Aruna - Die Rote Göttin

By Alounaria

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Teil 1: Aruna - Die Rote Wölfin Teil 2: Aruna - Die Rote Göttin ---- Nachhause. Das einzige, woran Aruna nu... More

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By Alounaria


Es war komisch, dachte ich, während ich schweigend zwischen Eza und Cole lief und die Tasche, die ich bei unserem Wiedersehen hatte fallen lassen, fest umklammerte.

Nach all den Wochen würde Alec nun nicht mehr bei mir sein.

Ich warf einen kleinen, verräterischen Blick über die Schulter, konnte mich einfach nicht davon abhalten.

Und da stand er. Immer noch am Feuer, ließ Lila und die anderen vorgehen.

Sein Kopf hob sich. Und da kreuzten sich unsere Blicke.

Müde hob ich meine Mundwinkel während er den Kopf leicht neigte, ein kleines Lächeln wagte und nickte.

Ob es für ihn auch so komisch war? Einerseits vermisste ich die gammligen Motelzimmer banalerweise jetzt schon, doch andrerseits könnte ich nicht glücklicher sein, endlich in mein Dorf zurückzukehren.

»Aruna?«

Erschrocken wirbelte ich wieder herum und fand mich unter den fragenden Blicken meiner besten Freunde wieder.

Verwirrt blinzelte ich, während ich spürte wie meine Eltern immer und immer wieder nach hinten sahen, als hätten sie Angst, ich würde gleich wieder verschwinden.

»Was?«, fragte ich dann verwirrt, als Eza und Cole mich immer noch ansahen und ganz offensichtlich irgendeine Antwort von mir erwarteten.

»Alles okay bei dir?«, fragte Cole misstrauisch und blickte ebenfalls über seine Schulter wie ich zuvor.

Doch zu meinem Glück schien Alec schon verschwunden, denn Cole sagte nichts weiter.

Wir sollten echt vorsichtiger sein... Denn auch, wenn Eza Alec anscheinend schon in ihr Herz geschlossen hatte, hielt ich es immer noch für das beste, unsere Beziehung erst einmal aus dem ganzen Chaos heraus zu halten.

Wenn die Zeit allerdings gekommen war, dann war das großgewachsene Mädchen neben mir ganz sicher die erste, die es erfahren würde. Naja, vermutlich mit Lila. Aber darum ging es jetzt nicht.

Gähnend schüttelte ich den Kopf und rieb mir über meine Augen.

»Bin nur ein bisschen erschöpft. Das waren ganz schön anstrengende Wochen.«

Eza seufzte und nickte.

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass das alles passiert ist... Wir dachten du wärst tot, aber nein, in Wahrheit hast du gerade die Welt gerettet.«

Ich gluckste leicht und schüttelte den Kopf.

»Vielleicht ist das ein bisschen zu krass ausgedrückt.«

Cole schnaubte und stemmte die Hände in die Hüften.

»Zu Krass?! Du hast den verdammten Urvampir und all seine gruseligen kleinen Hybriden getötet Ary!«

Eine Gänsehaut überkam mich, allein bei dem Klang dieses vertrauten Spitznamen. Und bei dem Gedanken, dass ich eine Zeit lang sogar daran geglaubt hatte, er wäre mein richtiger Name.

Die Wochen in dem Ferienhaus hatten meine Erinnerungen zwar zum größten Teil geordnet, doch irgendwo war ganz sicher eine Spur davon geblieben. Eine Narbe, wenn auch nicht äußerlich. Aber gut, wie konnte es auch nicht?

»Gott, keine Ahnung wer mich das letzte Mal so genannt hat. Das ist eine Ewigkeit her«, murmelte ich schließlich und aufeinmal hätte ich direkt wieder losheulen können.

Jetzt war ich also tatsächlich Zuhause... Bei meiner Familie... Bei all den Menschen, die ich liebte...

Ich konnte es nicht fassen.

