Aruna - Die Rote Wölfin

By Alounaria

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Aruna wächst behütet im Pacem Pack auf, geschützt durch das Dasein einer Alphatochter. Doch das Mädchen ist... More

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Arunas Handbuch
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Das Ende - 2. Teil, Danksagung und Meinungen
Bilder & Steckbriefe (Danke ♥ )
Bilder ♥
2. Teil

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By Alounaria

»Wo bleibt der Idiot?«

Unruhig lief Alec auf dem Bürgersteig vor der Treppe zum Keller-Club hin und her und raufte sich wieder und wieder durch das dunkle Haar, während ich mit angezogenen Knien auf dem Boden saß und mich gegen eines des Reihenhäuser lehnte.

Gähnend legte ich den Kopf in den Nacken und betrachtete den verhangenen Himmel. Vielleicht würde es zur goldenen Krönung ja gleich noch anfangen zu regnen.

Um ehrlich zu sein war ich ziemlich fertig, was wohl daran lag, dass ich nicht mehr sonderlich viel geschlafen hatte, egal, ob ich es nun versucht hatte oder nicht.

Und wie zu erwarten wurde die gestrige Nacht totgeschwiegen. Aber das war zu erwarten gewesen. Also war es nicht schlimm. Eigentlich war es sogar besser und ich war erleichtert, dass Alec es mit keinem Wort erwähnte.

Naja, oder er hatte es aus lauter Müdigkeit einfach vergessen. Keine Ahnung.

Wieder machte Alec auf dem Absatz kehrt, nur, um dann erneut mit einem ziemlich angepissten Blick in Richtung der schmalen Treppen zu gehen.

Keine Ahnung, wie lange wir hier schon warteten, aber Alec war sowieso meistens minimal ungeduldig.

Außerdem war er nervös, was seiner Geduld ebenfalls nicht wirklich gut tat.

Ich hasste das warten zwar mindestens genau so sehr wie er, aber anders als der Ven versuchte ich mich selber zu beruhigen und ruhig zu halten, indem ich seit einer ganzen Weile einfach auf dem Boden saß und die Schritte des Ven zählte, die er immer und immer wieder hin und her machte.

Mysti hatte gesagt, Barty würde uns abholen. Nur leider war von dem weit und breit nichts zu sehen.

Also ich für meinen Teil schätzte unsere Wartezeit mittlerweile auf mindestens eine Stunde. Aber im schätzen war ich scheiße. Also sollte man darauf nicht viel geben.

Seufzend schloss ich meine Augen und zog die Jacke noch etwas enger um mich. Der Junge machte mich nervös, ernsthaft...

Wenn er weiter so herumtigern würde, musste ich wohl ernsthaft darüber nachdenken, ihm ein Bein zu stellen.

»Hey.«

Erschrocken blickte ich auf, während Alec fast über seine eigenen Füße gestolpert wäre und dem Jungen mit dem aschblondem Haar, der uns von dem Flur zum Keller-Club angrinste, einen bösen Blick zuwarf.

»Warum hat das so lange gedauert?«, knurrte er Barty genervt an, doch der zuckte einfach grinsend mit den Schultern und wandt seinen Blick dann zu mir.

Ich saß weiterhin auf dem Boden und unter seinem Blick fühlte ich mich auf einmal ziemlich bescheuert. Barty grinste nur noch breiter.

»Schön dich wiederzusehen Aruna.«

Alec schnaubte und verdrehte genervt die Augen, während ich dem schmächtigen Jungen ein kleines Lächeln schenkte. Dann hielt Alec mir plötzlich die Hand hin und sah mich auffordernd an.

»Kommst du?«

Jap, eindeutig, seine Geduld war mehr als gereizt, was man auch mehr als deutlich an seinem versteinerten Gesicht erkennen konnte.

Ich grummelte irgendetwas und unter Bartys Argusauagen umfasste ich die Hand des Ven, um mir hochhelfen zu lassen.

»Wie kommt es eigentlich«, fragte Barty dann plötzlichnachdenklich, während Alec und ich die Treppe hinunter liefen, wobei ich mit meinem linken Fuß zu kämpfen hatte, der unangenehm stach und kribbelte, weil er eingeschlafen war.

»Wie kommt es, dass du ihn einfach so anfassen kannst?«

Bei seinen Worten wäre ich beinahe über meine eigenen Füße gestolpert und voll nach vorne gekracht, vermutlich noch genau auf den schmächtigen Jungen drauf, doch zum Glück konnte Alec mich im letzten Moment am Arm packen.

Vor dem heftigen Hustenanfall allerdings konnte er mich nicht bewahren, der Barty erschrocken einen Schritt nach hinten taumeln ließ, als hätte ich eine ansteckende Krankheit.

Etwas unbeholfen klopfte Alec mir auf den Rücken, während ich rot anlief wie eine verdammte Tomate und mich so anhörte, als wären das meine letzten Sekunden auf der Erde.

Oh Scheiße.

Meine Augen waren definitiv zu groß und ich reagierte definitiv zu heftig, aber das war immerhin nicht meine Schuld!

Mein scheiß Körper hatte irgendwie seinen eigenen Kopf! Machte das überhaupt Sinn? Keine Ahnung.

Aber heilige scheiße, nein, das war ein Thema über das ich ganz bestimmt nicht reden wollte, mit all seinen verworrenen Kleinigkeiten und all den Tatsachen, die ich krampfhaft zu verdrängen versuchte.

»Lange Geschichte«, seufzte Alec dann irgendwann einfach, nachdem ich mich wieder etwas beruhigt hatte und nur noch schwer atmend da stand.

Ich war ein Genie. Ehrlich. Aber offensichtlich hatte Alec genau so viel Lust mit Barty über den ganzen Mist zu reden wie ich.

Der krumnasige Junge hob einfach nur eine Augenbraue, ließ seinen Blick für einen Moment zwischen Alec und mir hin und her gleiten, was die Situation ehrlich nicht besser machte, und wandt sich dann seufzend ab.

