Aruna - Die Rote Wölfin

By Alounaria

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Aruna wächst behütet im Pacem Pack auf, geschützt durch das Dasein einer Alphatochter. Doch das Mädchen ist... More

Das kleine Handbuch für Inbecillis - Lykanthropen
Das kleine Handbuch für Inbecillis - Venatores Aequitatis
Das kleine Handbuch für Inbecillis - Sanguisuga
Arunas Handbuch
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Das Ende - 2. Teil, Danksagung und Meinungen
Bilder & Steckbriefe (Danke ♥ )
Bilder ♥
2. Teil

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By Alounaria

Mein Herz hämmerte immer noch wie wild gegen meine Brust als ich die Sporthalle endlich hinter mir ließ.

Während ich über den nun komplett leeren Schulhof hastete, vorbei an der Eiche, kniff ich die Augen zusammen. Der Klos in meinem Hals wurde immer größer.

Wenn du jetzt anfängst zu heulen, bring ich dich um!

Ich schluckte schwer und blinzelte heftig.

Kurz vor dem Eingang der Schule blieb ich schließlich stehen. Ich konnte nicht verhindern, dass ich anfing zu zittern.

Gut, ja verdammte Scheiße!

Der Junge hatte mir verdammt noch mal Angst gemacht! Aber wie sollte er auch nicht? Er war immerhin ein Ven.

Beruhig dich!

Langsam holte ich Luft und versuchte mich zu sammeln.

Würde ich in die Klasse kommen und anfangen zu heulen, kämen Fragen auf. Ich war eh schon mindestens zwanzig Minuten zu spät, den Moment konnte ich mir also auch noch nehmen.

Verstohlen blickte ich über meine Schulter, doch da war niemand. Keine stahlgrauen Augen, die mich anstarrten. Nichts.

Langsam klärte sich mein Kopf wieder, ich seufzte. Vielleicht würde ich es jetzt schaffen, dem Unterricht beizuwohnen, ohne einen hysterischen Anfall zu bekommen.

Mit aufkeimender Übelkeit zog ich die Ärmel meines Pullovers noch ein Stück herunter. Die Stelle, an der er mich berührt hatte, sah nicht gut aus. Ganz und gar nicht gut, auch wenn sie so gut es eben ging geheilt war.

Trotzdem war da dieses Blut und die verätzte Haut und... und wenn ich weiter so hinauf starrte, würde ich mit Sicherheit umkippen.

Also wandt ich meinen Blick ab, kämpfte kurz mit dem Schwindel und stieß dann die Tür auf.

Gott war ich eine Memme.

In der Schule war es kälter als Draußen und ich schlang unwillkürlich die Hände um mich. Auch wenn ich mir sicher war, dass das nicht nur an der Kälte lag.

Eilig hastete ich auf die Pläne zu, die wie jedes Jahr in der Eingangshalle hingen und suchte die Pläne meines Jahrgangs nach meinem oder Bens Namen ab.

Es war nämlich so, dass Ben und ich immer in einer Klasse waren, da er diese Gewohnheit brauchte. Ich war ehrlich gesagt froh drum.

Und tatsächlich hoben sich meine Mundwinkel ein wenig, als ich daran zurück dachte, wie der 14-Jährige Ben den verdutzen Direktor in Grund und Boden diskutiert hatte, bis der seine Einwilligung gegeben hatte.

Und da entdeckte ich ihn endlich.

Benvenuto De Angelis

Und direkt darüber mein Name.

Aruna Davis

Ja, okay, Davis hieß ich nicht wirklich, aber immerhin brauchte ich einen Nachnamen.

Tochter des Alpha würde vielleicht etwas merkwürdig kommen und so hatte sich Dad eben diesen Namen ausgedacht.

Hastig glitt mein Blick über die Liste, bis er an der Raumnummer hängen blieb.

628b

Ich raffte meine Tasche und lief dann eilig los. Der Raum war im zweiten Stock, so viel wusste ich.