Wochenlang waren da bloß Alec und ich gewesen und auf einmal waren da so viele mehr.

Eza schmunzelte und legte dann einen Arm um meine Schulter. Irrte ich mich, oder war sie gewachsen?

»Tja, dein Pech, so schnell wirst du uns jetzt nicht mehr los«, feixte sie und ich verdrehte gespielt genervt die Augen, während ich vor Freude anfing zu zittern.

»So ein Pech aber auch«, erwiderte ich und tat, als würde ich an der bloßen Luft ersticken.

»Du bist scheiße«, grinste Cole und boxte mir gegen die Schulter, woraufhin ich ihm einfach äußerst erwachsen die Zunge raus streckte.

»Und du bist hässlich du Gesichtsgrätsche.«

Fast schmollend verschränkte Cole die Arme vor der Brust und ich konnte gar nicht ausdrücken, wie sehr ich dieses Herumgealbere vermisst hatte.

»Pfeifen, alle beide«, kommentierte Eza, doch ihr breites Grinsen blieb genau da, wo es war.

Jep. Ich hatte diese beiden Idioten definitiv unglaublich vermisst. Und jetzt, wo sie wieder da waren schien alles einfach... leichter.

»Was wir eigentlich gefragt haben«, setzte Cole dann an, »während du den verbrannten Holzscheiten sehnsüchtige Blicke zugeworfen hast: Wie willst du Ben aufwecken?«

Zum Glück war es so dunkel, dass selbst ihre Nachtsicht es nicht ermöglichen sollte, zu sehen, wie die Hitze in meine Wange stieg.

Ja... verbrannte Holzscheite...

Ich fing mich allerdings relativ schnell wieder bei dem Gedanken, dass es bald so weit war. Bald würde ich Ben wieder in meine Arme schließen können, ob er nun wollte oder nicht. Ich würde ihn zerdrücken bis er keine Luft mehr bekam! So schnell ließ ich diesen Jungen nämlich nicht mehr los.

Hastig räusperte ich mich, um meine lange Pause nicht noch komischer wirken zu lassen, dann deutete ich auf meine Tasche.

Den Part hatten wir in unseren Erzählungen vorerst nämlich ausgelassen. Wir hatten nur erzählt, dass Gabe bei dem Vampir gewesen war, damit der das Dorf durch seine Augen beobachten konnte und wir hatten erzählt, dass er bald zurück kommen würde, allerdings zunächst noch ein wenig Zeit für sich brauchte.

Das er allerdings der Schlüssel zu Sirens Aufwachen war, weil er so wie Ben ihr Bruder war, hatten wir vorerst verschwiegen. Folglich auch die Tatsache, wie wir Ben wecken konnten.

In dem Moment gab es einfach wichtigeres und das hätte nur zur unnötiger Aufregung geführt.

Alec würde es Lila und den anderen später noch erklären, ebenso wie er erklären würde, dass Gabe versprochen hatte, in den nächsten Wochen zurück zu kommen, damit sie Siren wecken konnten.

Ein weiterer Punkt, warum ich Gabe mit aller Macht versucht hatte zu überreden, mit uns zu kommen.

Alec hatte bereits vorgeschlagen, ihn einfach niederzuschlagen und gegen seinen Willen mitzuschleppen, immerhin wollte er Siren natürlich genau so zurück haben, wie ich Ben zurückhaben wollte.

Doch ich hatte ihn überzeugen können, es nicht zu tun. Erstens, weil das Reisen mit einem geknebelten Jungen vielleicht etwas zu auffällig gewesen wäre und zweitens weil ich Gabe hatte überzeugen können, nicht mehr als zwei Wochen zu brauchen.

Ich blinzelte ein paar Mal, um wieder aus dem Sumpf meiner Gedanken aufzutauchen, während ich die fragenden Blicke meiner Freunde geradewegs auf mir spüren konnte.