»Mysti wartet auf euch«, erklärte er, während er entschlossenen Schrittes auf die Keller-Club Tür zusteuerte.

Dieses Mal allerdings - ganz zu meinem Glück nebenbei - bewachte sie nicht Hulks kleiner Bruder, was das alles zumindest für mich, wesentlich leichter machte.

Alec schnaubte erneut und verdrehte wieder die Augen.

»Man könnte fast meinen, wir hätten sie ne Stunde warten lassen«, grummelte er, folgte Barty dann allerdings und gab ihm eine Kopfnuss, als er neben ihm ankam.

Überrascht hob ich eine Braue, doch Barty lachte einfach und boxte dem Ven gegen die Schulter, welcher seinen Blick strikt auf die Tür heftete.

Ich runzelte die Stirn. Wie lang die beiden sich wohl schon kannten?

Und dann fiel mir auch mal ein, dass es vielleicht relativ schlau wäre, ihnen zu folgen. Nicht, dass ich hier gleich noch komplett alleine stehen würde.

Alec würde dadurch nur noch mehr bestätigt bekommen, dass ich ein absoluter Volldepp war.

Also hastete ich den beiden hinterher, die gerade dabei waren, sich gegenseitig gegen die Schultern zu schlagen. Ich musste schmunzeln. Wie kleine Kinder.

Arty. Das hörte sich doch gut an.

Und dann musste ich noch breiter grinsen. Hätte Alec gehört, was ich gedacht hatte, hätte er mich nun mit ziemlicher Sicherheit mit seinen Blicken erdolcht. So wie immer eben.

Und dann bildete sich ein schwerer Kloß in meinem Hals, während Barty die Keller-Club Tür aufschloss. Keine Ahnung, woher er den Schlüssel hatte.

So wie immer. Meine eigenen Gedanken hallten in meinem Kopf wieder.

Konnte irgendetwas nach dem hier überhaupt wie immer werden. Schwer seufzend ballte ich die Hände zu Fäusten und folgte Alec in den Club.

Herr im Himmel, steh mir bei, Aleyna, Yve, Fen, jetzt brauche ich euch...

Das schwere Gefühl in meiner Brust verschwand nicht, während wir durch den nun leeren Raum schritten und ich versuchte angestrengt, mich abzulenken.

Also sah ich mich mit gerunzelter Stirn um, während ich mir nervös auf der Wange herum biss. Erstaunlich, wie groß das hier war, ohne all diese tanzenden und schwitzenden und saufenden Leute.

Noch erstaunlicher, wenn man daran dachte, dass wir hier in einem Keller irgendeines Reihenhauses waren.

Also, dass Mystis Halle definitiv bloß mit Magie funktionierte, war mir klar, das hier grenzte allerdings auch an ein halbes Wunder.

Wieso war das denn auch so scheiße groß?

Das DJ Pult war nun vollkommen leer, doch die Monsterdinger von Nebelmaschinen konnte ich noch ganz genau erkennen.

Mehr als einen kalten Steinboden, jede Menge Leuchten (Und zwar gefühlt überall) und eine ziemlich riesige Bar am anderen Ende des Raumes, hatte das hier allerdings nicht zu bieten.

Ohne zu zögern steuerte Barty auf die Treppe zu, die hinab zu den Toiletten führte und ärgerte Alec mit irgendeiner Geschichte von vor zehn Jahren.

Den genauen Wortlaut konnte (oder wollte) ich nicht wiedergeben, aber alles in allem ging es darum, wie Alec als neunjähriger Junge in irgendeiner Toilette gestanden hatte und sich hatte runterspülen wollen.

Barty hatte ihn gefunden.

Warum zur Hölle er das getan hatte, war mir ehrlich ein Rätsel, doch nachfragen tat ich auch nicht. Keine Ahnung, ob ich den Hintergrund dieser Geschichte überhaupt wissen wollte... Vermutlich nicht...

Aber immerhin lenkte Barty so sowohl Alec als auch mich ab, auch wenn Alec die ganze Situation wohl wesentlich weniger amüsant fand, als Barty und ich.

Er erdolchte seinen Freund mit mörderischen Blicken und eigentlich war es ein Wunder, dass der schmächtige Junge überhaupt lebend an dieser magischen Harry Potter Wand ankam.

»Halt jetzt endlich dein Klappe!«, fauchte Alec, während Barty schelmisch grinsend den Türöffner Stein hervor zog.

»Jetzt weiß ich wieder, warum ich das letzte Mal vor fünf Jahren hier war«, setzte er auf Bartys Blick giftig hinterher, worauf sich der Junge gespielt verletzt an die Brust fasste, während die Tür vor ihm aufschwang.

»Das tat jetzt aber weh Alecsander.«

Alec schnaubte, während ich mich ziemlich dumm fühlte, weil ich einfach nicht mehr aufhören konnte zu grinsen, obwohl ich vor Nervosität auch hätte anfangen können zu heulen.

Wow, war ich echt so sadistisch, dass es mich so sehr freute, wenn irgendjemand anderes Alec ärgerte?

»Nenn mich nicht so!«, fauchte Alec genervt und da schlich sich plötzlich ein unglaublich bösartiges Grinsen auf Bartys Lippen.

»Aber so heißt du doch, oder nicht? Alecsander Virgil -«

»Halt die Klappe!«

Ich konnte nicht mehr. Dieses Mal konnte ich mich einfach nicht zurückhalten.

Lauthals prustete ich los und achtete gar nicht auf die verwirrten Blicke, die die Leute in der Halle mir zuwarfen.

»Virgil?!«, keuchte ich außer Atem während ich puterrot anlief und Bartys dämliches Grinsen nur allzu deutlich auf mir spüren konnte.

»Du heißt Virgil mit Zweitnamen?!«, keuchte ich auf und hielt mir den Bauch, musste mich an die Wand lehnen, um nicht umzufallen.

Alecs bitterböser Blick traf mich, während ich einfach nicht aufhören konnte zu lachen, vor mich her kicherte wie eine Geistesgestörte.

»Und?!«, fauchte er angepisst und sah so aus, als würde er kurz darüber nachdenken, Barty einfach an die Kehle zu gehen.