Meine Schritte hallten fast unheimlich in der Halle wieder, als ich die Treppe hinauf rannte und kurz bevor ich in den langen Flur einbog, sah ich noch aus dem Augenwinkel, wie eine groß gewachsene Person die Schule betrat.

Beinahe hätte ich erleichtert ausgeatmet.

Keine Sekunde zu früh. Ich konnte gut und gerne darauf verzichten, ihm heute ein zweites Mal zu begegnen.

Meine Augen fuhren über die Schilder an den Klassenräumen und ich wartete nur darauf, dass irgendein miesepetriger Lehrer aus seinem Klassenzimmer gewütet kam und mich anzublaffen, gefälligst nicht so laut zu trampeln.

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628b

Endlich. Schlitternd kam ich vor dem Raum zu stehen und hob schon meine geballte Hand, um zu klopfen.

Doch dann hielt ich inne.

Warum hieß der Raum eigentlich 628b? Sonst hatte ich auch keine Buchstaben an den Räumen gesehen. Aber das war jetzt vermutlich unwichtig.

Gott, ich würde sowas von Ärger bekommen!

Ich holte tief Luft und klopfte dann.

»Herein?«, ertönte eine dunkle Stimme.

Ich hatte kaum Zeit, mich zu wundern. Das war definitiv nicht die alte Mrs. Jones.

Dann öffnete ich zaghaft die Tür und bemühte mich, ein möglichst wehmütiges Gesicht aufzusetzen.

Als ich die Person, die lässig an das Lehrerpult gelehnt dastand, allerdings erblickte, wäre ich am liebsten kreischend und mit den Händen wild umherfuchtelnd wieder weggerannt.

Ich glaubte jedoch, dass das möglicherweise etwas... auffällig wäre.

Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass mir meine Gesichtszüge entglitten. Alles in mir schien zusammenzusacken, jegliche Erleichterung, Alec loszusein, schien geradezu aus mir heraus gesaugt zu werden.

Fragend sah mich der Junge Mann an.

Ein Ven.

Praes, überall auf seinem Körper verteilt und dieser unverkennbare, muskulöse Körper. Die Berechnung in seinen Augen.

Scheiße verdammt! Scheiße!

Fragend hob er eine seiner Brauen und musterte mich, als müsser er abwägen, was er von meinem Anblick zu halten hatte. Natürlich blieb die Narbe nicht unbebemerkt. Das blieb sie nie.

Unwillkürlich wollte meine Hand nach meinem Amulett greifen, doch in letzter Sekunde besann ich mich und bemühte mich, möglichst gerade da zu stehen. Auch wenn ich mich am liebsten jetzt einfach nur noch auf den Boden schmeißen würde.

Ich bemühte mich, ihn interessiert, aber nicht zu interessiert zu mustern.

Logisch, oder?

Als wäre ich einfach nur überrascht über einen neuen Lehrer. Wie alle normalen Schüler.

Er war jung. Vielleicht Anfang dreißig. Die braunen Haare waren kürzer, als Alecs und seine Augen waren blau, nicht Stahlgrau.

Im nächsten Moment schallt ich mich selbst.

Wieso denkst du denn jetzt an den verdammten Idioten?

Der war hier ja wohl jetzt vollkommen unwichtig und...

»Ja?«, riss mich der neue Lehrer, der Ven, schließlich aus meinen Gedanken.

Ich zuckte zusammen. Alle starrten mich an.

»Eh... ja... ehm entschuldigen sie die Verspätung, ich habe verschlafen«, stammelte ich und hätte mich unter seinen brennenden Blick am liebsten hin und her gewunden.

Er kann es nicht wissen Aruna! Verhalt dich normal!

Naja, so normal es eben in meinem Fall ging.

Er runzelte die Stirn.

»Name?«, fragte er.

Verzweifelt versuchte ich, meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Konnte er ihn hören? Ich wusste, dass das Gehör der Ven unglaublich gut war. Aber so gut?

»Ehm, Aruna... Aruna Davis«, nuschelte ich.

Ach komm, langsam wurde das echt lächerlich! Ich benahm mich ja wie ein kleines Kind...

