abermals begegnete, lachte der jünger Bruder ihn bemitleiden aus.

„Schämst du dich deiner weißen Haut?", fragte er woraufhin ihn Grimmynsar bösartig aus seinen grünen Augen anblickte.

„Die Kraft der Blitze vereint sich mit der Kraft meiner Muskeln. Was verstehst du schon davon?"

„Kraft hast du genug, sie wurde dir gegeben, wozu den Ursprung der Natur verändern?"

Grimmynsar verabscheute es, wenn sich seine Brüder über ihn lustig machten. Seine ausgewählten, langsam ausgesprochenen Worte machten ihn wütend.

„Du redest wie Rilbanfil! Alles verändert sich ständig, warum darf ich nicht meinen Teil dazu tun?", entgegnete er trotzig.

„Du tust was du willst. Es scheint so, als wolltest du deine weiße Haut vor dem Rest der Welt hinter kunstvollen Zeichnungen verbergen."

Damit brach Grimmynsars Zorn endgültig hervor. Mit einem erbosten Schrei versetzte er mit aller Kraft einen Hieb ins Gesicht seines jüngeren Bruders, welcher sich vor diesem unvermuteten Angriff nicht in Acht genommen hatte. Der entsetzliche Schlag ließ ihn für eine gewisse Zeit in Ohnmacht fallen. Hilflos lag Durlundin den Elementen und seinem Bruder ausgeliefert. Sein Bruder betrachtete seine dunkle Haut, die sich wie Samt schimmernd im zuckenden Licht der Blitze über die Rundungen seiner mächtigen Muskeln spannte. „Grimmynsar mag Recht haben, wir sind nicht komplett", sprach der Rothaarige und beugte sich über den Körper seines Bruders. „Oh wie ich ihn hasse für seine Weisheit, seine Überlegenheit, wo ich nur von meiner Kraft schmecken will. Mein kluger Bruder meditiert über die unendliche Güte, welche aus der Tiefe der jungen Erde geboren werden soll. So ein Dummkopf! Er will uns nur beweisen, dass er der Ältere ist. Doch gibt ihm seine Existenz Recht darauf, mein Verlangen zu bremsen?" Mit gierigen Händen berührte Rilbanfil die Haut seines Bruders, fühlte das Leben darunter pulsieren und ward verbunden mit derselben Kraft, die ihn erfüllte, wenn er sich mit den Blitzen seine geliebten Muster in die Haut brannte.

Eine Kraft, die in seinen Lenden pulsierte und danach begehrte, befriedigt zu werden. Ihm war es gleichgültig, ob sein erstgeborener Bruder Recht hatte, dass ihnen etwas fehlte und es Zeit war, das Universum, in dem sie geboren waren, zu verändern. Rilbanfil gehorchte seinen Instinkten und vergewaltige den ohnmächtigen Durlundin. In seinen Armen und im Getöse seiner Urschreie erwachte der Schwarzhaarige, zerrissen von der Gewalt seines Bruders, bäumte er sich auf, befahl seinen Kräften, sich aufzubegehren und wehrte sich mit aller Gewalt. „Du bist mein!", brüllte Grimmynsar ihm ins Gesicht und trieb sein Verlangen zum Abschnitt des neuen Kapitels in dieser finsteren Geschichte. Die rote Wut des Blutes und die schwarze Finsternis der endlosen Winternächte sind wohl in diesem Moment geboren worden. Gefühle, die noch heute in den Adern der Krieger fließen, wenn sie von ihren Königen auf das Schlachtfeld geschickt werden. Durlundin stand seinem Bruder um nichts an Kraft nach und versetzte ihm entsetzliche Wunden, doch der süße Schmerz der unbekannten Raserei erfüllte ihn und er wusste, dass er ohne seine Brüder nur dumpfe Einsamkeit kennen würde.

Die jung erschaffenen Drachen von Durlundin schrien im Tosen der Gewalten auf und Ribanfil wurde aus seiner Meditation herausgerissen. Er spürte, dass sich die Kräfte seiner jüngeren Brüder verbünden würden, um ihn zu vernichten. Zum ersten Mal fühlte er, dass seine Zeit bemessen war, dass er zu lange gebraucht hatte, um Antworten auf all die Fragen in seinem Geist zu finden. Er tauchte aus den Tiefen der Glut der Erde auf und sah die tobenden Drachen, wie sie zwischen den Wolken, den Vulkanausbrüchen und zuckenden Blitzen tanzten und unermüdlich an Kraft zunahmen.

Steine aus dem fernen Universum rasten auf die junge Erde hinzu und schlugen durch das vorherrschende Chaos hindurch, um sich mit den Elementen zu vereinen. Rilbanfil tanzte zwischen den rasenden Feuerbällen hindurch und ließ sich von dem, was ihm umgab, leiten. Es würden Wesen kommen, die seinen Platz auf dieser Erde streitig machen wollten. Seine eigenen Brüder verstanden ihn nicht, wo sie dazu geschaffen waren, Seite an Seite zu kämpfen und einander zu unterstützen. Bald würde der Zeitpunkt kommen, an dem er sich mit dem ursprünglichen Geist der Erde verbinden würde. Eine wertvolle Vereinigung, aus der alles Leben gedeihen würde, eine Vielfalt, die sich keiner der drei ausmalen konnte. Er ahnte, was aus den Innereien der Erde geboren werden sollte. Rilbanfil stürzte sich auf seine Brüder, riss sie auseinander, doch Grimmynsar nahm diesen Angriff gerne an, um seinem Hass und seiner Wut freien Lauf zu lassen. Durlundin spürte die Tränen auf seinem Gesicht mit dem Schweiß auf seiner Haut vermischt und griff in den Kampf ein, er war enttäuscht, zornig, fühlte sich leer und unverstanden. So wird es wahrscheinlich den meisten Männer im Rest der Menschengeschichte ergehen, sie fühlen eine wage Erinnerung der Kraft der Götter von einst in ihren Muskeln, doch sie wissen nicht, was sie damit anfangen sollen und lassen sich der nächstbesten Möglichkeit ergehen, in der sie kämpfen, schlagen, verletzten, zerstören können. Die Erde gebraucht eine Sprache, der man zuhören muss. Wer das nicht tut, wird stets einsam und unverstanden bleiben.

Ritter Adrig rieb sich die Hände, die inneren Seiten beider Handflächen fest aufeinandergedrückt, bis damit sich endlich ein Gefühl von Wärme in seinen Fingern ausbreitete. Oméril beobachtet ihn aufmerksam, ernst waren seine markant gezeichneten Augenbrauen zusammengezogen, er überlegte und wartete ab. Die beiden hatten in den vergangenen Nächten kaum Schlaf gefunden und sie hatten bitter feststellen müssen, dass ihre Ausrüstung nicht für diese Kälte vorgesehen war. Der Winter war früher über das Land gefallen als es in dieser Gegend üblich war. Doch der Natur waren die Hoffnungen und Beobachtungen der Menschen gleichgültig, ein Wetter kam und ging. Die Stimme des Ritters hatte beim Erzählen die Luft erfüllt und die Gedanken in ein vergangenes Zeitalter gelenkt.

„Ich fühle mich immer ganz klein und nichtig, wenn ich die Geschichten der Götter höre", sagte Oméril und sucht nach etwas mehr Wärme unter seinem Mantel.

Adrig war beeindruckt von der Tapferkeit des jungen Prinzen. Er beklagte sich nie über den fehlenden Komfort. Beide wussten, dass die Vorräte sich dem Ende zuneigten. Der Junge brauchte ein wärmendes Feuer und heißes abgekochtes Wasser. Er stand unter seiner Verantwortung und wenn es ihm auch bislang gelungen war, ihn vor den Auftragsmördern zu retten, so konnte er einem nahen Ende zugehen, wenn er nicht bald eine Lösung fand, die beiden ermöglichte, ihre Körper richtig aufzuwärmen und eine Nacht durchzuschlafen. Adrig bedauerte, nicht über mehr Erfahrung im Fährtenlesen zu verfügen und sich wie ein Anfänger in der Wildnis zu fühlen. Wie oft hatte er sich in den vergangenen Tagen auf das Überlebensinstinkt der Pferde verlassen, die sie treu durch den Wald trugen. Der junge Mann forschte mit zusammengepressten Augenlidern die schweigende Umgebung ab. Weißer Nebel wanderte zwischen den Baumstämmen und hüllte die Gegend in eine mystische Stille. Bislang waren sie ungesehen geblieben, sie hatten das Gebirge Ovon hinter sich gelassen und vermieden die Ebene Obion zu durchqueren. Dort hätte er sich zusätzlich der Gefahr ausgesetzt, von Menschen beobachtet zu werden, die bereit waren, ihre Gegenwart an andere für wenig Bezahlung zu verkaufen. Ein verlassenes Schlachtfeld blieb lange Zeit ein beliebter Ort für Tagelöhner und Mörder, die sich gerne eine verloren Klinge zu Eigen machten. Doch Adrig konnte sich nicht belügen, es war einfach den Spuren von vier Pferden im Wald zu folgen.