»Tschuldige«, keuchte ich, auch wenn mein Kichern das nicht gerade glaubwürdig klingen ließ und als Barty bei meinem Anblick dann endgültig anfing zu glucksen, bekam er wieder einen Schlag von Alec ab.

Na zum Glück schlug der Junge mich nicht, das gäbe ganz sicher einen blauen Fleck.

»Halt die Klappe!«, fauchte Alec, während sich die Tür wieder hinter uns schloss.

»Du heißt immerhin Barthelomeus du Idiot! Da kannst du dich ganz sicher nicht über meinen Namen lustig machen!«

Immer noch konnte ich mein Kichern nicht unterdrücken, auch nicht, als ich mir mit hochrotem Kopf die Hand gegen den Mund presste, was vor allem auch an den starrenden Blicken der Leute in dem Saal lag, die dann langsam doch unangenehm wurden.

Aber tut mir leid! Virgil!

Virgil!

Was war denn das für ein Name?!

Also Alec zum Beispiel, das war ein schöner Name, fand ich zumindest. Auch wenn ich das dem Ven natürlich niemals gesagt hätte. Aber Virgil?!

»Tu ich doch gar nicht«, kicherte Barty und deutete dann anschuldigend auf mich.

»Sie lacht! Ich lach nur wegen ihr!«

Mit einem strahlenden Grinsen, wie ich es selten gesehen hatte, betrachtete er mich und ich konnte mir einfach nicht helfen, dass ich dabei Schluckauf bekam, machte das alles auch nicht wirklich besser.

Ich versuchte Alec einen möglichst entschuldigenden Blick zuzuwerfen, der mich ansah, als wäre ich die Pest höchstpersönlich.

Kopfschüttelnd ließ ich ein paar Strähnen vor mein hochrotes Gesicht fallen, um mein Grinsen wenigstens ein bisschen zu verbergen.

»Tut mir wirklich leid«, keuchte ich sehr glaubwürdig kichernd und musste dann hicksen, woraufhin Alec seine dunklen Brauen hob.

»Sehr glaubwürdig«, kommentierte er schlecht gelaunt, während Barty und ich immer noch kicherten wie kleine Mädchen.

»Also wenn es dir hilft, ich hab auch einen Zweitnamen. Aruna Ray«, versuchte ich es irgendwie wieder gut zu machen, doch Alec schnaubte einfach und wandt sich dann grummelnd ab.

»Helfen würde es mir«, knurrte er eingeschnappt, »wenn der Mist deinen Namen nicht noch besser klingen lassen würde.«

Und dann zischte er einfach ab und ließ Barty und mich mit einem überraschten Blick zurück.

Hatte er das gerade wirklich gesagt?

Als erwartete Barty irgendeine Erklärung sah er mich an und hob eine Braue, konnte dieses vielsagende Grinsen allerdings nicht unterdrücken.

»Wie hast du ihn denn so weit gebracht, so etwas zuzugeben?«, feixte er und zuckte sehr erwachsen mit den Augenbrauen.

Ich seufzte und verdrehte die Augen. Also er konnte mir ja gerne erzählen, dass er vierhundertundwasweißich Jahre alt war, doch mich ließ das leise Gefühl, dass er eher so Kaliber Kleinkind war, einfach nicht los.

Ich grummelte irgendetwas, was ich selbst nicht ganz verstand und folgte Alec dann einfach, der fast bei dem Flur zu Mystis ziemlich beeindruckenden Büro angekommen war.

»Also?«, fragte Barty, während er sich beeilte, mir zu folgen.

War er geschrumpft? Also irgendwie hatte ich ihn größer in Erinnerung, auch wenn ich noch wusste, dass er schon damals ein Stückchen kleiner war, als ich.

Fragend hob ich meine Augenbrauen.

»Also was?«

Auch wenn er so tat, als würde er stur nach vorne starren, wusste ich ganz genau, dass Alec uns zuhörte. Würde er den Kopf nicht fast unmerklich zur Seite neigen, wäre es mir vielleicht nicht einmal aufgefallen.

Irgendwie seltsam grinsend verdrehte ich die Augen. So ein Stalker...

Barty folgte meinem Blick, doch sein dummes Grinsen ignorierte ich geflissentlich. Für einen Moment war es still, dann seufzte Barty und machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Nicht so wichtig. Und? Bist du nervös?«

Ich seufzte und strich mir ein paar Strähnen hinters Ohr, während ich noch ein wenig mehr in meiner Strickjacke versank.

Ich und nervös? Ach was. Niemals.

Ich meine, es ging ja nur um eine Erinnerung, die ich liebte...

»Kannst du sehen, welche sie mir nimmt?«, seufzte ich schließlich.

»Du bist doch so gut mit ihr...«

Entschuldigend schüttelte Barty mit dem Kopf und seufzte schwer.

»Tut mir leid... Mysti hat als einzige Zugriff auf eure Erinnerungen.«

War ja zu erwarten... Trotzdem ließ ich meine Schultern ohne es wirklich zu wollen, hängen. Aber eigentlich war es doch auch dumm von mir, auf ein Schlupfloch zu hoffen, oder?

»Also hast du Angst?«

Ich nickte nur stumm. Warum sollte ich auch nicht? Leugnen würde sowieso nichts bringen.

»Es sind meine Erinnerungen«, erwiderte ich bloß, deutlich schlechter gelaunt, als noch kurz zuvor, als ich über Alecs Zweitnamen gelacht hatte.

Barty runzelte die Stirn.

»Deine Erinnerungen? Oder ist es vielmehr diese eine Erinnerung, vor der du dich fürchtest, dass sie dir genommen wird?«

Ich schluckte schwer. Denn sobald er diesen Gedanken ausgesprochen hatte schoss mir dieses eine ganz bestimmte Bild von einem gewissen Motel in den Kopf.

Ach so eine verdammte Scheiße!

Frustriert und wütend über mich selbst, zog ich meine Brauen zusammen.