Also bemühte ich mich, ihn möglichst neutral anzusehen. Auch wenn meine Hände zitterten. Ich verknotete sie vor meinem Körper.

Sein Blick huschte kurz über eine Liste, vermutlich die der Namen, dann nickte er.

»Gut, dann setzen sie sich Miss Davis. Und so etwas sollte besser nicht noch einmal vorkommen.«

Sein Tonfall war tadelnd und dann klang da trotzdem dieses leichte, gelassene Grinsen heraus. Er verwirrte mich.

Sein Blick verwirrte mich.

Aber er konnte es nicht wissen...

Ich nickte bemüht reumutig und hastete dann mit angehaltenem Atem auf Ben zu, der ungewöhnlich blass wirkte und uns wie immer den mittleren Platz am Fenster gesichert hatte.

Ich spürte den Blick des neuen Lehrers wie brennende Kohlen auf meinem Rücken. Diese verdammte Gänsehaut konnte ich nicht verhindern.

Aus dem Augenwinkel sah ich Eliza, ebenfalls Lykanthrop.

Gut, wir waren so viele, da war es kaum vermeidbar, dass zwei von uns in eine Klasse kamen. Und ich kannte sie kaum, deshalb war es wohl so gehandhabt worden.

Auch sie wirkte unglaublich nervös. Trotzdem starrte sie bemüht gleichgültig an die Tafel, auch wenn ich den kurzen Blick, den sie mir zuwarf bemerkte. Als würde sie um Rat fragen wollen, den ich ihr nicht geben konnte.

Sie wirkte blasser als sonst.

Bis ich an meinem Platz war, verfolgten mich ihre Blicke noch, dann allerdings schauten sie wieder gebannt nach vorne.

Sie alle schienen beinahe verzückt von dem neuen Lehrer.

Wie Ylva gesagt hatte, besondere Ausstrahlung.

Wäre ich kein Lykanthrop, so könnte er wohl tatsächlich wie jemand wirken, dem man als Lehrer seine bedrückten Gedanken erzählen wollte. Vielleicht, um nach Rat zu fragen. Es schauderte mich.

Erst, als ich mich neben Ben fallen ließ, atmete ich wieder aus.

Zu meiner Überraschung interessierte sich der Ven kaum mehr für mich, sondern erklärte unbeirrt irgendetwas über irgendwelche mathematischen Formeln.

Auch wenn ich diesen merkwürdigen Blick ab und zu noch auf mir spürte. Allerdings nicht so oft, dass ich mir hätte Sorgen machen sollen.

Okay, vielleicht versuchte ich auch einfach, es zu verdrängen.

Besorgt sah ich Ben an. Er saß verkrampft da und hatte die Hände in sein Hemd gekrallt und die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich leise und sah ihn vorsichtig an.

Sein Blick traf meinen.

»Warum lügst du?«

Ben war sauer, das wusste ich. Sauer und vollkommen aus seinem Konzept gebracht. Beinahe verzweifelt.

»Warum musstest du auf einmal weg?«

Und dann brach es aus ihm heraus wie ein kalter Wintersturm.

Seine Augen glühten vor Empörung.

»Erst lässt du mich alleine unter der Eiche stehen, dann musste ich alleine zu den Plänen und den Raum alleine finden und plötzlich dieser neue Lehrer. Alles neu!«, am Ende überschlug sich seine Stimme und während ich immer mehr in mich zusammen sank, wurde seine Stimme lauter und lauter.

»Das bringt alles durcheinander! Das ganze System! Du weißt das Aruna und...!«

Er redete sich immer weiter in Rage, die ersten drehten sich zu uns um.

»Beruhig dich Ben!«, drängte ich leise, meine Augen huschten wieder und wieder nach vorne.

Wenn der Ven etwas bemerkt hatte, ließ er sich nichts anmerken.

»Ich beruhige mich nicht! So machen wir es jedes Jahr! Du weißt das! Das ist unser Plan!«

Er wollte weiter reden, doch diesmal unterbrach ich ihn harsch.