Sie hatten es sich beide angewöhnt, so wenig wie möglich zu sprechen, die Geschichte von den ursprünglichen Göttern der Zeit war eine Ausnahme gewesen. Adrig hatte begonnen leise von Durlundin zu erzählen, denn als kleiner Junge hatte ihn das Bild von dem schwarzen Gott fasziniert. Damals war er etwa so alt wie Oméril gewesen und hatte alle nur erdenklichen Legenden über Durlundin gesammelt. Wenn er jemand zuhören konnte, der von den ersten Göttern sprach, die ihre ewige Ruhe in den Gletschern gefunden hatten, waren ihm die Bilder im Kopf so klar und deutlich erschienen, als könnte er diese vergangene Wirklichkeit neu erleben.

Adrig hatte aufmerksam zugehört und dabei langsam seine kleine Portion vom Reiseproviant gegessen, um bei Kräften zu bleiben. Er ließ kein Krümel von dem nahrhaften Gebäck übrig und spähte nachdenklich in die lederne Tasche, welche sich in den vergangenen Tagen beachtlich geleert hatte.

„Die drei Brüder sind viele Jahrhunderte später im ewigen Eis zur Ruhe gekommen", unterbrach Oméril die abwartende Stille und erhob sich langsam von seinem Platz. „Die jüngeren Brüder haben den älteren bekämpft, doch er war stärker als beide gemeinsam. Bevor alle drei endlich zur Ruhe kamen, herrschte Chaos auf unserer Erde. Und es wird erzählt, dass es wieder dazu kommen wird, wenn die Gletscher einmal nicht mehr sein sollten. Wenn das ewige Eis zu reißenden Strömen über die Länder rast, können wir Menschen uns nur noch in Acht nehmen. Grimmynsar, Durlundin und Rilbanfil würden erneut ihre Waffen aufnehmen. Obion würde aus seinem Erdreich erwachen und sich ihnen stellen."

Adrig hatte der eintönigen Stimme des Prinzen gelauscht. Wie erschöpft mochte dieser Knabe wohl sein, und wie lange würde er diesen Strapazen widerstehen? Er nickte ihm aufmunternd zu und löste die Zügel der Pferde von den Baumstämmen. Es war Zeit, ihren Weg aufzunehmen. Am vergangenen Abend waren sie bis lang nach Sonnenuntergang weitergegangen und hatten den stillen Mond im klaren Himmel schweigend beobachtet. Diese ferne Naturerscheinung zu betrachten, erfüllte beide mit einer gewissen Zuversicht. Von nun an konnten sie nur noch aufeinander zählen und niemand konnte voraussagen, wohin sie dieses Abenteuer führen würde. Die eisige Kälte biss sich an ihren Köpfen fest, weiße Dampfwolken begleiteten ihr regelmäßiges Atmen, genauso wie die Tiere, denen diese Kälte viel weniger auszumachen schien. Genügsam schoben sich die Pferde beieinander und warteten ihre Nachtruhe ab. Ihr glänzendes Fell war in den vergangenen Tagen dicht gewachsen und erschien stumpf und wuschelig unter Sattel und Zaumzeug. Aus ihren großen, dunklen Augen beobachteten sie die Männer, jetzt wo sie wussten, dass ihre Reise weitergehen sollte.

Die Blätter der Bäume waren braun geworden und zu Boden gefallen. Winzige weiße Spitzen von eisigem Reif umringten sie und bildeten ein wunderschönes Muster auf dem Waldboden. Nun war es soweit, wenn der Schnee auch in diesen Gegenden niederfallen sollte, konnte er liegen bleiben und der abwartenden Natur den nötigen Frieden schenken. Jeden Tag ging die Sonne etwas später auf und würde etwas früher der Nacht Platz machen. Adrig konnte beim besten Willen nicht sagen, ob seine Idee gut war, sich nach Norden zu wenden. Die Nächte dort würden noch länger sein, die Kälte ungehindert ihre Macht ausüben. Dabei konnte er sicher sein, dass er eine richtige Entscheidung getroffen hatte. Der einzige Pass in Ovon, der passiert werden musste, um in den Süden zu gelangen, lag hinter Valrux. Unbemerkt hätte er mit dem Prinzen nicht an der Stadt vorbeigekonnt. Und die angrenzenden Berge seines Landes kannte er nicht. Sein vom König Mana Kael vorgeschriebener Reiseweg führte eigentlich nach Südosten, durch das Gebirge hindurch, von einer Siedlung zur nächsten, bis hin zum Fluss Belil, auf dem sie hätten reisen können, hin zum Meer. Doch diese Möglichkeit war ausgeschlossen. Nichts war einfacher für einen Auftragsmörder als diesen Anweisungen zu folgen. Eines Tages würde der junge Ritter herausfinden, aus welchen Beweggründen ein Mann wie Ripek sich als Vertrauter des Königs ausgab und Pläne schmiedete, um den Thronfolger zu vernichten. Vorläufig konnte er nur mit Gewissheit sagen, dass sein eigenes Überleben vom Wohlergehen des Prinzen abhing. Und ihm war bald klar geworden, dass sie nicht für eine Reise ausgerüstet waren, die verlangte, tagelang der Natur ausgesetzt zu sein, ohne unter einem schützenden Dach ihre Kleidung trocknen zu können. Mit vier Pferden zu reisen erwies sich ebenfalls nicht als Vorteil, denn die Truppe der Mörder, die auf ihren Spuren waren, vermochte ihnen einfach zu folgen. In dieser unbewohnten Wildnis waren solche Spuren leicht zu lesen. Außerdem fragte er sich, wie sich die Natur darstellen mochte, je weiter er gen Norden vordringen würde. Vorläufig fanden die Pferde noch Nahrung, doch wie lange die Tiere auf dieser Reise bei Kräften bleiben würden, vermochte Adrig nicht zu sagen.

Das Wetter hielt sich still, ein kräftiger Regen hätte sie wohl verlangsamt, aber ihnen vielleicht die Möglichkeit geschenkt, ungesehen die Richtung zu ändern. Adrig wusste nicht, wie viele Männer hinter ihnen waren, was sich vor ihnen befand, wie lange sie jeden Komfort entbehren würden und welchen möglichen Gefahren sie entgegen ritten. Er entschied sich, zunächst neben den Pferden herzugehen, damit sich seine Beine aufwärmen konnten. Klamm und feucht umgaben ihn seine Beinkleider, die ersten Schritte fielen ihm schwer und sein Körper gehorchte ihm nur widerwillig. Hinter ihm folgte Oméril, schweigend, die Blätter raschelten unter ihren Stiefeln und die Pferde schnaubten geduldig, denn alles schien ruhig und friedlich. Jeder Baum, jeder Busch und jedes Moos hatte seinen Platz an diesem Ort und existierte in der feuchten kalten Jahreszeit. Die goldenen flachen Sonnenstrahlen strichen über die Landschaft und erinnerten an die wärmende Güte des vergangenen Sommers. Adrig dachte sich, dass die Menschen sich für ein falsches Leben entschieden hatten, denn je mehr sie einander gehorchten, desto fremder und feindlicher erschien ihnen die Natur. Sie irrten nun allein durch die Welt, auf die sie geboren waren und sehnten sich nach Plätzen, die es nicht gab, Orten, an denen sie sich umgeben von Wärme und Güte ausruhen konnten. Selbst wenn sie sich an die Legenden ihrer Götter erinnerten, hatten sie wohl jede ursprüngliche Weisheit vergessen. Jedes Tier und jede Pflanze waren in der Lage, zuversichtlich in seiner Umgebung zu leben, während ein Mensch in einer prekären Situation um sein Überleben bangte und nach Erbarmen jammerte.

Die regelmäßigen Schritte versetzten den jungen Mann in eine Form von Trance, er ließ sich von den Pferden an seiner Seite lenken und lauschte seinem Atem und den Atemzügen der Tiere. Wie oft in den vergangenen Monaten hatte er sich von seinem Ross besser verstanden gefühlt als je von jedem anderen Menschen. Nemda vielleicht, seine Geliebte, aber was wusste er schon von ihr? Hatte er sie wirklich gekannt? Jung und gutgläubig vertraute sie in das Leben, welches sich ihr offenbarte, sie hatte ihm vertraut und damit ihre erste schwere Enttäuschung erfahren müssen. Hätten sie beiden überhaupt eine Chance gehabt, gemeinsam zu leben?