»Also ja?«

Abwartend sah Barty mich an und als ich ein zugegeben ziemlich merkwürdiges Grunzen von mir gab, nahm er das wohl als ja hin.

»Wenn sie euch die Erinnerung nimmt, dann seht ihr sie ein letztes Mal vor euch. Als Trostpreis quasi. Wusstest du das?«

Ich zog die Nase kraus und schüttelte irgendwie noch schlecht gelaunter mit meinem Kopf. Also der Trostpreis gefiel mir ehrlich gesagt nicht ganz so gut...

Ich meine, das alles mit dem Wissen zu sehen, dass ich diese Erinnerung für immer verlieren würde... Das klang für mich eher nach Folter...

Und anhand Alecs geballter Fäuste konnte ich sehen, dass er wohl eher auch nicht ganz so begeistert war.

Auch wenn er ein Stalker war, in dem Punkt konnte ich ihm nur voll und ganz zustimmen.

»Hört sich toll an«, kommentierte ich grummelnd, doch Barty schnalzte drängend mit der Zunge.

»Nein, darauf wollte ich nicht hinaus. Wenn Mysti wüsste, was ich dir gleich sage, würde sie mich vermutlich noch einen Kopf kürzer machen, aber ich bin nun einmal eine herzensgute Person.«

Er grinste in sich hinein und bei seiner Ausdrucksweise kam ich nicht umher, meine Brauen zu heben.

Noch einen Kopf kürzer? Naja, vielleicht würde das seine Größe erklären...

Wirklich Aruna? Das hast du zum wichtigsten Teil seiner Aussage erkoren?

Stimmt.

Ich runzelte mit der Stirn.

»Was sagen?«

Abwarten sah ich Barty an, während Alec im Flur verschwand. Der hatte die starrenden Blicke also schon einmal überstanden...

Also Barty hatte wirklich nicht untertrieben, als er mir erklärt hatte, dass seine Art ziemlich misstrauisch war.

»Es gibt einen Weg«, erklärte der Junge neben mir dann plötzlich, der das etwas längere Haar wieder im Nacken zusammengebunden hatte und mich nun verheißungsvoll ansah.

Einen Weg? Ja? Und Weiter?

Als Barty wieder anfing zu sprechen, hatte er die Stimme noch etwas mehr gesenkt, als hätte er wirklich Angst, jemand könnte uns hören.

»Einen Weg, um zu verhindern, dass es gerade die eine bestimmte Erinnerung trifft.«

Ohne, dass ich es beabsichtigte, wurden meine Augen größer und vermutlich starrte ich Barty minimal zu aufgeregt an. Einen Weg?

»Welchen?!«, hauchte ich fast ehrfürchtig und hatte das Gefühl, als würde mein Herz gleich viel leichter werden.

Vielleicht war es falsch. Aber der Gedanke, diese Erinnerung behalte zu können...

Ein noch breiteres Grinsen stahl sich auf Bartys Gesicht und wieder blickte er mich so merkwürdig vielsagend an. Aber das war mir in dem Moment ehrlich egal. Ich musste einfach wissen, wovon er sprach.

»Ich weiß nicht, ob es wirklich immer klappt«, raunte der Junge und beugte sich noch etwas näher zu mir, während ich gar nicht merkte, wie unsere Schritte immer langsamer wurden.

»So oft kam es bis jetzt nämlich nicht vor, dass Mysti den Zauber benutzen musste.«

Drängend nickte ich einfach durchgehend, damit er weiter sprach und noch zum Punkt kam, bevor wir das runde Zimmer betraten.

»Wenn die Erinnerung anfängt, sich noch einmal vor deinem Auge abzuspielen...«, erklärte Barty dann noch leiser und machte irgendwelche geschäftigen Gesten mit seinen Händen.

Als würde Mysti genau hinter uns stehen, warf er einen nervösen Blick über seine Schulter, dann sah er wieder eindringlich zu mir.

»Dann musst du dich beeilen. Und zwar ziemlich beeilen. Jede Sekunde, die du siehst, könnte verloren gehen. Zumindest, wenn du die Erinnerung nicht früh genug wechselst.«

Also entweder war ich dumm oder stand einfach nur ziemlich auf dem Schlauch. Wechseln? Wie sollte das denn funktionieren?

»Wie wechsel ich denn eine Erinnerung?«, raunte ich verständnislos und warf nun meinerseits einen verräterischen Blick über die Schulter.

Barty zog konzentriert die Brauen zusammen und bedachte mich weiterhin mit einem eindringlichen Blick.

»Du musst einfach an eine andere denken.«

»Einfach irgendeine?«

Überrascht hob ich meine Brauen, doch mit seinem Kopfschütteln zerschlug er fast augenblicklich meine aufkeimende Hoffnung.

»Nein«, murmelte er erneut fast bedauernd.

»Nicht irgendeine. Eine starke Erinnerung, die es mit der verschonten Erinnerung aufnehmen könnte.«

Verständnislos schüttelte ich den Kopf.

»In welcher Hinsicht aufnehmen?«

Barty biss sich auf seine Unterlippe und erst jetzt bemerkte ich das silberne Piercing, das letzte Woche aber bestimmt noch nicht da gewesen war. Wie kam denn jemand wie er an sowas?

»Erinnerungen sind mit Gefühlen verbunden und Mysti wird euch eine Erinnerung voller Liebe nehmen. Deine Gefühle in der neuen Erinnerung müssten in etwa denen gleichen, die in der alten vorhanden sind.«

Aber woher sollte ich denn wissen, welche Erinnerung es mit welcher aufnehmen könnte? Ich meine, ich wusste, wenn ich in einer Erinnerung ganz besonders glücklich gewesen war, aber dafür hatte ich ja kein Messgerät oder so ein Mist.

Doch noch bevor ich Barty weiter löchern konnte, tauchte Alec wieder im Eingang des Flures auf, den wir erstaunlicherweise immer noch nicht erreicht hatten, und sah uns mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Kommt ihr beiden Turteltauben dann auch mal?«

Fast überrascht hob ich meinen Blick, während das bekannte schelmische Grinsen auf Bartys Gesicht auftauchte, wobei mir jetzt erst die kleinen Sommersprossen auf seinem Nasenrücken auffielen.

