Aruna - Die Rote Wölfin

By Alounaria

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Aruna wächst behütet im Pacem Pack auf, geschützt durch das Dasein einer Alphatochter. Doch das Mädchen ist... More

Das kleine Handbuch für Inbecillis - Lykanthropen
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Arunas Handbuch
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Das Ende - 2. Teil, Danksagung und Meinungen
Bilder & Steckbriefe (Danke ♥ )
Bilder ♥
2. Teil

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By Alounaria


Alec sah mich nicht an.

Okay? Warum sah er mich nicht an?

Schließlich zuckte er mit den Schultern.

»Hab ich dir doch schon gesagt«, erwiderte er einfach ausweichend, hatte offensichtlich nicht so sonderlich viel Lust, mit mir zu reden.

Ich runzelte die Stirn, doch so sehr man mein Hirn in dem Moment wohl rattern hören konnte, eine Antwort, die er mir darauf angeblich gegeben hatte, wollte mir nicht einfallen.

Ich erinnerte mich daran, wie ich ihn an jenem Tag, an dem er mich noch mit einem Dolch hinter der Sporthalle bedroht hatte, gefragt hatte, was die Ven in Little Falls taten.

Aber eine wirkliche Antwort hatte er mir nicht gegeben, naja, abgesehen von jagen.

»Nein«, erwiderte ich also schließlich.

»Du hast nur gesagt, dass ihr zum Jagen hier seid.«

Immer noch sah er mich nicht an, ich runzelte die Stirn. Was war denn auf einmal mit dem los?

Antworten tat er übrigens auch nicht. Also redete ich einfach weiter.

»Mein Rudel hat sich immer unauffällig benommen, seit mehreren Jahrzehnten haben wir niemanden mehr angegriffen, Little Falls stand nie in den Zeitungen oder so, wir haben extra Leute, die das überprüfen. Also? Warum Little Falls?«

Er stierte aus dem Fenster, seine Hände verknoteten sich ineinander, nur um sich im nächsten Moment wieder zu entknoten. Für einen Moment herrschte Stille, mittlerweile war ich vollkommen verwirrt.

»Alec?«

»Es ist spät.«

Perplex runzelte ich die Stirn. Dann kniff ich meine Augen zusammen.

Oh nein Mister, so kommst du mir nicht davon!

Nervig, und nebenbei unglaublich neugierig, wie ich nun einmal war, verschränkte ich die Arme vor der Brust und funkelte ihn böse an.

»Du weißt, dass ich nicht locker lassen werde, bis du es mir sagst?«, fragte ich und meinte es vollkommen ernst.

Alec schnaubte auf und verdrehte die Augen, während das Fenster immer noch sperrangelweit geöffnet war, was angesichts der Dunkelheit irgendwie gruselig war, ich hütete mich allerdings davor, das Alec zu verraten.

»Ja, ich weiß. Leider...«

Beinahe hätte ich nicht gehört, was er gesagt hatte. Doch zum Glück hatte ich mein Lykanthropen Gehör, das er nur allzu gerne vergaß.

»Also?«, hakte ich weiter nach und hob auffordernd die Brauen.

Alec seufzte, zuckte dann nüchtern mit den Schultern.

»Keine Ahnung, irgendwo ist halt irgendwas durchgesickert oder so, sowas passiert nun einmal Aruna.«

Das selbst ein Meerschweinchen auf Drogen glaubwürdiger geklungen hätte, wusste er aber selbst, oder?

Tiefe Furchen bildeten sich auf meiner Stirn, ich musterte ihn verwirrt, er sah mich immer noch nicht an, doch wie angespannt er war, konnte ich trotzdem sehen.

Langsam aber sicher wurde ich ziemlich misstrauisch.

»Okay, und jetzt die Wahrheit?«

Genervt seufzte Alec und verdrehte die Augen, während er sich die Schläfe rieb, als wäre ich furchtbar anstrengend.