Das Pferd war einfach da und befolgte seiner Aufgabe, tat das was der Mensch von ihm verlangte, doch wusste was es zu tun hatte, um in der Freiheit zu überleben, wenn ihm die Möglichkeit gegeben würde. Neben den Tieren fand Adrig eine Form von stummer Zuversicht, ein Verstehen, das keine Worte brauchte. Jedes Wort erschien ihm in diesem Moment leer und sinnlos, von Lügen gespickt und nur im eigenen Interesse von dem der es ausgesprochen hatte. Wann hatte je ein Mensch etwas wirklich Sinnvolles zu ihm gesagt? Sein Vater? Seine Mutter? Seine Lehrer oder Mana Kael, der König selbst? Von Kindesbeinen auf waren von ihm Aufmerksamkeit und Gehorsam verlangt worden und er hatte getan, was von ihm erwartet wurde, doch nun war sich absolut nicht sicher, ob er in der Lage war, in seiner frisch erworbenen Freiheit zu überleben. Im Grunde war es im Moment überhaupt nicht wichtig, was für eine Aufgabe ihm angetragen worden war. Er sollte dem Prinzen ins Exil begleiten und ihm bis zu seinem achtundzwanzigsten Lebensjahr beistehen, bis Oméril endlich den Thron besteigen konnte, der ihm von der Geburt aus zustand. Mana Kael, sein Vater, träumte von diesem guten starken König, der weise über das Volk der Unih regieren würde, um ihnen in Zukunft friedliche Jahre ermöglichen zu können. Hätte Adrig den Anweisungen seines Königs befolgt, wären sie beide schon lange tot. Dank seines Ungehorsams waren er und Oméril noch am Leben. Adrig dachte über seinen Eigensinn nach und stellte fest, wie unerfahren er damit war. Als Erstgeborener einer wohlhabenden Familie hatte er seit er sich erinnern konnte stets nach Anerkennung seines Vaters gesehnt und es allen höherstehenden Menschen recht machen wollen, damit sie stolz auf ihn waren und ihn respektierten. Aber das Leben hatte nun einmal entschieden, dass er als hochangesehener Ritter in der Armee des Königs ausgenutzt wurde. Wie konnte es auch anders von einem guten Ritter erwartet werden, er war dazu erzogen worden, dem König beizustehen und sein Land zu beschützen. Den einzigen Moment der Ungehorsamkeit, den er sich in seinem jungen Leben erlaubt hatte, war seine Liebe zu seiner Verlobten gewesen. Und sie war dafür bestraft worden, in dem sie von ihrem Posten als Hofdame verwiesen worden war, denn sie erwartete sein Kind. Und er war auf der Flucht mit dem jungen Prinzen im Schlepptau, Auftragsmörder auf seiner Spur und einsam namenlosen Landschaften ausgeliefert, von denen er nichts kannte. Jeder Augenblick konnte sein letzter sein, denn woher hätte er wissen können, was sich in den Tiefen dieses Waldes verbarg und wer ihn nur aus Mordlust überfallen konnte? Auch wenn es dazu nicht kommen sollte, standen ihm unzählige Möglichkeiten zu sterben bevor, Erkältungen, Lungenentzündung, Fieber, eine schlechtverheilte Wunde oder einfach nur Erschöpfung durch Schlaf- und Nahrungsmangel.

Aber er ging weiter auf dem Weg seines Treubruchs, Adrig, der gute Ritter von einst, hochangesehen am Hof der Unih, wertvoller Krieger in der verlorenen Schlacht gegen die Bridônen, heute unerkannt und einsam. Seinem Vater hatte er sicherlich eine gehörige Menge Gold eingebracht, die Entschädigung des Königs für den verlorenen Sohn mochte nicht zu knapp ausgefallen sein. Nun hoffte er beinahe, dass wenn er auf dieser Reise verenden sollte, seine Leiche den Auftragsmördern auf seinen Spuren verschollen bleibe.

„Schau mal da hinten!", wisperte die leise Stimme des Prinzen und er lauschte erschöpft in das natürliche Schweigen.

Mit erschöpften Augen folgte er der Richtung, in die Oméril deutete. Die beiden erkannten ein niedriges Dach tief im Dickicht verborgen, geduckt und finstern erschien es wie ein ruhendes Tier aus einer uralten Zeit. Eine einfache Hütte, die aus einem einzigen Strohgeflecht bestehen zu schien, welches im Laufe der Zeit schwarz geworden war.

„Was meinst du, wir könnten nachschauen, ob wir dort nicht für einen Moment Unterschlupf finden können", schlug Oméril vor und Adrig blickte ihn fragend ins Gesicht. Er war zu sehr in seine Gedanken verloren gewesen, dass er diese vereinzelte Hütte nicht bemerkt hatte. Er stimmte mit dem Jungen ein, denn sie waren zu nahe, um ungesehen daran vorbeiziehen zu können, im Falle Menschen dort lebten und sich in unmittelbarer Umgebung befanden. Die Pferde warteten ruhig die Entscheidung ihrer Herren ab, was ein gutes Zeichen sein mochte. Tiere spürten lauernde Bedrohungen im Dickicht eher als Menschen. Adrig nickte schließlich einverstanden und schlug gemächlich die Richtung zur fremden Hütte ein.

Je näher sie kamen, desto mehr erkannten sie, in welchem erbärmlichen Zustand diese Unterkunft war. Auf dem Dach hatten sich Pflanzen angesiedelt, die in der Herbstkälte braun geworden waren. Allein das Moos behielt stur zwischen dem ergrauten Stroh sein allgegenwärtiges Grün. Die beiden warteten schweigend einen Moment vor der abwartenden Hütte, bis Oméril seine Pferde bei Adrig ließ und sich dem Eingang näherte. Ein schwerer, von Feuchtigkeit triefender Stoff diente als Tür vorm Eingang. Der Junge schob diesen beiseite und spähte in die Finsternis. Im Inneren roch es nach Moder und Wald, doch der bekannte Geruch von kalter Asche mischte sich dazu, was auf eine verlassene Feuerstelle schließen ließ. Oméril drückte den schweren Vorhang weiter auf, um etwas Licht einzulassen und erkannte die wagen Umrisse von einer verwaisten Behausung. „Vielleicht können wir ein Feuer machen", sprach er mehr zu sich selbst und lauschte seinen eigenen Worten in diesem merkwürdigen Raum. Wie lange mochte niemand hier gesprochen haben? Seine Augen gewöhnten sich an die Finsternis, neben dem Eingang befand sich ein Guckloch und im gerundeten Dach war eine Öffnung, durch dass der Rauch eines möglichen Feuers abziehen konnte. Unweit plätscherte leise ein kleiner Bach, Oméril konnte ihn nun hören. Die Leute, die sich hier angesiedelt hatten, waren sicher gegangen, dass ihnen frisches Wasser zur Verfügung stand. Er fragte sich, wie lange diese Hütte wohl unbewohnt sein mochte und entdeckte irdene Gefäße, einfache Schemel, Steine, die nebeneinandergelegt worden waren, um die Feuerstelle abzugrenzen.

Draußen klapperten Holzscheite aufeinander und Oméril wartete, bis Adrig ihm ins Innere folgen würde. In der Zwischenzeit inspizierte er das, was sich in den Gefäßen befand. Ein Geruch von getrockneten Kräutern und Feuchtigkeit schlug ihm entgegen, diese Vorräte waren mit Sicherheit ungenießbar geworden. Doch er entdeckte einen kleinen Kessel, wischte den Dreck mit der Hand raus und schaute, ob sich kein Loch darin befand. In diesem Moment duckte sich Adrig durch den niedrigenEingang und ließ den miefigen Vorhang hinter sich zufallen. „Schau, sie haben geschickt Holz gelagert. Wir können uns ein Feuer leisten. Es wird zwar fürchterlich qualmen, doch etwas Wärme kann niemand schaden."

Oméril stand vom Boden auf und zeigte ihm den Kessel. „Ich werde frisches Wasser holen!", verkündete er. In der Zeit, in der Adrig sich bemühte, in der anherrschenden Feuchte ein Feuer zu entfachen, ging Oméril zum Bach, kam mit einem gefüllten Kessel zurück, spülte die Flaschen im klaren Wasser aus und ließ sie volllaufen. Er beobachtete die Natur, hinter jedem Baumstamm schien etwas zu warten, zu lauern, nach ihm zu spähen. Oméril blickte eingehend in die eine Richtung, in die andere, doch nichts rührte sich, es wehte lediglich ein leichter Wind hoch in den Wipfeln der kahlen Bäume. Weit stieß ein Vogel einen ihm unbekannten Schrei aus, sonst blieb alles ruhig. Schließlich drehte er dem plätschernden Bach den Rücken zu und ging zur Hütte zurück.

In der Tat war es Adrig gelungen, ein Feuer zu entfachen, der Qualm biss ihm in die Augen, doch er war sich sicher, dass sich dies geben würde, sobald die gröbste Feuchtigkeit vertrieben war. Der Junge stellte den Kessel auf die Steine um das Feuer herum und wollte darauf warten, bis das Wasser Blasen schlug und zu kochen beginnen würde. In der Zwischenzeit ging er zu seinem Pferd zurück, löste die Taschen von seinem Sattel und schleppte sie ins Innere der Hütte. Tief zwischen all den sorgfältig eingepackten Päckchen befand sich ein Sack mit trockener Nahrung, die man mit heißem Wasser aufkochen konnte. Adrig beobachtete den Jungen, der behutsam jeden Krümel aus seiner Handfläche wischte und in den Topf fallen ließ. Oméril hatte sich sogar einen kleinen Ast aus dem Wald besorgt, mit dem er sein merkwürdiges Gebräu aufrühren konnte. Es schien so, als wäre der junge Prinz bestens für ein aufregendes Abenteuer ausgerüstet und habe sich lange vor seiner Abreise mit allen nur erdenklicken Proviant und Utensilien vertraut gemacht.