»Eifersüchtig?«, erwiderte er, woraufhin ich mich einfach augenverdrehend auf den Weg zu Alec machte, da Barty und ich irgendwann wohl wirklich stehen geblieben sein mussten.

»Wegen jemandem wie dir?«, erwiderte Alec und auch wenn er sich bemühte, möglichst ernst drein zu blicken, konnte ich den Schalk in seinen Augen mehr als deutlich erkennen.

»Kein bisschen. Keine Sorge Barty«, grinste er dann zwinkernd.

Ich verdrehte die Augen, während ich an Alec vorbei in den Flur trat.

Idioten. Alle beide.

Außerdem hätte ein einfaches nein auch gereicht, Alec.

Demonstrativ drehte ich mich um, während Barty sich in Bewegung setzte und Alec noch auf ihn wartete.

»Kommt ihr beiden Turteltauben dann auch mal?«, äffte ich Barty grinsend nach, nachdem Alec und er sich einfach nur dämlich angegrinst hatten.

Ja, mit dem Gedanken, dass ich doch noch wenigstens ein bisschen Kontrolle darüber hatte, welche Erinnerung mir genommen werden würde, stieg meine Laune beachtlich.

Und während ich einen bösen Blick von Alec abbekam, grinste Barty nur noch breiter. Sag ich ja, Arty wäre bestimtt ein tolles Paar. Innerlich grinste ich einmal wieder wie eine Verrückte. Ich war wirklich vollkommen bescheuert...

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte ich mich einfach wieder um, grinste in mich hinein wie ein Kleinkind und steuerte dann auf die spitz zulaufende Tür zu dem runden Raum zu.

Meine Überlegungen, ob ich klopfen sollte, direkt eintreten oder die Entscheidung vielleicht Alec und Barty überlassen sollte, wurden je unterbrochen, als die Tür sich plötzlich schwungvoll öffnete und mir eine wirklich, wirklich ernst dreinblickende Mysti entgegen sah.

»Da seid ihr ja endlich«, meinte sie mit merkwürdig benebelter Stimme und als sie dann plötzlich meinen Arm packte und mich ohne zu zögern in den stickigen Raum zog, keuchte ich überrascht auf.

Ein riesen Fehler.

Der Raum war merkwürdig vernebelt und stank fürchterlich nach Lavendel. Ich atmete zu viel verseuchte Luft ein und musste lautstark anfangen zu husten, während mir durch den starken Geruch fast automatisch schwindelig wurde, wozu die unglaublich Hitze auch nicht wirklich beitrug.

Ich hatte wirklich das Bedürfniss, mich hinzusetzen, vor allem, weil ich mit so starken Gerüchen ja sowieso nicht wirklich klar kam.

Halleluja, was hatte Mysti denn hier bitte veranstaltet?

Auch Alec wirkte nicht gerade begeistert, als er eintrat und rümpfte ebenso wie ich die Nase, betrachtete die merkwürdigen Kreise, die Mysti mit irgendetwas schwarzem auf den Boden gezeichnet hatte ziemlich skeptisch, genau wie den dichten Rauch, der über unseren Köpfen hing und alles merkwürdig verschwimmen ließen.

Also entweder hatte Mysti vor, uns auszuräuchern, oder vielleicht wollte sie ja in Wirklichkeit Satan beschwören. Wer wusste das schon?

Apropos Mysti. Sie wirkte ehrlich gesagt minimal neben sich und trug ein Gewand, dass aussah, als bestünde es aus flüssigem Silber, ein langes Kleid, mit einem noch längeren Mantel. Das fast weiße Haar war unordentlich hinauf gesteckt worden, als wollte sie es einfach aus dem Weg haben und an jeder Seite hingen noch dutzende kleine Strähnen hinab.

Und ihre Augen. Ich hielt die Luft an. Sie schienen geradezu zu glühen, zu leuchten, wie zwei amethystfarbene Sonnen.

»Die Mondfinsternis hat schon angefangen, sie zu beeinflussen«, raunte Alec plötzlich, der dicht neben mich getreten war und mir so eine Gänsehaut beschaffte, während er seine alte Freundin mit tief gerunzelter Stirn musterte, die nun irgendwelche Kräuter die schwarzen Linien der Kreise entlang legte, die einen beißenden Geruch zu dem furchtbaren Lavendel beitrugen.

Ich hörte, wie Barty die Tür hinter sich schloss und bekam leichte Panik, in der Befürchtung, gleich ersticken zu müssen.

»Aber es ist noch gar nicht dunkel«, raunte ich zurück und wusste nicht einmal, warum ich flüsterte.

Barty nickte und trat an meine andere Seite, während auch er Mysti fast besorgt betrachtete, die mit geschlossenen Augen angefangen hatte, irgendetwas vor sich her zu murmeln.

Okay, langsam machte sie mir wirklich Angst...

»Ja. Trotzdem beeinflusst es sie jetzt schon. Tut einfach, was sie von euch verlangt.«

Und kaum hatte er das gesagt, richtete sich Mysti ruckartig auf, wirbelte herum und starrte mich mit großen Augen an, als wollte sie mich mit ihrem Blick geradezu durchbohren.

Mein Herz machte einen überraschten Sprung und ich stolperte erschrocken einen Schritt zurück gegen Alec, der halb hinter, halb neben mir gestanden hatte und nun mehr als nur besorgt aussah, unter Mystis Blick, der ihn nun traf allerdings weder zusammenzuckte, noch zurückwich.

Ich blinzelte heftig, weil der Rauch merkwürdig in meinen Augen brannte und als sich plötzlich der Geruch nach Vanille in meine Nase bahnte, schien mein Hirn komplett zu verpuffen, weil der ganze Smog in diesem Raum mich einfach nicht klar denken ließ.

Ohne ein Wort zu sagen, hastete Mysti auf Alec und mich zu und fixierte uns mit ihren stechenden Blicken, während Barty vorsorglich einige Schritte zurück trat.