Gut, vielleicht war ich das, aber das tat hier ja jetzt nichts zur Sache. Immerhin war das eine Sache, die ziemlich interessant und nebenbei auch wichtig wäre, zu erfahren.

»Du bist immer noch das nervigste Mädchen, das ich jemals kennengelernt habe«, grummelte Alec, ich spürte allerdings, dass er die Schilde langsam fallen ließ, bald hatte ich ihn.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Und trotzdem sitzt du mit mir hier.«

Das war das erste Mal, dass Alec den Blick hob, mich ansah. Seine Brauen wanderten höher und höher.

»Als hätte ich eine Wahl gehabt.«

Autsch.

Ich schnaubte beleidigt, dieses Mal war ich diejenige, die ihn nicht ansah.

»Hättest ja auch mit Lila oder so fahren können«, nuschelte ich irgendwie eingeschnappter, als ich sollte.

Ich meine, es war ja nicht so, als wäre er das erste Mal gemein zu mir und es war ebenfalls nicht so, als wäre ich nie gemein zu ihm gewesen. Aber trotzdem...

»Und wo hättest du dann hin gesollt? Auf Dauer wäre es in Wyoming zu gefährlich für dich gewesen, nach Little Falls konntest du schlecht zurück, das hätte nur weitere Schwierigkeiten bedeutet und alleine hätte ich dich ja auch nicht fahren lassen können, wer weiß, was in North Carolina ist.«

Er zuckte mit den Schultern, darauf antwortete ich nichts.

Und für den Moment hatte er mich so sehr abgelenkt, dass ich meine Frage vollkommen vergessen hatte. Für einen Moment saß ich einfach da und überlegte, worum es hier gerade überhaupt ging, während mich eine Gänsehaut überkam, da das Fenster kalten Wind hinein ließ und das bescheuerte T-Shirt nicht gerade darauf ausgelegt war, warm zu sein.

Und da fiel es mir wieder ein.

Ich verengte die Augen zu schlitzen, blitzte ihn böse an, auch wenn er ziemlich, ziemlich müde aussah.

Naja, kein Wunder, der Kampf mit den Ven war erst ein paar Stunden her.

Apropos Kampf mit den Ven, der Schnitt auf seiner Wange sah echt übel aus, auch wenn er bereits so weit geheilt war, dass man kein Blut mehr sehen konnte.

Obwohl ich beinahe befürchtete, Blut verlor langsam weiter und weiter seine Wirkung auf mich, was eigentlich total banal war, doch in letzter Zeit hatte ich einfach zu viel gesehen...

Eine Schocktherapie irgendwie.

Naja, aber das war hier in dem Moment nicht das Thema.

»Du versuchst abzulenken«, stellte ich einfach nüchtern fest, Alec schnaubte entnervt und rieb sich den Nasenrücken.

Für einen Moment schloss er die Augen.

»Können wir jetzt nicht einfach schlafen gehen, Nervensäge?«

Ich verdrehte die Augen über diesen mehr oder weniger neuen Spitznamen, der mir übrigens nebenbei bemerkt nicht wirklich gefiel.

»Nein«, erwiderte ich einfach hartnäckig und sah ihn auffordernd an, was ihn den Kopf vollkommen erschöpft in den Nacken legen ließ.

Ich blinzelte, hatte nun perfekte Sicht auf die Praes an seinem Hals.

Neben den anderen Formen und Mustern und Zeichen und Symbolen, war ganz klar die römische drei - das Zeichen des Can - und die römische zwei - das Zeichen des Vic - zu erkennen.

Und da war plötzlich die nächste Frage.

Ein nerviges Pochen in meinem Kopf, das ich nicht ignorieren konnte, das meinen Mund zwingen wollte, sich augenblicklich zu öffnen.

Wie war er Vic geworden?