»Es ist die Schneekugel. Erinnert ihr euch, wie ich sie gesucht habe, kurz bevor Gabe und Fen sich dem Rudel gezeigt haben? Einer von den Männern des Vampires hat sie ihm gebracht, einen Gegenstand, den Ben mit einer geliebten Person verbindet. Er hat einen Zauber auf sie gelegt. Und solange die Kugel nicht zu Ben zurückkehrt, bleibt er in seiner Ohnmacht gefangen. Tja. Und ich habe fest vor sie zurück zu bringen.«

Entschlossen tätschelte ich meine Tasche, während Cole schnaubend den Kopf schüttelte.

»Dieser Vampir ist echt krank«, murmelte er, Eza allerdings blieb merkwürdig still.

Fragend musterte ich sie, doch sie starrte für den Moment noch nachdenklich nach vorne.

»Ez?«, fragte ich vorsichtig und da wurde auch Cole auf das merkwürdige Verhalten seiner Freundin aufmerksam.

Seine Freundin. Gott war dieser Gedanke komisch. Aber im guten Sinne. Eza und Cole... Wenn jemand ein perfekteres unperfektes Paar bildete, dann ja wohl die beiden.

»Ich glaube ihr ist grad aufgefallen, wie scheiße sie ist«, murmelte Cole und fing sich so gleich einen Schlag in die Seite ein, während Eza einfach nur die Augen verdrehte, ihr leichtes Grinsen allerdings nicht verbergen konnte.

»Gar nicht beachten Ary, der Kerl hat ganz schöne Minderwertigskeitskomplexe, die muss er halt irgendwo rauslassen.«

Cole schnaubte und feixte das Mädchen mit der dunklen Haut an.

»Und trotzdem liebst du mich.«

Eza schnaubte und festigte ihren Griff um meine Schultern noch ein wenig mehr, zog mich so näher zu sich heran und von Cole weg.

»Ich liebe nur meine Ary du Pfeife.«

Ich gluckste und lehnte meinen Kopf gegen Ezas Schulter um mitzuspielen.

»Ich liebe dich auch Ez«, grinste ich und schielte zu Cole rüber, der schnaubend die Arme verschränkte.

»Nehmt euch ein Zimmer«, grummelte er eingeschnappt und als Eza und ich uns dann ansahen konnten wir nicht mehr an uns halten und fingen an zu kichern wie dumme kleine Mädchen.

Versöhnend griff ich nach Cole und legte ihm mehr oder minder erfolgreich meinen Arm um die Schultern.

»Keine Sorge, dich liebe ich natürlich auch«, grinste ich.

Cole versuchte zwar, weiterhin auf Schmolli zu machen, doch das Grinsen konnte er dennoch nicht verhindern.

»Lügnerin.«

»Nur ein bisschen.«

Eza lachte und knuffte Cole ziemlich umständlich in die Schulter, während Lilith kopfschüttelnd an uns vorbei ging.

»Ihr drei habt echt die komischste Beziehung, die mir jemals untergekommen ist«, meinte sie im gehen, doch selbst die stets ernste Lilith konnte ihr Lächeln nicht verbergen, während sie zu meinen Eltern aufschloss.

Tja. Heute waren wir alle wohl ziemlich aufgelöst.

»Apropos Beziehung Ary«, begann Eza dann plötzlich und blickte mich vielsagend an.

Und auf einmal setzte mein Herz für einen Moment aus und ich konnte nicht verhindern, dass meine Augen groß wurden.

Beziehung?! Hatte sie etwa doch etwas bemerkt? Scheiße.

Natürlich... natürlich waren wir zu auffällig gewesen... Verdammt.

»Beziehung?«, krächzte ich vermutlich etwas zu panisch, denn in diesem Moment horchte auch Cole auf.

Ach du Scheiße. Verdammt. Scheiße.

Ezas Grinsen wurde noch breiter, denn anscheinend bestätigte ich ihr mit meiner bescheuerten Reaktion irgendeine Vermutung die sie hatte und ich hätte mich am liebsten selbst geschlagen.