Dieses Mal konnte ich mich davon abhalten, zurückzuweichen, was sowieso nicht ganz so gut geklappt hätte, weil ich Alecs Präsenz schon jetzt mehr als deutlich hinter mir spüren konnte.

Als Mysti dann allerdings mein Handgelenk packte und Alec und mich in die Mitte des Raumes zog, konnte ich mir ein schmerzhaftes Zischen nicht verkneifen, weil sie zupackte, als hätte sie Angst, mich im nächsten Moment wieder zu verlieren.

Au!

Verdammt, das würde ganz sicher blaue Flecken geben. Merkwürdig abwesend und mit starrem Blick deutete die junge Frau auf den größten Kreis inmitten des Raumes und schubste mich und Alec dann hinein.

»Stellt euch gegenüber!«, wies sie uns keuchend an und wirbelte dann herum, um weitere Kräuter zu verteilen.

Die war doch nicht mehr ganz dicht!

Heftig blinzelnd wandt ich mich zu Alec, der ziemlich angespannt wirkte. Ich konnte sehen, wie sein Kiefer zitterte, während er die Arme vor der Brust verschränkte und Mysti mit tief gefurchter Stirn nachblickte.

Seufzend rieb ich mir über meine juckenden Augen, die angefangen hatten zu tränen und trat unruhig vom einen Fuß auf den anderen, biss mir nervös auf meiner Lippe herum und versuchte, Alec möglichst nicht anzusehen, weil mich das vermutlich noch mehr verunsichert hätte.

Keiner von uns wagte es, zu fragen, was Mysti da tat, während der dichte Rauch über unseren Köpfen herum wirbelte und ich mir einbildete, ein knisterndes Geräusch zu hören, dass sich langsam immer weiter auftat.

Barty schien im Schatten der gigantische Wände verschwunden zu sein und ich konnte seine Gestalt nur noch schemenhaft ausmachen.

Mysti murmelte irgendetwas, immer lauter und lauter, sodass mir ein kalter Schauer den Rücken hinab lief und langsam schien mir die Theorie, dass sie uns vielleicht sogar an irgendwelchen verkorksten Göttern opferte, gar nicht mehr so unwahrscheinlich.

Ich meine hey, immerhin hatte ich keine Ahnung wie so eine Zentaurenhexe, der der Pferdehintern fehlte, tickte!

Und dann wirbelte sie plötzlich wieder herum und sah Alec und mich mit weit aufgerissenen Augen an, wie in Trance, als wäre sie gar nicht richtig anwesend.

Ich hielt die Luft an, wartete gespannt ab, was jetzt passieren würde.

Doch Mysti starrte uns einfach nur an. Eine geschlagene Minute starrte sie Alec und mich mit vollkommen leerem Blick an und murmelte irgendetwas vor sich her.

Und gerade, als ich glaubte, dem Blick nicht mehr standhalten zu können, keuchte sie plötzlich laut auf, riss die Augen auf und fuchtelte dann mit den Händen in der Luft herum.

»Näher!«, zischte sie auffordernd und deutete immer und immer wieder von Alec zu mir und zurück.

»Näher!«

Erschrocken wandt ich meinen Blick zu Alec, der für einen Moment überrascht wirkte, dann allerdings einen Schritt auf mich zutrat und kopfschüttelnd irgendetwas murmelte.

Unsicher starrte ich den Ven an, dessen Haar wie immer vor sein Gesicht fiel. Jetzt trennte uns vielleicht noch ein Meter. Und in diesem beschissenen Raum war es sowieso schon so warm.

»Nein!«, keifte Mysti.

»Näher!«

Überrascht blickte Alec auf, doch angesichts Mystis wildem Herumgefuchtels hielt ich es für das beste, sie nicht weiter aufzuhalten.

Unsicher machte ich diesmal meinerseits einen Schritt nach vorne. Ein halber Meter.

Alec sah überrascht zu mir, vielleicht weil er meinen geistigen Zustand in dem Moment für nicht ganz so gesund gehalten hatte.

»Was soll das werden?«, raunte ich, einfach, um uns beide von dieser merkwürdigen Situation abzulenken, doch da ertönte plötzlich erneut Mystis neue, schrille Stimme.

»Nein! Näher! Näher!«

Noch näher?!

Also für meinen Geschmack war das jetzt schon viel zu nah.

Nervös biss ich auf meiner Wange herum, während Alec einen erneuten, ziemlich unsicheren und ziemlich kleinen Schritt nach vorne machte.

Langsam fing ich an, zu schwitzen. Scheiße war das heiß hier.

Und da hechtete Mysti plötzlich mit einem wütenden Schritt nach vorne, im nächsten Moment spürte ich eine Hand in meinem Rücken und dann wurde ich plötzlich nach vorne geschubst, genau wie Alec, sodass ich gegen ihn prallte und strauchelte, während mir Mystis Gebrülle in den Ohren wiederhallte.

Näher! Näher!

Mit großen Augen blinzelte ich zu Alec hinauf, der ebenso überrascht und überfordert wirkte, wie ich und als er mich dann auch noch ansah, berührten sich unsere Nasenspitzen fast.

Aufgrund dieser unglaublichen Hitze und des Rauches und dieser vermaledeiten Nähe ging mein Atem stoßweise, der kalte Schweiß trat auf meine Stirn und es brauchte bloß noch ein klitzekleines Stück und kein Blatt hätte mehr zwischen uns gepasst.

»Verdammte Scheiße«, raunte ich, während ich den Ven anstarrte und realisierte erst im nächsten Moment, dass ich das laut gesagt hatte.

Genauer genommen mit dem Anheben Alecs Augenbrauen.

»Gut! Und jetzt nimm ihre Hände!«

Als Alec seinen Kopf überrascht zu Mysti wandt, sodass mein Atem wohl ziemlich unangenehm gegen seinen Hals prallen musste, machte diese bloß scheuchende Handbewegungen, Barty schien lange verschwunden.