Ich wollte es fragen, wollte es in diesem Moment unbedingt fragen, genau so gerne wie die Frage, warum er so viele Praes hatte, im Vergleich zu den anderen seiner Einheit, was passiert war, dass sie alle aufgetaucht waren, was er deshalb hatte tun müssen.

Doch ich konnte nicht.

Ich wusste, in dieser Nacht würde er nur noch eine Frage beantworten. Also, hoffentlich. Und die hatte ich bereits gestellt.

Resigniert seufzte Alec auf, während er immer noch gegen die Decke starrte.

»Du wirst nicht locker lassen, richtig?«, knurrte er mehr oder minder wütend.

In erster Linie war er wohl einfach erschöpft.

Ich schüttelte den Kopf.

»Nein, werde ich nicht«, bestätigte ich, ein erneutes, resigniertes Seufzen seinerseits.

»Du wirst mich für verrückt halten, wenn ich es dir sage.«

Ich hob eine Augenbraue. Verrückt? Wusste er überhaupt, wer hier neben ihm saß?

»Du weißt schon, mit wem du hier redest, richtig? Mit dem Mädchen, das Nacht für Nacht deiner toten Schwester hinterherrennt, nur, um dann von irgendeinem Nebel angegriffen zu werden und schreiend aufzuwachen.«

Ich hatte gedacht, diese Worte würden ihn wenigstens etwas beruhigen, ihm wenigstens etwas Mut machen, weiter zu reden, doch irgendwie erreichten sie genau das Gegenteil.

Beinahe verzweifelt raufte sich der Ven durch das tiefschwarze Haar, sah mit einem Mal noch viel erschöpfter aus, als sowieso schon.

»Aber genau das ist es doch«, seufzte er schließlich resigniert.

»Ally ist der springende Punkt, Aruna.«

Wie? Verwirrt runzelte ich die Stirn. Was meinte er damit?

Ich sagte nichts, wusste nicht was, sah ihn einfach fragend an.

Jetzt hatte er schon damit angefangen, da musste er es auch beenden.

Und das sah Alec offenbar in genau diesem Moment ein.

Seufzend ließ er den Kopf hängen, er konnte sich offensichtlich hunderte bessere Situationen vorstellen, als diese hier.

»Du willst also wissen, warum wir nach Little Falls gekommen sind?«

Ich nickte verwirrt.

Natürlich wollte ich das, sonst würde ich ja kaum fragen.

»Ich habe meinen Vater überredet, weil Ally es mir gesagt hat. Ich hatte absolut keine Ahnung, von Little Falls, wusste weder, dass es in Montana liegt, noch, dass dort eines der verdammt größten Rudel in Amerika lebt. Aber Aleyna hat es mir gezeigt, Aleyna meinte, wir müssten nach Little Falls.«

Okay. Gut. Jetzt war ich vollkommen verwirrt. Wovon redete er denn da? Was meinte er damit, dass Aleyna es ihm gesagt hatte?

Ich blinzelte ein paar Mal, dann räusperte ich mich.

»Ich verstehe nicht ganz...«, setzte ich unsicher an, mittlerweile waren wir wieder an dem Punkt angekommen, an dem er sich strikt weigerte, mich anzusehen.

»Ich auch nicht...«, murmelte Alec einfach, was mir ehrlich gesagt nicht wirklich weiter half.

Gott, verwirrte mich dieser Junge.

Wann hatte Aleyna es ihm gesagt? Wie? Wieso? Mit welcher Begründung sollte er nach Little Falls kommen?

»Wie...«, setzte ich unsicher an.

»Wie wäre es, wenn du von Anfang an erzählst?«

Alec schüttelte den Kopf, ich runzelte die Stirn, wollte schon wütend protestieren, doch da hob er plötzlich seine Hand, hielt sie mir auffordernd hin, stockte kurz, als könne er selber nicht glauben, warum er es jetzt tat, schüttelte dann ganz leicht den Kopf.