In der Tat gewannen die Flammen des neuen Feuers die Überhand im erkalteten Herd und begannen beruhigend zu flackern. Der Qualm hatte sich gegeben und der Inhalt des kleinen Kessels begann angenehm zu duften. Oméril zerrte seine Ärmel über seine Hände, damit er den Kessel anfassen konnte und schüttete behutsam von der Brühe in zwei hölzerne Becher. Einen davon reichte er Adrig. „Das wird dich aufwärmen und dir neue Kräfte bringen", fügte er hinzu.

„Ich hätte nie gedacht, dass ein Prinz weiß, wie man auf Reisen eine Suppe zubereitet", murmelte der Ritter und nahm den dampfenden Becher dankbar entgegen. Oméril zuckte mit den Schultern. „Auf meinen Reisen zu den Gletschern habe ich gelernt, wie man sich selbst versorgen kann, um über Tage bei Kräften zu bleiben. Hat mich jemand gefragt, ob ich ein Prinz sein möchte? Ich bin auf die Welt gekommen wie jeder andere auch und wenn niemand da ist, der sich um mich kümmern kann, dann ist es besser zu wissen, wie man auf sich selbst Acht gibt." Er pustete behutsam über seinen Becher und beobachtete den großen Ritter, der sich in eine bequemere Stellung setzte. In Gedanken fügte der Junge hinzu, dass sein Begleiter viel zu erschöpft aussah, um noch einen Tagesritt weiter aufnehmen zu können. Und er fühlte sich gut dabei, etwas Nützliches zu tun. Im Grunde nagte eine trüber Verzweiflung tief im Inneren seiner Gedanken und er bemühte sich, dieses Gefühl zu unterdrücken.

Oméril versuchte sich auszumalen, was ein Ritter auf einem Schlachtfeld erlebt haben mochte und wusste, dass er nicht die geringste Ahnung davon hatte. Nach den bestandenen Kämpfen der erschöpfende Ritt durch das Gebirge zu Valroux zurück, um dort augenblicklich von seinem Vater empfangen zu werden. Und dort den Befehl zum empfangen, erneut in die Kälte geschickt zu werden, von seiner Familie und seiner Verlobten Abschied zu nehmen und sich mit einem fremden Jungen auf der Flucht vor Auftragsmördern zu befinden. Offensichtlich verstand Adrig es gut, ein wirksames Feuer zu entfachen, an dem sie sich wärmen konnten. Schweigend tranken die beiden die heiße Brühe und blickten gedankenverloren in die tanzenden Flammen. Die flackernde Wärme streichelte über ihre Gesichter und die Hitze des stärkenden Getränks belebte kribbelnd ihre kalten Hände.

„Du kannst dich ruhig ausruhen", sprach Adrig leise. „Ich werde wachen." Allerdings glaubte Oméril ihm nicht und wartete geduldig ab. Er würde über ihn wachen, doch er wollte nicht wiedersprechen und brauchte nur den Moment kommen zu lassen, an dem die unerwartete Wärme sich beruhigend im Körper des Ritters ausbreitete und er sich eine bequeme Lage aussuchte. Der Junge hörte, wie Adrigs Atemzüge tiefer und langsamer wurden und wagte sich, ihn anzublicken. Frieden hatte sich auf dem jungen Gesicht seines Begleiters ausgebreitet, die Strapazen der vergangenen Zeit hatten ihn befohlen, seine Erschöpfung gegen erholsame Ruhe auszutauschen. Jeder Atemzug vermochte ihn etwas zu heilen, aber die Wunden in seiner Seele würden vielleicht nie vernarben. Der Prinz erhob sich langsam von seinem Platz, stellte seinen Becher behutsam ab und trat vorsichtig näher, um seinen neuen Begleiter genauer zu betrachten, wobei er es vermied, auch nur das geringste Geräusch zu verursachen. Adrig hatte gesagt, dass er vierundzwanzig Jahre alt sei und dem Jungen erschien dieses Alter im Vergleich zu seinen dreizehn Lebensjahren nah und fern zugleich. Er rechnete im Kopf, dass Adrig schon älter gewesen war als er an diesem Tag, als der gerade als Prinz geboren ward. Oméril betrachtete das ruhende Gesicht des Ritters, seine geschlossenen Augenlieder, sein langes Haar umrahmte mit stumpfen Strähnen sein Gesicht und war im Nacken zusammengebunden. Der Junge betrachtete den heranwachsenden Bart um seinen verschlossenen Mund und spürte, wie seine schmale Brust von einer warmen Welle ergriffen wurde. Adrig war ein Held in seinen Augen, ein tapferer Mann, der sich seinen Aufgaben stellte und auf den er zählen konnte. Der Junge sah die Schönheit in diesem ebenmäßigen Gesicht und dachte sich, dass er sich so das Antlitz von Grimmynsar vorgestellt hatte, jener gütige Gott, der seine ewige Ruhe im Eis gefunden hatte. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, wie selten so eine Schönheit war und dass Adrig gewiss dafür beneidet wurde. Oméril stellte sich die beißende Genugtuung der Menschen vor, die Mitschuld daran trugen, dass dieser Mann heute in der finsteren Wildnis herumirrte und um sein Leben kämpfen musste. Er selbst erschien wie ein vorgeschobener Grund, der sich zunächst erst beweisen musste. Vorsichtig erhob er sich aus seiner hockenden Stellung ohne den Ritter aus den Augen zu lassen. Er würde über ihn wachen und für ihn da sein, entschied er still und trat zurück. Adrig hatte seine Waffen abgelegt, Oméril betrachtete das ruhende Schwert in seiner einfachen Scheide, daneben ein langer Dolch mit einem schlichten, fein ausgearbeiteten Holzgriff. Das Holz war dunkel und glatt geworden, die Klinge erschien blank und hell in der grauen Finsternis der Hütte, der Schein der tanzenden Flammen schimmerte darauf. Oméril nahm diese Waffe auf und fühlte wie diese Berührung eine gewisse Zuversicht in seinem rechten Arm ausstrahlte. Ohne den Dolch loszulassen, entschied er, einen Holzscheid in das brennende Feuer dazuzulegen, bevor auch er sich am anderen Ende der Hütte zur Ruhe setzte. Von seinem Platz aus konnte er den Ritter im Auge behalten und aus der schmalen Luke zwischen den dicken Steinen der Wand hinausblicken. Die Menschen, die diesen Unterschlupf gebaut hatten, waren klug vorgegangen, in dem sie die großen natürlich vorhandenen Steine als Grundsteine benutzt hatten und den Teil des dichten Geflechts aus Ästen, Zweigen und Lehm darauf abstützten. Was als Abdeckung des Daches diente, hatte ihnen der Wald zur Verfügung gestellt und war im Laufe der Zeit wie zusammengewachsen.

Adrig ruhte sich aus und war in einen tiefen Schlaf gefallen, der Junge empfand einen gewissen Stolz darüber, über diesen Ritter zu wachen und er war sich sicher, dass er selbst dem Schlaf wiederstehen würde. Sie waren beide aufeinander angewiesen und er war fest entschlossen, dass seine Reise noch lange nicht am Ende angelangt war.

Die Zeit verstrich langsam und Oméril hing seinen Gedanken nach, bis ihm gewahr wurde, dass das Feuer niederbrannte. Er erhob sich und legte abermals Holz nach. Während er die kleinen neuen Flammen beobachtete, die allmählich von dem Scheid Besitz ergriffen, spitzten sich die Ohren des Jungen. In diesem Gebiet war die Natur sehr ruhig, doch irgendetwas schien sich verändert zu haben, oder bildete der Junge sich das nur ein? War er selbst nicht übermüdet und erschöpft und fürchtete sich vor der dunklen Jahreszeit und der ständigen Dämmerung, die sich unter der dicken Wolkendecke nicht komplett auflösen wollte? Er entschloss sich, nachzuschauen, er wollte sich beruhigen, um wieder dicht zum wärmenden Feuer neben seinem Ritter abwarten zu können. Wenn dieser erwachen würde, wollte er ein paar Witze machen und ihn aufheitern. Doch vorläufig musste er nach draußen spähen, um sicher zu gehen, dass die Pferde dort waren und ruhten. Nach Adrigs Ruhe war es ohnehin an der Zeit diesen Ort zu verlassen und die Reise aufzunehmen.