»Na los, los! Komm schon Alec, wir haben keine Zeit, sie ist doch nicht giftig um Himmels Willen!«

Und da Alec erstarrt vor mir stehen blieb und keine Anstalten machte, sich irgendwie zu bewegen - vielleicht weil er fürchtete, dass ich ihm die Hände abhacken könnte - hob ich zitternd meine eigenen Hände, sah allerdings nicht hin, als sie Alecs verkrampfte Fäuste erreichten und sie behutsam öffneten.

Überrascht sah der Ven mich an, ich konnte seinen stechenden Blick auf mir spüren und brachte es doch nicht über mich, ihn anzusehen, starrte mit angehaltenem Atem gegen seine Schulter.

Wie immer schienen seine Hände merkwürdig warm, ganz im Gegensatz zu meinen, die irgendwie immer kalt waren.

Und als Alecs Finger sich dann um meine Hand schlossen, lief mir ein bescheuerter, bescheuerter Schauer den Rücken hinab, Mysti allerdings grunzte zufrieden.

Und so standen wir hier also, viel zu nah aneinander, in irgendeinem Keller in North Carolina, in irgendeinem merkwürdig verzauberten Raum, umhüllt von Nebel und Rauch, und hielten Händchen.

Na toll... Nein, eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, an einem Herzinfarkt zu sterben...

»Gut!«

Geschäftig hastete Mysti zurück und ich sah ihr angestrengt nach, um wenigstens diesen Abstand zu Alec zu halten, während unsere Hände langsam zwischen unseren beiden Körpern hinab sanken.

Ich konnte mein Herz lautstark pochen hören und das Blut rauschte in meinen Ohren, doch zum Glück war dieser verdammte Raum so vernebelt, dass man die Hitze, die in mein Gesicht schoss nicht sehen konnte.

Alec tat es mir übrigens gleich, sah mich nicht an. Besser so...

Das Mädchen mit dem asiatischen Touch hastete in einen weiteren Kreis, der durch eine Reihe von merkwürdigem Gewächs mit unserem verbunden war.

»Bleibt genau so stehen! Ich muss meine Energie auf euch übertragen, je näher ihr steht, desto besser!«

Und wieder wirkte sie nicht ganz anwesend. Mein Atem schien immer schlechter zu gehen und ich stand wohl kurz vor einer Herzattacke.

Wie um alles in der Welt sollte ich das denn bitte schaffen?!

Und dann waren da auch noch all diese Gerüche, die mich vollkommen benommen machten.

Lavendel und Vanille und ... und Kiefern.

Über Letzeres wollte ich lieber nicht nachdenken.

»Also, wie abgesprochen, ich werde euch jetzt die Erinnerungen nehmen, um an Informationen zu kommen, aber dafür müsst ihr euch sicher sein, dass es euer gemeinsamer, größter Wunsch ist, etwas zu erfahren! Vertrauen ist die Quintessenz des Zaubers, nur wenn sich die zwei Personen wirklich komplett vertrauen kann es funktionieren! Ohne Vertrauen auch kein gemeinsamer Wunsch!«

Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinab, doch Alec nickte einfach nur vollkommen entschlossen und beinahe war es so, als würde er den Druck auf meine Hände noch etwas verstärken.

Oh heilige Scheiße, bitte lass mich das alles überleben.

Mystis brennender Blick traf mich und sie hob beinahe auffordernd die Brauen.

»Bereit?«

Ich nickte, auch wenn mir mit einem Mal furchtbar schlecht wurde.

Alles wird gut gehen... alles wird gut Aruna...

Und trotzdem war da dieses schreckliche, unterschwellige Gefühl, dass es nicht so sein würde.

»Gut.«

Mysti nickte zufrieden, auch wenn sich tiefe Furchen auf ihrer Stirn bildeten.

»Lasst euch nicht los. Egal was passiert.«

Und dann legte sie plötzlich den Kopf in den Nacken, als wolle sie durch die Decke genau in den Himmel sehen.

Der Druck Alecs Hände wurde noch stärker. Im Endeffekt wusste ich nicht mehr, ob ich mir sein leises Raunen, dass alles gut werden würde, nur eingebildet hatte.

Ohne, dass ich es steuern konnte, fing ich an zu zittern, brachte es einfach nicht zu Stande, vernünftig zu atmen, meine Augen tränten, ein Schauer nach dem nächsten packte mich und als Mysti dann plötzlich die Hände weit von sich streckte und anfing, irgendetwas in irgendeiner fremden Sprache zu murmeln, kniff ich für einen Moment die Augen zusammen.

Ihre Stimme wurde lauter und lauter, klang in meinen Ohren wie ein unheimliches Lied, bei jedem weiteren Wort wurde Alecs Griff stärker und als sich dann plötzlich ein eisig kalter Wind um uns herum aufbahnte und den Rauch aufwirbelte, schnappte ich erschrocken nach Luft.

Scheiße war das gruselig!

Ich riss meine Augen auf, wusste nicht, woher dieser Wind auf einmal kam, doch mit jeder Sekunde rauschte er stärker in meinen Ohren, Mystis Stimme wurde lauter und lauter, erhob sich wie eine mächtige Bestie, ich hörte meinen eigenen, keuchenden Atem, der Wind zerrte an mir, weiter und weiter, trieb mir den Rauch ins Gesicht, ich musste husten, Alec keuchte irgendetwas, Mysti wurde lauter und lauter, mein Herz raste weiter und weiter.

Ich schaffte es einfach nicht, meine Augen zu schließen, eine unheimliche Wand aus dichtem Nebel türmte sich um uns auf, eine plötzliche Panik kam in mir auf und dann durchzuckte mich ein so heftiger Stich, dass ich aufschrie und meine Knie einfach nachgaben, hätte Alec mich nicht gehalten wäre ich mit Sicherheit hingefallen.

Doch darauf konnte ich mich kaum konzentrieren, nicht auf seine Arme, die sich erschrocken um mich schlossen, nicht auf seinen panischen Ruf.

Da war nur der Schmerz, dieser unendliche Schmerz der sich in meinem gesamten Körper ausbreitete wie ein loderndes Feuer, mich innerlich zeriss und verbrannte und erdolchte.