»Ich zeigs dir.«

Und wieder. Wieder bot er mir an, in seinem Kopf herumzuwühlen. Warum? Doch das war jetzt wohl nicht die richtige Frage, die ich stellen sollte.

Für einen Moment blinzelte ich noch auf seine Hand hinab, die er mir auffordernd entgegenstreckte, dieses Angebot allerdings abzulehnen, war zu keinem Zeitpunkt eine Option.

Ich meine, warum sollte ich?

Also hob ich meine Hand, legte sie unsicher in seine, sie war erstaunlich kalt und als sich seine Finger schließlich um meine Hand schlossen, machte ich die Augen zu.

Ein merkwürdiger Schauer überkam mich, ein noch merkwürdigeres Gefühl.

Und dann veränderte sich die Szene, bis das einzige, was mich daran erinnerte, dass ich noch einen Körper hatte, der Druck an meiner Hand war, den Alec ausübte.

Ich konnte sie zwar nicht sehen, eigentlich war ich erneut ziemlich körperlos, ich war wieder in die Position des stummen Zuschauers gerutscht, doch spüren konnte ich es.

Und dann manifestierte sich langsam die Umgebung um mich herum.

Ich blinzelte heftig.

Ich kannte dieses Bild.

Bekannte Gerüche, lieblich, unschuldig wie die hunderten, bunt erstrahlenden Blumen, die Wiese, die kein Ende zu nehmen schien, hellblauer, wolkenloser Himmel, die Sonne stand hoch am Himmel, schien warm hinab, es wehte ein ganz seichter Wind, der sich angenehm um einen legte.

Es war wunderschön.

Aleynas Himmel.

Was machte ich in Aleynas Himmel? Und da bewegte sich plötzlich etwas, beinahe automatisch wurde mein Kopf herumgedreht, mein Blick fiel auf ihn.

Alec.

Das schwarze Haar war wirr wie immer, die stahlgrauen Augen wirkten verwirrt und das perlmuttweiße Hemd, dazu die weiße Hose, schien absolut nicht zu ihm zu passen, es war, als wolle man einen Hasen in ein Tütü stecken.

Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Wenn Alec wüsste, dass ich ihn mit einem Hasen verglich...

Und dann stockte ich. Es war mir nicht einmal aufgefallen.

Mein Herz flatterte verwirrend, meine Augen weiteten sich, obwohl sie beide ja nicht einmal wirklich da waren, obwohl ich in dieser Erinnerung eigentlich körperlos war.

Trotzdem spürte ich es dieses Mal, mehr als sonst. Etwas war anders. Irgendwie.

Aber das war nicht wichtig. Nicht jetzt. Denn etwas anderes ließ meinen Atem stocken, forderte meine gesamte Aufmerksamkeit.

Denn Alec hatte keine Praes. Seine Haut war... rein.

Ohne einen einzigen, dunklen Strich, ohne das Zeichen des Can und ohne das Zeichen des Vic.

Doch das schien den Jungen nicht einmal zu stören. Er sah sich beinahe neugierig um, der Wind ließ sein Haar unordentlich herum wehen, sein Blick glitt einfach über mich weg, er sah mich nicht.

Und er wirkte beinahe... befreit. Er wirkte irgendwie... leichter.

Als lasteten die Praes wie schwere Gewichte auf seiner Haut und jetzt schienen sie verschwunden.

Und da verstand ich es. Er musste denken, dass das hier ein Traum war, dass er eigentlich schlief.

Und das warf eine neue Frage auf. Wenn es ihn nicht verwunderte, dass er keine Praes hatte... träumte er dann immer, dass sie einfach verschwunden waren? War er in seinen Träumen die Last der Praes los?

»Alec.«

Alec und ich wirbelten im gleichen Moment herum, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass meine Bewegung von ihm kam, und da stand sie.