In diesem Augenblick vernahm Oméril ein leises Schnauben der Pferde vor der Hütte. Vorsichtig blickte der Junge durch die schmale Öffnung und erkannte gerade mal die Kruppen der Pferde. Sie ruhten nicht, eines von ihnen trat ein paar Schritte auf der Stelle und ließ ein warnendes Grollen aus seiner Kehle klingen. Omérils Herzschlag beschleunigte sich mit einem Mal, denn er war sich überhaupt nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, sich in dieser Hütte niederzulassen. Rasch warf er einen Blick auf Adrig, der noch immer tief und ruhig schlief. Wenn er ihn jetzt aufwecken würde, konnte er nicht gewiss sein, dass er keine Geräusche verursachen würde und der Junge zog es instinktiv vor, sich so unauffällig und leise wie möglich zu verhalten, bis er herausfinden konnte, was die Pferde unruhig machte. Mit zusammengepressten Lippen schob er sich von seinem Beobachtungsposten fort und fragte sich, wie er vorgehen konnte. Aus dem Haupteingang hinauszugehen, kam nicht in Frage, weil die kleinste Bewegung der Tür seine Gegenwart verraten würde. Wahrscheinlich hatte irgendetwas den Duft des frischen Feuers wahrgenommen und umkreiste nun die nächste Umgebung. Oméril blinzelte durch die Dunkelheit der Hütte und überlegte fieberhaft nach. Er wollte auf keinen Fall wie ein verängstigter Hase in seinem Unterschlupf hocken bleiben und darauf warten, dass sich etwas oder jemand in Innere wagte. Da fiel sein Blick plötzlich auf einen spärlichen Lichtschein dicht am Boden hinter Adrig. Flink huschte er zu diesem Platz und beugte sich hinunter. Zugluft blies ihm ins Gesicht und brachte den Duft des Waldes mit sich. Vor der Hütte schnaubten die Pferde und er hörte wie eines unruhig an seinem Zaumzeug kaute. Oméril presste seinen Kopf auf den Boden und versuchte etwas von der Umgebung zu erkennen. Die Öffnung war zu schmal, um ihn ohne Geräusche zu verursachen rauszulassen. Er überlegte fieberhaft, wie er vorgehen sollte und fragte sich, ob seine Sinne ihm nicht einen Streich spielten und er sich eine mögliche Gefahr nur einbildete, doch plötzlich hörte er Schritte und im nächsten Augenblick erkannte er zwei Stiefel grausig dicht an der Wand seines Verstecks. Bei dieser Erkenntnis wurde ihm vor Schreck speiübel. Da war jemand! Er erkannte den krustigen Dreck einer langen Reise an den Stiefeln, jemand schritt um die Hütte herum und schien sich zu fragen, ob er hineingehen sollte. Oméril erhob sich eilig und bewegte sich flink und geräuschlos zum Ausgang der Hütte. Rasch griff er nach Adrigs Dolch und wartete ein paar Atemzüge hinter dem schweren, miefigen Vorhang ab. Was sollte sein, wenn dieser jemand, der die Hütte umschritt, nicht allein war? Sollte er es wagen, hinaus zu gehen und die Gefahr laufen, von einem Gefährte erblickt zu werden? Aber es blieb ihm keine andere Wahl, draußen war es unglaublich ruhig. Er konnte unmöglich wie ein vor Angst erstarrter Hase in dieser Hütte hocken bleiben. Oder sollte er abwarten, bis der Fremde eintrat und ihn überfallen? Die Überraschung mochte zu seinem Vorteil sein. Und was, wenn dieser Mensch ihm nicht wirklich feindlich gesinnt sei? Er würde ihn grundlos angreifen, was das richtig? Wie konnte er herausfinden, was dieser Mensch im Schilde führte? Gehetzt blickte Oméril zu Adrig und sah, dass der Ritter noch immer fest schlief. Es war zu riskant, ihn jetzt aufzuwecken, die Gefahr, dass er ein verräterisches Geräusch verursachen würde, war zu groß. Vorläufig schlief er fest und gab keinen Laut von sich. Oméril spürte wie sich seine Muskeln am gesamten Körper anspannten und Schweiß auf seiner Haut ausbrach, er atmete flach und sah sich selbst völlig konzentriert auf den nächsten Moment. Er schob sich schließlich ohne zu zögern hinter dem schweren grauen Stoff hervor raus in die frische Luft und duckte sich. Die Pferde sahen ihn sofort, blieben aber ruhig stehen. Da wurde Oméril plötzlich klar, dass der Fremde hinter der Hütter hervorgetreten war und direkt hinter den Reittieren stand. Warum hatte er ihn nicht kommen gehört? Hatte er zu lange gezögert und die Schritte auf dem Waldboden nicht wahrgenommen? Doch er erkannte die Stiefel. Erschreckt duckte er sich tiefer und hörte in diesem Moment das schleifende Geräusch einer Klinge, die aus ihrer Scheide gezogen wurde. Die Hand des Fremden griff in die Zügel eines Pferdes, welches widerwillig den Kopf hochwarf und empört aufschnaufte. Plötzlich war Oméril klar, was der Kerl im Schilde führte. Er wollte die Tiere umbringen, damit eine rasche Flucht unmöglich machen. Unwillkürlich umfasste der Junge mit aller Kraft der Griff seines Dolches und sprang aus seiner Deckung hervor, um den Fremden anzugreifen. Im nächsten Atemzug erkannte er das erschrockene Gesicht des jungen Mannes, der kaum älter war als der Prinz selbst, die Klinge seines Schwertes rutschte vom Pferdehals ab, das Tier wieherte zornig auf und riss los, denn es hatte die menschliche List durchschaut. Oméril nutzte diesen Augenblick der Überraschung aus und sprang seinen Gegner mit einem wütenden Schrei an. So hatte er seine eigene Stimme noch nie zuvor gehört und er ward von seinem eigenen Schwung gegen den jungen Mann mitgerissen und sie stürzten beide zu Boden. Er spürte den festen Körper des Feindes, den schweren Aufprall durch dessen Rücken, wie sein Atem aus den Lungen gepresst wurde und Omérils Faust hart in sein Gesicht schlug. Doch die Hände seines Feindes waren flink und kräftig, packten ihn und wirbelten ihn zu Seite. Oméril hatte sein Messer verloren, erwehrte sich mit verbissener Kraft indem er den Hals des Kerls fest mit beiden Händen umklammerte. Er war grösser und erfahrener als Oméril, doch der Junge ergriffen von einer blutschweren Raserei. Er hatte sich nicht getäuscht und dieser Eindringling war entschlossen zu töten, die Pferde, ihn, Adrig. Sein Gegner umfasste Omérils Handgelenke, vermochte sich auf diese Art nicht zu befreien und warf sich mit einem gewaltigen Hieb herum, wobei er den Jungen unter dem Gewicht seines Körpers begrub. Oméril schrie erbost auf während er mit Entsetzten feststellen musste, dass seine Hände den Griff verloren. Sein Gegner hustete und riss beide Hände von seinem Hals. Erzürnt biss sich Oméril in die dichte Wange des jungen Mannes und hörte ihn vor Schmerzen dicht an seinem Kopf aufschreien. Der Junge nutzte die Überraschung und strampelte sich unter dem Gegner hervor, er verabscheute den fremden Geschmack in seinem Rachen, bebend vor Angst und unermesslicher Mut schlug er sein Knie gegen den Körper seines Feindes, doch fügte ihm damit kaum Schmerzen zu, sondern stieß ihn lediglich etwas von sich. Sein Körper war von einer festen Lederweste geschützt hatte Oméril begriffen, er erwehrte sich der tastenden Hände des Feindes und ehe er sich versah, wurde er mit ihm in die Höhe gerissen. Adrig war aus der Hütte herausgekommen und schnappte sich den kämpfenden Unhold. Der Kampflärm hatte den Ritter aufgeweckt. Die Pferde wieherten verängstigt auf und tänzelten aufgereckt auf der Stelle, da ihre festgebundenen Zügel sie nicht fortließen.

„Wer bist du?", hörte er Adrig erbost brüllen, doch noch ehe Oméril einen klaren Blick fassen konnte, zischte etwas Schweres durch die Luft und zerbarst gegen den Kopf seines Ritters. Adrig entfuhr ein überraschter Aufschrei und er krümmte sich gepeinigt nach vorn, dabei erkannte Oméril mit riesigen Schrecken einen zweiten jungen Krieger, der einen dicken Ast mit beiden Händen umklammert hielt und mit geweiteten Augen in seine Richtung starrte. Oméril brüllte aus Leibeskräften, sprang auf und rannte kopfüber gegen den neuen Feind. Er rammte sein gesamtes Gewicht mit allem Schwung gegen ihn, umschlang fest dessen Hüften und riss ihn mit sich zu Boden. Der Kerl rollte sich ab, doch Oméril vergriff sich verzweifelt in seinen dichten Haarschopf und würde nicht loslassen, er hörte seinen Feind gepeinigt aufschreien.

„Ich bring dich um!", hörte der Prinz seine eigene Stimme zwischen seinen zusammengepressten Zähnen.