Mein Herz schrie. Und ich schrie. Ich hörte es kaum. Doch mein Mund stand weit offen, ich wandt mich hin und her, wollte dem allen entfliehen, schrie und schrie und hielt es nicht aus, spürte die Tränen, es prasselte auf mich ein wie tausend messerscharfe Dolche, häutete mich, enthauptete mich, riss mir jegliche Gliedmaßen heraus und Alec brüllte und brüllte, immer verzweifelter, brüllte meinen Namen, der Wind riss an uns, ich schrie und schrie, mein Kopf wurde zur Seite geschleudert und erst da krachten die Schreie einer anderen auf mich ein.

Voller Entsetzen öffneten sich meine Augen, mein Mund stand in stummer Qual offen und ich erblickte Mysti, wie sie von dem Nebel gefangen genommen wurde, sich auf dem Boden krümmte und keuchte und voller Schmerz aufschrie.

Alles schrie. Alec brüllte. Der Schmerz verbrannte mich.

Und dann riss Mysti plötzlich ihren Kopf hoch, die zwei glühenden Punkte in ihrem Gesicht erfassten mich und ließen meinen ganzen Körper erstarren, als würde sie mich in eben diesem Moment gefangen nehmen.

Ihre Brust hob und senkte sich angestrengt und ich konnte sehen, wie ein Schwall Blut aus ihrer Nase auf den Boden hinab tropfte.

Sie streckte wimmernd die Hand nach mir aus, ich war nicht im Stande, auch nur irgendetwas zu tun, hing da, vollkommen erstarrt, gefangen in Schmerz und Angst und Qual und Panik.

»Sag es ihm!«, schrie Mysti dann plötzlich beinahe flehend.

»Bitte Aruna! Sag es ihm! Es zerreißt mich! ARUNA! ES ZERREIßT MICH!«

Und dann schrie sie, schrie sie weiter und weiter, der Schmerz türmte sich in mir auf, Mysti sank vollkommen erschlafft zu Boden, mein Kopf kippte nach hinten, alles brannte, alles, einfach alles, ich stand in Flammen, ich schrie und wimmerte und wusste im gleichen Moment, was Mysti gemeint hatte, wusste einfach, dass es mein innerer Konflikt war, der uns durch meine Lüge in eben diesem Moment zeriss.

Und es war, als würde ihre Stimme in meinem Kopf wiederhallen, laut panisch, flehend.

Mit Lügen vertraut man nicht! Mit Geheimnissen vertraut man nicht!

Und dann wurde mein brennender Körper plötzlich nach vorne gezogen, vollkommen bewegungsunfähig sackte ich wimmernd gegen Alecs Körper, doch der packte einfach mein Gesicht und sah mich voller Panik an.

»Wovon redet sie Aruna?! Wovon redet sie?!«

Wovon redet sie.

Wieder und wieder und wieder brüllte er, ich konnte nicht sprechen, konnte nur weinen, konnte nicht begreifen was hier passierte, während er mich schüttelte.

Mysti schrie. Ich hörte es. Ich hörte, wie sie mich anflehte und dann spürte ich, wie mein Herz immer langsamer wurde, bis jeder einzelne Schlag wehtat.

»Aruna! Bitte! Bitte!«

Alec flehte. Mysti flehte. Und mein Mund öffnete sich einfach automatisch, ohne, dass ich es steuerte.

»Es tut mir so leid«, wimmerte ich, die Tränen verbrannten meine Wange, Alec rief etwas, schüttelte mich, doch da stammelte ich einfach los, es war ein Rennen mit der Zeit, mein Atem drohte einfach zu ersticken.

»I-Ich hab... mit Aleyna geredet... Sie hat mir erzählt... dass sie meine Seelenverwandte ist... das ich dazu bestimmt bin... wie jede Rote... dazu bestimmt... bestimmt Ihn zu töten... ich bin dazu bestimmt, eine Ven zu treffen... Aleyna, meine Seelenverwandte... Deshalb... deshalb hat Er sie getötet... damit ich ihn nicht besiegen kann... und ich bin dazu bestimmt... bestimmt... wir sind dazu bestimmt... uns zu... ineinader zu verlieben, weil wir ihn nur zusammen aufhalten können... aber ich habe es dir nicht gesagt, weil sich bis jetzt... jeder Ven... jeder für die Rote geopfert hat... gestorben im Kampf gegen Ihn...«

Ich sprach vollkommen wirr, stammelte und schluchzte und fühlte mich schrecklich und erbärmlich und spürte, wie Alec sich immer mehr und mehr anspannte.

Und dann war es vorbei.

Mit einem mal brach der Wind ab, Alec und ich sanken in die Knie, ich zitterte heftig und bei dem entsetzen Blick, mit dem Alec mich musterte, konnte ich geradezu spüren, wie mein Herz zerbrach.

Entsetzt. Er sah mich vollkommen entsetz an, während er die Hände von meinen Schultern löste und sich kopfschüttelnd von mir weg drückte, obgleich Aleyna nun gesagt hatte, dass wir die Verbindung halten sollten oder nicht.

Wegen mir war das alles in die Brüche gegangen.

»Bitte«, hauchte ich so erbärmlich flehend, wie noch nie, während sich Alec einfach immer weiter entsetzt mit dem Kopf schüttelnd entfernte, als wäre ich giftig.

Nein... bitte... bitte tu mir das nicht an... bitte Alec...

»Was?!«, keuchte er so voller Entsetzen und Enttäuschung, dass ich es nicht aushielt.

Doch ich bekam gar nicht die Möglichkeit, auch nur irgendetwas zu erwidern.

Denn in diesem Moment fuhr ein heftiger Ruck durch unser beider Körper, ich konnte Mysti noch irgendetwas murmeln hören, doch da wurde mein Kopf plötzlich in die Höhe gerissen, wie von einer unsichtbaren Macht, für eine Sekunde starrte ich vollkommen entsetzt und verletzt und verzweifelt gegen die Decke und dann verschwand einfach alles.

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