Verdammte Scheiße jetzt reiß dich doch mal zusammen Aruna!

Vielsagend zuckte Eza mit den Brauen.

»Wusste ichs doch!«, grinste sie und ich musste so heftig blinzeln, dass mir die Tränen in die Augen stiegen.

Cole hob überrascht die Brauen, während Eza einfach nicht mehr aufhören konnte zu grinsen.

Ach du scheiße.

Alec würde mir den Kopf abreißen. Aber sowas von.

»Du spinnst«, krächzte ich und wollte gerade schon ansetzten, dass da ganz sicher nichts zwischen Alec und mir war, doch da kam sie mir zuvor.

»Also erzähl schon Arunalein? Was läuft da zwischen dir und Ben.«

Vor lauter Überraschung verschluckte ich mich an meiner eigenen Spucke und fing dann plötzlich so laut an zu Husten, dass die beiden Idioten mich erschrocken losließen und meine Eltern sich alarmiert umdrehten.

Keuchend und hustend krümmte ich mich zusammen und hätte vor Erleichterung geradezu platzen können.

Ach du scheiße! Sie redete von Ben! Nicht von Alec! Und ich Idiot war kurz davor gewesen, seine Namen fröhlich heraus zu posaunen!

Na da hätte ich wohl einiges zu erklären gehabt... Halleluja...

»Ben?!«, krächzte ich, während Cole unbeholfen begann, meinen Rücken zu tätscheln und meine Eltern wohl zu dem Entschluss gekommen waren, dass ich nicht in Lebensgefahr schwebte, bloß meine Dummheit mal wieder ziemlich eindrucksvoll zur Show stellte.

Eza stemmte die Hände in die Hüften und grinste immer breiter, weil meine Reaktion auch nicht gerade das Gegenteil ihrer Vermutung bestätigte.

Aber besser Ben, als Alec, dachte ich.

Mit Coles Hilfe beruhigte ich mich langsam wieder etwas und schüttelte dann so heftig den Kopf, dass es schmerzte.

»Also?«, grinste Eza und zuckte mit ihren dunklen Augenbrauen. Ich keuchte auf und schnaubte dann.

»Ben und ich? Du spinnst ja wohl! Er ist mein bester Freund.«

Eingeschnappt verschränkte Cole die Arme vor der Brust.

»Na vielen Dank aber auch.«

Ich verdrehte die Augen und schnipste ihm gegen die Schulter.

»Mein bester Inbec-Freund Cole. Und jetzt tu nicht so, du weißt, was Eza und du mir bedeutet. Immerhin kenne ich euch seit ich atmen kann.«

Coles Schmollen verwandelte sich in ein kleines Grinsen, doch Eza ließ nicht von ihrer Theorie ab.

»Ich weiß noch ganz genau wie fertig du warst, nachdem das alles mit Ben passiert ist. Und du kannst mir nichts vormachen Ary, oder willst du mir etwa erzählen, du denkst nicht die ganze Zeit an ihn?«

Schnaubend verschränkte ich die Arme vor der Brust.

»Natürlich war ich fertig und natürlich denke ich an ihn. Genau so wie ich an dich oder Cole denken würde, wenn ihr seit Monaten im Koma liegen würdet. Ich liebe Ben genauso wie ich euch liebe. Wie einen Bruder.«

Doch Wenn sich Eza einmal etwas in ihren hübschen Kopf gesetzt hatte, dann brauchte es einiges, um es da wieder heraus zu bekommen.

Meine Worte taten ihrem Grinsen keinen Abbruch und während sie sich bei mir unterhakte und weiter ging schüttelte sie bloß mit dem Kopf.

»Jaja Arylein, das werden wir ja noch sehen.«

Ich musste grinsen.

Ja Ezilein, das würden wir sehen. Besonders auf dein Gesicht bin ich gespannt, wenn du von Alec und mir erfährst.