„Oméril!", rief Adrig, rappelte sich auf und wollte die Kampfhähne voneinander befreien, doch er ward vom ersten Widersacher angegriffen, wich knapp einer flinken Klinge aus. Der Prinz erkannte, dass sein Freund sich in Acht nehmen musste und es um Leben und Tod ging. Seine kurze Unachtsamkeit wurde von seinem Feind ausgenutzt und er bezahlte mit einem wohlangezielten Schlag des befreiten Ellbogens gegen sein Kinn. Der Junge hatte einen Moment lang den Eindruck, sein Kopf würde zerbersten und nach hinten abbrechen, ihm blieb der Atem stocken. Er wälzte sich benommen auf den Bauch, sein Feind hatte von ihm abgelassen und hetzte zu seinen Kumpanen, um ihm beim Kampf gegen den großen Ritter behilflich zu sein. Oméril erkannte nur schemenhaft die Umrisse der Kämpfenden, er keuchte und zwang sich auf die Knie. Jeder Hieb wurde von einem erbosten Schrei begleitet und hallte in seinem Kopf wieder, er verlor das Gleichgewicht und kippte nach vorn, wobei er sich mit beiden Händen auf dem Waldboden abstützte. Adrig brauchte seine Hilfe, sonst wäre es auch um sein Leben nicht lange beschert. Die beiden waren hier, um sie zu töten, daran bestand kein Zweifel und sie wussten, wie sie vorzugehen hatten. Im gleichen Moment erfühlte Omérils rechte Hand den festen Griff eines Dolches. Hatte er diese Waffe verloren? Er konnte nichts Genaues erkennen, seine Augen weigerten sich, ihm zu gehorchen, Blut lief in Strömen aus seiner Nase über seinen Mund und ihm war übel vor dem metallenen Geschmack von Dreck, Angst und Hass. Aber die neuerrungene Waffe machte ihm Mut, kaum in der Lage auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, umfasste er den Griff mit beiden Händen und stolperte ins Kampfgeschehen. Die drei erschienen ihm wie unwirkliche Schemen, die Jungen waren kleiner als Adrig, doch erbarmungslose Kämpfer. Oméril folgte seinem Instinkt, duckte sich, spürte wie seine Finger sich fester um den Griff des Dolches schlossen und sprang unerwartet in die Seite seines Feindes, nicht zu weit oben, gerade über seinen Hüften, dort wo sich ein Gürtel befand und sein lederner Schutz nichts verdeckte. Im selben Moment wo Oméril spürte wie seine Klinge in den Leib des Feindes glitt, erschallte dessen entsetzlicher Schrei wie der eines gepeinigten Tieres. Der Junge hatte abermals die Wucht seines kompletten Körpers benutzt, um seiner verhängnisvollen Waffe die nötige Kraft zu verleihen und er hatte das Gefühl, die Klinge würde von den Innereien seines Gegners aufgesaugt. Er war entsetzlich dicht bei ihm, erfüllt von seinem Geschrei, dem plötzlichen Blut und Gestank des Todes, gemeinsam stürzten die beiden zu Boden, Oméril spürte, wie sich die verzweifelte Hand seines Feindes in seinem Gesicht vergriff, er schnappte nach Luft, war aber außer Stande, von seiner Waffe abzulassen. Sein Feind war schwer, entsetzlich bleiern, zuckend, Oméril war sich sicher, in diesem Moment mit ihm gemeinsam sterben zu müssen.

Adrig hatte sich in Todesangst und Hast dieser jungen Mörder erwehrt. Sie waren entsetzlich flink und ihre Art zu kämpfen folgte keiner ritterlichen Ausbildung, sondern nur den Gesetzten von Killern. Er sah den einen gemeinsam mit Oméril zu Boden stürzen, schlug nach den anderen, der ihm allerdings mit einem Mal auswich. Mit weitaufgerissenen Augen schien der junge Kerl dem Wahnsinn nahe zu sein, er hatte es mit der Angst zu tun bekommen und seinen Kameraden zuckend auf dem Waldboden gesehen. Oméril stieß einen barbarischen Schrei aus und schob den geschundenen Leib seines Feindes von sich, griff in dessen Haarschopf, zerrte an seiner Waffe, bis die bluttriefende Kling frei war und stieß in den Hals des Meuchlers. Ehe Adrig sich versah, war sein Kumpane auf dem Sprung, sich vom Kampf zu entfernen. Fluchend versuchte er nach ihm zu greifen, doch der Kerl war verdammt schnell. Ehe er es sich versah, war der Junge bei den panischen Pferden, begriff sofort, dass er die Zügel nicht zerschneiden konnte, blickte sich hastig um, rammte gemein seinen Dolch in die Kehle unter dem Kopf eines Pferdes, das Tier schrie entsetzt auf, er duckte sich zwischen den Tieren durch und entschlüpfte seinen Feinden. Adrig hatte sich selbst rufen hören, was völlig zwecklos war, denn das verletzte Pferd brach in sich zusammen. Da sah er Oméril hinter dem Kerl her rennen. Er rief den Namen des Prinzen und stolperte hinter ihm her.

„Oméril, nicht!", brüllte er aus Leibeskräften und riss sich zusammen, um so schnell wie möglich den Jungen aufzuholen. Der fliehende junge Mörder war zäh und offensichtlich zum dauerhaften Rennen durchtrainiert. Scheinbar mühelos rannte er ohne seinen Lauf zu verringern die Anhöhe hinauf, hinter der sich die beiden wohl herangepirscht hatten. Adrig hörte Omérils keuchenden Atem, vom Schluchzen erschüttert und hatte ihn bald aufgeholt. Er hielt den Jungen an beiden Schultern fest und zog ihn an sich.

„Lass ihn gehen!", befahl er, während er den Widerstand seines Schützlings in den Armen spürte. Die beiden hörten, wie ein Pferd hinter dem Berg überrascht auf wieherte und daraufhin Galoppsprünge über den Waldboden jagten, sich entfernten, bis es schließlich still und leise wurde.

„Ich will ihn umbringen ...", keuchte Oméril, seine Stimme versagte und war nur noch ein heiseres Räuspern. Adrig packte den Jungen an beiden Schultern und drehte ihn zu sich herum, damit er in sein blutüberströmtes Gesicht blicken konnte.

„Komm! Wir müssen hier weg!", sprach Adrig zu ihm.

„Aber er wird den anderen sagen, wo wir sind!"

„Ein Grund mehr, von hier zu verschwinden! Es ist ein Späher, ein junger Meuchelmörder, der es versteht, geschwind von einem Ort zum anderen zu gelangen, Seine Kameraden sind langsamer als er. Wenn er sie getroffen hat, werden sie eine Weile brauchen, um hier zu sein. Das lässt uns einen Vorsprung, wenn wir nicht zögern und schon gar nicht hinter ihm her rennen."

Oméril presste die Lippen verärgert aufeinander und schien fieberhaft nachzudenken. Sein gesamter Körper zitterte und bebte, er war ergriffen von der Erregung des Kampfes und spürte, dass er sich übergeben wollte. Doch er kämpfte dagegen an und atmete schnell, wenn er diesem Reiz gehorchen würde, glaubte er, nie wieder aufhören zu können. Er musste stärker sein, und seinem Körper befehlen können. Adrig nickte, als habe er seine Gedanken gelesen.

„Gehen wir rasch, es ist Zeit, dass du kämpfen lernst. Du besitzt den Mut eines Raubtieres, aber deine Methoden sind erbärmlich."

Omérils Blick verlor sich in den dunkelbraunen Augen seines Ritters. Er hatte ihn retten wollen, er hatte einen Mann getötet und geglaubt, selbst dabei sterben zu müssen, doch er war noch am Leben und musste ihm gehorchen. Warum zum Teufel hatten sie es nicht geschafft, beide dieser verhassten Kerle zu ermorden? Dazu waren sie doch gekommen, es wäre nur recht gewesen. Ein armes Pferd wurde dabei getötet und jetzt waren sie wieder auf der Flucht. Doch es blieb ihm keine andere Wahl als Adrig zu folgen. Stumm beeilten sich die beiden, ihre Habseligkeiten in Hütte aufzusammeln und sich auf den Weg zu machen. Beim Anblick des Toten füllten sich Omérils Augen mit Tränen. Die schreckensgeweiteten Augen, die leer in den Himmel starrten und die blutige Wunde dicht am bleichen Gesicht erfüllten den Prinz mit absolutem Grauen. Adrig beobachtete ihn und beeilte sich, die Sattelgurte der Pferde festzuziehen. Er führte den Jungen zu seinem Reittier und nickte ihm zu, damit er endlich aufsaß. Neben ihnen lag das gefallene Pferd und die Tränen kullerten endlich hoffnungslos über das verschmutzte Gesicht Omérils und er bemühte sich, sein Gesicht zu verstecken. Adrig betrachtete seine kindliche Nase und dachte sich, dass in seinem jungen Alter so ein Hieb sich wieder leicht verwachsen würde. Er ließ ihnen keine Zeit, sich zu reinigen oder zu pflegen. Sie mussten von diesem Ort verschwinden und alles andere würde sich später zeigen. Doch zuvor nutzte er den Moment an dem sein Schützling den Kopf abgewandt hatte, um den getöteten Kerl nach einer Geldbörse zu durchsuchen und er wurde fündig. Männer von solchen Können wurden bezahlt und er würde Geld brauchen.

Adrig entschied sich, tiefer in den fremden Wald einzudringen. In der stummen Hoffnung, dass sein Gefühl ihn nicht trügen würde, ließ er die Pferde lieber bergab laufen, weg vom Gebirge, dem schmalen Bach folgend, so weit es ging. Irgendwo würden sie den Wasserlauf durchqueren, damit vielleicht ihre Spuren für eine Weile verwischen. Er konzentrierte sich auf seinen Weg und jeden Schritt seines Pferdes, achtete darauf, dass sein zweites Pferd nicht zögerte und Adrig folgsam bei ihm blieb. Der Junge hatte aufgehört zu weinen, er war jung und war nie mit der Härte des Lebens wirklich konfrontiert worden. Er hatte sich in blinder Wut geschlagen und mit seiner Wachsamkeit ihnen beiden wohl das Leben gerettet. Wäre er ebenfalls eingeschlafen, so gab Adrig nicht viel auf ihre Weiterreise. Die Spione hätten ihnen die Pferde entwendet und sie mühelos überfallen. Adrig presste verkrampft seine Zähne zusammen während er sich in Gedanken den Ablauf des Kampfes darstellte. Diese beiden jungen Kerle waren bemerkenswert flink gewesen. Zäh und ausdauernd gehörten sie wohl zu den schnellsten in ihrer Zunft. Späher, die sich in keinem fremden Land fürchteten, weil sie selbst zu den Bedrohungen des Unerwarteten gehörten. Der Ritter fragte sich, wie der Rest ihrer Gruppe aussehen mochte. Auftragsmörder waren in den Augen der Öffentlichkeit unbekannt und folgten ihren eigenen Gesetzen. Wahrscheinlich waren es die Männer gewesen, welche die jungen Spione bezahlten. Adrig wusste, dass er einen Plan erarbeiten musste. Er konnte unmöglich mit Oméril ständig auf der Flucht bleiben. Er musste Möglichkeiten finden, seine Verfolger zu überraschen und sie einem nach dem anderen außer Gefecht zu setzen.