Die schwarzen Locken umrahmten ihr rundes, rotwangiges Kindergesicht, die grauen Augen schienen geradezu zu erstrahlen, ihre rosigen Lippen hatten sich zu einem unendlich breiten Lächeln verzogen, die Hände hatte sie hinter ihrem kleinen Rücken verschränkt, wie Alec trug sie keine Schuhe, ihr weißes Kleid wehte leicht im Wind.

Alec blinzelte heftig, sah auf die junge Version seiner Schwester hinab, blinzelte noch einmal, sah sie vollkommen ungläubig an.

»Ally«, hauchte er, so voller Liebe, voller Sehnsucht, voller Trauer, voller Unglauben, voller Schmerz.

Es ließ mich erschaudern, ich spürte, wie der Gegenwart-Alec meine Hand fester drückte.

Er erlebte die Erinnerung ein zweites Mal mit.

»Ich freue mich, dich endlich wieder zu sehen«, grinste Aleyna, viel zu erwachsen für ein kleines Kind und trotzdem glänzten ihre grauen Augen in dieser gewissen Freude.

»W-Was?«, stotterte Alec, blinzelte heftig, schien nicht zu wissen, ob er nun auf seine Schwester zugehen sollte, oder nicht.

»Willst du dich hinsetzen?«, fragte Ally und deutete einladend auf die Wiese, wie sie es mir vor Wochen schon einmal angeboten hatte.

Alec blinzelte verdattert auf den Boden hinab, ließ sich dann allerdings doch vollkommen überrumpelt fallen, während Ally auf ihn zukam und sich vor ihn setzte, ihn beinahe fasziniert ansah.

»Weißt du eigentlich, wie groß du geworden bist Al?«

Ich kannte diesen Satz. Und aus irgendeinem Grund ließ mich diese Tatsache schwer schlucken.

Alec schien genau so verwirrt wie ich damals, als ich Aleyna zum ersten Mal getroffen hatte. Naja, nur mit dem Unterschied, dass sie ihm nicht als erstes als gruselige Wasserleiche erschienen war.

Er blinzelte heftig, musterte seine Schwester, sah sie an, als wolle er den Blick nie wieder von ihr abwenden.

Aleyna seufzte, sah kurz in den Himmel, als würde sie etwas sehen, was Alec und ich nicht sehen konnte, dann stützte sie ihren Kopf auf den Händen ab, legte ihn leicht schräg und betrachtete Alec.

Sie betrachtete ihn lange, als wolle sie sich jedes Detail einprägen, ein leichtes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, während Alec selbst immer noch vollkommen überrumpelt schien, nicht in der Lage, etwas zu sagen.

»Ich habe dich sehr vermisst, weißt du das?«, seufzte Ally schließlich, es war, als hätte sie ihn geschlagen, er zuckte zurück.

Und dann brach es aus ihm heraus.

»Es tut mir so unendlich leid Ally, ich wollte dir helfen, ich hätte dich nicht so schnell aufgeben dürfen, ich hätte etwas unternehmen müssen, ich hätte das alles verhindern müssen und...«

»Alec.«

Alec verstummte, seine Schwester sah ihn mahnend an, als wolle sie nicht hören, was er da gerade sagte.

»Wir waren so jung, du warst so jung, du hättest nichts gegen ihn ausrichten können. Er wollte, dass ich sterbe, also bin ich gestorben.«

Vollkommen verwirrt blinzelte er Aleyna an, Alecs Mund öffnete sich, schloss sich, dann öffnete er sich wieder.

»Wer ist er?«, hauchte er, ich spürte seine Verwirrung, seine Trauer, seine Aufgewühlheit, die Gefühle lasteten schwer auf meiner Schulter.

Aleyna seufzte.

»Ich fürchte«, murmelte sie und strich über eine gelbe Blume, die sich beinahe liebevoll an ihr Bein schmiegte, »dass ich dir diese Sache nicht verraten kann. Ihr müsst es selber herausfinden.«

Alec runzelte die Stirn, sah seine Schwester vollkommen verwirrt an.

»Ihr?«, fragte er.