»Benvenuto! Beruhig dich!«

Ich wusste, würde ich jetzt nicht eingreifen würde er mit Sicherheit einen Anfall bekommen. Aber echt. Das war alles zu viel für ihn.

Er zuckte zusammen, selbst er wusste, was es bedeutete, wenn ich ihn bei seinem ganzen Namen nannte, und beinahe sofort bereute ich die Lautstärke, in der ich gesprochen hatte.

»Wollen sie uns etwas mitteilen, Miss Davis?«, ertönte die missbilligende Stimme des Ven.

Und trotzdem war da diese Leichtigkeit, dieses Grinsen.

Auf die Anderen musste es symphatisch wirken. Mir machte es Angst.

Ich schluckte schwer und blickte nervös nach vorne.

»N-Nein. Tut mir leid«, krächzte ich kleinlaut und atmete erleichtert aus, als er sich wieder umdrehte, um irgendeine Formel an die Tafel zu schreiben.

Ben starrte nun wieder nach vorne, doch ich spürte seine Unruhe immer noch klar und deutlich.

»Hör zu Ben. Es tut mir wirklich leid, okay? Ich erklär dir alles in der Pause, ja?«

Für einen Moment dachte ich, er hätte mich nicht gehört, doch dann nickte er schließlich.

Erleichtert atmete ich aus. Im Moment hatte ich echt genug Probleme, (eines davon stand in eben diesem Moment vorne und unterrichtete meine Klasse) da konnte ich einen eingeschnappten Ben nicht gebrauchen.

»Er heißt Mr. Callahan. Mrs. Jones ist im Ruhestand, er ist unser neuer Klassenlehrer und unterrichtet Mathe und Philosophie. Und du erklärst mir gleich auch, warum alle ihn so anstarren, einschließlich dir«, sagte Ben dann plötzlich, sein Blick immer noch starr nach vorne gerichtet.

Geschlagen senkte ich den Kopf.

Na toll. Das hatte Ben also bemerkt? Ernsthaft?!

Er musste über die Sommerferien geübt haben.

Und während die ersten paar Stunden quälend langsam verstrichen - in der meisten Zeit versuchte ich mich irgendwie vor den Blicken eines bestimmten Lehrers zu verstecken - überlegte ich fiebrig, welche Lüge ich Ben auftischen sollte.

Dem Unterricht konnte ich beim besten Willen nicht folgen, nicht einmal, wenn ich gewollt hätte und auch als wir in die Mittagspause gingen, konnte ich mich kaum konzentrieren. Ich wollte jetzt einfach nur nach Hause. Ehrlich.

Natürlich hatte Ben seine Frage nicht vergessen (er vergaß nie etwas).

Aus meinem Plan, mir eine grandiose Lüge auszudenken, wurde allerdings absolut nichts. Ich tischte ihm eher halbherzig die Lüge von Familienproblemen und verstimmten Verwandten auf.

Grandios, ich weiß.

Und auch er schien nicht gerade überzeugt.

Auf Mr. Callahan ging ich gar nicht erst ein und Ben ärgerte es fürchterlich, wie schweigsam ich da saß und in meinen Nudeln stocherte.

Auch Coles und Ezas besorgte Blicke halfen da nicht (sie sollten gefälligst nicht so auffällig zu mir schauen!) und ich war nur heilfroh, dass ich in der Pausenhalle nirgendwo einen verdammten Ven sah.

Zum Ende des Tages, begann Ben sich tatsächlich Sorgen zu machen, was ihm ganz und gar nicht ähnlich sah.

Einfühlungsvernehmen besaß er nämlich eigentlich genau so viel, wie ungeordnete Kleidung. Also gar nicht.

Und daher überraschte es mich unglaublich, als er mich schließlich in der letzten Stunde bei Mrs. Parker darauf ansprach.

»Okay, ich bin vielleicht nicht gut darin, aber sicher, dass alles ok ist? Mit dir meine ich?«

Unsicher sah er mich an, als wolle er fragen, ob er richtig gerechnet hatte.