Als es an der Zeit war, die Pferde verschnaufen zu lassen, lag über den Wald eine tiefe Stille. Bald würde es dunkel werden. Die Äste der Bäume verharrten ruhig in der kalten Luft und warteten auf den Winter. Adrig blickte in die trübe Umgebung, sie hatten den Bach hinter sich gelassen, waren so weit wie möglich wo das Wasser flach genug war, gegen die Strömung geritten und an einem steinigen Ufer zwischen dichte Büsche geschlüpft. Jetzt mussten die Pferde zur Ruhe kommen. Er konnte es sich nicht leisten, diese Tiere unnötig zu belasten. Vielleicht würde er sie sogar verkaufen, das gewonnene Geld sparen und zu Fuß weiterreisen. Er brauchte Zeit, für einen Plan. Er müsste eine Gelegenheit finden, seine Kleidung zu wechseln, ebenso die des Jungen. Es war an der Zeit, sich in der Weltgeschichte unsichtbar zu machen.

Oméril war ebenfalls abgesessen, starrte reglos in den Wald und atmete schwer. Adrig lockerte die Sattelgurte der drei Pferde, einzig ihr erleichtertes Schnaube, das Scharren ihrer Hufe und Malmen ihrer Mäuler waren in der drückenden Stille zu vernehmen. Die Tiere begnügten sich mit dem vom ersten Frost umgeknickten braunen Gräsern zwischen den Baumstämmen. Noch waren ihre Hufe und Beine unbeschadet und würden auf einem Pferdemarkt einen korrekten Preis erzielen, dachte Adrig bei sich. Vorläufig musste er sich Oméril annehmen, der Junge bereitete ihm Sorgen. Wahrscheinlich waren sie ohnehin zu weit von einer Stadt oder größeren Siedlung entfernt, in der Adrig auf einen Käufer hoffen konnte. Es war also nicht nötig dem Kind seine Gedanken zu unterbreiten, dass sie sich von den Tieren trennen würden. Insgeheim ahnte der Ritter, dass der Junge, dies nicht ohne Weiteres akzeptieren würde. Die Gegenwart der Pferde hatte etwas Beruhigendes.

„Oméril, wie geht es dir?", fragte Adrig leise mit betont sanfter Stimme und der Junge hob seine Schultern an, schüttelte langsam den Kopf wobei Adrig sah, dass er noch immer zitterte. Offensichtlich war das Kind schockiert.

„Wie alt bist du?", fragte Oméril mit bemerkenswert fester Stimme, als würde er sich bemühen, eine Rolle zu spielen.

„Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt."

Oméril nickte verstehend und verharrte einen Augenblick völlig ruhig, bis er schließlich erwiderte: „In drei Jahren hast du dein komplettes Mannesalter erreicht."

„So ist es bei uns, die Gesetzte der Unih haben es so entschieden. In anderen Völkern wird das Alter der Männer anders gerechnet und im Grunde spielt es keine Rolle", erklärte Adrig ruhig und wagte sich, etwas näher zu treten. Oméril blickte ihn plötzlich direkt ins Gesicht, die Pupillen seiner dunklen Augen zuckten unruhig hin und her, doch er fixierte den Ritter. Offensichtlich hatte ihn seine Bemerkung berührt.

„Du bist heute jünger als ich es sein werde, wenn ich meinen Thron besteigen darf. Warum hat mein Vater nicht daran gedacht, dieses Gesetz zu ändern? Wäre es nicht einfacher gewesen, mich einfach als Nachfolger zu ernennen, wenn er stirbt?"

„Genauso sieht es aus und ist im Interesse des Hofrates, einen jungen beeinflussbaren König zu haben. Und deines Lebens wärst du in Valroux nicht sicher." Adrig hörte sich selbst diese absurden Worte sprechen und fühlte sich dabei, als habe er einen Text auswendig gelernt, welchen er weder für richtig noch weise halten konnte.

„Jeden Tag werden wir um unser Leben bangen. Sieh doch selbst was für einen Schaden zwei dünne Jünglinge anrichten, nur weil ihnen für Geld angeordnet wurde, uns aufzuspüren. Wer gibt ihnen das Recht, uns zu töten? Ripek? Männer aus dem Hofrat? Leute, in der Nähe meines Vaters?" Omérils Gesicht war kreidebleich geworden und seine Nase leuchtete rot und angeschwollen mitten im Gesicht. Im Laufe der folgenden Tage würde sich ein gewaltiger Blutaufguss bilden und blau anlaufen.

„Wenn wir es wüssten und Beweise hätten, wären wir nicht in dieser Situation ...", sprach Adrig leise, denn im Grunde wusste er absolut nicht mehr, wie er den Jungen beruhigen konnte. Ihm blieben die Worte aus, denn diese Geschichte war völlig absurd.

„Ich werde meinen Vater nie wieder sehen, das ist mir jetzt klar. Ich bin heute dreizehn Jahre alt, bis ich so alt sein werde wie du heute, sollen mindestens sieben Jahre vergehen." Er rang nach Luft und bemühte sich, ruhig zu bleiben, dabei haderte er mit seiner Verzweiflung. „Und dann noch drei weitere Jahre ... aber das ist doch unmöglich ..."

„Nichts ist unmöglich ..." Omréil flüsterte und Adrig wagte sich selbst kaum lauter zu sprechen. Vor ihm stand ein kleiner Junge, dem klar war, welchen Gefahren er ausgesetzt war und das sein Leben sich in jeder Stunde in einem brutalen Tod auflösen konnte. Ein Junge, der sich nach Sicherheit und Schutz sehnte und er hatte nur ihn bei sich, einen jungen Ritter, der selbst der Erschöpfung nahe war. Am liebsten hätte er ihn in die Arme geschlossen und ihn mit wiegenden Bewegungen beruhigt, gesagt und versichert, dass alles wieder gut sein würde und er sich nicht zu sorgen brauchte. Doch er wusste genau, dass dies eine Lüge war! Die Wahrheit war schrecklich, ihre Pferde mussten sie loswerden, sie mussten sich verstecken, bei anderen Menschen Unterschlupf finden, sich für Leute ausgeben, die sie nicht waren, deren Gesten und Gepflogenheiten studieren, um selbst unerkannt zu bleiben. Zu zweit hatte sie kaum eine Überlebenschance, die Auftragsmörder waren sicher bald auf ihren Spuren, es war nur eine Frage der Zeit.

„Ich will das nicht! Du hast nicht verdient, von deiner Frau getrennt zu sein. Wenn sie ihr Kind zur Welt bringt, wird es älter sein als ich heute, wenn du mit mir wieder in Valroux einreitest. Mein Vater hat mir gesagt, dass wir in Städten und Schulen erwartet werden und Unterschlupf finden. Sollten wir nicht lieber einen anderen Weg einschlagen und es dort versuchen? Vielleicht können wir früher als geplant wieder nach Hause kehren?" In diesem Moment konnten Omérils Worte kindlicher nicht erscheinen und er ward sich dessen wohl selbst bewusst, als Adrig standhaft schwieg und in seine flehenden Augen blickte.

„Ich will nicht sterben!"

„Das wirst du auch nicht, bleib nur ganz ruhig. Wir werden uns etwas ruhen und du wirst sehen, es wird auch weitergehen."

„Ich werde meinen Vater nie mehr wiedersehen!"

„Oméril! Klagen bringt niemand weiter!"

„Ich hasse diese Welt, hörst du?", schrie er auf einmal erbost auf. „Wer hat es schon verdient, zu leben? Niemand will geboren werden!"

Adrig legte seine Hand beruhigend auf die Schulter des Jungen, doch er riss sich ungestüm los.

„Du willst mich also nicht in die Städte bringen, wie es mein Vater angeordnet hat, weil du dich davor fürchtest, dort umgebracht zu werden?"

„Wären wie den angegebenen Wegen gefolgt, wären wir wahrscheinlich schon längst tot!"

„Vielleicht auch nicht! Stattdessen irren wir wie Blöde in einer absoluten Wildnis, die niemand kennt und wissen überhaupt nicht wohin wir gehen können."

„Unsere Verfolger wissen es auch nicht, und das gibt uns eine Überlebenschance."