»Mik, die anderen und ich?«

Aleyna schüttelte den Kopf.

»Nein«, meinte sie lächelnd.

»Du und sie.«

Alec schüttelte unwissend den Kopf.

»Ich verstehe nicht, wen meinst du mit sie?«

Wieder dieses sanfte Lächeln auf Aleynas Lippen.

»Das musst du selber herausfinden. Ich darf nur den Anstoß geben.«

Sie hob ihre linke, kleine Hand, streckte ihren Finger aus und ließ ihn durch die Luft gleiten. Er hinterließ einen merkwürdigen, goldenen Schimmer, der mich vollkommen in seinen Bann nahm.

Und dann stockte mir der Atem.

Langsam, ganz langsam, erschien Little Falls.

Die Schule, der eine, klitzekleine Supermarkt, die Straßen, die keinen Bürgersteig zu besitzen schienen.

Und da lächelte Aleyna wieder, während Alec das Dorf vollkommen verwirrt betrachtete.

»Was...?«, wollte er ansetzen, Ally allerdings unterbrach ihn.

»Little Falls. Du und die anderen, ihr müsst nach Little Falls.«

Alec schüttelte vollkommen verwirrt den Kopf, seine Hand streckte sich nach der Abbildung des Dorfes aus, die wie ein glänzender Schleier aus Nebel über uns schwebte.

»Aber warum?«, hauchte er beinahe fasziniert, irgendwie vollkommen gebannt von Little Falls, als würde er in diesem kleinen Dorf etwas sehen, was ich nicht sehen konnte, ein Gefühl.

»Na wegen ihr.«

Aleynas Stimme war nicht einmal verklungen, da traf ihr Blick plötzlich auf mich, ich zuckte verwirrt zurück, Alecs Hand drückte fester zu und da erfasste mich plötzlich eine unendliche Schwere, als würde ich hinab sacken, Aleynas Blick durchbohrte mich, sie sah in meine Seele, ließ mein Herz stocken und dann stand ich plötzlich dort, mein weißes Kleid wehte in dem immer mehr aufkommenden Wind, meine Haare stoben wirr in alle Richtungen, für einen Moment bekam ich keine Luft, denn dann stand ich dort, denn dann gruben sich meine Füße in den weichen Untergrund, denn dann war ich in Alecs Erinnerung abgetaucht.

»Schön, dich wiederzusehen«, murmelte Ally, ich stand vollkommen stocksteif da, Alec drehte sich um, runzelte verwirrt die Stirn, sein Blick glitt einfach durch mich hindurch.

Er sah mich nicht. Aber Aleyna tat es, tat es und lächelte glücklich.

»Mit wem redest du?«, fragte Alec verwirrt, runzelte die Stirn, beugte sich vor, als könne er so sehen, was Aleyna sah.

Ich war gelähmt.

Für einen Moment betrachtete das kleine Mädchen mich noch, lächelte, ich stand vollkommen erstarrt da, wusste nicht, was ich tun sollte, wusste nicht, was hier geschah, verstand diese Gefühle nicht, die mich auf einmal überkamen, wusste nicht, ob sie nun zu mir gehörten oder nicht.

Und dann wandt Aleyna ihren Blick plötzlich ab, sah in die Ferne, der Wind wurde stärker und auf einmal erreichten uns die Blätter, die in dutzendne Orangetönen erstrahlten, wirbelten um unsere Körper herum, rissen mich langsam davon, alles passierte mit solch einer banalen Plötzlichkeit.

»Der Herbst kommt«, murmelte Aleyna verträumt, ich konnte nichts mehr sehen, die Farben wirbelten um mich herum, ich hörte, wie Alec etwas rief, als wolle er noch nicht gehen, wie ich damals selbst nicht hatte gehen wollen und dann wurde ich plötzlich mit voller Wucht in die Realität zurück geschleudert, schwer atmend beugte ich mich nach vorne, keuchte, war vollkommen geschockt über das, was ich dort gesehen hatte.