Menschen waren eben keine Maschinen, die nach bestimmten Schemata handelten und genau das bereitete Ben solche unglaublichen Schwierigkeiten.

Ich rang mich zu einem kleinen Lächeln durch, auch wenn mein Kopf immer noch brummte. Kein Wunder bei den ganzen Gedanken...

Die konnten einen ja nur verrückt machen.

»Ja, alles gut Ben. Bin nur etwas müde, schließlich ist das unser erster Schultag nach den Ferien.«

An seinem nachdenklichen Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er überlegte, mir einen Vortrag darüber zu halten, dass genau das der Grund sei, warum er um punkt 20:30 schlafen ging, doch anscheinend war er heute gnädig gestimmt und verschonte mich.

Vorsichtig, beinahe unsicher, lächelte er zurück, hin und her gerissen, ob er dem glauben schenken konnte.

Aber er war eben Ben. Also nickte er leicht.

»Gut.«

Und wenn Ben »gut« sagte, dann meinte er es ganz genau so. Er konnte nämlich nur schlecht damit umgehen, wenn mich etwas bedrückte, wusste dann nie, was er sagen sollte.

Dann galt seine volle Aufmerksamkeit wieder dem Musikunterricht. Er mochte Musik. In ihr konnte man nämlich immer ein System erkennen, meinte er.

Ich musterte ihn kurz und diesmal lächelte ich ehrlich, während ich sein Profil beobachtete.

Wie er konzentriert die Brauen zusammenzog und ganz gerade da saß, darauf achtete, ja nichts zu verpassen und alles mitzuschreiben.

So anstrengend Ben manchmal auch sein konnte, er war ein liebenswerte Mensch.

Er hatte Macken und Fehler, aber er war ehrlich und aufrichtig und ich war froh, ihn in meinem Leben zu haben.

Das Klingeln der Schulglocke ließ mich zusammenzucken und ich stöhnte erleichtert auf.

Endlich.

Ohne zu zögern packte ich meine Sachen zusammen.

»Ich möchte mich jetzt einfach nur noch hinlegen«, teilte ich Ben mit, während ich darauf wartete, dass er seine Hefte verstaute.

Langsam hob sich meine Laune wieder.

Kein Alec, kein Mr. Callahan, einfach Ruhe. Dass ich meinen Eltern alles berichten musste, verdrängte ich. Noch.

Verwirrt sah Ben mich an.

»Auf den Boden?«, fragte er ehrlich verdutzt.

Grinsend schüttelte ich den Kopf.

»Nein, natürlich in mein Bett, du Idiot.«

Mittlerweile hatte er verstanden, dass ich ihn nicht Idiot nannte, weil ich ihn für dumm hielt. Hatte ja auch nur zwei Jahre gedauert.

Ben runzelte die Stirn.

»Aber was ist mit dem Treffen der Kunst-AG? Wegen diesem Waldprojekt?«

Och nein...

Das hatte ich komplett vergessen...

Ich hatte mindestens vier Wochen auf Ben eingeredet, bis er sich endlich dazu bereit erklärt hatte, mit mir an der AG teilzunehmen.

(»Warum sollte ich da mitmachen? Ich mag Kunst nicht mal. Das verstehe ich nicht.«

»Das nennt man solidarität zu Freunden, Ben.«

»Das verstehe ich auch nicht.«)

Eigentlich hatte ich selber auch gar nicht an diesem bescheuerten Kunstprojekt teilnehmen wollen, (genau wie Ben mochte ich Kunst nicht einmal wirklich) aber ich musste.

Sie gingen nämlich in den Wald und meine Aufgabe bei dem Ganzen, war es, sie von unserem Dorf fernzuhalten - wenn sie überhaupt so weit vordringen würden. Genial, oder...?

Ich wusste auch nicht, warum der Rat gerade mich dazu verdonnert hatte, aber so war es jetzt nun einmal.