„Du weißt überhaupt nichts!" Erbost trat der Junge ein paar Schritte zurück ohne Adrig aus den Augen zu lassen. Der Ritter spürte, dass ihm die Kontrolle über die Situation völlig entglitt und er weitete entwaffnend seine Arme.

„Oméril, beruhige dich! Ich werde mein Bestes geben, um dir beizustehen, ich gebe dir mein Wort."

„Lass mich in Ruhe! Du hast meinem Vater nicht gehorcht und dafür müssen wir jetzt mit einem abscheulichen Tod im Matsch bezahlen. Du bist allein daran Schuld..." Omérils Stimme überschnappte sich und hallte erschreckend schrill durch die abwartende Wildnis.

„Ich bitte dich, mach nicht solch einen Lärm!" Doch der Junge schrie ihn abermals trotzig an und begann davonzulaufen.

„Oméril!", brüllte Adrig ihm nach und fluchte, weil der kleine Kerl beachtlich schnell rennen konnte. Die Pferde spitzten aufgeschreckt die Ohren und blickten den beiden Männern nach. Fast wäre es Adrig gelungen, den Jungen einzufangen, er packte nach seinem Arm, verlor dabei allerdings das Gleichgewicht und stolperte auf den Waldboden. Oméril stürzte ebenfalls, riss sich los und versetzte Adrig einen kräftigen Tritt ins Gesicht. Der Mann keuchte vom Schmerz gepeinigt auf und brauchte einen kurzen Moment, um sich zu sammeln. Mehr benötigte der Junge nicht, um ihm zu entwischen.

Adrig war benommen von dem unerwarteten Hieb und hielt sich seine schmerzende Wange. Schnaufend rappelte er sich auf die Beine und blickte dem Jungen hinterher. Er sah wie sich seine Gestalt wie ein verschwommenes Spektrum in der Umgebung verlor. Er rief noch einmal seinen Namen, lief noch ein paar stolpernde Schritte, bis er endlich stehenblieb. Beide Beine fest in den Waldboden gerammt als würde sich sein Körper weigern, auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Er fluchte für sich allein und blickte um sich. Nach und nach vermochte er die Umgebung wieder klarer zu erkennen. Die Dunkelheit nahm zu. Hatte er versagt? Das fragte er sich in diesem Augenblick und er rang nach Luft. So sollte es also ausgehen mit seiner heroischen Reise ins Unbekannte, ins Exil zum Schutz des Kronprinzen der Unih. Das durfte doch nicht wahr sein, sprach er zu sich selbst und ging ohne weiter zu grübeln zurück zu den Pferden.

Er würde den Bengel schon wiederfinden, allerdings konnte er es sich nicht erlauben, die wertvollen Reittiere im Stich zu lassen. Und er durfte nicht die Gefahr gehen, sich selbst in diesem verdammten Wald zu verlaufen. Der finstere Himmel half ihm nicht gerade dabei, eine Richtung einzuschlagen und es wäre leichter gewesen als er ahnte, sich einfach zu verlaufen. Vorläufig wollte er zu den Pferden zurück, um anschließend die Spuren von Oméril aufzusuchen.

Oméril hingegen rannte wie blind durch den Wald, an den unzähligen Baumstämmen vorbei, unter Ästen hindurch geduckt, getrieben von unglaublicher Angst, und brennender Wut und Hass auf all diese großen Menschen, die ihn seit er sich erinnern konnte, umgaben und sagten, was er zu tun hatte. Er war frei, jedenfalls hatte er das Recht dazu, ebenso wie die Burschen, die ihm vor wenigen Stunden zugesetzt hatten. In diesem Augenblick war er sich sicher, das Gesicht des jungen Mannes, den er mit eigenen Händen umgebracht hatte, nie vergessen zu können. Er war von nun an auch ein Mörder, ein Kerl, der einen Mann umbringen konnte und er wusste, dass er noch viele andere töten würde und diese Gedanken machten ihn wahnsinnig. Von klein auf hatte er von Kämpfen gehört, sein Vater hatte seine Armee in den Krieg reiten lassen und es wurde ihnen jeden Abend von großen Schlachten erzählt. Oméril hatte gelernt, wie er eine Waffe halten musste und welche Körperhaltung zu welchem Schlag gehörten, doch all dieser wertvolle Unterricht, diese erhabenen Lektionen im sauberen Waffenhof seines Schlosses kamen ihm jetzt nicht nur wie eine große Lüge, sondern einfach nur lächerlich vor. Adrig hatte ihm gesagt, wie grotesk seine Kampfmethoden waren, er verfügte über keine einzige, er wusste nur, dass er am Leben bleiben wollte. Jeder, der sich in seinen Weg stellen würde, sollte mit dem Leben bezahlen. Und wer war dieser Adrig überhaupt? Ein Ritter, wie so viele andere am Hof seines Vaters, die sich etwas auf ihre Tugenden einbildeten und auf jede Frage eine Antwort parat hatten. Antworten, die von ihnen erwartet wurden und einfach waren, auswendig zu lernen. Selbst nachzudenken wurde von ihnen nicht erwartet. Für Männer wie Adrig schien das Leben einfach zu sein, sie hatten ja nur ihren blöden Befehlen zu gehorchen und diese mit Bravour auszufüllen. Wie konnte so ein Mann überhaupt verstehen, was in seinem brennenden Herzen vorging. Das betroffene schöne Gesicht Adrigs hatte ihn verzweifeln lassen. Er liebte ihn, er hasste ihn, all die Gedanken jagten durch seinen Kopf und er rannte schneller und schneller, seine Lunge schmerzte ihm, doch er wollte darauf nicht hören und weiter rennen, bis er vor Erschöpfung umfallen würde. Er feuerte sich weiter an und hörte seine eigenen Schritte über den Waldboden rennen, leicht, trittsicher und ausdauernd, er war Oméril, und würde stets allein kämpfen und zu einem erbarmungslosen Krieger heranwachsen. Brauchte er einen Ritter wie Adrig dazu? Es durstete ihm nach Blut, Blut haftete noch immer an seinen Händen, in seinem Gesicht, sein Atem fauchte wie der eines wilden Tieres und seine Augen tränten, doch er erkannte jedes Detail seiner Umgebung. Der Mond war aufgegangen und strahlte voll durch die kahlen Baumwipfel. Die Umgebung war in silbernes Licht getaucht.

Endlich verlangsamte er seine Schritte, bis er wieder ruhig atmen konnte und sogar zum Stehen kam. Er lauschte konzentriert in die Stille des Waldes und fühlte sich in diesem Augenblick wie ein unbesiegbarer Herrscher eines fremden Landes. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren und es war ihm auch völlig gleichgültig, welche Uhrzeit momentan vorherrschen würde, denn er gehörte nicht mehr zu seinem verdammten Hof, an dem zu präzisen Augenblicken Mahlzeiten serviert wurden, Bäder eingelassen oder Unterricht erteilt wurde. All das gehört nun endgültig zur Vergangenheit und er brauchte dessen nun nicht mehr. Es ging darum, die Spur seines nächsten Opfers aufzunehmen und er sehnte sich danach, eins auszumachen. Ein Tier, ein Mensch, das konnte ihm gleich sein, er war ein Jäger geworden und würde sich nie wieder jagen lassen. Er würde töten, mit List und Tücke, kein Mensch sollte ihm etwas von Ehre einreden. Sein Herz trommelte wie wild in seine Brust und er war sich sicher, auf der Spur von etwas zu sein. Ein Trieb befahl ihm, sich zu ducken und leise, aber geschwind voran zu gehen. Er würde erneut töten und plötzlich hatte er das Gefühl, sein nächstes Opfer riechen zu können. Oméril pirschte sich unter vertrockneten Farnen durch bis er zu einem kleinen Pfad gelangte und in der Tat eine Gestalt zu erkennen glaubte. Bei dieser Erkenntnis beschleunigte sich sein Herzschlag und in seiner Brust brannte mit einem Mahl eine steinharte Wut. Er pirschte so rasch wie möglich hinter diesem Wesen her und war selbst überrascht, wie schnell und lautlos er voran kam. Bald konnte er erkennen, wen er da verfolgte, ein Mädchen mit langen, hellen und zerzausten Haar. Ihr grauer Rocksaum war vom feuchten Erdboden dunkel. Oméril blieb in Deckung und verfolgte ihre Bewegungen wir ein lauerndes Raubtier. Ihre Schritte wirkten zögernd und tastend, sie trug einen schweren Tonkrug und schien es nicht eilig zu haben. Sie war dünn, vielleicht sogar abgemagert und beachtete kaum ihre Umgebung. In Gedanken verloren bot sie ein einfaches Opfer, Oméril betrachtete seine Hände, mit denen er sich auf dem Boden abstützte. Jetzt kamen sie ihm kräftig vor und all die Worte der Leute am Hof, die ihn immer als groß gewachsen für sein Alter bezeichnet hatte, bestätigten sich. Er wusste, dass er töten konnte und er spürte den Reiz der Jagd nach einem schwachen Opfer. Männer setzten ihm nach, befolgten blind einer Anordnung, das alles machte keinen Sinn, und dieses verarmte Mädchen dort, welches nicht einmal bemerkte, dass es beobachtet wurde, stellte sich wie eine unverhoffte Beute dar.


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Das Spiel Από Beatrixi2508

Φαντασίας

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