Wieso hatte er es mir nicht gesagt?

Aleynas Himmel, diese merkwürdigen Andeutungen, die sie gemacht hatte? Wieso? Wieso hatte er es mit keinem Laut erwähnt? Und warum jetzt? Warum so plötzlich?

Mein Schädel brummte.

Für einen Moment blieb es vollkommen still, keiner sagte etwas, ich spürte, wie seine Hand zitterte.

Dann sah ich keuchend auf, Strähnen meines roten Haares fielen mir vors Gesicht.

Mein Blick traf ihn, er saß da, seine Miene schien vollkommen starr, sein Kiefer bebte, er sah mich nicht an, starrte stumm an mir vorbei.

Und dann ertönte plötzlich seine Stimme, leise und doch irgendwie so laut, kalt und dann doch nicht, nüchtern, dann wieder nicht.

»Deshalb«, meinte er, langsam lösten sich seine Finger von meiner Hand, er sah mich immer noch nicht an, »habe ich dich nicht getötet.«

Verwirrt blinzelte ich ihn an, richtete mich langsam wieder auf, für einen Moment war ich noch zu benommen, um zu verstehen, was er da sagte.

Ich war zu überrumpelt von dieser Plötzlichkeit der Informationen.

»Ich habe dich nicht getötet, weil Aleyna vielleicht dich hätte meinen können.«

Das war der Grund. Hinter all dem steckte Aleyna.

Aleyna hatte uns zusammengebracht, Aleyna hatte dafür gesorgt, dass wir uns nicht gegenseitig abmurksten, wegen Aleyna waren wir jetzt auf dem Weg nach North Carolina.

Wegen einem Mädchen, das vor mehr als einem Jahrzehnt gestorben war.

Vollkommen verwirrt, vollkommen benommen, schüttelte ich den Kopf.

»Aber ich verstehe das nicht... Warum? Warum wollte Aleyna, dass du nach Little Falls kommst? Warum ich? Und warum hast du mir das alles nicht schon viel früher erzählt? Warum nicht damals, als ich dir erzählt habe, wie ich in Allys Himmel war?«

Alec rieb sich die Schläfe, sah mich immer noch nicht an.

»Du stellst wieder viel zu viele Fragen«, seufzte er müde.

Ich erwiderte nichts, wartete auf seine Antwort.

Ich meine, warum hatte er es nicht erzählt? Ich hatte ihm von Aleyna erzählt, warum hatte er mich selbst dann noch angelogen, warum hatte er mir verschwiegen, dass er selbst einmal in Allys Himmel gewesen war, warum hatte er mir nie von diesen unglaublich merkwürdigen Andeutungen Seitens Aleyna erzählt, warum hatte er mir all diese Zusammenhänge verschwiegen?

Und warum erzählte er es mir jetzt, wenn er es doch damals noch verschwiegen hatte? Warum so plötzlich?

Es machte doch alles keinen Sinn. Ich wurde absolut nicht schlau aus diesem Jungen...

Schließlich zuckte Alec einfach mit den Schultern.

»Darum«, antwortete er bloß und erhob sich dann, um das Fenster mit mehr Schwung, als es nötig gewesen wäre, zuzuschlagen, während ich vollkommen verdattert auf dem Bett sitzen blieb und ihn anstarrte.

»Und wenn du nichts dagegen hast, würde ich jetzt gerne schlafen gehen.«

Hey. Ich wollte nur einmal kurz bescheid sagen, dass ich nicht weiß, wie regelmäßig ich bis nächste Woche Donnerstag updaten kann, weil ich noch ziemlich viel für die Schule machen muss. Morgen wird denke ich ein Kapitel rauskommen, aber wie das mit Montag, Dienstag und Mittwoch aussieht, weiß ich noch nicht. Nur damit ihr bescheid wisst :)

LG

Alou :)

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