Also grinste ich einfach und schüttelte den Kopf, als mein Blick plötzlich auf einen Fleck voller violetter Blumen fiel, die mir einen süßlichen Geruch entgegen brachten.

Für einen Moment hielt ich inne.

Wolfswurz.

Dann hob ich meinen Blick.

Und da waren sie. Die ersten Häuser unseres Dorfes.

Zuhause. Mein Zuhause.

»Wir sind da«, hauchte ich vermutlich etwas zu überwältigt und musste heftig blinzeln, als wir an den bekannten Holzbauten vorbei gingen.

Da war der Schuppen, hinter dem ich mich gerne versteckte, der Baum mit den eingeritzten Initialen meiner Freunde und mir.

Liams Haus. Die Stallungen.

»Es hat sich gar nichts verändert«, hauche ich heftig blinzelnd und war froh, dass Eza sich bei mir eingehakt hatte.

Zumindest konnte ich so nicht auf den Boden krachen, sollten meine Beine nachgeben.

»Naja, ein wenig schon«, raunte Eza und auf einmal spürte ich ihre Unsicherheit.

Verwirrt runzelte ich die Stirn, während selbst um diese späte Zeit noch ein paar Lykanthropen wach waren und mir, der wiederauferstandenen Alphatochter, hinterherblickten.

Ich wollte gerade zu meiner verwirrten Frage ansetzten, doch da traten wir auf den großen Platz vor dem Haus meiner Familie.

Und da sah ich es. Mitten auf dem Platz, wo vorher bloß gähnende Leere geherrscht hatte.

Eine Statue. Naja. Um genau zu sein drei.

Ich stockte und starrte das aus Stein gehauene Kunstwerk mit großen Augen an.

Ich spürte die brennenden Blicke der anderen auf mir. Doch darauf konnte ich nun nicht achten. Ich starrte einfach nach vorne.

Denn da standen wir. Ylva Fenris und ich.

Ein Ebenbild unserer Selbst.

Fenris stand links von mir, groß wie er gewesen war und mit einem warmen Lächeln, während er einen Arm um meine Schulter gelegt hatte.

Da war ich. Die vertrauten, wirren Locken, die Narbe, die Sommersprossen. Ich grinste breit, wie ich es früher immer getan hatte, fröhlich und ausgelassen, während Ylva ebenfalls einen Arm um mich gelegt hatte.

Die gewellten Haare fielen ihr unglaublich bekannt über die schmalen Schultern und sie wirkte unheimlich groß und schlank neben mir.

Ich blinzelte heftig.

Doch das einprägsamste waren die Flügel. Engelsflügel. Einer auf Fenris Rücken, einer auf Ylva, als würden wir eine Einheit bilden und nur zusammen fliegen können.

Mein Blick glitt hinab auf den Stein, auf dem wir standen. Meine Lippen fingen an zu zittern.

Daten waren in ihn eingekerbt worden. Geburtsdaten. Und Todesdaten.

Und ich konnte nicht anders, als meine eigenen Daten anzustarren. Aruna Rey. Gestorben im September diesen Jahres.

Ich musste schwer schlucken als mein Blick auf den Spruch fiel, der über unsere Daten eingraviert worden war.

Drei Engel die von uns gingen, drei Engel die ihre Spuren in unseren Herzen hinterließen,drei Engel, die nun über uns wachen, drei Engel, die nie vergessen sind.

»Wir wollten sie nicht wegtun«, ertönte plötzlich eine sanfte Stimme neben mir und ich blickte erschrocken zu meiner Mutter auf, die mich vorsichtig anlächelte.

»Sie ist immer noch ein Andenken an Ylva und Fenris. Luk wird die Inschrift in den kommenden Tagen ändern. Dein Vater und ich fanden den Gedanken schön, dass die beiden nun als Engel über uns wachen und dich heil haben heimkehren lassen.«

Sie brachte ein kleines Lächeln zu Stande und auch wenn sie nicht mehr so gebrochen wirkte wie noch vor ein paar Monaten, so war da immer noch der Schmerz.