Und sobald ich es endlich geschafft hatte, Ben zu überreden, (fragt mich nicht, wie ich das hinbekommen  habe) hatten wir uns angemeldet. Natürlich musste das erste Treffen direkt am ersten Schultag stattfinden...

Darauf hatte ich ja jetzt mal sowas von keine Lust... Ich konnte mir ein dutzend Dinge vorstellen, die ich in dem Moment lieber gemacht hätte...

Sofort sackten meine Schultern in sich zusammen.

»Ach ja«, murrte ich wenig begeistert, während wir die Treppe hinab liefen.

»Ich dachte, du freust dich?«

Verwirrt sah Ben mich an. Ich zuckte mit den Schultern.

»Keine Ahnung. Bin eben müde.«

Zum zweiten Mal an diesem Tag trat ich an die Pläne und suchte die Listen mit den AGs und Projekten ab.

Falls Forrest Kunstprojekt – Raum 628b

Ich stöhnte auf.

»Na toll«, beschwerte ich mich und duckte mich dann ruckartig hinter Ben weg.

Gut, das war vielleicht ein wenig auffällig, aber ich konnte mir einfach nicht helfen. Es war beinahe ein Reflex gewesen.

Fünf Personen durchquerten in eben diesem Moment die Eingangshalle und unterhielten sich gelassen.

Sofort ging das Getuschel los, eine Gänsehaut legte sich über meine Arme und ich spürte die knisternde Anspannung der Lykanthropen.

Die Ven.

Aber keine Spur von Mik oder Alec.

Komisch, sie sollten doch eigentlich...?

»Kannst du mir jetzt vielleicht mal sagen, was du mit denen zu tun hast? Mr. Callahan hatte doch auch diese schrägen Tätowierungen und den hast du auch so komisch angestarrt«

Ben klang fast genervt und ich musste erst ein paar Mal blinzeln, bis seine Worte zu mir durchdrangen.

Unsicher räusperte ich mich und richtete mich langsam wieder auf, peinlich berührt strich ich mir das Haar zurück.

Okay, jetzt musste mir schleunigst etwas einfallen, damit Ben nicht komplett misstrauisch wurde.

»Ehm ja... schräge Geschichte. Die sind doch neu nach Little Falls gezogen und ich hab mit meinem kleinen Bruder Fußball gespielt und dann ist der in ihr Fenster geflogen und...«

Ich stockte.

Wow. Selbst in meinen Ohren klang diese Ausrede absolut dämlich.

Ben wusste übrigens, dass ich Geschwister hatte. Aber mehr nicht. Ich erzählte kaum etwas, aus Sicherheitsgründen, versteht sich.

Und er fragte nicht, auch ich wusste ja kaum etwas über seine Familie. Er hatte einen großen Bruder, aber mehr...

»Hast du dich denn nicht entschuldigt?«, fragte Ben überrascht.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Bin weggerannt«, nuschelte ich.

Glaubwürdig...

Aber Ben schien es nicht zu bemerken.

Und während wir uns wieder auf den Weg zu unserem Klassenraum machten, hielt er mir einen Vortrag über Höflichkeit und was ich hätte machen sollen, anstatt wegzurennen.

Ich hörte ihm nur halbherzig zu, war einfach erleichtert, dass er die Lüge schluckte. Ehrlich. Das hätte einiges komplizierter machen können. Nicht, dass es so nicht schon kompliziert genug gewesen wäre...

Ben plapperte immer noch unbeirrt weiter und öffnete die Tür des Klassenzimmers, in dem sich bereits ein paar Leute leise unterhielten.

Dann erstarrte ich.

Ben merkte es nicht einmal. Während ich stehen blieb, ging er einfach weiter.

Da saß er. Genau auf dem Platz, auf dem ich immer saß.

Alec. Und direkt neben ihm Mik.

Verdammt, was machten die denn hier?!

Und im gleichen Moment wusste ich die Antwort. Mit Sicherheit interessierte sie Kunst genau so wenig wie Ben oder mich. Sie wollten in den Wald.

Jetzt war es offiziell. Das Leben hasste mich.

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