Aber etwas anderes hätte ich auch niemals erwartet. Denn der Schmerz seine eigenen Kinder zu verlieren würde vermutlich niemals verschwinden.

Ein letztes Mal holte ich tief Luft. Und dann lächelte ich. Denn meine Mutter hatte Recht. Es war ein schöner Gedanke.

Und diese Statue hielt meine Geschwister in Erinnerung, egal, ob ihr Anblick mich im ersten Moment ein wenig überfordert hatte oder nicht. Also nickte ich langsam.

»Sie ist wunderschön Mum«, murmelte ich und die Mundwinkel meiner Mutter hoben sich noch ein wenig mehr, während sie sanft mein Gesicht in ihre Hände nahm und mir einen Kuss auf die Stirn hauchte.

»Ich kann immer noch nicht ganz glauben, dass du wieder da bist«, hauchte sie und ich lächelte sie sanft an, während ich ihre Hände umfasste und behutsam von meinen Wangen nahm.

»Jetzt ist das alles vorbei Mum. Ein neuer Abschnitt in unseren Leben hat begonnen. Und die Vergangenheit ist Vergangenheit, okay?«

Meine Mutter nickte und seufzte dann schwer.

»Ich weiß, wie erschöpft du bist Liebling, aber genau deshalb müssen dein Vater und ich mit dir reden. Wegen dem neuen Abschnitt in unser aller Leben.«

Besorgt zog ich die Stirn in Falten und seufzte dann.

»Kann das bis morgen warten? Heute muss ich noch etwas anderes erledigen.«

Überrascht hob meine Mutter die Brauen. »Etwas anderes?«

Ich nickte.

»Ich habe einen Weg gefunden, um Ben zu wecken.«

Und bei dem Gedanken konnte ich nicht anders, als automatisch wieder breit zu grinsen. Benvenuto De Angelis, bald würde ich ihn wieder ärgern können, nachdem ich ihn mit meiner Liebe überschüttet hatte, versteht sich.

»Ben? Aber wie?«

Die Überraschung stand klar im Gesicht meiner Mutter geschrieben, doch um ehrlich zu sein, wollte ich jetzt lieber ganz schnell in die Hütte, in der unsere Kranken behandelt wurden und hatte nicht wirklich viel Lust auf großartige Erklärungen.

Also deutete ich bloß auf die Tasche, die ich immer noch ganz dicht bei mir trug.

»Ein Zauber des Vampires. Ich muss Ben die Schneekugel wiederbringen.«

Beinahe flehend blickte ich meine Mutter an.

»Bitte Mum, kann das andere bis morgen warten?«

Vermutlich würde ich auch wenn es nicht bis morgen warten könnte zu Ben gehen. Immerhin hatte dieser Idiot mich definitiv zu lange nicht mehr mit seinen unschlagbaren Vorträgen genervt. Aber der Höflichkeithalber fragte ich lieber.

Für einen Moment blieb meine Mutter stehen, dann seufzte sie geschlagen.

»Na gut. Aber komm bald ins Haus, ja? Es ist spät und ich fürchte, Eza Cole und die Zwillinge werden dir nicht mehr von der Seite weichen. Die Kleinen belagern bereits dein Zimmer und deine Freunde werden bestimmt gleich dazu stoßen.«

Ich musste grinsen und merkte jetzt erst, das bloß noch meine Mutter und ich draußen standen, vermutlich weil die anderen uns ein wenig Privatsphäre hatten geben wollen.

»Geht klar«, willigte ich ein und war schon dabei, mich umzudrehen, um in Richtung Krankenhütte zu gehen, doch da stockte ich noch einmal.

Ein letztes Mal drehte ich mich zu meiner Mutter um, die mich betrachtete, wie nur eine Mutter ihr Kind betrachten konnte. Voller Liebe. Voller Stolz.

»Mum?«

»Hm?«

»Ich liebe dich.«

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